Skip to main content
Übersichtsarbeit

«Mein Körper gehört mir» – Kulturgeschichte und Psychologie des Piercing und Tattoo

Published Online:https://doi.org/10.1024/0040-5930.64.2.115

In heutiger Zeit können Tätowierungen und Piercings nicht länger nur als von gesellschaftlich Ausgegrenzten oder Randgruppen praktizierte, destruktive Akte der Selbstverstümmelung angesehen werden. Körperliche Markierungen finden sich in nahezu allen vorindustriellen Kulturen auf der ganzen Welt, die ihre Kunstpraktiken auf die magisch-mythische Weltsicht prähistorischer Zeiten beziehen. Die Prävalenz von Tattoo und Piercing in der deutschen Gesamtbevölkerung beträgt 8,5% bzw. 6,8%. Arbeitslose junge Männer und junge Frauen, die nicht in einer festen Partnerschaft leben, zeigen besonders hohe Prävalenzen. Körpermodifikationen korrelieren relativ stark mit «Sensation Seeking», besonders bei jungen Frauen. Sie sind zumeist Ausdruck von Individualität sowie Identitätsgenerierung sowie einem veränderten Körper- und Modebewusstsein und einem veränderten Kunstverständnis. Sie können jedoch auch einen Hinweis auf Identitätssuche und vermehrtem Risikoverhalten geben.

At present tattoos and piercings can no longer be regarded as destructive acts of self mutilation practized by fringe groups. Body modifications (BMs) are found in virtually all preindustrial cultures and have their roots in ancient myths and magical rituals. The prevalence of tattoos and piercings in the German population is 8.5% and 6.8%, respectively. Unemployed young men and young women who do not live in a firm partnership show particularly high prevalences. The incidence of BMs correlates positively with the personality trait "sensation seeking", particularly in young women. BMs often serve to express individuality and identity, and they also reflect changed attitude towards the human body and body art as well as following fashion trends. However, BMs can also provide valuable diagnostic indications for identity search and risk taking behaviour.