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Free AccessKommentare

Kommentare zu Romanos & Jans (2014). ADHS – an der Nahtstelle von Medizin und Pädagogik. Lernen und Lernstörungen, 3, 117 – 132.

Published Online:https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000071

Genetik bei ADHS – zwischen Euphorie und Skepsis

Das Ziel des Artikels von Romanos und Jans, wie der ausführlichen englischen Zusammenfassung zu entnehmen, ist hoch begrüßenswert: „The aim of this article is to provide an overview on the current scientific knowlegde of aetiology, diagnosis, course and therapy of ADHD for physicians, psychologists, paedagouges and associated therapeutic workers“ (Romanos & Jans, 2014). Wie ebenfalls von den Autoren erwähnt, ist ADHS eine multifaktorielle Erkrankung und es bestehen lebhafte Debatten um die Zusammensetzung sowie den Einfluss der verschiedenen Faktoren.

Genetik, Epigenetik und Umwelt

Zwillingsstudien und Heritabilität. Romanos und Jans sprechen sich in ihrem Artikel für eine stärkere Berücksichtigung der genetischen Faktoren aus und verweisen dabei u. a. auf Zwillingsstudien, die eine Heritabilität (d. h. Erblichkeit, welche nicht nur genetisch bedingt sein muss) von 80 % nahelegen. Ferner soll die Genvariante LPHN3, von der Romanos und Jans sprechen, in Wechselwirkung mit einem anderen Genort das ADHS-Risiko verdoppeln. Man muss aber beachten, dass in den Studien bei der beschriebenen Psychopathologie (d. h. dem Phänotyp) neben den Kernsymptomen von ADHS auch deutliche assoziierte Merkmale von einer Störung des Sozialverhaltens aufgezeigt werden (z. B. Arcos-Burgos et al., 2010), so dass die Zuordnung des genetischen Befundes nicht eindeutig möglich ist. Zudem zeigte sich, dass die meisten gefundenen Risikogene für ADHS mit der Hirnentwicklung allgemein zu tun haben und damit nicht störungsspezifisch zu sein scheinen.

Wieso dies so ist und welche Einflüsse hierbei eine Rolle spielen, ist immer noch Gegenstand der Forschung, nicht nur der genetischen, sondern z. B. auch der psychologischen, denn auch interaktionelles Verhalten, Mutter-Kind-Bindung etc. können hier eine Rolle spielen.

Es ist nicht zu bestreiten, dass es erbliche Einflüsse bei ADHS gibt und auch die Erkrankung als solche ist nicht in Frage zu stellen (Faraone, 2005). Dennoch muss kritisch hinterfragt werden, ob Personen mit Aufmerksamkeitsproblemen anderer Art ausreichend sicher von ADHS abzugrenzen sind und vor allem inwiefern uns dabei und bei der Behandlung der Betroffenen die bisherigen genetischen Erkenntnisse helfen. Dass es aus reinem, wissenschaftlichen Forschungsinteresse immer interessant ist, genetische Hintergründe und pathophysiologische Zusammenhänge einer Erkrankung zu analysieren, ist einsichtig. Dennoch befindet sich die translationale Forschung, also der Übergang von der Grundlagenforschung zur Anwendbarkeit, noch in den Kinderschuhen, sodass der Nutzen für die Betroffenen bisher noch nicht ersichtlich ist.

Klinische Relevanz. Wie sieht es also aus mit den genetischen Einflüssen und deren Relevanz in Bezug auf klinische Diagnose und Therapie von ADHS? Sind sie wirklich so bedeutend wie von Romanos und Jans dargestellt? Eine eigene Übersichtsarbeit zu diesem Thema aus dem Jahr 2012 (Rothenberger, 2012) lieferte die gleiche Erkenntnis, wie sie auch Romanos und Jans in ihrem Artikel anklingen lassen: Es gibt nicht das ADHS-Gen und Einiges spricht dafür, dass es auch nie gefunden werden wird. Die genetische Forschung bei ADHS sowie bei vielen anderen psychischen Erkrankungen entdeckte bisher vorwiegend Folgendes: es gibt viele Risikogene, die sich zudem bei vielen psychiatrischen Krankheiten noch überlappen, d. h. man sucht derzeit nach einem polygenetischen Risikoscore, der eventuell als Biomarker taugt, um so ADHS zu diagnostizieren (Cross-Disorder Group of the Psychiatric Genomics Consortium, 2013; Yang et al., 2013; Asherson et al., 2013). Dabei sind die Ergebnisse der meisten genetischen Studien uneinheitlich, so dass noch viele Fragezeichen bestehen, welche genetischen Komponenten nun wirklich konstant zur Manifestation einer ADHS beitragen. So bleibt auch abzuwarten, welche klinische Bedeutung die von Romanos und Jans angeführte Verdopplung des ADHS-Risikos durch die Genvariante LPHN3 in Interaktion mit einem weiteren Genort tatsächlich hat.

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass wenige Gene maßgeblich für die Erkrankung sind. Es wird sich vielmehr um ein komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener genetischer Komponenten handeln, die zudem individuell variieren und durch Umwelteinflüsse in ihrer Wirkung modifiziert werden und damit sogar einem zeitlichen Wandel im Verlauf der kindlichen Entwicklung unterworfen sein können. Die Epigenetik befasst sich mit eben diesen modulierenden Umwelteffekten. Man weiß heute, dass Gene, bildlich gesprochen, gewissermaßen auf Umweltfaktoren wie Stress etc. reagieren. So kann durch das pure Vorhandensein einer gewissen Genkonstellation bereits eine erhöhte Vulnerabilität (Verletzlichkeit) für ADHS vorliegen (wie z. B. im Fall der von Romanos und Jans genannte Genvariante LPHN3 in Kombination mit der sogenannten 11q-Region, was angeblich zu einer Verdopplung des ADHS-Risikos führen soll). Hierbei handelt es sich aber zunächst nur um ein Risiko, das heißt im Umkehrschluss: es gibt Menschen mit dieser Anlage, die trotzdem nicht erkranken. Das wiederum legt nahe, dass entweder noch andere, nicht ausreichend bekannte, genetische Faktoren (einschließlich der Wechselwirkung zwischen einzelnen Genen) eine Rolle spielen oder aber, was nach dem aktuellen Forschungsstand der Epigenetik nach wahrscheinlicher sein dürfte, dass die Störung erst durch das Hinzukommen bzw. die Akkumulation negativer Umweltfaktoren auftritt. Analog könnten schützende, sogenannte protektive Umweltfaktoren, die Manifestation der Störung verhindern. Diese Zusammenhänge sind noch unzureichend verstanden und erforscht, eben gerade weil sie so hoch komplex sind. Wie Romanos und Jans selbst bemerken, bestehen hier große methodische Schwierigkeiten und es liegen uneinheitliche Ergebnisse vor. Daraus abzuleiten, dass Umweltfaktoren angesichts der hohen Heritabilität (wie oben erläutert ein verkürzter Trugschluss) nur eine untergeordnete Rolle spielen, halte ich vor dem Hintergrund der epigenetischen Erkenntnisse für eine voreilige und fehlleitende Schlussfolgerung. Die Epigenetik wirft auch noch einmal ein anderes Licht auf die vor Jahren durchgeführten Zwillingsstudien: welchen Einfluss mochte das Zusammenspiel von Genkonstellation (Anmerkung: damals konnte man epigenetische Genkonstellationen und damit bedeutende vorhandene genetische Unterschiede zwischen den Zwillingen noch nicht untersuchen) und Umwelteinflüssen hier wohl gehabt haben?

Ethische Aspekte

Krankheitsverständnis. Die Feststellung, dass eine Erkrankung zumindest teilweise genetisch bedingt ist, brachte bisher auch eine Entlastung von Schuldgefühlen für die Betroffenen und das (familiäre) Umfeld: Ich kann nichts dafür, das ist ja genetisch. Gerade bei psychischen Erkrankungen, die in unserer Gesellschaft für viele immer noch wenig fassbar und mit hohem Stigmapotential belegt sind, kann der Befund einer genetischen Ursache als Krankheitslegitimation dienen: Schau, da ist wirklich etwas, das ist wirklich eine Krankheit. Würde man psychische Störungen genetisch oder neurobiologisch zum größten Teil erklären und bestenfalls therapieren können, so wären sie leichter mit den somatischen Erkrankungen und deren geringeren Stigmatisierung in der Gesellschaft gleichzusetzen. Zu Grunde liegt dem ein biologisches Krankheitsverständnis, dass nur zählen lässt, was materiell-biologisch/genetisch fassbar ist. Daneben existiert das Krankheitsverständnis, dass alle Zustände einer Person als Krankheit deklariert, die für diese Person zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität und psychosozialen Funktionsfähigkeiten führen, so dass der Alltag nicht mehr oder nur eingeschränkt bewältigbar ist. Die Hilfsbedürftigkeit spielt hier eine Rolle und die interaktionelle sowie soziale Komponente in der Therapie tritt dabei deutlich in den Vordergrund.

Dieses Krankheitsverständnis scheint zwar allgemein weniger verbreitet, würde aber zu einer Stigmareduktion psychischer Störungen beitragen können.

Genetik/Neurobiologie vs. Psychologie/Psychotherapie. Bei der ADHS-Forschung zeigen sich vorrangig zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen: Da sind zum einen die Genetiker und neurobiologisch orientierten Forscher. Sie möchten gerne die biologischen Ursachen der Störung kausal entschlüsseln und daraus medikamentöse und computergestützte Verfahren wie Neurofeedback entwickeln, um die Symptome zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern (Banaschewski et al., 2006; Gevensleben et al., 2013; Rothenberger & Rothenberger, 2012).

