Skip to main content
Free AccessEditorial

Wie lässt sich die psychotherapeutische Ausbildung optimieren?

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000419

Die etablierte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten1 und die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten stehen aktuell vor einer umfangreichen Reform. Dabei ist zu erwarten, dass sich grundlegende Veränderungen in der Gestaltung der Psychotherapieausbildung ergeben könnten (wie z. B. der Umfang der Ausbildung; Bundesministerium für Gesundheit, 2016). Bei der Diskussion um die Ausbildungsreform haben sich eine Vielzahl von Personen und Interessengruppen eingebracht, die teilweise recht unterschiedliche Auffassung bezüglich der Inhalte und Gestaltung der Psychotherapieausbildung vertreten (siehe z. B. PTK Bayern, 2013). Bei dieser häufig auch recht emotional geführten Diskussion stehen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer im Vordergrund. Umso wichtiger ist es deshalb, auch empirische Befunde der Ausbildungs- und Supervisionsforschung zu berücksichtigen, die wichtige Hinweise zur Optimierung der Psychotherapieausbildung geben könnten. Es wäre wünschenswert, wenn diese Erkenntnisse wiederum in eine Ausbildungsreform einfließen würden.

Schaut man sich Befunde der empirischen Forschung genauer an, zeigt sich, dass Methoden zur Ausbildung von Psychotherapeuten nur unzureichend erforscht sind und gegenwärtig nicht als evidenzbasiert angesehen werden können (Rakovshik & McManus, 2010). Diese Situation stellt für die therapeutische Praxis ein relevantes Problem dar, da Therapieeffekte, die in randomisierten kontrollierten Studien gewonnen wurden, nicht zwangsläufig auf die Routineversorgung übertragbar sind (z. B. Schindler, Hiller & Witthöft, 2011). Somit kommt der Ausbildung von Psychotherapeuten eine zentrale Rolle zu, um die Effekte von Therapiestudien auch in die klinische Praxis zu überführen.

Der vorliegende Schwerpunkt der Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie beinhaltet vier Arbeiten, die sich mit der Effektivität oder der Wirkweise von Ausbildungsinhalten im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie beschäftigen. Hiermit wird ein wichtiger Beitrag zur weiteren Professionalisierung und Optimierung der Psychotherapieausbildung geliefert und gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für eine kompetente klinische Praxis geschaffen.

In der Übersichtsarbeit von Kühne et al. wird der aktuelle Forschungsstand zur Supervisionsforschung dargestellt (Kühne, Maas, Wiesenthal & Weck, 2017). Hierbei ist bemerkenswert, dass insgesamt nur 12 Publikationen eingeschlossen werden konnten, die die vorgegebenen Standards erfüllten. Dies ist sicherlich auch der methodischen Heterogenität der Supervisionsforschung geschuldet. Anders als in der Psychotherapieforschung ist häufig weit weniger klar, welche Variablen als abhängige Variablen definiert werden sollten (z. B. Symptomreduktion der Patienten, Kompetenzzuwachs des Therapeuten, Güte der Supervisionsbeziehung). Somit ist auch die Festlegung einheitlicher Forschungsstandards im Rahmen der Supervisionsforschung sicherlich ein wichtiger Schritt, um weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Wirkweise von Supervision zu erhalten. Dies erscheint insbesondere deshalb wichtig, da Supervision im Rahmen der Psychotherapieausbildung mit hohen Kosten verbunden ist.

Sowohl die Arbeit von Rubel et al. als auch die Arbeit von Kaufmann et al. untersuchten, in welcher Weise Therapeuten ein Feedback nutzen, dass sie hinsichtlich der Therapiedurchführung erhielten. Hierbei handelt es sich zum einen um ein Feedback zum Fortschritt der Patienten (Rubel, Zimmermann, Deisenhofer, Müller & Lutz, 2017) und zum anderen um ein Feedback zu den gezeigten Kompetenzen der Therapeuten (Kaufmann, Maiwald, Schindler & Weck, 2017). Für beide Arten des Feedbacks gibt es Hinweise, dass diese zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse oder der Durchführung der Therapie führen (z. B. Berking, Orth & Lutz, 2006; Weck, Kaufmann & Höfling, 2017). Bei diesen positiven Befunden von Feedback ist bisher allerdings weitgehend unklar, auf welche Weise das Feedback von den Therapeuten genutzt wird, um eine Verbesserung der Behandlung zu erzielen. Die beiden hier vorliegenden Arbeiten liefern zu dieser Frage wichtige Erkenntnisse und zeigen auf, in welcher Weise Feedback von Therapeuten genutzt wird. Die Ergebnisse geben dabei auch Hinweise dazu, wie der Einsatz von Feedback in Zukunft noch verbessert werden könnte.

