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Die Diagnostica wird 50!

Published Online:https://doi.org/10.1026/0012-1924.50.1.1

Mit dem vorliegenden Heft beginnt der 50. Jahrgang der Diagnostica. Seit 50 Jahren hat die deutschsprachige Psychologie mit der Diagnostica ein Sprachrohr zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten der psychologischen Diagnostik, die sich gleichermaßen an die in der Wissenschaft aktiven als auch die in der Praxis tätigen Psychologinnen und Psychologen wenden. Mit dem ersten Heft, das im Jahre 1955 erschienen ist, eröffnete der Verlag für Psychologie Dr. C. J. Hogrefe den Reigen von Spezialzeitschriften, die auf Grund der Ausweitung und der zunehmenden Differenzierung der Psychologie notwendig wurden. Gerade im Bereich der psychologischen Diagnostik wurde ein großer Nachholbedarf an wissenschaftlicher Aufklärung gesehen. Das zentrale Ziel der neu gegründeten Zeitschrift lag in der Verbreitung des Wissens, das zur sachgerechten Anwendung psychologischer Tests, aber auch ihrer Entwicklung notwendig waren. Während der Begründer der Diagnostica, der Direktor des Göttinger Instituts für Psychologie Prof. Dr. Kurt Wilde, dieses als Informationsorgan über psychologische Testverfahren und Untersuchungsmethoden verstand und ihr ausdrücklich nicht den Status einer wissenschaftlichen Zeitschrift zugestehen wollte, hat sich die Diagnostica jedoch rasch zu einem Publikationsorgan entwickelt, das sich neben der reinen Information über Testverfahren und Untersuchungsmethoden auch der Forschung zu grundlagen- und anwendungsorientierten Fragen der Psychodiagnostik widmete.

Die Diagnostica hat sich im Verlauf der letzten fünfzig Jahre - gemessen am Impact-Faktor - zur einflussreichsten deutschsprachigen psychologischen Zeitschrift entwickelt. Dies ist Anlass genug, die Geschichte der Diagnostica Revue passieren zu lassen und einige Entwicklungslinien und Desiderate für die weitere Gestaltung der Diagnostica ins Auge zu fassen. Ich freue mich daher sehr, dass die Kollegen Rolf Brickenkamp, Jochen Fahrenberg, Hans Westmeyer und Detlef Leutner meiner Einladung gefolgt sind, die Geschichte der Diagnostica nachzuzeichnen, die gleichermaßen die Geschichte der psychologischen Diagnostik im deutschsprachigen Raum widerspiegelt, und der Diagnostica auch durchaus kritische Wünsche für ihre zukünftige Entwicklung mit auf den Weg ins nächste Lebensjahr zu geben. Alle vier Kollegen haben über lange Jahre hinweg die Diagnostica entscheidend geprägt und dazu beigetragen, dass sich die Diagnostica in so erfolgreicher Weise entwickelt hat.

Rolf Brickenkamp war als Doktorand von Kurt Wilde an der Universität Göttingen von Anfang an mit dieser Zeitschrift vertraut, und übernahm schon im Jahre 1957 die Redaktionsgeschäfte. Als späterer Mitherausgeber der Diagnostica hat er dieser Zeitschrift wichtige Impulse verliehen, insbesondere auch in der Rubrik Testinformationen, deren Aufbau und Struktur er entscheidend prägte und an sein Handbuch anlehnte, das sich zu einem Standardhandbuch der psychologischen Diagnostik entwickelt hat. In seinem Beitrag beschreibt er die Anfänge der diagnostica, die in den ersten Jahren noch mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben wurde, und hebt die Unterschiede zur heutigen Diagnostica (mit Majuskel) hervor.

Hans Westmeyer, der über 19 Jahre hinweg die Redaktion betreute und als geschäftsführender Herausgeber tätig war, hat die Diagnostica durch die “wilden“ 70-Jahre manövriert und sie zu einem, aus der deutschsprachigen Psychologie nicht mehr weg zu denkenden erfolgreichen Publikationsorgan ausgebaut. In seinem Beitrag gibt er einen persönlichen und wissenschaftshistorisch hoch interessanten Einblick in die Kritik, die der psychologischen Diagnostik in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts widerfahren ist. Insbesondere seine ideologiekritische Bewertung dieser Zeit aus einer gesamtdeutschen Perspektive heraus lassen eine turbulente Dekade wissenschaftlicher und ideologischer Auseinandersetzung mit der Psychodiagnostik äußerst plastisch erscheinen.

Detlev Leutner hat die Geschäftsführung der Diagnostica im Jahre 1995 übernommen und bis zum Jahre 2002 innegehabt. Zentrales Anliegen seiner Geschäftsführung war der weitere Ausbau der Diagnostica zu einem Publikationsorgan, das internationalen Standards genügt und sich in Zeiten zunehmender Internationalisierung der deutschsprachigen Psychologie als deutschsprachige Zeitschrift behaupten kann. Dies ist ihm in hervorragender Weise gelungen, was sich in den hohen Impact-Faktoren der Diagnostica zeigt, die selbst die Impact-Faktoren der englischsprachigen Psychodiagnostik-Zeitschriften hinter sich lässt. In seinem Beitrag reflektiert er die Entwicklung der Diagnostica aus der Perspektive der Internationalisierung der Psychologie und der Bedeutung deutschsprachiger Fachzeitschriften in diesem Spannungsfeld.

