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TBS-TK Rezension

Test d2-R. Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000294

Allgemeine Informationen über den Test

Der d2-R ist eine überarbeitete und neu normierte Version des Aufmerksamkeitstests d2 (Brickenkamp, 2002). Er erfasst die konzentrierte Aufmerksamkeit im Altersbereich von neun bis 60 Jahren in Form der Konzentrationsleistung (KL), in die die Geschwindigkeit (BZO) und Genauigkeit (F%) der Bearbeitung einfließen. Zentrale Veränderungen gegenüber dem d2 sind schriftliche Instruktionen für die Teilnehmer, Durchschreibbögen für die Auswertung, eine erhöhte Item-Anzahl sowie überarbeitete Kennwerte. Anwendungsfelder liegen in der Eignungsbeurteilung von Arbeitnehmern in Berufen, die konzentriertes Arbeiten erfordern, sowie der Identifikation von Leistungseinschränkungen im pädagogischen, klinischen und neuropsychologischen Kontext. Das Manual umfasst die wichtigsten Anwendungsinformationen, ist aber nicht immer nachvollziehbar gegliedert, teilweise redundant, und die beschriebenen und vorliegenden Testmaterialien stimmen zum Teil nicht überein, was den Nutzwert im diagnostischen Alltag einschränkt.

Theoretische Grundlagen

Der d2-R wurde für die Prüfung der Kraftfahreignung entwickelt, für die Durchstreichtests als besonders valide gelten. Die Aufgabenanforderungen des d2-R werden im Handbuch in verschiedene Aufmerksamkeitsmodelle eingeordnet, wobei auch auf aktuelle, umfassende Konzeptionen der kognitiven Leistungsfähigkeit Bezug genommen wird. Um den Geltungsbereich deutlicher als bisher zu kennzeichnen und Interpretationsfehler zu vermeiden, wurde eine Abgrenzung vom Konstrukt der Belastbarkeit vorgenommen und der Untertitel des Tests geändert. Das ursprüngliche Item-Format ist bis heute unverändert: Die Teilnehmer sollen ds mit zwei Strichen zwischen „ds“ und „ps“ mit ein bis vier Strichen kennzeichnen. Für die Revision wurde die Anzahl der Items pro Zeile erhöht, um Deckeneffekte zu begrenzen. Im Rahmen der Testüberarbeitung wurden bekannte Einschränkungen des d2 beseitigt (z. B. Austausch des alten Tempowertes „GZ“ durch den neuen Kennwert „BZO“). Die Äquivalenz von d2 und d2-R wird im Manual diskutiert.

Objektivität

Durchführung, Auswertung und Interpretation des d2-R werden im Handbuch detailliert beschrieben, um eine hohe Objektivität sicherzustellen. Dazu dient auch die nunmehr schriftlich fixierte, standardisierte Instruktion. Allerdings weichen die schriftliche Kurzinstruktion und der Text für die mündliche Instruktion voneinander ab, was ein unklares Aufgabenverständnis und entsprechende Leistungseinschränkungen zur Folge haben könnte. Für Kinder wird eine „kindgerechtere Sprache“ (S.31) empfohlen. Ein Formulierungsvorschlag fehlt jedoch. Durchschreibbögen sollen gegenüber der bisherigen Auswertungsschablone die Fehleranfälligkeit der Kennwerte verringern (wenngleich emprische Vergleiche keine Fehlerabnahme belegen). Zur Ergebnisinterpretation stehen Hilfen zur Fehleranalyse und zur Verbalisierung der Kennwerte zur Verfügung. Alle erforderlichen Angaben zur Ermittlung von Konfidenzintervallen sowie ein Interpretationsbeispiel begünstigen eine vergleichbare Beurteilung der Testwerte.

Normierung

Der d2-R wurde 2007/2008 an 4024 Personen zwischen neun und 60 Jahren normiert. Aufgrund von Alterseffekten werden differenzierte Normen für sieben Altersgruppen angegeben. Die Festlegung der Altersgrenzen wird nicht erläutert. Die Eichstichprobe wird nur oberflächlich beschrieben, so dass die Repräsentativität und Eignung für verschiedene Anwendungsfelder kaum abzuschätzen ist. Die Stichprobe besteht vorrangig aus Schülerinnen und Schülern. Unter den vertretenen Berufen überwiegen kaufmännische und technische Tätigkeiten. Berufskraftfahrer und Angehörige handwerklicher Berufe, für deren Eignungsbeurteilung Aufmerksamkeit besonders relevant sein dürfte, sind mit weniger als 80 Personen (< 2 %) vertreten. Die Gruppe der 40 – 60-jährigen, die für neuropsychologische Fragestellungen häufig genutzt werden dürfte, umfasst nur 268 Personen (< 10 %). In dieser Altersgruppe besteht ein geringer Zusammenhang zwischen Alter und Testwerten, so dass Leistungsvergleiche nur eingeschränkt möglich sind.

Zuverlässigkeit

Die Reliabilität des d2 wurde mit Hilfe der internen Konsistenz und der Testhalbierungsmethode an der Eichstichprobe geschätzt. Dabei ergeben sich für KL, BZO und F% durchgängig Werte von mindestens r = .77, die auf eine hohe Messgenauigkeit hindeuten. Anhand von zwei kleineren Stichproben wurde darüber hinaus die Stabilität der Kennwerte nach einem Tag (N = 118) und zehn Tagen (N = 145) ermittelt. In beiden Fällen liegen die Kennwerte für die Konzentrationsleistung und die Bearbeitungsgeschwindigkeit bei mindestens r = .85. Für F% beträgt die Retestreliabilität nach zehn Tagen jedoch nur r = .47. Auch ergänzend angeführte Ergebnisse zur Retestreliabilität des weitestgehend äquivalenten Test d2 weisen in einigen Fällen auf eine eingeschränkte Stabilität hin. Hier ergeben sich bei variablen Retest-Intervallen Korrelationskoeffizienten im Bereich von .24 bis .94 für die Gesamtzahl der bearbeiteten Zeichen (GZ). Damit erscheint es fraglich, inwiefern der d2-R situationsübergreifend zuverlässige Aussagen über die Arbeitsgenauigkeit ermöglicht.