Der Beitrag von Broicher et al. geht der Frage nach, inwiefern Inhalte der psychotherapeutischen Ausbildung in der späteren therapeutischen Praxis angewandt werden (Broicher, Gerlach & Neudeck, 2017). Hierbei geht es insbesondere um die Anwendung von Expositionstechniken, die in der klinischen Praxis häufig vernachlässigt werden. Die Autoren können zeigen, dass Merkmale der Ausbildung (z. B. universitäre Ausbildung vs. keine universitäre Ausbildung) darüber entscheiden, ob Exposition in der späteren Praxis angewendet wurden. Auch diese Arbeit zeigt den zentralen Stellenwert der Ausbildung und ihrer Inhalte für die spätere klinische Praxis und somit für die Routineversorgung von Patienten.

Die vorliegenden Befunde zur psychotherapeutischen Ausbildung sollten mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden, da die Ausbildung von Psychotherapeuten die Basis für die spätere Regelversorgung von Patienten mit psychischen Störungen darstellt. Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass selbst kleine Unterschiede in der Effektivität von Ausbildungsmethoden eine relevante Auswirkung auf die Versorgung haben, wenn man bedenkt, dass Therapeuten in ihrer Berufslaufbahn eine Vielzahl von Patienten behandeln werden (vgl. Baldwin & Imel, 2013).

Literatur

  • Baldwin, S. A. & Imel, Z. E. (2013). Therapist effects: Findings and methods. In M. J. Lamberted.. Bergin and Garfield‘s handbook of psychotherapy and behavior change, 6th ed. (pp. 259 – 297). New York: Wiley & Sons. First citation in articleGoogle Scholar

  • Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PTK Bayern) (Hrsg.). (2013). Reform des Psychotherapeutengesetzes – Reform der Psychotherapeutenausbildung [Schwerpunktheft]. Psychotherapeutenjournal, 4. First citation in articleGoogle Scholar

  • Berking, M., Orth, U. & Lutz, W. (2006). Wie effektiv sind systematische Rückmeldungen des Therapieverlaufs an den Therapeuten? Eine empirische Studie in einem stationär-verhaltenstherapeutischen Setting. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 35, 21 – 29. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Broicher, T., Gerlach, A. L. & Neudeck, P. (2017). Die Relevanz der Ausbildung für den späteren Einsatz von Expositionsverfahren in der therapeutischen Praxis. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 46, 107 – 116. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Bundesministerium für Gesundheit (2016). Eckpunkte des Bundesministeriums für Gesundheit zur Novellierung der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten. Berlin: Bundesministerium für Gesundheit. First citation in articleGoogle Scholar

  • Kaufmann, Y. M., Maiwald, L., Schindler, S. & Weck, F. (2017). Wie wirkt sich mehrmaliges Kompetenz-Feedback auf psychotherapeutische Behandlungen aus? Eine qualitative Analyse. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 46, 96 – 106. First citation in articleAbstractGoogle Scholar

  • Kühne, F., Maas, J., Wiesenthal, S. & Weck, F. (2017). Supervision in der Verhaltenstherapie. Ein Scoping Review zur Identifikation von Forschungszielen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 46, 73 – 82. First citation in articleAbstractGoogle Scholar

  • Rakovshik, S. G. & McManus, F. (2010). Establishing evidence-based training in cognitive behavioral therapy: A review of current empirical findings and theoretical guidance. Clinical Psychology Review, 30, 496 – 516. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Rubel, J. A., Zimmermann, D., Deisenhofer, A.-K., Müller, V. & Lutz, W. (2017). Nutzung von psychometrischem Feedback als empirische Unterstützung des Supervisionsprozesses bei Ausbildungstherapien. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 46, 83 – 95. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Schindler, A. C., Hiller, W. & Witthöft, M. (2011). Benchmarking of cognitive-behavioral therapy for depression in efficacy and effectiveness studies – How do exclusion criteria affect treatment outcome. Psychotherapy Research, 21, 644 – 657. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Weck, F., Kaufmann, Y. & Höfling, V. (2017). Competence feedback improves CBT competence in trainee therapists: A randomized controlled pilot study. Psychotherapy Research, 27, 501 – 509. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

1Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird in diesem Heft nur die männliche grammatikalische Form bei Personenbezeichnungen angegeben.

Prof. Dr. Florian Weck, Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Department Psychologie, Karl-Liebknecht-Str. 24 – 25, 14476 Potsdam, E-Mail