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Open AccessMini-Review

Die Empfehlungen der Swiss Memory Clinics für die Diagnostik der Demenzerkrankungen

Published Online:https://doi.org/10.1024/1661-8157/a002948

Abstract

Zusammenfassung. Die Frühdiagnostik subjektiv wahrgenommener oder fremdanamnestisch beobachteter kognitiver Beeinträchtigungen ist essenziell, um neurodegenerative Erkrankungen nachzuweisen oder behandelbare Ursachen wie internistische, neurologische oder psychiatrische Störungen auszuschliessen. Nur dadurch wird eine frühzeitige Behandlung ermöglicht. Im Rahmen des Projekts 3.1 der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 («Auf- und Ausbau regionaler und vernetzter Kompetenzzentren für die Diagnostik») hat sich der Verein Swiss Memory Clinics (SMC) zum Ziel gesetzt, Qualitätsstandards für die Demenzabklärung zu entwickeln und die wohnortsnahe Versorgung in diesem Bereich zu verbessern. In den vorliegenden Empfehlungen werden allgemeine Richtlinien der Diagnostik und einzelne Untersuchungsmöglichkeiten vorgestellt, sowie Standards für die diesbezüglichen Abläufe vorgeschlagen. Einzelne Bereiche wie Anamneseerhebung, klinische Untersuchung, Laborparameter, neuropsychologische Testung und neuroradiologische Verfahren werden als Teil der Standarddiagnostik ausführlich diskutiert, ergänzende Untersuchungsmethoden für differenzialdiagnostische Überlegungen abgebildet. Die wichtigsten Ziele der SMC-Empfehlungen zur Diagnostik der Demenzerkrankungen sind, möglichst allen Betroffenen Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Diagnostik zu ermöglichen, die Frühdiagnostik der Demenz zu verbessern und den Grundversorgern sowie den Mitarbeitenden der Memory Clinics ein nützliches Instrument für die Abklärung anzubieten.

Recommendations of Swiss Memory Clinics for the Diagnosis of Dementia

Abstract. The early diagnosis of subjectively perceived or externally anamnestically observed cognitive impairments is essential for proving neurodegenerative diseases or excluding treatable causes such as internal, neurological or psychiatric disorders. Only in this way is early treatment made possible. As part of the project 3.1 of the National Dementia Strategy 2014–2019 («Development and expansion of regional and networked centres of competence for diagnostics»), the association Swiss Memory Clinics (SMC) set itself the goal of developing quality standards for dementia clarification and improving the community-based care in this field. In these recommendations, general guidelines of diagnostics and individual examination possibilities are presented, and standards for the related processes are suggested. Individual areas such as anamnesis, clinical examination, laboratory examination, neuropsychological testing and neuroradiological procedures are discussed in detail as part of standard diagnostics, and supplementary examination methods for differential diagnosis considerations are portrayed. The most important goals of the SMC recommendations for the diagnosis of dementia are to give all those affected access to high-quality diagnostics, if possible, to improve early diagnosis of dementia and to offer the basic service providers and the employees of Memory Clinics a useful instrument for the clarification.

Résumé. Le diagnostic précoce des atteintes cognitives, ressenties subjectivement ou observées par l’anamnèse d’un tiers, est essentiel pour détecter des maladies neurodégénératives ou exclure des causes traitables telles que des troubles internes, neurologiques ou psychiatriques. C’est la seule façon de garantir un traitement anticipé. Dans le cadre du projet 3.1 de la stratégie nationale en matière de démences 2014–2019 («Mise en place et extension d’un réseau de centres de compétences régionaux pour le diagnostic»), l’association Swiss Memory Clinics (SMC) s’est fixé pour objectif d’améliorer les normes de qualité en matière de diagnostic des démences et de soins de proximité dans ce domaine. Les présentes recommandations contiennent des directives d’ordre général sur le diagnostic et les différentes possibilités d’examens, et proposent des normes pour les procédures à appliquer. Elles expliquent en détail les différents éléments du diagnostic standard, tels que l’anamnèse, l’examen clinique, l’analyse de laboratoire, les tests neuropsychologiques et les procédures neuroradiologiques, et présentent des méthodes d’examen complémentaires pouvant alimenter les réflexions sur le diagnostic différentiel. Les principaux objectifs des recommandations SMC pour le diagnostic des démences sont les suivants: assurer l’accès à un diagnostic de haute qualité à un maximum de personnes atteintes, améliorer le diagnostic précoce de la démence, ainsi que proposer aux médecins de premier recours et aux collaborateurs de Memory Clinics un outil de diagnostic utile.

Der Verein Swiss Memory Clinics (SMC) engagiert sich – als Vertreter der Schweizerischen Abklärungszentren für Demenzerkrankungen – für eine qualitativ hochstehende und breit verfügbare Diagnose- und Behandlungsqualität. Im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hat der SMC deshalb die Federführung des Projekts 3.1 übernommen, bei dem es um den «Auf- und Ausbau regionaler und vernetzter Kompetenzzentren für die Diagnostik» geht. Ein wichtiges Ziel dieses Projekts ist es, schweizweite Qualitätsstandards für die Demenzabklärung zu entwickeln. Diese sollen helfen, die Fähigkeit von Leistungserbringern zu verbessern, eine Demenz möglichst frühzeitig zu erkennen und die indizierten diagnostischen Schritte selber durchzuführen bzw. zu veranlassen, sowie den Personen mit Verdacht auf Demenz einen möglichst wohnortsnahen Zugang zu einer qualitativ hochstehenden und angemessenen Diagnostik zu ermöglichen. Ein parallel entwickeltes Fortbildungskonzept soll helfen, die Qualitätsstandards zu etablieren.

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Mitgliedern des SMC, der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie (SGAP), der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG), der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft (SNG), der Schweizerischen Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP) und Experten verschiedener Fachbereiche und Institutionen haben die vorliegenden Empfehlungen für die Diagnostik der Demenzerkrankungen vorbereitet. Die Empfehlungen sollen den aktuellen Stand der vorhandenen Diagnosemöglichkeiten abbilden, auf Entwicklungen in diesem Bereich hinweisen und die wichtigsten Instrumente der Diagnostik zusammenfassend vorstellen. Besondere Anliegen der Expertengruppe sind, die Frühdiagnostik der Demenzerkrankungen zu verbessern und ein für den klinischen Alltag nützliches Manual zur Verfügung zu stellen.

Allgemeine Empfehlungen zum diagnostischen Prozess beim Hausarzt und in der Memory Clinic

Standard für den Hausarzt

«Case finding» statt universelles Screening

Anstelle eines flächendeckenden Screenings ab einem gewissen Alter (z.B. mittels kognitiver Tests) wird im diagnostischen Prozess das sogenannte «case finding» empfohlen. Mit «case finding» ist eine Strategie gemeint, die sich auf Individuen ausrichtet, bei denen Risikofaktoren oder Symptome einer möglichen Demenzerkrankung («red flags») vorhanden sind. Die Erfassung von «red flags» ist eine Aufgabe des Grundversorgers (Abbildung 1 mit detailliertem Algorithmus). Je nach Situation kann die Abklärung weiter im hausärztlichen Setting oder an einer Memory Clinic erfolgen. Falls ein Patient mit «red flags»-Symptomen nicht zu einem Hausarztbesuch zu motivieren ist, sollte die Abklärung anlässlich eines hausärztlichen Hausbesuches oder eines geriatrischen oder alterspsychiatrischen Konsiliardienstes erfolgen. Das Gleiche gilt für Patienten mit «red flags»-Symptomen im Heim.