Auf der anderen Seite gibt es die Verfechter psychologisch-/psychotherapeutischer Ansätze, die mehr die Komplexität des Verhaltens, der Interaktion (z. B. zwischen Mutter und Kind, innerhalb der Familie oder im Schulkontext) in den Fokus rücken und mit verschiedensten Therapieverfahren versuchen, diese Strukturen alltagsorientiert zu beeinflussen. Interessant zu erwähnen scheint mir dabei, dass bei ADHS gerade in den ersten beiden Jahren der Behandlung die Kombination von medikamentöser und Verhaltenstherapie Effekte zeigte, die einer rein medikamentösen Behandlung überlegen waren (Banaschewski et al., 2009). In diesem Sinne wäre eine engere wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen genetisch/neurobiologisch und psychologisch/psychotherapeutisch orientierten Forschern unter Einbeziehung der Pädagogen sehr zu begrüßen, auch wenn dies zunächst vielleicht unkonventionelle Wege in dem noch immer stark disziplinär getrennt funktionierenden Wissenschaftsbetrieb erfordern würde.

Ungeachtet dessen ist Romanos und Jans völlig zuzustimmen, dass ethisch betrachtet eine Vorenthaltung von gut geprüften und wirksamen Psychopharmaka aus ideologischen Gründen bzw. eine Bagatellisierung der ADHS nicht vertretbar ist. Denn letztlich bedeutet dies das Vorenthalten von Entwicklungschancen, z. B. durch Nicht-Erreichen eines dem Intellekt entsprechenden Schulabschlusses mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für Berufswahl und Sozialstatus.

Auch wenn es bisher keinen aussagefähigen genetischen Screeningtest für die Vorhersage der Wirksamkeit einer Therapie bzw. die Diagnostik bei ADHS gibt, so eröffnet sich in Zukunft eventuell eine Chance für die individualisierte Pharmakotherapie, indem wir vielleicht irgendwann bestimmte ADHS-Untergruppen unterscheiden können, die auf bestimmte Medikamente gut oder eben schlecht ansprechen, gleiches gilt für Nebenwirkungen.

Risikoprofil und Stigma. Für ethisch sehr bedenklich halte ich Diagnostik und Einteilung der Kinder nach genetischen Risikoprofilen (siehe oben), auch wenn dies einmal zuverlässig möglich sein sollte, vor allem bezüglich sozial unerwünschten Verhaltens. Z. B. wäre es denkbar, dass man versucht, diejenigen Kinder/Menschen herauszufiltern, die eine hohe Neigung zur Entwicklung einer dissozialen Verhaltensstörung aufweisen. Die Kenntlichmachung dieser Risikogruppe mag unter dem Aspekt der Gewaltprävention mit besten Absichten verbunden sein, würde die Betroffenen jedoch zugleich einem hohen Stigmatisierungspotential ausliefern. Zumindest müssten parallel begleitende Maßnahmen erforscht werden, die ein solches Stigmatisierungspotential abfangen könnten.

Eine präzise, verlässliche Diagnostik zum Schutz der Kinder vor therapeutischen Fehlentscheidungen, sei es durch Vorenthaltung von notwendigen Maßnahmen oder sei es durch Verordnung nicht indizierter Therapien, wird in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen, da im neu erschienen und bereits vielfach kritisch diskutierten amerikanischen Diagnostikmanual DSM-5 die Altersgrenze für das Auftreten diagnoserelevanter Symptome von 7 auf 12 Jahre verlegt wurde (American Psychiatric Association, 2013).

Somit dürften tendenziell mehr Kinder eine ADHS-Diagnostik durchlaufen als zuvor. Es bleibt also für die Zukunft zwar eine gewisse Zuversicht, aber gepaart mit einer Portion gesunder Skepsis gegenüber mancher zu euphorischer Interpretation genetischer Daten.

Lillian Geza Rothenberger (Dr. med., Msc.)

ADHS in der Schule – ein Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung

Die Fachzeitschrift Lernen und Lernstörungen will wegweisende Forschungsergebnisse für die Praxis aufbereiten und eine Brücke zwischen Praxis und Forschung schlagen sowie insbesondere die betroffenen „Hauptfächer“ (Medizin, Psychologie, Pädagogik, Sonderpädagogik) miteinander vernetzen. Ein geeignetes Themengebiet dafür sind zweifelsohne Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörungen (ADHS).

Die beiden Verfasser des Übersichtsartikels folgen ausdrücklich diesen Absichten, indem sie die „Nahtstelle von Medizin und Pädagogik“ beschreiben wollen. Sie kommen aus der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg und stellen mit ihrem Artikel einen Überblick über Forschungsergebnisse zum Störungsbild der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) dar:

– Die Autoren erklären, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eines der häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbilder ist, die die Kernsymptome Hyperaktivität, Impulsivität und Konzentrationsstörung umfasst und zu schulischem Leistungsversagen, sozialer Ausgrenzung und familiären Konflikten führen kann.

– Sie erörtern Ergebnisse zur Ursachenforschung, wobei die Autoren auf Befunde zur Genetik, zu Umwelteinflüssen sowie zur Hirnphysiologie eingehen. Dabei vertreten sie die Annahme, dass die Ursachen der ADHS in erster Linie genetisch sind. Umweltfaktoren (erwähnt werden Alkohol oder Nikotin in der Schwangerschaft) weisen sie hingegen eine untergeordnete Rolle zu.

– Darüber hinaus beschreiben sie sowohl die Prävalenz, Diagnostik, Komorbidität als auch den Verlauf und die Prognose der Störung. Zudem heben sie hervor, dass sich die Störung oft bis ins Erwachsenenalter fortsetzt und mit komorbiden Störungen, wie Depressionen, Sozialstörungen und Suchterkrankungen, einhergeht.

– Die Bedeutung der Kooperation zwischen Medizin und Pädagogik wird aufgrund der hohen Krankheitshäufigkeit und den Folgen der Störung hervorgehoben. Hierzu machen sie Therapievorschläge, die hauptsächlich auf eine multimodale Behandlung hinauslaufen (Psychoedukation, Verhaltenstherapie mit ihren unterschiedlichen Ansätzen, Elterntraining, schulbasierte Interventionen, Selbstinstruktions- und Aufmerksamkeitstraining, Pharmakotherapie). Betont wird die Notwendigkeit einer optimalen Versorgung und einer intensiven Zusammenarbeit mit der Familie, den Therapeuten und der Schule.

Dem interdisziplinären Ziel dieser Fachzeitschrift entsprechend verwenden die Autoren eine allgemeinverständliche Sprache, sodass die Ausführungen gut nachzuvollziehen sind. Der genannte Artikel ist zudem sehr verdienstvoll und geradezu für seine Absicht zu loben, die „Nahtstelle von Medizin und Pädagogik“ auszuleuchten. Allein das selbstgesetzte Ziel wird verfehlt. Das liegt weniger an den prinzipiellen Kenntnissen der Autoren und dem fehlenden guten Willen, sondern an intellektueller Einseitigkeit. Denn die „Nahtstelle“ wird von reduktionistischen Grundpositionen aus kartiert und damit falsch verortet. Eine Reihe von wichtigen Erkenntnissen wird außer Acht gelassen, bspw.:

ADHS und tatsächliche Minderleistungen beim Lernen sind eng vergesellschaftet

Betrachtet man die Komorbidität von ADHS und Lernstörungen finden sich je nach Definition der Störung zwischen 8 und 39 Prozent lerngestörte Kinder (Barkley, 2006; Döpfner, Frölich & Lehmkuhl, 2000). Barkley (2006) schlüsselt die Lernbeeinträchtigungen wie folgt auf (s. Tab. 1):

Tabelle 1. Tabelle 1

Besonders häufig ist ADHS mit LRS assoziiert (Kain, Landerl & Kaufmann, 2008). Die Autoren berichten von Komorbiditätsraten zwischen 10 und 50 %. Wilcutt, Pennington, Chhabildas, Olson & Hulslander (2005) kommen zu dem Schluss, dass die beiden Störungen ADHS und LRS aufgrund der hohen Komorbidität nicht unabhängig voneinander sein können. So finden sie bei 15 – 40 % der LRS-Kinder auch eine Aufmerksamkeitsstörung und umgekehrt stellen sie bei 25 – 40 % der ADHS-Kinder auch eine LRS fest. Ruland, Willmes und Günther (2012) fassen zusammen, dass komplexe Störungen wie ADHS und LRS multifaktoriell betrachtet werden müssen.

Frazier, Demaree & Youngstrom (2004) haben in einer Metaanalyse herausgestellt, dass bei Schülern mit ADHS sowohl die Rechenfähigkeit als auch die Lese-Rechtschreibleistungen gegenüber unauffälligen Schülern deutlich verringert sind. Eine weitere Studie aus Skandinavien (Rodriguez et al., 2007) bestätigt diese Ergebnisse und erweitert sie um die Erkenntnis, dass die Lernbeeinträchtigungen ausgeprägter sind, je mehr Symptome einer ADHS vorliegen.