Jochen Fahrenberg hat die Diagnostica über lange Jahre hinweg begleitet, sowohl in den Zeiten, in denen die Diagnostica nach der Fusion mit der Zeitschrift für diagnostische Psychologie und Persönlichkeitsforschung im Jahre 1959 unter der Mitherausgeberschaft von Robert Heiß auch in Freiburg angesiedelt war, als auch als Mitherausgeber in den siebziger und achtziger Jahren. Eine Reihe von hochinteressante Themenheften der Diagnostica, die zu meiner Studienzeit prüfungsrelevante Literatur waren, sind unter maßgeblicher Mitarbeit von Jochen Fahrenberg entstanden. Auf seine Tätigkeit für die Diagnostica bezogen, wäre sein Beitrag chronologisch früher anzusiedeln. Sein Beitrag weist jedoch in die Zukunft und eröffnet der Diagnostica neue Perspektiven. Er lässt sich daher am besten am Ende der Beiträge früherer Wegbereiter der Diagnostica platzieren. Seinem Beitrag ist die starke Orientierung an einer multimethodal orientieren Diagnostik zu entnehmen, die sich neuen diagnostischen Methoden zu öffnen hat. Wie wenig andere hat er in seiner eigenen Forschung verschiedene methodische Ansätze der Psychodiagnostik zum Blühen gebracht, und ich freue mich daher besonders, dass er bereit war, meiner Bitte zu folgen, einem Geburtstagskind auch kritische Worte mit auf den Lebensweg zu geben.

Als derzeitiger geschäftsführender Herausgeber ist es mir ebenfalls eine Freude, dem Geburtstagskind einige Wünsche mit auf den Weg geben zu können, zumal ich auf Grund eines Wechsels nach Genf und der dort fehlenden deutschsprachigen Sekretariatsstruktur das Zepter der Geschäftsführung früher als ursprünglich intendiert zum Jahresende weiterreichen muss.

Neben den Beiträgen zur Geschichte der Diagnostica dürfen in einem Jubiläumsband aktuelle Beiträge natürlich nicht fehlen. Im ersten Beitrag zeigt Ruth Jäger, wie mittels nonmetrischer multidimensionaler Skalierung eine Ratingsskala mit Smilies als symbolischen Marken konstruiert werden kann, so dass die Smily-Skala äquidistante Kategorien auf einer eindimensionalen Skala aufweist. Die Arbeit baut auf der Diplomarbeit von Ruth Jäger auf, die mit dem Georg Sieber Preis 2000, dem höchstdotierten deutschen Psychologiepreis ausgezeichnet wurde. Gerade für ein Jubiläumsheft ist es ein schönes Zeichen, Ergebnisse, die von einer jungen Wissenschaftlerin in einer originellen Qualifikationsarbeit gewonnen wurden, publizieren zu können.

Peter Becker demonstriert mit seinem Beitrag zum Vergleich verschiedener Persönlichkeitsmodellen mit modernen Verfahren der testanalytischen Methodik die enge Verbundenheit der Diagnostica zur Differentiellen Psychologie, die sich noch heute im Untertitel Zeitschrift für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie niederschlägt.

Schon im ersten Heft der Diagnostica nahmen die Leistungsmessung und diagnostische Methoden der Pädagogischen Psychologie einen sehr breiten Raum ein. Diese Thematik wird für die psychologische Diagnostik wohl immer von Interesse sein. Mit den emotionalen Korrelaten des Leistungsverhaltens und ihrer Bedeutung für die Pädagogische Psychologie beschäftigen sich Susanne R. Schilling, Detlef H. Rost und Franz J. Schermer in ihrem Beitrag zur Messung der Leistungsangst im universitären Kontext.

Die Diagnostica wurde als Informationsorgan für psychologische Testverfahren gegründet und die Testinformation stellt weiterhin eine wichtige Aufgabe der Diagnostica dar. Dieser Aufgabe kommen in der vorliegenden Ausgabe Carolyn Finck und Yve Stöbel-Richter sowie Katrin Rockenbauch und Yve Stöbel-Richter mit zwei Testbesprechungen nach.

Mit Ende des 49. Jahrgangs haben Detlev Leutner und Heinz Holling den Kreis der Herausgeber der Diagnostica auf eigenen Wunsch verlassen. Beide haben über viele Jahre hinweg zur Qualitätssicherung der Diagnostica beigetragen und am Gelingen der Diagnostica entscheidend mitgewirkt, Detlev Leutner nicht zuletzt acht Jahre lang als geschäftsführender Herausgeber. Beiden gilt unser großer Dank. Mit Freude begrüßen wir Olaf Köller (Universität Erlangen-Nürnberg) und Thomas Staufenbiel (Universität Osnabrück) als neue Kollegen im Herausgeberkreis und wünschen ihnen eine schöne Zeit am Mitgestalten dieser Zeitschrift.