Abbildung 1 Algorithmus Hausarzt Demenzabklärung. 1 Beispiele für «red flags»: Subjektive Beschwerden, Hinweise durch Angehörige, Spitex oder Dritte, Auffälligkeiten in der Praxis (Probleme bei der Termineinhaltung, beim Medikamenten- oder Diabetesmanagement), neue Schwierigkeiten bei der Erledigung der Finanzen (z.B. Mahnungen). St. n. Delir. 2 Allenfalls Ergänzung z.B. durch BrainCheck (www.braincheck.ch) oder IQCODE Informant Questionnaire on Cognitive Decline in the Elderly (http://crahw.anu.edu.au/files/German_short.pdf).. 3 Das Montreal Cognitive Assessment (MoCA; www.mocatest.org) wird empfohlen; andere Instrumente sind möglich. 4 Der MMSE ist für die Detektion früher Stadien von Demenzen nicht sensitiv genug. Die Ergänzung des MMSE durch den Uhrentest schafft hier etwas Abhilfe. 5 In der Schweiz ist auch der DemTect gebräuchlich. 6 Bei der Bildgebung sollte ein sogenanntes Demenzprotokoll (spezielle Darstellung der mesiotemporalen Strukturen) durchgeführt werden.

Bei der kognitiven Untersuchung in der Hausarzt-Praxis ist der Mini-Mental-Status-Examination(MMSE)-Test ein weit gebräuchliches Instrument [1]. Leider ist der MMSE für die Detektion früher Demenzstadien nicht sensitiv genug. Die Ergänzung des MMSE mit dem Uhrentest kann bessere Ergebnisse liefern [2]. In der Schweiz ist auch der Demenz-Detektion-Test (DemTect) gebräuchlich [3]. Aufgrund der höheren Sensitivität, der kostenlosen Verfügbarkeit in diversen Sprachen (www.mocatest.org) sowie der Bewährung im Alltag wird nun aber der Montreal-Cognitive-Assessment(MoCA)-Test [4] generell für die Anwendung in der Praxis empfohlen.

Ablauf in der Memory Clinic

Interdisziplinäre Abklärung durch Facharzt (Alterspsychiater, Geriater, Neurologe – jeder dieser Fachärzte ist entweder Teil des Memory Clinic-Teams oder mindestens eng mit der Memory Clinic vernetzt und jederzeit zuziehbar) und Neuropsychologen, evtl. weitere altersmedizinisch ausgebildete Fachleute (Gerontologe, Sozialberater u.a.):

  • Ausführliche Eigen- und Fremdanamnese mittels semistandardisiertem Interview
  • Psychostatus und Somatostatus
  • Neuropsychologische Testung
  • Bildgebung (Neuroradiologie, evtl. Nuklearmedizin)
  • Laboruntersuchung
  • Interdisziplinäre Diagnosekonferenz mit Diagnosestellung nach ICD-10 oder DSM-5 (die Kodierung muss allerdings immer gemäss ICD-10 erfolgen)
  • Der Schweregrad der neurokognitiven Störung nach DSM-5 erfolgt aufgrund der Alltagsbeeinträchtigung:
    • Leicht: Einschränkungen nur bei IADL (Instrumental Activities of Daily Living) [5], z.B. Haushalt, Umgang mit Geld
    • Mittel: Einschränkungen auch bei BADL (Basic Activities of Daily Living) [6], z.B. Nahrungsaufnahme, Ankleiden
    • Schwer: Vollständige Abhängigkeit
  • Diagnosegespräch mit dem Patienten und ihm nahestehenden Personen. Diagnostische und therapeutische Empfehlungen sowie Beratung des Patienten (z.B. Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag, Fahreignung) und der Angehörigen (Strategien zur Bewältigung im familiären System, Umgang mit Verhaltens-auffälligkeiten, Entlastungsmöglichkeiten)
  • Medikamentöse Behandlung (z.B. Antidementiva, vaskuläre Prophylaxe, Antidepressiva, Beratung bezüglich weiterer psychiatrischer, neurologischer und internistischer Komorbiditäten)
  • Nicht-medikamentöse Behandlung anbieten oder vermitteln (z. B. kognitive Ergotherapie, kognitives Training im milieutherapeutischen Rahmen oder kognitiv-motorisches Training, Musiktherapie, Maltherapie, Logopädie, u.v.m.)
  • Die Memory Clinic ist im Krankheitsverlauf Ansprechpartnerin für verschiedenste Fragen und Anpassungen: problematische Veränderungen im Umgang, Anpassung von Medikamenten und Therapien, Beratung der Angehörigen (Überforderung, Schuldgefühle), Institutionalisierung, versicherungs- und medizinrechtliche Fragen u.v.m.

Medizinische Anamnese

Eine ausführliche Dokumentation und Beschreibung des prodromalen Verlaufs mit der Erfassung von Risikofaktoren, des Krankheitsbeginns und des weiteren Krankheitsverlaufs mit allfälligen Fluktuationen sind essenziell, wobei klar zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung unterschieden werden muss. Eine Familienanamnese mit Sterbealter und Todesursache der Eltern, der Geschwister und allenfalls der Kinder soll erhoben werden. Weiter werden gehäuft vorkommende Krankheiten in der Familie erfragt. Falls Demenzerkrankungen vorliegen, werden Angaben zum Alter bei Krankheitsbeginn und zum Verlauf festgehalten. Zudem wird eine vollständige, persönliche Anamnese eingeholt. Dazu gehört eine Medikamentenanamnese, inklusive selbstgekaufter Medikamente. Die Medikamenteneinnahme am Vortag und am Tag der Untersuchung soll detailliert erfragt werden (auch Bedarfsmedikation).

Systemanamnese

  • Noxen: Alkohol, Nikotin, Drogen, Missbrauch von Medikamenten
  • Herzkreislauf: kardiopulmonale Beschwerden, Herzrhythmusstörungen (insbesondere Vorhofflimmern)
  • Ernährung: Gewichtsverlauf, Nahrungsaufnahme, inkl. Zahnstatus/Dysphagie, Verdauung, Defäkationsbeschwerden (z.B. Obstipation), Diäten, Diabetes
  • Miktion: Urininkontinenz, Dysurie, häufiges Wasserlassen, Harndrang
  • Sensationen: Schwindel, Kopfschmerzen, allgemeine Schmerzen
  • Erholung: Tagesschläfrigkeit, Ein- und Durschlafstörungen, (Alb-)Träume, nächtliche Unruhe, Parasomnien, Schnarchen, Apnoephasen
  • Mobilität: Gehhilfen, Stürze (Häufigkeit, Ursache, Ablauf), subjektive Gangunsicherheit
  • Neurologische Symptome: Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Tremor, Paresen, allgemeine Schwäche (motorisch/sensibel), Antriebsstörung, Dysphagie, Krampfanfälle, Schädel-Hirn-Traumata
  • Sprache: undeutliches oder verlangsamtes Sprechen, Wortfindung, Paraphasien
  • Sinnesorgane: Visus- und Hörverminderung, verändertes Riechen und Schmecken
  • Psychische Verfassung: Depressive Symptome inkl. Suizidalität, Angst, Reizbarkeit, Sinnestäuschungen.
  • Deliranamnese
  • Am Schluss: Noch nicht angesprochene Beschwerden.

Psychosoziale Anamnese

Demenzabklärungen werden häufig bei älteren multimorbiden Patienten durchgeführt, bei denen die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt und die Anamneseerhebung folglich erschwert sein kann. Bereits ein sorgfältig und empathisch geführtes Gespräch, mit Beschwerdedarstellung, Problemerfassung und Aufdecken von Zusammenhängen bringt für die Betroffenen und die Angehörigen häufig Erleichterung. Diese werden zu Beginn gebeten, Auffälligkeiten, Beeinträchtigungen und Veränderungen im Alltag zu beschreiben. Wesentlich erscheint hier, den Betroffenen und Angehörigen Raum zur Darlegung der erlebten Schwierigkeiten zu geben, ohne bereits einen engeren Problemfokus herzustellen. Dies erlaubt, sich unter anderem ein Bild vom jeweiligen Leidensdruck der Betroffenen und den Angehörigen, von der Beziehungsdynamik und von den vorhandenen Ressourcen zu verschaffen.