Weil es sich jedoch um eine bloße Vergesellschaftung von zwei Störungsbildern handelt, ist die Richtung der Komorbidität unklar. Auch Ruland et al. (2012) betonen die Kontroverse, ob Aufmerksamkeitsstörungen Ursache oder Folge von LRS sind. Im Falle einer primären Komorbidität ist ADHS vorrangig, im Falle einer sekundären Komorbidität hingegen die Folge von schulischen Misserfolgen. Die Richtung des Zusammenhanges ist also jeweils im Einzelfall zu klären; bei gleichzeitigem Vorhandensein von ADHS und einer Lernstörung ist also keineswegs automatisch eine Therapie der ADHS vorrangig angesagt.

Das Unterrichtsverhalten von ADHS – Kindern ist im Wesentlichen durch mangelnde Beteiligung (on-task Verhalten) gekennzeichnet

ADHS Schüler beteiligen sich deutlich weniger am Unterricht (Lauth & Mackowiak, 2004), sie investieren weniger Zeit ins Lernen, sind weniger selbstständig und lernen weniger selbstgesteuert. Die Metaanalyse von Kofler, Rapport und Alderson (2008) mit insgesamt 23 Original-Untersuchungen ergibt, dass ADHS-Kinder zu 75 % am Unterricht beteiligt sind, Defizite in der visuellen Aufmerksamkeit sowie wenig Ausdauer und eine schwankende Unterrichtsbeteiligung zeigen. Häufig zeigt sich zusätzlich ein Lernrückstand. Unauffällige Kinder hingegen beteiligen sich mehr am Unterricht, lernen selbstständiger, sind selbstgesteuerter und arbeiten unabhängiger vom Lehrer. Betont wird die Abhängigkeit der Unterrichtsbeteiligung von der Lehrkraft und der konkreten Situation.

Ein weiterer starker Unterschied im Vergleich zu unauffälligen Schülern besteht im beobachteten „Störverhalten“ und in ihrer „Unaufmerksamkeit“ (off-task-behavior) (Kilian, Hofer & Kuhnle, 2013). Im Endeffekt gehen Kinder mit ADHS schulischen Anforderungen aus dem Weg oder sind nur unwillig zu Lernaufgaben bereit. Sie erreichen schlechtere Leistungen als vergleichbar begabte Mitschüler und verlassen die Schule mit schlechteren Bildungsabschlüssen (Barkley, Murphy & Fischer, 2008).

Zentral für die Störung (und das mangelnde schulische Weiterkommen) sind die geringe Beteiligung am Unterricht und die Lernunwilligkeit der ADHS-Schüler, die bereits früh eintritt. Es fehlt ihnen einfach an realen Lernerfolgen. Für die Therapie ist es deshalb in erster Linie entscheidend, dass sie (Lern-)Erfolge erzielen.

Die Autoren empfehlen eine multimodale Behandlung bestehend aus Psychoedukation, Verhaltenstherapie (Elterntraining, schulbasierte Intervention, Selbstinstruktions- und Aufmerksamkeitstraining) sowie Pharmakotherapie. Diese Empfehlungen werden an anderer Stelle klarer und geordneter in dem Sinne unterbreitet, dass vorrangige und nachrangige Maßnahmen unterschieden werden (z. B. NICE-Guidelines, Kendall, Taylor, Perez, Taylor & Guideline Development Group, 2008). Sowohl die internationalen als auch die deutschen Behandlungsleitlinien (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u. a., 2007) geben folgende Rangfolge für die Behandlung vor, die sich aus nützlichen Zweckserwägungen ergibt:

1. Psychoedukation der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie Lehrer oder Erzieher,

2. Elterntraining und therapeutische Interventionen, wie z. B. die Familientherapie,

3. Interventionen im Kindergarten bzw. in der Schule zur Verminderung der Symptomatik im Kindergarten/in der Schule,

4. eine kognitive Therapie des Kindes, z. B. ein Selbstinstruktionstraining,

5. eine Pharmakotherapie zur Verminderung der hyperkinetischen Symptome in der Schule, in der Familie und in anderen Umgebungen und

6. weitere therapeutische Ansätze (z. B. Neurofeedback, diätische Behandlungen).

Damit ergibt sich eine klare Priorität für Maßnahmen, die hauptsächlich „vor Ort“- also in/mit der Familie, sowie in/mit der Schule durchgeführt werden. Romanos und Jans befürworten jedoch eine medikamentöse Behandlung. Zugleich betonen sie die Wirksamkeit dieser Behandlung auf die ADHS-Kernsymptome, was durch aktuelle Metaanalysen durchaus gestützt wird, die empirische Forschung zeigt aber auch:

Die Wirkung der Medikation ist auf den Entwicklungsverlauf bezogen gering

Das wird nachweislich durch die aktuelle Befundlage gestützt, beispielsweise durch die MTA-Studie, die vier Behandlungsgruppen vorsah:

Untersucht wurden aufmerksamkeitsgestörte/hyperaktive Kinder, die an verschiedenen Behandlungen teilnahmen. Ein Teil erhielt zur Behandlung von ADHS Verhaltenstherapie, eine andere Gruppe von Kindern mit ADHS erhielt Medikamente. Des Weiteren gab es eine Gruppe von Kindern, die zur gleichen Zeit verhaltenstherapeutisch und medikamentös behandelt wurden. Diese Gruppen wurden mit einer weiteren Gruppe von Kindern mit ADHS verglichen, die lediglich die „normale“ Behandlung bekamen, also eine Behandlung durch Ärzte und Einrichtungen der Gemeinde (genannt „Standardtherapie“). Um die Wirksamkeit der verschiedenen Therapien von ADHS zu ermitteln, beantworteten die Kinder verschiedene Fragebögen und durchliefen einige Untersuchungen. Dies wurde 2 Jahre und 3 Jahre nach Beginn der Untersuchung wiederholt.

Nach 36 Monaten unterschieden sich die Gruppen nicht mehr, gleich welche Behandlung sie erhalten hatten. Allerdings nahmen sie noch in unterschiedlichem Maße Medikamente ein, am meisten die Medikamentengruppe (71 %), am wenigsten die Verhaltenstherapiegruppe (44 %). Die Autoren stellten in Bezug auf die Medikation fest: „… der Vorteil der 14-monatigen Medikation war nicht mehr länger vorhanden“ (Jensen et. al., 2007, S. 989). Weitere Katamnesestudien belegen, dass sich die Kernsymptome der ADHS verringert hatten, dennoch zeigen sich weiterhin deutliche Abweichungen in Bezug auf das Problemverhalten im Vergleich zur Gleichaltrigengruppe (Pelham, Wheeler & Chronis, 1998, Wells et al., 2000). Untersuchungen zeigen, dass Effekte nur über einen Zeitraum von 1 – 2 Jahren belegt werden konnten, wenn Stimulanzien kontinuierlich eingenommen wurden (Gilberg et al., 1997). Barkley (2006) betont, dass die Stimulanzientherapie zwar effektiv und sicher in der Behandlung der hyperkinetischen Symptomatik sind, die Kinder aber durch Medikamente nicht hinzulernen und weitere Therapieformen notwendig sind.

Die Pharmakotherapie hat nur geringe Wirkungen auf das schulische Lernen

Eine aktuelle Metaanalyse (Prassadet al., 2013) mit insgesamt 2110 ADHS-Schülern weist aus, dass Medikation nur einen geringfügigen Einfluss auf die Schulleistungen hat. Im Einzelnen zeigt sich, dass ADHS Kinder…

– ihre Aufgaben um 15 % besser erledigten,

– sich um 14 % im Unterrichtsverhalten verbesserten und

– ihre Leistungen im Rechnen geringfügig steigerten.

Dies geht auch aus einem Review von Walter (2001a, b) hervor, in dem allerdings durchweg ältere Literatur herangezogen wird. Er fand deutliche Verbesserungen im Verhalten vor, weil sich die Kardinalsymptome verringerten (bessere Aufmerksamkeit, niedrigere Impulsivität und geringere Hyperaktivität). Das führt zu einer kurzfristigen besseren „Handhabbarkeit“ der hyperkinetischen Kinder. Die Schulleistung verbessert sich hingegen nur geringfügig. Offensichtlich – so die Begründung des Autors – gleicht die Medikation die vorhandenen Wissens- und Lerndefizite nicht aus. Die Verbesserung der Kardinalsymptome reicht allerdings auch nicht aus, um ein erfolgreiches Lernen zu veranlassen. Auch Chronis, Jones, und Raggi (2006) betonen, dass es nur eine begrenzte Evidenz für einen direkten Einfluss von stimulierenden Medikamenten auf die schulische Leistung gibt. Ferner hat eine Vielzahl von Studien gezeigt, dass Stimulanzien eine Verbesserung der exekutiven Funktionen bewirken, die wichtig für das Lernen sind (Rhodes, Coghill & Matthews, 2006). So ist es nachvollziehbar, dass Medikation unterstützend wirken kann, die vorhandenen Wissenslücken aber nicht schließt (Conners, Toplak, Shuster, Knezevic & Parks, 2008). Beispielsweise untersuchten Rubinsten, Bedard und Tannock (2008) die Wirkung von Methylphenidat auf die Rechenleistung. Sie belegen positive Effekte auf jene Aspekte der Rechenleistung, die hohe Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis stellen. Keine signifikanten Einflüsse waren bei den basisnumerischen Fertigkeiten zu verzeichnen.

