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Published Online:https://doi.org/10.1024/0044-3514.36.4.161

Zusammenfassung: Wie verändern sich Zeugenaussagen in Anwesenheit von Publikum (z. B. vor Gericht)? Vor dem Hintergrund einschlägiger sozialpsychologischer Forschung (Zajonc, 1965) wurde die Vermutung überprüft, dass vor Publikum mehr zentrale und weniger periphere Details beobachteter Ereignisse berichtet werden als ohne Publikum. Dazu beobachteten Studierende vier kurze Videoszenen, und eine Woche später wurde die Aussageleistung (freie Wiedergabe) bei Einzelbefragung mit der Aussageleistung in einer gerichtsähnlichen Situation mit einer befragenden und vier beobachtenden Personen verglichen. Zentrale (periphere) Details wurden als solche mit einer hohen (geringen) allgemeinen Auftretenshäufigkeit operationalisiert. Eine ausführliche Inhaltsanalyse der freien Wiedergaben bestätigte die vermuteten Unterschiede zwischen den Befragungsbedingungen, auch dann, wenn nur die korrekten Details berücksichtigt wurden. Als spekulative Erklärung wird eine Beeinflussung von Abrufprozessen infolge der Ablenkung durch das Publikum vorgeschlagen. Mögliche Implikationen für die Nützlichkeit von Zeugenaussagen vor Gericht, deren wahrgenommene Glaubhaftigkeit sowie für die Befragungspraxis werden diskutiert.


Abstract: How is eyewitness testimony affected by the presence of an audience (e.g., in a court of law)? Relevant social psychological research (Zajonc, 1965) leads to testing the hypothesis that people will report more central and less peripheral details in the presence of an audience, compared to a no-audience condition. Students watched four short video sequences and freely recalled them one week later, either in an individual questioning condition or in a courtroom-like situation with one questioning and four observing persons. Central (peripheral) details were operationalized as details with a high (low) overall frequency of reporting. A content analysis of the recall protocols supported the hypothesized differences between the questioning conditions. This also held true if only correct details were considered. As a speculative explanation, I suggest that retrieval processes are affected as a consequence of being distracted by the audience. Possible implications for the utility of eyewitness testimony in court, its perceived credibility, and for eyewitness interrogation are discussed.

References