In Form eines semi-strukturierten Interviews wird mit den Betroffenen und den Angehörigen die eigentliche Problemanamnese zu erlebten und beobachteten Hirnleistungsstörungen im Alltag erhoben. Das erfolgt mit gezielten Fragen zu Gedächtnisleistungen, sprachlichen Fähigkeiten, Kommunikation, Planungs- und Steuerungsverhalten sowie zur zeitlichen und räumlichen Orientierungsfähigkeit. Angaben zur Alltagsgestaltung, insbesondere zum Grad der Selbständigkeit in den primären (basalen) und erweiterten (instrumentellen) Alltagsaktivitäten werden detailliert erfragt. Dazu gehören Informationen zum Unterstützungsbedarf, den nötigen Hilfestellungen und zu den bereits aktivierten Helfern. Es werden Informationen zum Autofahren (Fahrsicherheit, Fahrkompetenz) und/oder zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eingeholt. Zusätzlich empfiehlt es sich, Angaben zu sozialen Aktivitäten, Hobbies und gepflegten Kontakten zu erheben. Im Rahmen der Anamneseerhebung soll besonders auf Diskrepanzen zwischen Eigen- und Fremdanamnese Acht gegeben werden.

Das Interview wird ergänzt mit präzisen Fragen zur Händigkeit, zur primären und zu weiteren Sprachen sowie im Sinne einer Sozialanamnese lebensgeschichtlichen Aspekten wie der Ausbildung und der beruflichen Laufbahn, der familiären und aktuellen Lebenssituation. Ergänzt werden die medizinische und die psychosoziale Anamnese in der Regel durch Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen, zum Beispiel:

  • Informant Questionnaire on Cognitive Decline in the Elderly (IQCODE)
  • Nurses’ Observation Scale for Geriatric Patients (NOSGER)
  • Caregiver Burden Inventory (CBI)
  • Neuro-Psychiatric Inventory (NPI)
  • Geriatric Depression Scale (GDS)
  • Epworth Sleepiness Scale (ESS)

Erhebung der Alltagsfähigkeiten

Bei den Alltagsfähigkeiten (Activities of Daily Living, ADL) wird zwischen basalen (BADL) und instrumentellen Fähigkeiten (IADL) unterschieden. Die BADL umfassen die Bereiche Essen, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Ankleiden, Toilettengang, Kontinenz, die Fähigkeit, aus dem Bett oder von einem Stuhl aufzustehen sowie Fortbewegung und Mobilität (mit oder ohne Gehhilfe). Zu den IADL werden folgende Kompetenzen gezählt: Mahlzeiten zubereiten, den Haushalt und die Wäsche erledigen, finanzielle Angelegenheiten erledigen, telefonieren, einkaufen, Medikamenteneinnahme, Fortbewegung unter Nutzung eines Transportmittels.

Die Erhebung der Alltagsfähigkeiten eines Patienten stützt sich im Rahmen der Anamnese und Fremdanamnese grundsätzlich auf vier mögliche Quellen:

  1. 1.
    Beobachtung des Patienten in einer standardisierten BADL/IADL-Untersuchung
  2. 2.
    Standardisierte Befragung des Patienten
  3. 3.
    Standardisierte Befragung der Angehörigen oder Betreuungspersonen
  4. 4.
    Erhebung bei aufsuchender Abklärung (Hausbesuch, im Heim etc.)

Dabei ist immer zwischen früher vorhandenen und aktuellen Fähigkeiten zu unterscheiden und besonders auf Diskrepanzen zwischen Eigen- und Fremdanamnese zu achten. Interessant kann auch die Frage sein, ob sich jemand neuerer Technologien (IADL) bedient oder lieber beim Altbewährten bleibt.

Die standardisierte Erfassung der Alltagsfähigkeiten im Rahmen der Fremdanamnese ist zwingender Bestandteil jeder Demenzabklärung. Eine umfassende Zusammenstellung der Skalen – vor allem für Patienten mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (mild cognitive impairment, MCI) – findet sich bei Jekel et al. [7]. Für die Schweiz haben sich die NOSGER [8] und die 16-Items Version des «Informant Questionnaire on Cognitive Decline in the Eldelry» [9] etabliert. Für Letztere steht auch eine in der Schweiz validierte 7-Items-Version zur Verfügung [10].

Weitere in der Schweiz gebräuchliche Instrumente sind «The Lawton Instrumental Activities of Daily Living (IADL) Scale» [5] und der «Index of Independence in Activities of Daily Living» [11]. Ein systematischer Review [7] ergab kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Frage, welche IADL bei MCI diagnostisch am hilfreichsten sind. Es wurde aber deutlich, dass diejenigen IADL, die eine höhere kognitive Leistung verlangen (z.B. finanzielle Dinge in Ordnung halten) und Aktivitäten, die technologisches Know-how erforden (z.B. Gebrauch eines Mobiltelephons) am aussagekräftigsten sind. Eine weitere Skala, die «Alzheimer’s Disease Cooperative Study – Activities of Daily Living Inventory» [12] wurde speziell für Medikamentenstudien entwickelt und scheint für Veränderungsmessungen sinnvoll.

Behaviorale und psychologische Symptome der Demenz (BPSD)

Nebst kognitiven Störungen leiden Demenzpatienten an verschiedenen psychiatrischen und Verhaltenssymptomen, welche die Behandlung, den Verlauf und die Pflege von Betroffenen erschweren [13]. Die Bezeichnung BPSD wurde von der International Psychogeriatric Association (IPA) vorgeschlagen. BPSD haben schwerwiegende Folgen sowohl für die Patienten selbst als auch für Angehörige, die in deren Pflege und Betreuung involviert sind.

Standard

  • Untersuchung auf BPSD, Charakterisierung
  • Subjektive Bewertung der BPSD durch den Patienten
  • Fremdbewertung durch Angehörige oder Betreuer, die den Patienten gut kennen
  • Bewertung der BPSD-bedingten Belastung für die Angehörigen/Pflegepersonen
  • Beobachtung der Verhaltensinteraktion zwischen Patient und Begleitperson
  • Gewichtung der Informationen im Rahmen der Diagnosestellung
  • Aufklärung des Patienten über BPSD
  • Aufklärung des/der Angehörigen über BPSD
  • Bewertung der Zweckmässigkeit einer Überweisung an Spezialisten (z.B. alterspsychiatrischer Konsiliar- und Liaisondienst) zur Behandlung der BPSD

Optional

  • Der Einsatz von Skalen wird empfohlen: NPI-Q, NOSGER oder vergleichbare Skalen
  • Behandlung der BPSD: Empfehlungen der Schweizer Fachgesellschaften sind zu beachten [14]
  • Überweisung an spezialisierte Sprechstunde zwecks Stellungnahme oder ggf. Behandlung der BPSD, insbesondere bei schweren Fällen, bei bestätigten oder vermuteten psychiatrischen Begleiterkrankungen, bei komplexen Implikationen für die Familie bei potenziellen Zwangsmassnahmen

Psychopathologie

Standard

  • Klinische Untersuchung auf Vorliegen einer Psychopathologie
    • Subjektive Bewertung durch den Patienten
    • Fremdbewertung durch Angehörige oder Pflegepersonen, die den Patienten gut kennen und dessen Zustimmung haben
    • Psychopathologischer Grundstatus
  • Kompetenz zur Diagnose einer psychiatrischen Begleiterkrankung
    • Diagnose einer depressiven Störung
    • Differenzialdiagnose von primären affektiven und psychotischen Pathologien
  • Gewichtung der Informationen im Diagnoseprozess
  • Berücksichtigung primärer Psychopathologien bei Therapievorschlägen zu kognitiven Störungen, Berücksichtigung von BPSD
  • In folgenden Fällen ist dem behandelnden Arzt zu empfehlen, den Patienten an eine alterspsychiatrische Poliklinik zu überweisen:
    • Schwere Psychopathologie
    • Bekannte oder vermutete schwere psychiatrische Begleiterkrankung
    • Komplexe Implikationen für die Familie
    • Potenzielle Zwangsmassnahmen

Optional

  • Die Anwendung eines psychopathologischen Beschreibungsrasters wird empfohlen
  • Der Einsatz spezieller psychopathologischer Skalen wird empfohlen:
    • systematisch: GDS [15] oder Beck Depression Inventory (BDI) [16] – auch wenn sich der Patient noch im Frühstadium der Demenzerkrankung befindet [14] – oder sonstige einschlägige Skalen.
  • Behandlung der psychischen Begleiterkrankungen an der Memory Clinic:
    • je nach Kompetenz und Verfügbarkeit.