Um die ADHS Kinder tatsächlich zu fördern, müssen die Interventionen direkt in der Schule umgesetzt werden. Hier können – wie es die Autoren ja auch vorschlagen – Aufmerksamkeitstrainings und andere kognitive Übungsprogramme ihren Platz haben. Ferner ist eine Verbesserung der Lernleistungen unabdingbar und darüber hinaus ein spezifisches Training der Klassenlehrerin/des Klassenlehrers zur Anleitung der ADHS-Schüler notwendig. Dieses Training soll dem Lehrpersonal praktisch wirksame Hilfen vermitteln zur Aufmerksamkeitsfokussierung, zur Strukturierung des Lernens, zur Unterstützung der Handlungsplanung sowie zur gerichteten Steuerung des Unterrichtsverhaltens der ADHS-Schüler mit Hilfe von Belohnung und moderater Bestrafung im Sinne Response-Cost-Verfahren (Lauth, 2014). Eine Meta-Analyse von DuPaul und Eckert (1997) zeigt darüber hinaus, dass unterrichts-didaktische Maßnahmen ebenfalls das Verhalten von ADHS-Schülern verbessern. Die Unterrichtsform, der Einsatz von Medien oder ein Wechsel der Sozialform sind erwiesenermaßen wirksam und verbessern das Verhalten dieser Kinder im Unterricht.

Wären diese Punkte vorbehaltlos präsentiert worden, so hätte man die „Nahtstelle“ zwischen Medizin und Pädagogik durchaus verorten können. Aber wie Schatzsucher mit gebremster Abenteuerlust wird im eigenen Vorgarten gegraben und der Schatz nicht gehoben.

Prof. Dr. Gerhard W. Lauth

Dr. Nicole Ramacher-Faasen

Psychologie und Psychotherapie in der Heilpädagogik Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln

Ursachen für ADHS: Gene oder Umwelt?

Es steht mittlerweile außer Zweifel, dass ADHS durch Funktionsstörungen des Gehirns verursacht wird, deren Identifizierung und Charakterisierung in den letzten Jahren sowohl in der klinischen als auch in der tierexperimentellen Forschung große Fortschritte gemacht hat. Weit weniger klar ist, wie diese Funktionsstörungen des Gehirns entstehen: handelt es sich primär um „angeborene“, also genetisch determinierte Fehlfunktionen, oder können Umwelteinflüsse, d. h. frühkindliche Erfahrungs- und Lernprozesse in Familie, Schule und Freundeskreis die Gehirnentwicklung beeinflussen und damit zur Entstehung solcher Fehlfunktionen beitragen? Im Fahrwasser des „Human Genome Project“ hat sich die Gesundheitsforschung im letzten Jahrzehnt darauf fokussiert, genetische Ursachen für die Entstehung psychischer Erkrankungen wie Autismus und ADHS, aber auch Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes, Asthma oder Fettleibigkeit zu identifizieren. Darüber hinaus wurde diese Fokussierung auch gerade für ADHS dadurch motiviert, das Stigma zu überwinden, dass ADHS die Folge einer defizitären Erziehung durch die Eltern sei. ADHS hat ohne Zweifel eine genetische Komponente, ADHS kommt statistisch häufiger in Familien vor, in denen ein Elternteil an dieser Störung leidet, und Zwillingsstudien belegen eine höhere Konkordanzrate für ADHS bei eineiigen als bei zweieiigen Zwillingen.

Jedoch erweist sich die einseitige Fokussierung auf genetische Mechanismen für die neuere Forschung als gewisser Hemmschuh, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die o. g. Erkrankungen in einem so hohen Ausmaße zunehmen, dass dies nicht allein über genetische Mechanismen erklärbar ist, selbst wenn man als (weitere) Begründung eine Zunahme der Diagnosen als Folge verbesserter wissenschaftlicher Erkenntnisse über das Störungsbild und der therapeutischen Möglichkeiten annimmt.

Wie bei vielen anderen psychischen Erkrankungen dürfte die Antwort daher lauten „sowohl als auch“, d. h. es sind „nicht nur die Eltern“ und ganz sicher auch nicht „nur die Gene“. Neuere klinische und tierexperimentelle Forschung zeigen ganz klar, dass sich diese beiden Sichtweisen gar nicht klar trennen lassen, und es zeigt sich eine Korrelation bzw. Wechselwirkung zwischen genetisch determinierten und umweltinduzierten Mechanismen (Bock & Braun, 2011; Harold et al., 2013). Das Bindeglied zwischen Genetik und Umweltfaktoren bildet die Epigenetik: Bereits im Mutterleib ist der Embryo Infektionen und Umweltgiften ausgesetzt (z. B. Alkohol-, Benzodiazepine- und Nikotin) darüber hinaus gelten Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, niedriges Geburtsgewicht, ungünstige psychosoziale familiäre Bedingungen und Ernährung als exogene Risikofaktoren. Schwere Vernachlässigung, Misshandlung und Traumata in der frühen Kindheit können die Genexpression verändern. Umweltinduzierte Veränderungen der Genexpression können unmittelbar nach dem Erlebten auftreten und nur transient sein, aber sie können auch erst längerfristig zum Tragen kommen und sich lebenslang manifestieren.

Der Begriff Epigenetik wurde erstmals von Conrad Hal Waddington Anfang der 1940er Jahre eingeführt (Holliday, 2006). Nach seiner Definition bedeutet Epigenetik die Interaktion von Genen mit der Umwelt, was letztendlich den Phänotyp (also das Verhalten) eines Individuums bestimmt. Zudem umfasst der Begriff die Weitergabe erworbener Eigenschaften auf die Nachkommen, die nicht oder nicht ausschließlich auf Veränderungen der Genregulation und Genexpression in der Entwicklung zurückzuführen sind. Epigenetische Veränderungen im engeren Sinne beschreiben sowohl transiente als auch stabile Veränderungen der Genexpression, die nicht in der DNA-Sequenz selbst kodiert sind (Levenson & Sweatt, 2005; Graeff & Mansuy, 2008). Auf molekularer Ebene umfassen epigenetische Veränderungen direkte Modifikationen der DNA durch DNA-Methylierung und spezifische Modifikationen von Histon-Proteinen (wichtigen Bestandteilen des Chromatins) durch z. B. Acetylierung, Methylierung, Phosphorylierung u. a.. (Graeff & Mansuy, 2008; Sananbenesi & Fischer, 2009). Während unser Genom, abgesehen von einer sehr niedrigen Rate von Punktmutationen, Deletionen, Rekombinationen lebenslang weitgehend genetisch intakt bleibt, verändert sich unser Epigenom über die gesamte Lebensspanne. Der Vorteil dieser lebenslangen epigenetischen Veränderungen liegt darin, dass dadurch eine kontinuierliche Anpassung des Organismus und somit auch des Gehirns und des Verhaltens an die jeweilige Umwelt ermöglicht wird, d. h. erfahrungsinduzierte epigenetische Veränderungen wirken sich unmittelbar auf die Entwicklung und Funktion des Gehirns aus, und können darüber hinaus über die Lebensspanne akkumulieren und kollektiv die Funktionsweise des Gehirns verändern.

Solche umweltinduzierten epigenetischen Veränderungen können, wie neuere tierexperimentelle Untersuchungen zeigen, sogar auf die nächsten Generationen vererbt werden, was die Unterscheidung zwischen epigenetischen (umweltinduzierten) und genetischen Vererbungsmechanismen noch weiter erschwert. D. h. defizitäre Familienkonstellationen (gestörte Eltern-Kind Bindung, elterliche Konflikte etc) oder Verhaltensstörungen und psychische Beeinträchtigungen der Eltern (z. B. eine depressive Mutter, deren emotionale Interaktion mit ihrem Säugling eingeschränkt ist) können quasi „psychologisch“ vererbt (d. h. anerzogen) werden, die von einer rein „genetischen“ Vererbung nur schwer zu unterscheiden ist. Zudem gibt es tierexperimentelle Befunde die zeigen, dass frühe emotionale Erfahrungen zu epigenetischen Veränderungen führen, die möglicherweise direkt in Zusammenhang stehen mit den langfristigen Verhaltensveränderungen, die infolge dieser Erfahrungen auftreten (Fagiolini, Jensen & Champagne, 2009). So führen bei Ratten und Mäusen pränataler Stress, aber auch Veränderungen des mütterlichen Pflegeverhalten nach der Geburt, bei den Nachkommen zu epigenetischen Veränderungen, die eine Veränderung der Genexpression von Stresshormonrezeptoren zur Folge haben (Champagne, Bagot & van Hasselt, 2008; Mueller & Bale, 2008; Roth, Lubin, Funk & Sweatt, 2009; Weaver et al., 2004).

