Kinder: nicht alles ist eine ADHS
Abstract
Zusammenfassung. Zwei Fallbeispiele illustrieren die Bedeutung einer sorgfältigen diagnostischen Vorgehensweise bei der Frage nach Vorliegen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Entwicklungsstörungen und insbesondere dissoziierte Entwicklungsprofile können zu unspezifischen Verhaltensauffälligkeiten wie Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivität führen. Die betroffenen Kinder sind besonders dann auffällig, wenn Anforderungen ihren Problembereich tangieren, also beispielsweise ein dyslektisches Kind beim Lesen. Die Symptome, welche dieses Kind zeigt, können durchaus mit denen einer ADHS verwechselt werden. Nur mittels einer umfassenden Untersuchung können Entwicklungsprobleme festgestellt und therapeutisch gezielt angegangen werden. Ohne ein solches Vorgehen besteht die Gefahr, dass die tatsächlich zugrundeliegenden Ursachen der Verhaltensauffälligkeiten übersehen und als ADHS missinterpretiert werden. Aber auch wenn eine ADHS besteht, ist eine sorgfältige Abklärung wichtig, um allfällige Komorbiditäten diagnostizieren und therapieren zu können. Eine Verstärkung von Verhaltensauffälligkeiten im schulischen Kontext mit den erhöhten sozialen und kognitiven Anforderungen passt dann zur Diagnose einer ADHS. Nicht selten sind Verlaufskontrollen nötig, um Diagnosen im Verlauf zu re-evaluieren und gegebenenfalls zu revidieren.
Abstract. Two case vignettes demonstrate the complexity and careful evaluation that is necessary to make the diagnoses of an attention deficit hyperactivity disorder (ADHD). Developmental disorders and in particular an heterogeneous developmental profile may cause difficulties in school performance and lead to unspecific behavioral abnormalities such as inattention or hyperactivity when having to perform in that particular weakness (e.g. reading with dyslexia). These symptoms may resemble those of an ADHD. However, it is critical to obtain a detailed developmental assessment in order to reveal developmental problems that require specific therapeutic interventions. Without such an evaluation, the underlying cause of the behavioral abnormality may be missed and not treated correctly, instead the diagnosis ADHD is given. Also in the case of an ADHD, it is critical to perform a detailed developmental assessment in order to detect developmental comorbidities. An increase of behavioral symptoms in kindergarten or school, where social and academic demands are high helps to confirm the diagnosis of an ADHD. Also, children need to be re-evaluated and diagnoses need to be revisited or may have to be changed.
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