Kognitive Testung im Rahmen der neuropsychologischen Untersuchung

Der wichtigste Beitrag der kognitiven Testung im Rahmen einer neuropsychologischen Abklärung ist die Früherkennung und Quantifizierung der beeinträchtigten kognitiven Dimensionen. Zudem liefert ein kognitives Stärken-Schwächen-Profil eine wichtige Grundlage für die individuelle Psychoedukation, Beratung und Therapie der Betroffenen und deren Angehörigen. In Anlehnung an die für neurokognitive Störungen differenzierte Darstellung im DSM-5 [17] muss die umfassende neuropsychologische Untersuchung qualitative und quantitative Aussagen zu folgenden sechs Dimensionen liefern:

  • Komplexe Aufmerksamkeit: Daueraufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, selektive Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit.
  • Exekutive Funktionen: planen, entscheiden, Arbeitsgedächtnis, verwerten von Feedback/Fehlerkorrektur, handeln entgegen der Gewohnheit/Verhaltenshemmung, mentale Flexibilität
  • Lernen und Gedächtnis: unmittelbares Gedächtnis, Kurzgedächtnis (inkl. freier Abruf, Abruf mit Hinweisreizen, Wiedererkennen), Langzeitgedächtnis (semantisch, autobiografisch), implizites Lernen
  • Sprache: Sprachproduktion (inkl. Benennen, Wortfindung, Wortflüssigkeit, Grammatik, Syntax), Sprachverständnis
  • Perzeptiv-motorische Fähigkeiten: Visuelle Wahrnehmung, Visuokonstruktion, perzeptuell-motorische Fähigkeiten, Praxis, Gnosis
  • Soziale Kognition: Emotionen erkennen, Empathiefähigkeit (Theory of Mind)

Die Beurteilung der Leistungen soll auf:

  • a)
    der gemessenen Leistung (mindestens zwei Testverfahren pro Domäne, z.B. verbale und visuelle Gedächtnisleistung) in den Tests, wie auch auf
  • b)
    der Beobachtung/Befragung beruhen.

Bei der Wahl der Testverfahren ist auf die Erfüllung der Testgütekriterien zu achten, und es sind Instrumente zu verwenden, die über eine altersadäquate Normierung verfügen. Vor allem für die Diagnostik subtiler Störungen ist die Berücksichtigung der Ausbildung wesentlich. Damit Variablen der kognitiven Testung direkt vergleichbar werden, empfiehlt sich die Verwendung von Standardwerten (z.B. z-Werte, Prozentränge, etc.). Zur Verlaufsbeurteilung können Parallelversionen oder – falls vorhanden – Masse zur Veränderungsmessung (change scores) zum Einsatz kommen.

Auswahl der geeigneten Testverfahren

Zum zwingenden Standard gehört die Durchführung eines kognitiven Kurztests, dessen Resultate unter Berücksichtigung der Informationen aus Anamnese, Fremdanamnese und speziell der BADL und IADL erlauben, die richtige Testauswahl für die umfassende neuropsychologische Untersuchung zu treffen. MoCA [4] oder MMSE [1] kombiniert mit dem Uhrentest [18] werden als feste Bestandteile für das standardisierte Kurzverfahren empfohlen. Für Patienten mit fortgeschrittener Demenz (z.B. MMSE <15/30) kann sich eine differenzierte kognitive Testung erübrigen. Trotzdem kann auch für diese Patienten eine angepasste neuropsychologische Untersuchung, die auf Alltagsschwierigkeiten fokussiert, indiziert sein, da sie eine wichtige Grundlage für die Beratung und Begleitung der Betroffenen und Angehörigen darstellt. Mit zunehmendem Krankheitsverlauf gewinnen die für die Betreuung und Therapie wesentlichen Fremdbeurteilungsinstrumente zur Alltagsfunktionalität und zum Vorliegen von BPSD an Bedeutung.

Bei (noch) nicht kognitiv stark beeinträchtigten Patienten in einer Memory Clinic gehört die umfassendere neuropsychologische Untersuchung zum Standard. Eine in der deutschen Schweiz sehr gebräuchliche, bestens normierte und validierte Testbatterie ist die «Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease – Neuropsychological Assessment Battery (CERAD-NAB)», ergänzt mit Tests zur Untersuchung der Verarbeitungsgeschwindigkeit und Exekutivfunktionen, die als «CERAD-Plus» bezeichnet wird. Diese umfasst: Tiere aufzählen (Semantische Flüssigkeit), Bilder benennen (Visuelles Benennen), Wortliste – Lernen (Gedächtnis – Enkodierung), Figuren – Abzeichnen (Visuokonstruktive Fähigkeiten), Wortliste – Abrufen (Verbales Gedächtnis – Abruf), Wortliste – Wiedererkennen (Diskriminabilität), Figuren – Abrufen (Nonverbales Gedächtnis – Abruf), S-Wörter (Phonematische Flüssigkeit), und Trail Making Test, A und B (Verarbeitungsgeschwindigkeit/Flexibilität). Die Testunterlagen der CERAD-Plus inkl. der Möglichkeit zur Auswertung stehen Fachpersonen unter www.memoryclinic.ch kostenlos zur Verfügung. Eine ausführlichere Liste von Testen, auch in französischer Sprache, findet sich unter www.swissmemory clinics.ch.

Eine solche Standarduntersuchung wird durch weitere neuropsychologische Testinstrumente ergänzt, wenn ein hohes kognitives Ausgangsniveau besteht, sich Fragen zur Fahreignung oder Arbeitsfähigkeit stellen sowie bei seltenen Demenzformen mit spezifischen kognitiven Ausfallsmustern.

Untersuchung spezieller Patientengruppen

Eine besondere Herausforderung stellen Patienten dar, die: (a) einen Migrationshintergrund mit eingeschränkter Sprachkompetenz in der Untersuchungssprache haben (in dieser Situation ist es sinnvoll und langfristig ressourcensparend, einen interkulturellen Dolmetscher beizuziehen), (b) sensorische Einschränkungen haben, für welche in der Regel keine Normwerte existieren, (c) intellektuelle Entwicklungsstörungen haben oder (d) Hochbegabung aufweisen oder (e) die hoch betagt (Alter >90 Jahre) sind. Hier gestaltet sich eine kognitive Untersuchung und Beurteilung in der Regel äusserst anspruchsvoll. Sie muss daher auf die individuelle Situation angepasst werden und erfordert eine umfassende neuropsychologische Expertise. Darüber hinaus können somatische und psychiatrische Erkrankungen sowie eine die Kognition beeinträchtigende Medikation die Beurteilung sehr erschweren und müssen in jedem Fall berücksichtigt werden.

Praktisches Vorgehen

Im Rahmen der neuropsychologischen Untersuchung wird in einem ersten Schritt das Kurzverfahren durchgeführt, welches in Kombination mit den Informationen aus Anamnese und Fremdanamnese erlaubt, das Vorgehen und den Umfang für die umfassende neuropsychologische Untersuchung festzulegen. In einem zweiten Schritt findet eine ausführliche, hypothesengeleitete und personalisierte kognitive Testung statt. Als Kernelement dieses Untersuchungsschrittes empfiehlt sich die oben beschriebene CERAD-Plus-Testbatterie. Das Ergebnis des Kurzverfahrens in Kombination mit Informationen zu Alter, Ausbildung, Sprachkompetenz, und Beschäftigungsstatus erlaubt die Auswahl der geeigneten umfassenden kognitiven Testbatterie mittels eines Algorithmus (Abbildung 2). Beispiele für «Standard»- und «Komplex»-Testbatterien, die auf der Basis des Algorithmus ausgewählt werden können, finden sich bei Beck et al. [19].