Es ist zu vermuten dass solche über frühkindliche Bindungserlebnisse, Deprivations- und Stresserfahrungen induzierten epigenetischen Mechanismen in die Gehirnentwicklung eingreifen und damit langfristig zu gehirnstrukturellen Veränderungen, d. h. einer veränderten Hirnfunktion führen. Unsere tierexperimentellen Befunde hierzu unterstützen diese Hypothese. Strauchratten (Octodon degus), die während der frühen Kindheit (beginnend mit der Geburt) wiederholt mit Trennungsstress (tägliche stundenweise Trennung von der Familie) konfrontiert wurden, entwickeln eine motorische Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite (Braun, Kremz, Wetzel, Wagner & Poeggel, 2003). Als Adoleszente und Erwachsene zeigen die hyperaktiven Tiere eine Unterfunktion der präfrontalen und cingulären Cortexareale, ganz vergleichbar wie bei ADHS Patienten nachgewiesen (Rubia, Overmeyer & Taylor, 1999; Bush, 2011). Auf hirnstruktureller Ebene konnten wir Veränderungen der synaptischen Verbindungen in limbischen und präfrontalen Gehirnregionen (Helmeke, Ovtscharoff, Poeggel & Braun, 2001; Helmeke, Poeggel & Braun, 2001; Poeggel et al., 2003) nachweisen, wobei sich zeigte, dass sich nicht nur die Dichte der erregenden Synapsen verändert, sondern auch die Innervationsdichte dopaminerger, noradrenerger und serotonerger Fasersysteme (Braun, Lange & Metzger, 2000; Poeggel, Nowicki & Braun, 2003; Gos et al., 2006). Neurochemische und pharmakologische Studien zeigten eine Veränderung der dopaminergen Transmission im Präfrontalkortex und Nucleus Accumbens und eine veränderte Sensitivität gegenüber dem Psychostimulanz Methylphenidat, welches zur Therapie von ADHS auf klinischer Ebene eingesetzt wird (Jezierski, Zehle, Bock, Braun & Gruss, 2007). Im Tierexperiment konnten wir darüber hinaus erstmals nachweisen, daß sich die umweltinduzierten Verhaltensveränderungen (Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität) ebenso wie die hirnstrukturellen synaptischen und metabolischen Veränderungen durch Behandlung mit Methylphenidat normalisieren lassen (Zehle, Bock, Jezierski & Braun, 2007). Weiterführende Untersuchungen werden zeigen, inwieweit psycho- und pharmakotherapeutische Interventionen epigenetische Veränderungen im Gehirn auslösen, und damit die synaptischen Verschaltungsmuster und das Verhalten des Patienten normalisieren.

Prof. Dr. rer. nat. Anna Katharina Braun

Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg; Lehrstuhl für Zoologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Biologie und am Center for Behavioral Brain Sciences (CBBS)

PD Dr. rer. nat. Jörg Bock

Leiter der Projektgruppe „Epigenetik und strukturelle Plastizität“ am Institut für Biologie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und am Center for Behavioral Brain Sciences (CBBS)

Kinderpsychiatrie am Scheideweg: Störungskonzepte mit unerwünschten Nebenwirkungen

„ADHS ist eine hauptsächlich genetisch determinierte Erkrankung“: Wir möchten den Artikel von Romanos und Jans (2014) zum Anlass nehmen, diese hier formulierte und inzwischen weithin geltende Lehrmeinung unseres Fachgebiets im Lichte von Erkenntnissen benachbarter wissenschaftlicher Disziplinen kritisch zu reflektieren. Wir halten diese genetisch-deterministische Akzentsetzung (die sich im Übrigen nicht nur bei ADHS finden lässt, sondern inzwischen bei nahezu allen psychischen Störungen, einschliesslich Zwang, Angst, Depression oder Teilleistungsstörung) für wissenschaftlich unbegründet, und ihre vermutlich unbedachten Auswirkungen auf die klinische und pädagogische Praxis für verhängnisvoll. Kinderpsychiatrische Störungskonzepte formen, gewollt und natürlich in bester Absicht, handlungsleitende Einstellungen von Pädagogen und Eltern. Dies zeigt sich nicht nur in der alltäglichen praktischen Arbeit, sondern z. B. auch in Untersuchungen über die sogenannten „beliefs“ von Lehrern, in denen sich psychiatrische Störungsmodelle mittlerweile sehr prominent auszuprägen scheinen (Kuhl, Moser, Redlich & Schäfer, 2013).

Die Frage ist nur: Sind diese Grundüberzeugungen richtig, d. h. wissenschaftlich ausreichend begründet? Und welche Wirkungen haben sie auf therapeutisches und pädagogisches Handeln? Wenn eine Erkrankung als angeboren bezeichnet wird, so rückt sie im Sinne Mendel'scher Vererbungslehre in den Bedeutungskontext festgelegter, schicksalhafter und unabänderlicher Defekte, gewissermaßen in eine Reihe mit Down-Syndrom, 22q11-Mikrodeletion oder Fragile-X-Syndrom. Schon ein Blick auf die Häufigkeiten legt nahe, dass die vergleichsweise sehr seltenen letztgenannten Syndrome mit bekanntem Gendefekt wenig gemein haben mit ADHS, das laut Romanos und Jans bei etwa 5 % der Kinder vorliegt. Der oft bemühte Terminus der „multifaktoriellen Bedingtheit“ kann kaum glaubwürdig werden, wenn ein 80 %-Anteil der genetischen Anlage und der Rest von 20 % der Umwelt proportional zugeschrieben wird. Wir werden im Folgenden versuchen, einige Argumente gegen ein solches reduktionistisches Störungsverständnis zu skizzieren und auf ungünstige Nebenwirkungen für die klinische und pädagogische Praxis zu untersuchen.

Zur Kritik des Vererbungskonzepts

Hier soll zunächst in aller Kürze ein Bezug zu wissenschaftstheoretischen Grundpositionen hergestellt werden, die häufig unreflektiert bleiben. Die heutige Forschung im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist dominiert von naturwissenschaftlichen Methoden, die als Erkenntnisgegenstände primär Objekte materieller oder klar messbarer, das heisst, quantifizierbarer Natur zulassen. Dieses Wissenschaftsverständnis wurzelt tief in der antiken Weltsicht der Stoiker, die nur das materielle Universum als existierend anerkennt (siehe hierzu z. B. Geldsetzer, 1986). So etwas wie „innerpsychisches Geschehen“ hat es da schwer, zum Gegenstand von Forschung zu werden, und geisteswissenschaftliche Methoden gelten aus dieser Perspektive als nicht wirklich wissenschaftlich; dies obgleich die Untersuchung des Psychischen aus der Philosophie hervorgegangen ist (vgl. von Aster E, 1919). Der Philosoph Markus Gabriel formuliert dies in seinem ebenso klugen wie vergnüglichen Buch „Warum es die Welt nicht gibt“ so: „Im Zeitalter der (naturalistischen) Wissenschaft gilt die Menschenwelt als suspekt, als Bereich der Illusion, während die Welt der Wissenschaft, das Universum, zum Massstab der Objektivität avanciert ist.“ (Gabriel, 2013; S. 131). Aus der erschöpfenden Erforschung der körperlichen Natur des Menschen soll auch seine geistige Seite mit erklärt werden (Bottom-up- vs. Top-down-Kausalität, vgl. Falkenburg, 2012). Mit Bezug zur modernen Hirnforschung wird aus der Sichtbarmachung einer neuronalen Funktions- oder Strukturabweichung schnell eine „brain-based disorder“. Dies hat schlussendlich zur Folge, dass den Anspruch, „krank“ zu sein, nur jemand erheben kann, der einen körperlichen „Beleg“ dafür liefert. Die Untersuchung von Wirkungen nicht sichtbarer und nicht quantifizierbarer Erkenntnisobjekte, wie z. B. das Träumen, des Erleben innerer Zustände und menschlicher Beziehungen, aber auch Phänomene wie Kunst, Literatur oder gesellschaftliche Konventionen benötigen andere, insbesondere psychologische und philosophische Erkenntnismethoden, um zu bedeutungsvollen Aussagen zu gelangen. Gabriel (2013) beschreibt hierfür als Methode der Wahl die reflektierende und bestimmten Regeln folgende logische Analyse solcher Gegenstandsbereiche und der sie umgebenden „Sinnfelder“.

In diesem Sinne kann man sich zum Verständnis des Genoms und seiner Funktionen mit Gewinn auf die Diskussionen in der Biologischen Philosophie beziehen. Die Erkenntnisse der epigenetischen Forschung über die komplexen und weitreichenden interaktiven und regulativen Prozesse auf molekularer Ebene haben hier zu einer Veränderung der Vorstellung vom Genom und seinen Funktionen geführt: Vom Modell der „Blaupause“ über das „Rezeptmodell“ hin zur Vorstellung eines „ad hoc Komitees von Molekülen“, das sich nicht auf der Basis eines vorgefundenen Plans in einer befruchteten Eizelle zusammensetzt, sondern auf der Grundlage einer spezifischen, in der Zelle verfügbaren molekularen „Expertise“, die sich als Ergebnis ihrer aktuellen Geschichte von Transaktionen mit anderen Zellen und einer erweiterten Umwelt formt (Moss, 2003; zitiert nach Stotz und Griffiths, 2008). Aus dieser Perspektive erscheint eine schlichte Nature-versus-Nurture-Konzeption, die der jeweils einen oder anderen Seite (meist der einen) determinierende Anteile zuweist, als überholt. Entscheidend sind vielmehr die interaktiven Prozesse zwischen nature und nurture in einem lebenden und sich dynamisch entwickelnden Objekt, die freilich allein naturwissenschaftlich schwer zu bestimmen sind. Die Vernachlässigung geisteswissenschaftlicher Erkenntnismethoden führt unserer Ansicht nach zu einer Einschränkung im Erkennen und Verstehen essentieller psychologischer und sozio-kultureller Determinanten menschlicher Lebenszusammenhänge und damit auch zu einer Einschränkung von Möglichkeiten zu ihrer Gestaltung und Veränderung.

