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Originalarbeit

Die Bedeutung auditiver Wahrnehmungsschwächen für die Pathogenese der Lese-Rechtschreibstörung

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917.32.1.19

Zusammenfassung:Fragestellung: Als mögliche Ursache einer Lese-Rechtschreibstörung werden auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) angenommen und Trainingsverfahren zur Verbesserung auditiver Fähigkeiten finden in der Therapie zunehmende Verbreitung. In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, ob sich ein Zusammenhang zwischen auditiver Wahrnehmungsfähigkeit und LRS empirisch belegen lässt. Methodik: Untersucht wurden 27 durchschnittlich intelligente und normal hörende LRS- und 31 Vergleichskinder. Die auditive Wahrnehmungsfähigkeit wurde mit nonverbalen (Tonhöhen-, Tondauer-, Geräuschdifferenzierung) und verbalen (Spracherkennen im Störgeräusch, zeitkomprimierte Sprache) Tests beurteilt. Außerdem wurden auditive Merkfähigkeit, nonverbaler IQ, Rechtschreib- und Sprachleistungen sowie anamnestische Angaben zum Verhalten erfasst. Ergebnisse: Die Gruppen unterschieden sich im Mittelwert in der Tondifferenzierungs- und auditiven Merkfähigkeit, nicht jedoch beim Erkennen von Geräuschen und in verbalen auditiven Tests. Bei Betrachtung der Einzelwerte zeigte sich jedoch, dass trotz signifikanter Mittelwertsunterschiede die Leistungen der LRS-Kinder überwiegend im Bereich der Streubreite der Vergleichskinder lagen. Eine Korrelation zwischen auditiver und Rechtschreibfähigkeit war nicht nachweisbar. Schlussfolgerungen: In verbalen auditiven Tests zeigen LRS-Kinder keine auffälligen Befunde. Basale auditive Defizite lassen sich lediglich bei einer kleineren Subgruppe von LRS-Kindern beobachten. Für eine kausale Beziehung zwischen LRS und AVWS fanden sich keine Hinweise und somit keine empirischen Belege für die Grundannahmen, auf denen ein Training auditiver Fähigkeiten im Rahmen einer LRS-Behandlung beruht.


The significance of auditory processing deficits for the etiopathogenesis of dyslexia

Summary:Objective: It has been claimed that children with dyslexia show auditory processing deficits and a training of auditory perception is recommended as a therapy. This study addresses the question whether a causal connection between auditory perception and dyslexia can be proven empirically. Method: 27 dyslexic children with average intelligence and normal hearing and 31 controls were examined. The auditory perception ability was judged with non-linguistic (pitch, tone duration, sound discrimination tasks) and verbal (speech in noise, compressed speech) tasks. In addition auditory short-term memory, nonverbal IQ, spelling and language ability were assessed. Results: Group differences were found in tone processing tasks, but not in sound discrimination or auditory verbal tasks. Despite significant main effects in tone processing tasks the individual values of the dyslexic children lay predominantly in the range of the controls. In addition, there was no correlation between tone processing and spelling ability. Conclusion: Dyslexic children do not show remarkable deficits in verbal auditory processing. Auditory low level deficits can only be observed within a small subgroup. There is no evidence for central auditory dysfunction as a cause of dyslexia. The relevance of auditory processing training for treatment programmes for dyslexia should be questioned.

Literatur