Abbildung 2 Algorithmus für die Auswahl des geeigneten Testverfahrens. Anmerkungen: S = Standard-Testbatterie, K = Komplex-Testbatterie

Beurteilung, Interpretation

Gemäss DSM-5 wird von einem MCI gesprochen, wenn der konsolidierte z-Wert mindestens einer kognitiven Dimension 1–2 Standardabweichungen (zwischen dem 3. und 16. Perzentil) beträgt. Bei einer schweren neurokognitiven Störung (major neurocognitive disorder) muss der konsolidierte z-Wert in mindestens einer Dimension ≤−2.0 (3. Perzentil oder darunter) betragen. Für die Ermittlung des konsolidierten Werts einer kognitiven Dimension existieren verschiedene Verfahren (z.B. Hauptkomponentenanalyse). Die empfohlene und mit DSM-5 kompatible Einteilung zum Schweregrad ist die fünf-kategorielle Klassifikation der ’Leitlinien zur Klassifikation und Interpretation neuropsychologischer Testergebnisse’ der Schweizerischen Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP); www.svnp.ch.

Bericht über die neuropsychologische Untersuchung

Hier wird auf die «Leitlinien zur Berichterstattung» der SVNP verwiesen. Für die neuropsychologische Beurteilung werden sowohl quantitative als auch qualitative Aussagen, die Verhaltensbeobachtung, sowie die (Fremd-)Anamnesen berücksichtigt. Im Bericht soll transparent sein, auf welche Art von Daten sich die Schlussfolgerungen beziehen. Zudem muss eine kurze Stellungnahme zum klinischen Eindruck (z.B. Bewusstseinslage, Orientierung, Kooperation/Leistungsbereitschaft, Sozialverhalten, Gesprächsverhalten, Spontansprache, Sprach- und Instruktionsverständnis, Antrieb, Arbeitstempo, Ausdauer, Planungsverhalten, Fehlerkontrolle, testbehindernde Faktoren, Störungsbewusstsein, etc.) erfolgen. Es ist sehr hilfreich, die Resultate der kognitiven Testung in Anlehnung an die sechs kognitiven Dimensionen nach DSM-5 – wenn möglich – grafisch darzustellen. Es ist dann sinnvoll und erwünscht – gestützt auf die Resultate der kognitiven Testung und auf funktionell-neuroanatomischen Überlegungen – Hypothesen zur Ätiologie einer vorhandenen Störung aufzustellen. Selbstverständlich sind konkrete ätiologische und differenzial-diagnostische Überlegungen erst in der Zusammenschau aller in der Memory Clinic erhobenen Daten sinnvoll und zulässig.

Somatische Untersuchung

Der Somatostatus richtet sich nach den Komorbiditäten und der Verdachtsdiagnose (Schwerpunkt der Fragestellung) und muss darauf entsprechend angepasst werden (Tabelle 1).

Tabelle 1 Somatische Untersuchung

Blutdiagnostik

Standard

  • Blutbild, C-reaktives Protein
  • Glukose, HbA1c
  • Natrium, Kalium, Kalzium
  • Kreatinin
  • GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase), GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase), γ-GT (Gamma-Glutamyl-Transferase)
  • TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)
  • Vitamin B12, Folsäure, Vitamin D
  • Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride (Lipidstatus bei unter 80-Jährigen)
  • Lues und Borrelien (bei Verdacht)

Optionale Labordiagnostik

  • Elektrokardiogramm
  • Differenzialblutbild, BSG (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit), INR (International Normalized Ratio), Kreatinkinase, Harnstoff, Harnsäure, Bilirubin
  • Blutzuckertagesprofil
  • Freie Schilddrüsenhormone (fT3,fT4), Parathormon, Kortisol
  • Vitaminspiegel B1, B6, Niacin, Homocystein
  • Ferritin, Transferrin, Phosphat, Chlorid, Magnesium, Zink
  • Kupfer, Coeruloplasmin, Urinstatus mit Kupfer-Clearance im 24-Stunden-Urin
  • HIV (Humanes Immundefizienz-Virus)
  • CDT (Carbohydrat-defizientes Transferrin)
  • Noxen-Screening (Blei, Quecksilber)
  • Drogenscreening (z. B. Benzodiazepine)
  • Drug-Monitoring
  • Autoimmune und paraneoplastische Enzephalitis-Antikörper (z.B. anti-Hu, anti-Ma2, anti-CRMP5, anti-NMDA etc.)
  • Vaskulitisparameter (u. a. ANA, ANCA, RF; bei Verdacht auf definiertes Syndrom weiterführende Tests wie Komplementfaktoren C3, C4, zirkulierende Immunkomplexe, Kryoglobuline, anti-DNS, anti-SSA, anti-SSB etc.)
  • ApoE(Apolipoprotein E)-Genotyp (z.B. im Rahmen der Forschung)

Liquordiagnostik

Standard für folgende Indikationen

  • Ausschluss nicht primär degenerativer Demenzformen, hier insbesondere chronisch-entzündlicher ZNS-Erkrankungen
  • Unterstützende Diagnostik bei rapid-progredienten Demenzerkrankungen, insbesondere Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJE)
  • Diagnostik- und Entlastungspunktion bei Verdacht auf Normaldruckhydrozephalus
  • Unterstützende Diagnostik nach spezifisch diskutierter klinischer Indikation in Frühstadien der Alzheimerdemenz (AD) sowie bei atypischen Verlaufsformen und/oder Vorliegen einer AD mit frühem Beginn

Die Basisdiagnostik Liquor ist in der Tabelle 2 zusammengefasst. Bei entsprechender klinischer Indikation kann eine zusätzliche Bestimmung von IgA (Referenzbereich <5,00 mg/l) und IgM (Referenzbereich1,00 mg/l) erfolgen. Bei entsprechendem klinischem Verdacht und positivem Befund im Serum können Borrelien- und Lues-Serologie sowie ggfs. weitere serologische Bestimmungen durchgeführt werden. Die Bestimmung von Beta-Amyloid, Phospho-Tau und Tau-Protein als Demenzbiomarker etabliert sich zunehmend als früh- und differenzialdiagnostisches Verfahren bei der Abklärung von Demenzerkrankungen.

Tabelle 2 Basisdiagnostik Liquor

Bildgebende Diagnostik

Die bildgebende Untersuchung des Gehirns im Rahmen der Diagnostik von Demenzerkrankungen erfüllt zwei wesentliche Funktionen:

  1. 1.
    Ausschluss von Raumforderungen, Liquorzirkulationsstörungen sowie vaskulär, metabolisch oder entzündlich bedingten Veränderungen
  2. 2.
    Beitrag zur ätiologischen Differenzierung und Zuordnung primärer Demenzerkrankungen.

In ca. 5 % aller Demenzkranken wird eine potenziell behandelbare, nicht-degenerative Ursache durch eine bildgebende Untersuchung aufgedeckt (z.B. subdurales Hämatom, Tumor, Normaldruckhydrozephalus, vaskuläre und entzündliche Pathologien) [20]. Rein klinische Untersuchungsverfahren sind nicht ausreichend sensitiv, um derartige, mit Demenzsymptomen einhergehende Krankheitsbilder auszuschliessen.

Standard

Die strukturelle Bildgebung mit kranialer Magnetresonanztomografie (MRT) – alternativ, bei Vorliegen von MRT-Kontraindikationen mittels kontrastmittelgestützter kranialer Computertomografie (CT) – ist Teil der Standarddiagnostik. Eine Bildgebung muss durchgeführt werden, falls eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt ist, bzw. sind [21, 22]:

  • Patient unter 65 Jahren mit kognitiven Störungen
  • Kognitive Symptomatik mit akutem oder subakutem Beginn
  • Rasch voranschreitende Demenz
  • Schädel-Hirn-Trauma in der Kurzzeitanamnese
  • Neuaufgetretene neurologische Symptomatik (z.B. Krampfanfälle, Inkontinenz, Gangstörungen, Apathie etc.)
  • Neu aufgetretene fokale neurologische Symptome (z.B. pathologische Reflexmuster, Hemiparese, visuelle Störungen)
  • Krebsleiden in der Anamnese (insbesondere metastasierende Karzinome)
  • Antikoagulanzien-Einnahme oder Gerinnungsstörung
  • Atypische kognitive Symptomatik (z.B. rasch zunehmende Aphasie, Wesensänderung, Auffälligkeiten im Sozialverhalten)
  • Atypischer Demenzverlauf

Die Bildgebung des Gehirns kann zur Diagnosestellung und Differenzialdiagnose zwischen der Alzheimer-Krankheit und anderen, z.B. frontotemporalen, Demenzen beitragen, wobei die differenzialdiagnostische Trennschärfe der strukturellen Bildgebung zwischen diesen Ätiologien derzeit für die alleinige Anwendung nicht ausreichend ist [23]. Ein wesentlicher Nutzen der strukturellen Bildgebung des Gehirns besteht in der Identifizierung und Beurteilung intrazerebraler Läsionen bezüglich Lokalisation und Quantität [24, 25]. Die Bildgebung ist dabei als ein Beitrag zur Gesamtbeurteilung und Einordnung der demenziellen Krankheitsbilder in Verbindung mit Anamnese, klinischem und neuropsychologischem Befund anzusehen, auch in der Einordnung der Differenzialdiagnose zwischen degenerativer, vaskulärer oder gemischter Demenz.