Ganz abgesehen davon erscheint auch die empirisch-naturwissenschaftliche Beweiskraft der von Romanos und Jans als wichtigsten Beleg für ihr genetisches Ätiologieverständnis angeführten Ergebnisse von Zwillings- und Familienuntersuchungen mindestens zweifelhaft. Der wissenschaftliche Vergleich von monozygoten (MZ) und dizygoten Zwillingen (DZ), die in scheinbar gleicher Umgebung aufwachsen, lässt in aller Regel unberücksichtigt, wie sehr die äußerliche Ähnlichkeit der MZ die Erwartungen und das Verhalten der Bezugspersonen und des Zwillingspaares selbst beeinflussen. Wie die letztgenannten Co-Autoren dieses Kommentars aus persönlicher Erfahrung bezeugen können, erhöht die Besonderheit gleichen Aussehens die Erwartung, Beachtung und Verstärkung konkordanten Verhaltens von klein auf. Dieses wird bei MZ ebenso überschätzt, wie divergentes Verhalten bei DZ, was gleichermaßen zu einer Überbewertung genetischer Einflüsse führt. Derartige Zweifel an der zuweilen als Königsweg der Anlage-Umwelt-Forschung bezeichneten Zwillingsmethode wurden schon vor Jahrzehnten, insbesondere von Zazzo (1986), formuliert. Entgegen der aus der Zwillingsforschung genährten Erwartung wird die Rolle der bislang durch aufwendige Familienuntersuchungen identifizierten genetischen Polymorphismen, wie die Autoren selbst einräumen, als eher gering und unspezifisch eingeschätzt.

Im folgenden Abschnitt wollen wir nun für ein Bedenken vielfältiger und dynamischer Ursachenkonstellationen für ADHS (und darüber hinaus für psychische Störungen schlechthin) argumentieren.

Jenseits von Vererbung: Ergebnisse aus Nachbardisziplinen und klinischer Erfahrung

Der heutige Forschungsstand in den verschiedenen psychologischen Disziplinen und Subdisziplinen (Entwicklungs-, Neuro-, Kognitions-, Emotions-, Sozial-, Klinische und Pädagogische Psychologie) weist in Hinblick auf den hier zur Rede stehenden Gegenstand ADHS zahlreiche Überschneidungen und konvergierende Theorieentwicklungen auf. Zieht man die hier gewonnenen Erkenntnisse mit in Betracht, so fällt es schwer, die klinisch ohnehin augenfällige Heterogenität und Facettenvielfalt bezüglich Symptomausprägungen, Komorbiditäten und Entwicklungsbiographien auf einen eindimensionalen und monokausal-genetischen Mechanismus zu reduzieren. Kinder mit wirklich kriteriengerechter kontextübergreifender Unaufmerksamkeit sind eher selten. Viele sind erstaunlich konzentriert und ruhig, wenn sie vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen (wonach freilich kein Fragebogen fragt). Manche haben keinerlei Lernstörungen und schneiden in Intelligenztests gut ab, viele dagegen haben Schwierigkeiten beim Rechnen lernen und/oder beim Schriftspracherwerb. Bei manchen werden Symptome von Ängstlichkeit, Beunruhigung, Anspannung und Unglücklichsein sichtbar, andere neigen zu aggressiven und dissozialen Symptomen, oft finden sich beide Tendenzen. Manche Kinder wachsen in bildungsnaher, viele in bildungsferner Umgebung auf, bei einigen zeigen sich gänzlich unbelastete Bindungsbeziehungen zu Eltern oder Gleichaltrigen, bei vielen dagegen finden sich frühe Verunsicherungen in der primären Bindungsentwicklung bis hin zu Erfahrungen von Vernachlässigung oder Traumatisierung.

Inzwischen weithin anerkannt sind die Ergebnisse der Bindungsforschung, und dennoch bleiben ihre Bezüge zur Entstehung von ADHS-Symptomen (und anderen Entwicklungsstörungen regulativer Funktionen) in den Lehrmeinungen unseres Fachgebietes seltsam unreflektiert. In der Entwicklungspsychologie wird heute die Bedeutung der Qualität früher Bindungsbeziehungen für die eng miteinander vernetzte Entwicklung sozialer, emotionaler und kognitiver Funktionen nicht mehr bezweifelt. Fonagy und Luyten (2011) messen der Qualität der frühen Affektspiegelung des Kindes im Rahmen der Bindungsbeziehung einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Emotionsregulation, Selbstkontrolle und Aufmerksamkeit zu. Sie betrachten diese Fähigkeiten als Basis für die weitere kognitive Entwicklung, insbesondere für die Ausbildung von Fähigkeiten zur Mentalisierung. Gergely (2011) spricht von einer introspektiven Sozialisation des Aufmerksamkeitssystems, die ein Monitoring der eigenen Person und der emotionalen Selbststeuerung ermöglicht.

Frühe Bindungserfahrungen wirken sich auf die Gehirnentwicklung aus: Tierexperimentelle Befunde an Ratten konnten belegen, dass die durch bindungstraumatische Stresserfahrungen (Trennung) induzierten Veränderungen des Hirnstoffwechsels später zu einem ADHS-ähnlichen Störungsbild mit motorischer Hyperaktivität, verminderter Impulsregulation und gestörter Aufmerksamkeit/Reaktivität gegenüber artspezifischen Vokalisationen führte. Die Veränderungen waren offenbar reversibel: durch taktile Stimulationen, wie auch durch Gaben von Methylphenidat (Braun, Seidel, Weigel, Roski & Poeggel, 2007; Jezierski, Zehle, Bock, Braun & Gruss, 2007). Eine jüngst in Biological Psychiatry publizierte Studie von Mc Laughlen et al. (2013) vermochte diesen Zusammenhang zwischen Bindungserfahrungen und Gehirnentwicklung auch beim Menschen zu belegen. Die Autoren fanden in einer Stichprobe vernachlässigter rumänischer Heimkinder mit ADHS-Symptomen eine signifikante Reduktion der kortikalen Dicke im frontalen, parietalen und temporalen Cortex, verglichen mit altersgematchten Kontrollkindern. Unsere Gewohnheit, wonach wir, wenn wir etwas Körperliches finden, dies allzu gern für die Ursache geistiger Phänomene bzw. Erkrankungen halten (Bottom-up-Kausalität), erscheint nun auf den Kopf gestellt: Ein geistiges Phänomen, die Erfahrung des Bindungsdefizits, führt zu organischen Veränderungen, hier dem Zurückbleiben neuronaler Reifungsvorgänge, welche benötigt werden, um alterstypische Entwicklungsaufgaben zu bewältigen (Top-down-Kausalität). Mehr und mehr wird deutlich, dass epigenetische Faktoren hierbei eine zentrale Rolle spielen.

Mehr noch: Epigenetische Faktoren scheinen auch verantwortlich zu sein für die Entwicklung individueller Unterschiede hinsichtlich der Fähigkeit zu neuroplastischer Anpassung über die Lebensspanne. Eine aufsehenerregende, in Science publizierte Studie von Freund et al. (2013) konnte an genetisch identischen Mäusen zeigen, wie kleine Unterschiede im Explorationsverhalten der Umwelt sich über die Zeit vergrößern und schlussendlich zu bedeutsamen Unterschieden in der hippocampalen Neurogenese im Erwachsenenalter führen. Mäuse, die begannen, ihre Umwelt aktiv zu erkunden, taten dies mehr und mehr und vergrößerten stetig ihren Aktionsradius, andere blieben hocken und zeigten weniger Interesse an Erkundung. Kleine Unterschiede in den frühen Verhaltenstendenzen triggern offensichtlich unterschiedliche Erfahrungen, die über die Zeit kumulieren und schließlich in bedeutsamen Unterschieden der neuronalen Plastizität und den damit verbundenen Möglichkeiten für adaptive Anpassung und Entwicklung münden. Nicht die Gene konnten diese Entwicklungsunterschiede erklären, denn sie waren identisch. Die Autoren der Studie machen epigenetische Einflüsse geltend, die z. B. in Bedingungen der intrauterinen Situation, der Ernährung, in mütterlichem Stress und frühen Interaktionen begründet sein können.

In seinem erst kürzlich erschienenen, sehr empfehlenswerten Lehrbuch der kognitiven Neurowissenschaften beschreibt Jäncke (2013) den Einfluss von Lernen und Erfahrung auf die strukturelle und funktionelle Beschaffenheit unseres Gehirns, sowohl für domänenübergreifende Funktionen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Fühlen, als auch für zahlreiche spezifische Wissens- und Fähigkeitsdomänen. Mit den modernen bildgebenden Verfahren konnten solche erfahrungsabhängigen neuroplastischen Veränderungen sichtbar und damit vormals rein geistige Prozesse einem körperlichen Pendant zugeordnet werden. Dabei wurde zunehmend deutlich, dass entgegen der ursprünglichen Erwartung die verschiedenen geistigen Funktionen meist nicht einer einzelnen Hirnstruktur zugeordnet werden konnten, sondern sich in dynamischen, miteinander in Beziehung stehenden Netzwerken organisieren, die viele verschiedene Hirnregionen einbeziehen. So schreibt Jäncke in dem entsprechenden Kapitel seines Lehrbuchs, dass ein kohärentes Verständnis von „Aufmerksamkeit“ noch fehlt, sie aber dennoch mit ihren zahlreichen Teilkomponenten als ein wesentliches Element aller kognitiven Funktionen aufgefasst werden muss. Intensität und Selektivität der Aufmerksamkeit variieren im Rahmen von Bottom-up- und Top-down-Prozessen in Abhängigkeit von der äußeren Reizumgebung und von im Gedächtnis bewusst und unbewusst repräsentierten Vorerfahrungen. Auch unbewusste Prozesse konnten durch die moderne Hirnforschung sichtbar gemacht und ihre Existenz damit auch für naturwissenschaftliche Zweifler in den „Wahrheitsrang“ gehoben werden. Vieles gelangt in unsere Wahrnehmung, ohne dass wir es bemerken und nimmt Einfluss auf unser Befinden, Denken und Handeln. Ob wir Personen als wohlwollend, uns von ihnen beachtet oder als feindselig erleben, prägt unsere Erwartung und unsere Verhaltensbereitschaft. Die Aufmerksamkeitsleistungen von Kindern in der Schule sind beeinflusst von individuell gefärbten subjektiven, durch innere Prozesse mitbestimmten Beziehungserfahrungen zu Lehrern, Mitschülern und Eltern. Leistungsschwache Schüler erhalten ein Vielfaches an negativem Feedback von Lehrpersonen und werden auf diese Weise auch sozial unattraktiv für ihre Mitschüler (Huber, 2013). Ihre Reaktionen darauf dürften sicher dazu beitragen, dass viele von ihnen auch im Förderschwerpunkt „Soziale und Emotionale Entwicklung“ landen, dem Sammelbecken für schwierige Kinder an deutschen Schulen. Anerkennung und Erfolg suchen diese Kinder dann schließlich in dissozialen Peer-Groups und Computerspielen.