Gültigkeit

Die Testautoren legen umfassende empirische Belege für die Konstrukt- und Kriteriumsvalidität vor, die sich jedoch vorrangig auf die Vorgängerversion d2 beziehen. Für den Konzentrations- und Tempowert können die konvergente Validität für verschiedene Konzentrations- und Aufmerksamkeitstest sowie die diskriminante Validität gegenüber Intelligenztests, Persönlichkeitsskalen und Maßen der motorischen Schnelligkeit als weitgehend gesichert gelten. Die Befunde für den Genauigkeitswert fallen uneinheitlich aus, was seine eingeschränkte Interpretierbarkeit unterstreicht. Neuere Befunde zur Kriteriumsvalidität beziehen sich vorrangig auf klinische und neuropsychologische Anwendungsbereiche. Für den Ausbildungs- und Schulerfolg werden uneindeutige Ergebnisse berichtet. Die aktuellsten Befunde zur Fahreignungsbeurteilung mittels d2 sind fast 25 Jahre alt. Aufgrund der berichteten Ergebnisse lässt sich die Kriteriumsvalidität des d2-R für Eignungsbeurteilungen nicht abschließend beurteilen.

Weitere Gütekriterien

Die Testautoren setzen sich umfassend mit der Störanfälligkeit und Verfälschbarkeit der Ergebnisse des d2-R auseinander. Empirische Studien belegen, dass der Konzentrationsleistungswert „KL“ kaum durch unterschiedliche Bearbeitungsstrategien beeinflusst wird. Die Simulation schlechter Leistungen ist in vielen Fällen anhand einer Fehleranalyse erkennbar, die die Testautoren vor jeder Testinterpretation empfehlen: Bei Dissimulation treten vermehrt Buchstabenfehler auf, die bei instruktionsgemäßer Bearbeitung kaum beobachtbar sind. Die Testergebnisse des d2-R sind in hohem Maße übungsabhängig. Im Handbuch fehlen jedoch Angaben, wie mit bekannter Vorerfahrung von Testteilnehmern und anderweitigen Übungseinflüssen umzugehen ist.

Abschlussbewertungen/Empfehlungen

Der d2-R ist ein etabliertes und umfassend analysiertes Testverfahren zur Erfassung von Aufmerksamkeitsleistungen, das für Kinder und Erwachsene nutzbar ist. Mit einer Durchführungs- und Auswertungszeit von ca. 15 Minuten ermöglicht der Test eine zeitlich ökonomische, objektive und reliable Erfassung der Konzentrationsleistung und der Arbeitsgeschwindigkeit. Durch eine klarere Gliederung und die Beseitigung inkonsistenter Informationen hätte der Nutzwert des Manuals deutlich erhöht werden können. Dies gilt insbesondere für die zur Ermittlung von Konfidenzintervallen erforderlichen Daten, die im Text, aber nicht in den Normtabellen aufgeführt sind. Von einer Interpretation des Genauigkeitswertes „F%“ ist wegen seiner eingeschränkten Reliabilität und der uneinheitlichen Befunde zur konvergenten Validität abzusehen. Prognostische Entscheidungen sollten sich daher vorrangig auf „KL“ beziehungsweise „BZO“ stützen. Entsprechende Hinweise fehlen im Manual. Für eine abschließende Beurteilung der Kriteriumsvalidität des d2-R fehlen aktuelle Studien, insbesondere im Bereich der beruflichen Eignungsbeurteilung. Eine potenzielle Validitätsbedrohung ergibt sich aus Übungseffekten, die bei Personen mit unterschiedlicher Vorerfahrung Fehleinschätzungen der Konzentrationsfähigkeit begünstigen. Normen für geübte Testteilnehmer oder eine einheitliche Vorübung der Testanden könnten hier Abhilfe schaffen, sofern der d2-R auch bei geübten Personen ausreichend differenziert und die Kriteriumsvalidität erhalten bleibt. Dies wäre durch empirische Studien zu belegen. Bei der Entscheidung über den Einsatz des d2-R sollte berücksichtigt werden, dass ein eng umgrenzter Bereich der Aufmerksamkeit erfasst wird. Die Validität des genutzten Aufmerksamkeitstests dürfte maßgeblich von der Übereinstimmung zwischen den Anforderungen des Tests und des Anwendungskontexts abhängen. Ein Einsatz des d2-R erscheint vorrangig sinnvoll, wenn einfache, visuelle Diskriminationsleistungen unter Zeitdruck erbracht werden müssen.

Tabelle 1

Tabelle 1

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478.

Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56.

Testinformationen

Brickenkamp, R., Schmidt-Atzert, L. & Liepmann, D. (2010). d2-R. Test d2–Revision. Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest. Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen. Test komplett 152 €. 50 Kurzanleitungen (deutsch oder türkisch) 17 €, 50 Testbogen: 70 €, 50 Auswertungsbogen: 17 €.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Daseking, M. & Putz, D. (2015). TBS-TK Rezension: „Test d2-R. Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest“, Psychologische Rundschau, 66, 265 – 267.

Literatur