Kraniale Magnetresonanztomografie (MRT)

Aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung und des wesentlich besseren Gewebekontrastes im Gehirn im Vergleich zur Computertomografie sollte, insbesondere bei jüngeren Patienten und bei rasch progredienten Symptomen, die MRT als Untersuchungsmethode der Wahl eingesetzt werden. Bei klinischem Verdacht auf entzündliche, tumoröse oder metabolische Erkrankungen sollte eine MRT durchgeführt werden.

Untersuchungsprotokoll (Minimalempfehlung)

Standard

  • 3D-MPR T1, sagittale Aquisition gesamtes Zerebrum
    • Rekonstruktionen in drei Ebenen
    • Koronar: senkrechte Ebene zur longitudinalen Achse des Temporallappens
    • Beurteilung Hippocampi und mesiotemporale Regionen
    • Sagittale Ebene: Beurteilung parietale und postzentrale Atrophie
  • FLAIR transversal oder 3D-FLAIR gesamtes Zerebrum
    • Beurteilung White Matter Lesions und globale kortikale Atrophie
  • T2-w TSE, transversal gesamtes Zerebrum
    • White Matter Lesions und lakunäre Infarkte
  • T2*-w oder SWI
    • Microbleeds, Verkalkungen, Eisenablagerungen
  • DWI/ADC
    • Subakute lakunäre Infarkte; CJE

Optional

  • 3D-MPR/VIBE T1 FS mit Kontrastmittel
    • Rekonstruktionen in drei Ebenen
  • Volumetrische Analysen

Kraniale Computertomografie (CT)

Bei fehlender Verfügbarkeit der MRT und bei Kontraindikationen für eine MRT (z.B. Herzschrittmacher, digital programmierte Implantate, ausgeprägte Klaustrophobie) sollte alternativ eine CT durchgeführt werden. Die CT ohne Kontrastmittel ist in der Regel ausreichend für den Nachweis eines subduralen Hämatoms oder eines Hydrozephalus, mit Einschränkung auch für die Abklärung einer vaskulären Demenz. Für die topische Diagnostik einer Alzheimer-Krankheit oder in der Differenzialdiagnose subkortikaler Demenzformen ist die CT weniger geeignet [21].

Untersuchungsprotokoll

Primär native Untersuchung (Kontrastmittelgabe abwägen, bei klinischem Verdacht auf Raumforderung oder vaskulären Prozess und fehlender Kontraindikation für iodhaltige Kontrastmittel)

Axiale Spiral-CT geführt zwischen Schädelbasis und Vertex.

Rekonstruktionen im Weichteilfenster, z.B. 3/3 mm:

  • Transversal: parallel zur longitudinalen Ebene des Temporallappens
  • Koronar: senkrecht zur longitudinalen Ebene des Temporallappens

Sonografie der gehirnversorgenden Gefässe

Bei vaskulärer Demenz oder bei gemischt vaskulär-degenerativen Demenzformen kann die Beurteilung von Stenosen der hirnversorgenden Gefässe mittels Doppler- und Duplexsonografie relevant sein [26].

Nuklearmedizinische Verfahren

Positronen Emissions-Tomografie (PET) mit 18F-Fluordesoxyglukose (FDG-PET)

In der FDG-PET wird der regionale Glukosemetabolismus des Gehirns bildlich dargestellt und mit Normalwerten verglichen. Die FDG-PET ist die am häufigsten eingesetzte nuklearmedizinische Bildgebung zur Abklärung von Demenzen. Die empfohlenen Indikationen zur FDG-PET sind in der Tabelle 3 zusammengefasst. Eine häufige klinische Anwendung der FDG-PET am Gehirn betrifft die Frühdiagnose der Alzheimer-Demenz, welche die häufigste Demenzform darstellt. Für diese Indikation weist die FDG-PET eine hohe diagnostische Sicherheit unter den nicht invasiven Verfahren auf, denn durch die Einführung einer voxelbasierten, statistischen Analyse konnte eine wesentliche Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit erreicht werden [27]. Zwischenzeitlich ist eine entsprechende Auswertungssoftware von verschiedenen Herstellern kommerziell erhältlich, und eine voxelbasierte statistische Auswertung des PET-Scans ist als zwingender Bestandteil der aktuellen PET-Diagnostik bei Demenzen anzusehen.

Tabelle 3 Empfohlene Indikationen zur Hirn-PET mit 18F-FDG bei kognitiven Defiziten

Die FDG-PET weist eine hohe Sensitivität für den Nachweis sowohl funktionell als auch organisch (neurodegenerativ) bedingter Veränderungen der kortikalen Informationsverarbeitung auf und eignet sich im Bereich der Abklärung kognitiver Defizite sehr gut zur Frühdiagnostik, z.B. wenn bereits kognitive Beeinträchtigungen objektivierbar sind, aber die formalen Demenzkriterien nicht vollständig erfüllt werden. In einer Metaanalyse wurde eine sehr hohe durchschnittliche Sensitivität und Spezifität für die Erfassung einer Alzheimer-Demenz errechnet [28]. Die Prognose, ob eine MCI in eine Alzheimer-Demenz konvertieren wird, lässt sich mittels FDG-PET mit einer sehr hohen Genauigkeit bestimmen [29]. Die topische Zuordnung funktionsgestörter Areale erlaubt zudem in vielen Fällen zusätzlich, klinische Überlappungen von möglichen Symptomen einer frühen Neurodegeneration von denen eines funktionellen, demenzähnlichen Zustandes (z.B. bei psychiatrischen Erkrankungen) und kognitiven Beeinträchtigungen anderer Genese (z.B. limbische Enzephalitis) zu differenzieren. Das topische Muster stoffwechselverminderter Areale in der FDG-PET korreliert zudem signifikant mit dem klinischen Phänotyp der Alzheimer-Demenz (z.B. prädominant mnestische, semantische oder visuospatiale Störung) [30].

Auch für eine Reihe weiterer, seltenerer neurodegenerativer Demenzen bestehen typische metabolische Muster, welche mittels der FDG-PET differenziert werden können. Dies betrifft die Demenz mit Lewy-Körperchen, verschiedene Formen der frontotemporalen Lobärdegenerationen [31], hier insbesondere die Varianten der primär progressiven Aphasie (semantische, nicht-flüssige und logopenische), sowie die posteriore kortikale Atrophie.

Zusammenfassend ist die FDG-PET zur Diagnostik von neurodegenerativen Demenzen als molekulare Bildgebung erster Wahl zu empfehlen. Sie wird heutzutage als kombinierte PET/CT in Low-dose-Technik durchgeführt, wobei die CT der anatomischen Orientierung und der Abschwächungskorrektur der PET dient. Eine vorangehende andere morphologische Bildgebung (Kontrastmittel-CT, MRT) ist in der Regel nicht erforderlich und kann unabhängig von der FDG-PET erfolgen. Als neueste Technologie ist auch die kombinierte PET/MRT technisch verfügbar, bei welcher eine diagnostische MRT zeitgleich mit der FDG-PET erbracht werden kann. Im Falle von vaskulären und anderen nichtdegenerativen Demenzen ist die FDG-PET als alleinige bildgebende Methode nicht geeignet, bei entsprechendem Verdacht ist das Verfahren immer in Kombination mit der MRT anzuwenden.