Die wachsende mit Bildmedien verbrachte Zeit hat unzweifelhaft Wirkungen auf das sich plastisch entwickelnde Gehirn. In der Alltagserfahrung vieler Eltern stellt die Gewährung von Fernsehkonsum oder PC-Spielen eine überaus wirksame und entlastende Methode dar, das Problemverhalten ihrer Kinder kurzfristig oder auch über Stunden hinweg erfolgreich zu unterbinden. Den meisten Eltern ist dabei durchaus bewusst, dass der Medienkonsum ihrer Kinder in Konkurrenz steht zu erfolgreichem schulischen Lernen. Viele dieser Eltern zeigen selbst unkritischen Medienkonsum und leiden gleichzeitig unter konfliktreichen und oftmals erfolglosen erzieherischen Bemühungen, den Medienkonsum ihrer Kinder einzugrenzen um das Erledigen von Hausaufgaben durchzusetzen. Der negative Einfluss einer ansteigenden Dauer täglichen Fernsehkonsums auf den Bildungsabschluss von Kindern ist u. a. durch die vielzitierte neuseeländische Longitudinalstudie von Hancox, Milne und Poulton (2005) gut belegt. Zur Erklärung dieser negativen Wirkungen gibt es nicht nur aus neurowissenschaftlicher Sicht eine Fülle von Publikationen, die vor allem Spitzer (2012) nicht müde wird, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In seiner vielbeachteten kulturphilosophischen Abhandlung zur „Philosophie des Traums“ nimmt Christoph Türcke (2008) im Nachwort auch zum Thema ADHS Stellung und beschreibt recht überzeugend, wie verkaufsorientierte medientechnische Animation und Bildschnitt die Information filmischer Darbietungen auf das affektiv-emotional Erregende zu verdichten und einzuengen vermag: „Nach wie vor wirkt jeder Bildschnitt als optischer Ruck, der ein >Achtung<, >Aufgemerkt<, >Hierhergesehen< auf den Betrachter ausstrahlt, ihm eine neue kleine Aufmerksamkeitsinjektion verabreicht, einen winzigen Adrenalinstoß – und seine Aufmerksamkeit gerade dadurch zermürbt, dass er sie ständig stimuliert.“ (S. 239). Das erklärt auch plausibel, warum viele Kinder nach dem Abschalten oftmals ein verlangsamtes Zeitempfinden verspüren und über Langeweile klagen.

Wie und wodurch sich die Anforderungen an das Aufmerksamkeitsverhalten von Kindern in einer veränderlichen soziologischen und technologischen Lebensumwelt wandeln, worauf sich Kinder heute subjektiv auszurichten haben und was sie gleichzeitig nicht unbeachtet lassen dürfen, dies sind Fragen, die in der Untersuchung des Phänomens ADHS nicht fehlen dürfen. Während sich die verkaufsorientierte Technologie und „Didaktik“ der Medienindustrie in den letzten Dekaden rasant fortentwickelt hat, verändern sich die Strukturen und Inhalte schulischen Lernens vergleichsweise schwerfällig (vgl. von Aster, 2011a). So achten z. B. auch gesunde Schüler im Unterricht stärker auf formal benotungsrelevante als auf inhaltlich bedeutungsrelevante Wissenszusammenhänge, was vor allem für schwächere Schüler mit Versagensängsten gilt (Fölling-Albers und Meidenbauer, 2010). Demgegenüber stellen die leicht zugänglichen Angebote der Medien nicht nur keine Hausaufgaben, ihnen gegenüber kann man kaum versagen. Dort wo das Kind im PC-Spiel aktiv werden kann, wird sein Verhalten erfolgsnah und raffiniert belohnt. Und auch wenn die vermittelten TV-Inhalte und Fiktionen der Spielewelten von der Alltagsrealität oft weit entfernt sind, so stiftet ihre Verbreitung bei Mitschülern und Bezugspersonen und ihre inzwischen nahezu allgegenwärtige gesellschaftliche Präsenz eine schwer zu ignorierende soziale Bedeutung. Von der Zeit, die durch Medienkonsum für alltagsnahes soziales Lernen und motorisches Ausagieren verloren geht, einmal ganz zu schweigen!

Seltsam unreflektiert in unserer akademischen Fachgemeinde bleiben auch die Widersprüchlichkeiten bezüglich therapeutischer Schlussfolgerungen. Sie finden sich auch in der Arbeit von Romanos und Jans (2014): Auf der einen Seite wird behauptet, die Erkrankung sei angeboren (Bottom-up-Kausalität), und auf der anderen Seite wird (neben der medikamentösen Behandlung) Verhaltenstherapie (VT) empfohlen. Für das grundlegende diagnostische Werkzeug der VT, die Verhaltensanalyse, bleibt da allerdings nicht mehr viel zu tun. Mit ihr versuchen Verhaltenstherapeuten, die Lerngeschichte zu verstehen, also welche Stimuli ein Problemverhalten auslösen (z. B. einen Wutanfall) und welche Konsequenzen es aufrechterhalten (Top-down-Kausalität). Betrachtet man den Wutanfall nun in toto als genetisch bedingt, so verschwindet dieser flugs in der „Organismusvariable“ der Verhaltensgleichung und entzieht sich damit einer genaueren lernpsychologischen Bedingungsanalyse. Übrig bleibt dann eine um den Anspruch des individuellen und situativen Verstehens verkümmerte manualisierte „Psycho-Edukation“.

Ein Wutanfall im Unterricht führt heute (z. B. wegen hoher Intensität und anhaltender Dauer nach Provokation durch Stinkefinger) nicht selten unmittelbar zur Assoziation „ADHS“ und löst beim Lehrer einen Bewertungs- und Handlungsimpuls nach dem Motto aus: „Das Kind kann nichts dafür, es ist krank, ich bin nicht zuständig, es muss zum Psychiater und braucht Medikamente“. Auf diese Weise lernt das betroffene Kind, dass sein Affekt „krank“ ist, und zwar nicht nur, was die Quantität dieser Gefühlsregung in Intensität und Dauer betrifft, sondern sein Auftreten insgesamt. Das Erlebte verliert gewissermassen seine einfühlbaren Gründe und seine kontextuelle Einbettung und damit jede menschlich einfühl- und nachvollziehbare Berechtigung: Das Erlebte ist krank, also falsch. Das betroffene Kind kann in dieser Zuschreibung nicht differentiell unterscheiden lernen: „Mein Ärger ist berechtigt, aber ich muss ihn besser beherrschen lernen“. Dies ist aus entwicklungspsychologischer Perspektive höchst ungünstig für die Entwicklung von Fähigkeiten zur emotionalen Regulierung und die Ausbildung von Selbstwirksamkeit („internal locus of control“). In diesem Beispiel schwächt das deterministische Störungsverstehen des Lehrers (woher hat er das wohl?) auch dessen eigene Bereitschaft, das Verhalten des Kindes in seiner Konfliktentstehung nachzuvollziehen und bei seiner Regulierung zu helfen. Solche Effekte sind im Übrigen sogar durch sozialpsychologische Studien belegt: deterministische Überzeugungen scheinen selbstwirksame und hilfsbereite Verhaltenstendenzen zu untergraben (Baumeister, Masicampo & Nathan deWall, 2009; Holton, 2009). Welch ein Paradox für unser Fachgebiet!

Ein Störungsverstehen, das Top-down-Kausalitäten zulässt und auch innere und unbewusste Prozesse einschliesst, bildet die Grundlage aller wissenschaftlich fundierten kinder-psychotherapeutischen Konzeptionen. Dabei verfügen die modernen Entwicklungen der psycho-dynamischen (tiefenpsychologischen und humanistischen) Psychotherapieverfahren über eine weit größere Erfahrung in der Entwicklung ihrer Verstehenswerkzeuge, als die eher psycho-mechanisch zu nennenden (verhaltenstherapeutischen) Methoden, die erst gerade in ihrer dritten, „emotionalen“ Reformwelle auch das „achtsame“ Erkennen und Beantworten innerer Zustände entdeckt haben. Wirksamkeitsevidenz existiert für beide grossen Richtungen (Mattejat, 2011; Esser & Blank, 2011) und wohl auch für differentielle Wirkeffekte (von Aster, 1994). Und dennoch ist an den meisten akademischen Lehrstätten entweder nur die eine oder die andere (heute meist VT) vertreten. Man stelle sich einmal vor, ein Onkologe würde sich dafür entscheiden, für alle Krebsbehandlungen nur Chemotherapie zu empfehlen und andere Therapieoptionen (z. B. Chirurgie, Bestrahlung) zu ignorieren. Die Wächter der Evidenzbasierung würden sturmlaufen!

Psychische Störungen, die auch als psychologisch, d. h. im biographisch geformten Erleben determiniert aufgefasst werden, erfordern im therapeutischen Ansatz einen korrigierenden Bezug auf eben dieses im Gedächtnis repräsentierte Erleben ebenso, wie eine sich in der therapeutischen Beziehung entfaltende Förderung von Fähigkeiten zur emotionalen, aufmerksamkeits- und verhaltensbezogenen Regulierung (von Aster, 2006, 2011b; Verheugt-Pleiter, Zevalkink & Schmeets, 2008). Dies schließt regelhaft die Arbeit mit Eltern und Bezugspersonen ein (von Aster und von Aster, 2004), und die begleitende medikamentöse Behandlung keinesfalls aus, denn diese verbessert häufig die Effekte psychotherapeutischer Interventionen (kann sie aber nicht ersetzen!). Schmidtchen (2001) hat mit seinem Entwurf einer „Allgemeinen Psychotherapie“ für das Kindes- und Jugendalter als erster theoretisch und empirisch begründete Wirkelemente der grossen Therapieschulen überzeugend zusammengeführt. Derselbe Autor hat im Übrigen auch schon früher nachweisen können (Schmidtchen, 2002), dass erfolgreiche Kinderpsychotherapien nicht nur zu einer Verbesserung von Schulleistungen, sondern auch zu einem beträchtlichen Anstieg von IQ-Punkten führen können (was uns gemahnt, es auch mit der Stabilität der oft als genetisch festgelegt angesehenen Intelligenz nicht allzu ernst zu nehmen).

Nebenwirkungen für die klinische und pädagogische Praxis

Wir plädieren für eine erweiterte Perspektive, die anerkennt, dass von jeder Entwicklungsebene der „ontogenetischen Nische“ Einflüsse auf die Entwicklung ausgehen: Vom Genom über das Milieu der Zelle, das Embryonalstadium, die Form und Qualität von Beelterung, in einer spezifischen soziokulturellen Situation, usw. (Stotz, 2008). Lebenserfahrungen wirken wiederum epigenetisch auf die regulativen Funktionen des Genoms zurück, mit entsprechenden Wirkungen auch auf die nächsten Generationen. Kennzeichnend für einen solchen, den Gegensatz von Nature und Nurture überwindenden entwicklungs-psycho-biologischen Denkansatz ist nicht primär die Frage, was in den ererbten Genen steckt, sondern worin diese Gene stecken.

Kein Zweifel, Medikamente können helfen. Was Medikamente jedoch nicht verbessern können, ist die Gesamtsituation des Entwicklungssystems, in der Aufmerksamkeitsstörungen entstehen, und die es gesamthaft auf allen Ebenen in den Blick zu nehmen gilt. Solcherart Betrachtungen könnten dazu verhelfen, Aufmerksamkeitsstörungen auch als einen Indikator aufzufassen für z. B. mangelnde Beelterung, unbewältigte Veränderungen soziologischer und technologischer Lebensumwelten oder fehlangepasste Lern- und Schulsysteme, die es in ihren pathogenen Wirkungen zu verstehen und zu verändern gilt.

Die Ergebnisse der genetischen Forschung sind nicht per se falsch. Falsch ist in unseren Augen deren einseitige Bewertung, die die Verursachung eines hochkomplexen, vielgestaltigen und variablen klinischen Erscheinungsbildes hauptsächlich auf Vererbung reduziert. Genetisch-deterministische Störungskonzepte dieser Art generieren sich aus der Laborperspektive molekulargenetischer Grundlagenforschung, der es an längsschnittlicher Nachhaltigkeit ebenso mangelt, wie an praktischer Relevanz für die medizinisch-psychiatrische Heilkunde. Priebe, Burns und Craig (2013) haben diesen Trend und seine Folgen jüngst in einem Editorial des British Journal of Psychiatry bitter beklagt. An die Stelle von nachdenklichen, an klinischer Erfahrung validierten und im Licht von Ergebnissen aus diversen Nachbardisziplinen reflektierten Abwägungen tritt im Interesse eiliger und an Impact-Faktoren ausgerichteter wissenschaftlicher Karriere mehr und mehr die Erzeugung einer diffusen Vielfalt von hauptsächlich statistisch signifikanten Einzelergebnissen, deren kurzschlüssige Interpretationen im schmalen Blickfeld der eigenen Forschungs-community kaum auffallen. Und so gerät der Mangel an wissenschaftstheoretischer Reflektion von Methoden und Begriffen zu Schlussfolgerungen, die, um es mit Falkenburg's (2012) Worten zu formulieren, ungefähr so überzeugend sind, wie der Schluss, es gäbe keinen Körper, sondern nur Arme, Beine, Brust, Haare, usw …

Was folgt nun aus dieser, unserer Ansicht nach falsch-deterministischen Akzentsetzung? Sie behindert erstens den Blick auf erfahrungs- und umgebungsabhängige Einflüsse und engt damit den Spielraum für präventives und therapeutisches Gestalten ein. Sie begünstigt zweitens externale Kontrollüberzeugungen, die selbstwirksamen Einstellungsmustern und Veränderungsmotiven zuwider laufen. Freilich ohne sich dessen bewusst zu sein, denn wer will schon nicht gern für Prävention, Therapie und Selbstwirksamkeit eintreten, z. B., wie Romanos und Jans, an der „Nahtstelle zur Pädagogik“?! Aber gerade dort haben aus den genannten Gründen deterministische Krankheitskonzepte nichts verloren!

Dass Pädiater zunehmend meinen, sie könnten sich zuständig machen für psychische Störungen wie ADHS liegt auch daran, dass wir psychische Störungen mit diesen Konzepten so auffassen, als wären sie körperliche Krankheiten, und sie dementsprechend primär substitutiv, sprich medikamentös behandeln. Die in diesem Umstand zum Ausdruck kommende mittelfristige Nebenwirkung für die psychiatrischen Fachgebiete entzieht sich gern der bewussten Wahrnehmung und einer gegenwartsbezogenen Reflektion. Je körperlicher das Krankheitsverstehen und je einfacher die Behandlung, desto kürzer ihre notwendige Dauer! Spitczok von Brisinski (2014) hat uns soeben in seinem neuesten Editorial im Forum für KJPPP ins Bewusstsein gerückt, wie stark die kinder- und jugendpsychiatrischen Fallzahlen in den letzten 20 Jahren gestiegen sind, und wie dramatisch im selben Zeitraum die durchschnittliche Behandlungsdauer gesunken ist. Dies, obgleich Wirksamkeitsstudien deutlich längere Behandlungszeiten nahelegen (Remschmidt und Mattejat, 2001). Zu der wachsenden Zahl von kategorialen, oft co-morbid nebeneinander stehenden Diagnosen mit mutmasslich erblicher Genese lassen sich nun auch zunehmend „störungsspezifische Therapien“ leitlinienkonform bereitstellen, die in der Praxis, ressourcensparend, ein individuelles Störungsverstehen zunehmend entbehrlich zu machen scheinen. Dies ebnet unmerklich den Weg dafür, mit ihnen ebenso pauschalierend zu verfahren, wie mit der Operation von Gallenblasen und Blinddärmen (vom DRG zum PEPP).

Auch wenn sich das kinder- und jugendpsychiatrische Fachgebiet seit seiner Aufnahme in den medizinischen Fächerkanon 1968 rasant entwickelt und seine Angebote anhaltend nachgefragt sind: die langfristigen Nebenwirkungen solch reduktionistischer Störungskonzepte könnten dennoch existenzbedrohend werden. Die ambulante Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wird ohnehin schon weitgehend von nichtärztlichen Berufsgruppen getragen. Im stationären Versorgungssegment könnte sich das Schicksal des großen psychiatrischen Bruderfachs wiederholen, das sich schon länger den biologischen Ausformulierungen seiner Heilkunde verschrieben hat und nun heftig die wachsende Konkurrenz der Psychosomatischen Medizin beklagt. Diese wird sich mit anspruchsvollen psychotherapeutischen Konzepten verstärkt auch in das Kindes- und Jugendalter drängen. Und auf den Rest wird die Pädiatrie mehr und mehr selbstbewusst Anspruch erheben. Das Fachgebiet der „Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik“ wird sich identitätsstiftend und integrierend seiner geisteswissenschaftlichen Wurzeln besinnen, oder es wird sich zunehmend entbehrlich machen und in anderen Fachgebieten aufgehen.

Dr. phil. Dipl.-Psych. Sigrid von Aster

Psychotherapeutische Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Schifflände 24

8001 Zürich

Schweiz

Dr. med. Matthias von Aster, MBA

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

Bezirkskrankenhaus Landshut

Prof.-Buchner-Strasse 22

84034 Landshut

Deutschland

Prof. Dr. med. Dipl.-Päd. Michael von Aster

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

DRK-Kliniken Westend Berlin

Spandauer Damm 130

14050 Berlin

Deutschland

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