Bedingungen zur Kostenübernahme einer FDG-PET

Gemäss Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) werden die Kosten einer FDG-PET erstattet, falls:

  1. 1.
    der Auftrag für die PET durch einen Facharzt für Geriatrie, Psychiatrie oder Neurologie ergeht,
  2. 2.
    der Patient höchstens 80 Jahre alt ist,
  3. 3.
    der Beginn der Demenz nicht länger als fünf Jahre zurückliegt,
  4. 4.
    der Wert beim MMSE nicht unter zehn Punkten liegt, und
  5. 5.
    vorgängig noch keine PET oder SPECT (single-photon emission computed tomography, Einzelphotonen-Emissions-Computertomografie) durchgeführt wurde.

Standards zur Durchführung der FDG-PET

  • Durchführung in PET-Zentren, welche die administrativen Richtlinien vom 20. Juni 2008 der Schweizerischen Gesellschaft für Nuklearmedizin (SGNM) erfüllen (KLV, Anhang 1, Ziffer 9.2)
  • Räumliche Normalisierung des PET-Scans auf einen standardisierten Hirnatlas und voxelbasierste statistische Analyse des regionalen Glukosemetabolismus im Vergleich mit einem Normalkollektiv.
  • Integration der statistischen Analyse in die Bilddokumentation und den Befundtext des PET-Befundes.

SPECT zur Bestimmung der Dopamintransporterdichte im Striatum mittels 123I-Ioflupane (DaTSCAN®)

Bei der DaTSCAN® handelt es sich um eine nuklearmedizinische Untersuchung, um die Intaktheit der dopaminergen Nervenendigungen im Striatum festzustellen. Typischerweise findet sich hier bei Parkinsonsyndromen mit einem Dopaminmangel ein pathologischer Befund. Die Kosten für eine Hirn-SPECT mit DaTSCAN werden gemäss Spezialitätenliste mit einer Limitatio des BAG in ausgewählten Fällen zur Differenzierung zwischen essenziellem Tremor und Parkinson-Syndromen erstattet. Es gibt eine zunehmende Evidenz, dass mittels DaTSCAN zuverlässig zwischen einer Demenz vom Lewy-Body-Typ (mit pathologischem Dopamin-Transporter-SPECT Befund) und Demenzen ohne Lewy-Körperchen (insbesondere die Alzheimer-Demenz, mit normalem Dopamin-Transporter-SPECT-Befund) unterschieden werden kann [32]. Gleiches gilt für die hinsichtlich der Bestimmung der zerebralen Dopamin-Verfügbarkeit äquivalente, respektive überlegene PET mit 18F-Fluorodopa (18F-DOPA-PET) [33].

Amyloid-PET

Die Amyloid-PET kann zuverlässig nachweisen, ob die Beta-Amyloid-Plaque-Pathologie im Gehirn vorliegt oder nicht. Dies geschieht mithilfe verschiedener Tracer, die an diese Plaques binden. Aktuell sind in der Schweiz die Tracer Amyvid® (Florbetapir) und Vizamyl® (Flutemetamol) zugelassen, es besteht aber keine Leistungspflicht durch die Krankenkassen.

Internationale Empfehlungen zum klinischen Einsatz dieser Technologie wurden publiziert [34]. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist diese Untersuchung vorwiegend wissenschaftlichen Fragestellungen insbesondere zur Erforschung von Krankheitsprozessen und als Einschluss- und Verlaufsuntersuchung bei Medikamentenstudien vorbehalten. Im Falle der Verfügbarkeit neuer Arzneimittel zeichnet sich zukünftig ein erweitertes klinisches Einsatzgebiet ab.

Genetik

Menschen, die engen Umgang mit Angehörigen von Demenzpatienten haben, sind oft mit Fragestellungen zur Genetik der Demenz konfrontiert [35]. Diese Fragestellungen sind überproportional häufig im Vergleich zur Notwendigkeit, einen Humangenetiker hinzuzuziehen.

Standard

Die Mitarbeiter einer Memory Clinic müssen in der Lage sein,

  • Fälle der familiär auftretenden Demenz ausfindig zu machen;
  • Informationen im Rahmen der Diagnosestellung zu gewichten;
  • die Indikation für eine genetische Beratung zu stellen;
  • mit Humangenetikern zusammenzuarbeiten und dies zu dokumentieren;
  • mit dem Patienten bzw. dessen Angehörigen über eine mögliche Überweisung an einen Humangenetiker zu sprechen;
  • den Patienten bzw. dessen Familie an ein humangenetisches Institut zu verweisen (meist an eine Universitätsklinik angeschlossen). Überweisungen sind insbesondere in folgenden Fällen indiziert:
    • ein Angehöriger ersten Grades mit möglicher Erkrankung, Alter unter 50 Jahre;
    • zwei Angehörige ersten Grades mit möglicher Erkrankung, Alter unter 60 Jahre;
  • Aufklärung und Beratung zur Genetik als Risikofaktor für die häufigsten Demenzerkrankungen zu leisten;
  • entsprechend über genetische Risikofaktoren aufzuklären.

Optional

  • Untersuchung auf ein mögliches angeborenes kognitives Leiden mit Genogramm.
  • Genetische Beratung, falls entsprechende Expertise vorhanden ist.

Andere Untersuchungen

Die hier genannten Untersuchungen kommen als Ergänzung zu den in den «Allgemeinen Empfehlungen zum diagnostischen Prozess» aufgeführten Massnahmen in Betracht. Sie können einen zusätzlichen Nutzen bei der differenzialdiagnostischen Bewertung demenzieller Syndrome haben und/oder relevante Begleiterkrankungen nachweisen, welche die klinische Manifestation und den Schweregrad einer Demenzerkrankung beeinflussen. In der Regel beruht der Entscheid für eine der unten aufgeführten Untersuchungen auf richtungsweisenden Angaben in der Anamnese oder auf Befunden im Somatostatus.

Elektroenzephalografie (EEG)

Die EEG ist ein wenig belastendes und kostengünstiges Untersuchungsverfahren. Typischerweise kommt es im Verlauf einer Alzheimer-Krankheit oder einer Lewy-Body-Erkrankung zu einer Verlangsamung der Grundaktivität. Demgegenüber zeigen Patienten mit einer frontotemporalen Lobärdegeneration häufig eine akzentuierte unauffällige Grundaktivität. Infolge der zunehmend hohen Sensitivität und Spezifität strukturell- und funktionell-bildgebender sowie laborchemischer Methoden hat das EEG heute eine geringe Bedeutung bei der apparativen Diagnostik einer Demenzerkrankung.

Eine EEG-Untersuchung kann nützliche Informationen liefern bei:

  • Vigilanzschwankungen und rezidivierenden amnestischen Episoden zum Ausschluss einer epileptischen Genese.
  • V.a. infektiöse, autoimmune oder metabolische ZNS-Erkrankungen (z.B. limbische Enzephalitis, Hashimoto-Enzephalopathie) sowie bei V.a. eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung.

Schlafdiagnostik

Demenzerkrankungen gehen häufig mit einem erhöhten Schlafbedürfnis, d.h. einem verlängerten Nachtschlaf und einer erhöhten Tagesschläfrigkeit einher. Eine exzessive Tagesschläfrigkeit kann einfach mit dem Epworth-Sleepiness-Fragebogen zur Einschlafneigung (>9 Punkte) abgeschätzt oder durch Wachhalte- bzw. Einschlaflatenz-Tests (MWT, MSLT) objektiviert werden. Schlafassoziierte Atemstörungen können, ebenso wie hirnorganische Erkrankungen, die Schlafarchitektur stören und eine exzessive Tagesschläfrigkeit sowie Einschränkungen von Aufmerksamkeitsleistungen verursachen. Sie stellen einen unabhängigen Risikofaktor für kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse dar und sind häufig behandelbar.

Die Durchführung einer apparativen schlafbegleitenden Untersuchung (Aktimetrie, nächtliche Pulsoximetrie, Polygrafie, Polysomnografie) kann indiziert sein bei:

  • einer exzessiven Tagesschläfrigkeit und Zeichen einer nächtlichen Atemstörung (unregelmässiges Schnarchen, Atempausen, nächtliche Atemnot, Erwachen mit trockenem Mund, nicht erholsamer Schlaf etc.) zum Ausschluss eines Schlaf-Apnoe-Syndroms. Adipositas und regelmässiger abendlicher Alkoholkonsum erhöhen das Risiko für eine schlafassoziierte Atemstörung;
  • V.a. REM-Schlaf-Verhaltensauffälligkeiten i.R. der Verdachtsdiagnose einer Parkinson- oder Lewy-Body-Erkrankung;
  • V.a. schlafgebundene epileptische Anfälle.

Geruchstestung

Bei der Alzheimer- sowie bei der Parkinson-Krankheit kommt es frühzeitig zu pathologischen Veränderungen im Bereich des olfaktorischen einschliesslich des entorhinalen Kortex. Deren typisches klinisches Korrelat ist eine abnehmende Geruchsleistung. Diese kann sowohl bei gesunden Älteren als auch bei Patienten mit leichten kognitiven Störungen ein Hinweis für die Entwicklung einer Alzheimer- (oder Parkinson-) Krankheit sein.

  • Eine Geruchstestung kann bei der Frühdiagnostik der Alzheimer-Demenz die Verdachtsdiagnose unterstützende Befunde liefern. Es stehen verschiedene, validierte Tests (insbesondere Geruchsstifte oder Rubbelbriefe) zur Verfügung.

Ganganalyse

Neurodegenerative Erkrankungen können neben der Kognition auch motorische Funktionen beeinträchtigen. Menschen mit einer demenziellen Erkrankung haben gegenüber gleichaltrig Gesunden früh ein erhöhtes Sturzrisiko. Eine strukturierte klinische Ganganalyse («Up and Go»-Test mit standardisierten Gangbeurteilungskriterien) ermöglicht hier eine Bewertung der Gangsicherheit bzw. der Sturzgefährdung. Sie erlaubt es, den Einfluss der zentralen Steuerung und anderer somatischer Faktoren (muskulo-skelettal, neurologisch, sensorisch) auf die Gangstörung abzuschätzen. Sie hilft, die Indikation für geeignete therapeutische und präventive Massnahmen (Training, Gehhilfsmittel u.a.) zu stellen. Für eine quantitativ ausgerichtete Ganganalyse stehen validierte klinische Mobilitätstests (e.g. Timed «Up and Go»-Test), aber auch computerisierte Verfahren (Bewegungsdaten werden digital erfasst, z.B. über Drucksensoren auf einem Laufteppich) zur Verfügung.

Okulomotorik/Gesichtsfeld

Der klinischen Untersuchung der Okulomotorik und des Gesichtsfeldes kommt bei V.a. bestimmte neurodegenerative Erkrankungen (z.B. eine progressive supranukleäre Blickparese) oder eine vaskuläre Pathologie eine besondere Bedeutung zu. Eine apparative Untersuchung ist in der Regel nur bei gezielten Fragestellungen (z.B. Sakkadendefizit, Gesichtsfeldausfälle, Visus bei unklaren Sehstörungen) indiziert.

Key messages

  • «Case finding» statt systematische Untersuchung: Die frühzeitige Erfassung von spezifischen Hinweisen, Symptomen und Risikofaktoren («red flags») einer Demenzerkrankung ist Aufgabe des Grundversorgers.
  • Für die kognitive Basisabklärung in der Praxis wird der MoCA-Test empfohlen, dies gilt insbesondere bei beginnender oder leichter kognitiver Symptomatik. Alternativ können MMSE/Uhrentest oder DemTect weiterhin verwendet werden. In der Memory Clinic eignet sich die CERAD-Plus-Testbatterie als Kernelement der neuropsychologischen Untersuchung.
  • Strukturierte Eigen- und Fremdanamnese, klinische Untersuchung mit Erhebung der Alltagsfähigkeiten, neuropsychologische Testung, Blutdiagnostik und strukturelle Bildgebung sind Standards in der Demenz-Abklärung.
  • Anamnese und klinische Untersuchung sollen auch die behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD) berücksichtigen.
  • Laboruntersuchung dient primär dem Ausschluss von behandelbaren Ursachen der kognitiven Störungen. Der Bestimmung von Biomarkern kommt zunehmend Bedeutung zu.
  • Kraniale MRT ist die Untersuchungsmethode der Wahl im Rahmen der strukturellen Bildgebung. Wenn kein MRT durchgeführt werden kann, ist eine kraniale CT indiziert.
  • Nuklearmedizinische Verfahren haben bei beginnenden neurodegenerativen und bei ätiologisch unklaren kognitiven Störungen ihre Indikation.

Lernfragen

1. Welche der unten angegebenen Untersuchungen sind Standard bei der Demenz-Abklärung? (Einfachauswahl)

  • a)
    Klinische Untersuchung mit Erhebung der Alltagsfähigkeiten
  • b)
    Neuropsychologische Testung
  • c)
    Blutdiagnostik
  • d)
    Strukturelle Bildgebung
  • e)
    Alle

2. Welche der folgenden Aussagen stimmt nicht? (Einfachauswahl)

  • a)
    Bei der Demenz-Abklärung steht «Case finding» statt systematische Untersuchung im Vordergrund.
  • b)
    Drogenscreening gehört zu den Standarduntersuchungen.
  • c)
    In der Praxis der MoCA-Test und in der Memory Clinic der CERAD-Test werden als Kernelemente der Neuropsychologie empfohlen.
  • d)
    MRT ist die Untersuchungsmethode der Wahl im Rahmen der strukturellen Bildgebung.
  • e)
    Nuklearmedizinische Verfahren werden bei ätiologisch unklaren kognitiven Störungen eingesetzt.

3. Liquordiagnostik wird bei welcher folgenden Indikation nicht als Standarduntersuchung eingesetzt? (Einfachauswahl)

  • a)
    Ausschluss nicht primär degenerativer Demenzformen
  • b)
    Rapid-progrediente Demenzerkrankungen
  • c)
    Tumorerkrankungen
  • d)
    Zur Entlastung bei Normaldruckhydrozephalus
  • e)
    Bei atypischen Demenz-Verläufen

Antworten zu den Lernfragen

Antwort e) ist richtig.

Antwort b) ist richtig.

Antwort c) ist richtig.

Im Artikel verwendete Abkürzungen:

ADL Activities of Daily Living

ApoE Apolipoprotein E

BADL Basic Activities of Daily Living

BDI Beck Depression Inventory

BPSD Behaviorale und psychologische Symptome der Demenz

BSG Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit

CDT Carbohydrat-defizientes Transferrin

CERAD-NAB Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease – Neuropsychological Assessment Battery

CJE Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung

CT (Kraniale) Computertomografie

DemTect Demenz-Detektion-Test

DSM-5 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage

EEG Elektroencephalogramm

γ-GT Gamma-Glutamyl-Transferase

GDS Geriatric Depression Scale

GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase

GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase

HIV Humanes Immundefizienz-Virus

IADL Instrumental Activities of Daily Living

ICD-10 International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

INR International Normalized Ratio

KLV Krankenpflege-Leistungsverordnung

MCI Mild Cognitive Impairment

MMSE Mini-Mental-Status-Examination

MoCA Montreal-Cognitive-Assessment

MRT (Kraniale) Magnetresonanztomografie

NOSGER Nurses’ Observation Scale for Geriatric Patients

PET Positron-Emissions-Tomografie

SFGG Schweizerische Fachgesellschaft für Geriatrie

SGAP Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie

SMC Swiss Memory Clinics

SPECT Single-Photon Emission Computed Tomography

SVNP Schweizerische Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen

TSH Thyreoidea-stimulierendes Hormon

ZNS Zentrales Nervensystem

Bibliografie

Dr. med. Markus Bürge, Berner Spitalzentrum für Altersmedizin, Siloah AG, Akademisches Lehrspital der Universität Bern, Worbstrasse 316, 3073 Gümligen/Bern, www.swissmemoryclinics.ch, E-Mail