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TBS-TK-Rezension

Rasch-basiertes Depressionsscreening (DESC; 1. Auflage)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000431

Allgemeine Informationen

Das Rasch-basierte Depressionsscreening (DESC) ist ein kurzer Selbstbeurteilungsfragebogen zum Screening einer depressiven Episode sowie zur Erfassung der Schwere einer Depression. Es besteht aus zwei Varianten (DESC-I und DESC-II) mit jeweils zehn (positiv formulierten) Items zu möglichen Depressionssymptomen. Die Auswertung erfolgt durch Aufsummieren der Antworten auf einer fünfstufigen Likert-Skala von „nie“ (0) bis „immer“ (4). Der Test ist in ca. fünf Minuten durchzuführen. Als Zielgruppe werden Gesunde und Patientinen und Patienten von 14 bis 94 Jahren angegeben. Einige Normwerte und Cut-off-Werte liegen vor. Die Parallelversionen sollen sich für den Einsatz in Verlaufserhebungen eignen. Der Test ist als Papierversion verfügbar. Zentrale Informationen zum Test finden sich im Manual.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Der Test fußt nicht auf einer expliziten Theorie; vielmehr wurden für seine Konstruktion 241 Items bzw. Depressionssymptome aus 20 bestehenden Fragebogen zugrunde gelegt und per Ausschluss redundanter Items und einer Hierarchisierung durch Expertinnen und Experten reduziert. Anschließend wurde der Item-Pool durch eine empirische Kalibrierung und Rasch-Analyse weiter konzentriert. Im Manual wird angeführt, dass häufige psychometrische Abstriche überwunden werden sollen, dazu zählen die fragliche Eindimensionalität der Skalen, redundante Items mit Überschneidung zu Symptomen der körperlichen Komorbidität sowie eine Stichprobenabhängigkeit der psychometrischen Kennwerte. Es wurden außerdem zwei Parallelversionen konzipiert, um Messwiederholungseffekten in Verlaufsbeobachtungen vorzubeugen. Inwieweit der Einsatz dieser Parallelversionen tatsächlich Messwiederholungseffekte vermeiden kann, bedarf mehr Absicherung.

Objektivität

Durchführung, Auswertung und Interpretation des DESC werden im Handbuch beschrieben. Die Instruktionen auf dem Testbogen unterstützen die Objektivität. Die Interpretation wird durch Cut-off-Werte und Normwerte erleichtert. Formulierungsvorschläge zur Interpretation fehlen. Auch fehlen Hinweise zum Umgang mit fehlenden Werten; so bleibt die Frage offen, ob und wie der Summenscore einer Probandin bzw. eines Probanden mit fehlenden Werten interpretiert werden kann. Der in der Praxis häufige Ausweg, den Mittelwert der beantworteten Items hochzurechnen, sollte vorab, bei der Entwicklung des Instruments, abgesichert werden. Da Menschen mit Depression mitunter an Konzentrationsproblemen leiden, sind fehlende Werte erwartbar. Für die Praxis wäre der Hinweis zum Umgang mit fehlenden Werten daher wichtig. Ferner liegen keine Hinweise vor, wie die Testleiterin bzw. der Testleiter mit Fragen der Testperson oder Leseschwierigkeiten umgehen soll. Beispiel- oder Übungsitems für die zu testenden Personen fehlen.

Normierung

Normwerte für die Normalbevölkerung liegen für beide Varianten des DESC vor (N = 2.509). Berichtet werden Prozentrang, Z- und T-Werte sowie ein geschätzter Wert des latenten Trait-Scores zur Depressivität im Rahmen der Rasch-Analyse. Die Veröffentlichung der Normierung erfolgte 2010, der Zeitpunkt der Erhebung ist nicht angegeben. Die gröbere Verteilung der Normstichprobe nach Geschlecht, Wohnsitz (ländlich vs. städtisch), Bildung und Haushaltseinkommen wird berichtet. Belege für die vom Manual angegebene Repräsentativität fehlen im Manual, ebenso Hinweise zur Stichprobenziehung, sind aber in Forkmann et al. (2010) nachzulesen. Gleiches gilt für alters- und geschlechtsspezifische Normen (deren Fehlen im Manual nicht begründet wird). Normen für klinische Stichproben fehlen. Der Cut-off-Wert wurde mittels Receiver-Operating-Characteristics-Analysen sowie anhand des Vergleichs mit einem halbstrukturierten klinischen Interview (IDCL) in einer klinischen Stichprobe ermittelt.

Zuverlässigkeit

Es werden Reliabilitätskennwerte nach dem Rasch-Modell bestimmt (Personen- und Item-Reliabilität) sowie die Paralleltest-Reliabilität und Cronbachs Alpha. Diese Werte liegen zumeist im guten bis sehr guten Bereich. So sind die Werte beider DESC-Varianten > .90 für Cronbachs Alpha, die Paralleltest-Reliabilität und die Item-Reliabilität; die Personen-Reliabilität liegt zwischen .69 und .90. Die relativ geringe Variabilität von Depressivität in der Stichprobe (aus der Allgemeinbevölkerung) könnte zu einer Verringerung der Reliabilität geführt haben. Retest-Reliabilitäten werden nicht berichtet, was überrascht, da die einfach durchzuführende Testwiederholung im Manual als Alleinstellungsmerkmal angeführt wird. Die Reliabilitäts-Kennwerte wurden anhand mehrerer Stichproben und einer insgesamt großen Stichprobe berechnet (N = 2.943) und sind daher als stabil anzusehen. Es fehlt ein Hinweis auf die Standardschätzfehler.

Gültigkeit

Die Faktorenstruktur ist anhand konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft. Dabei werden relevante Statistiken mit guten Werten berichtet. Die Stichprobe für die Faktorenstruktur setzte sich ausschließlich aus Patientinnen und Patienten zusammen (psychisch und somatisch); die Faktorenstruktur für Gesunde sollte noch besser abgesichert werden. Unbefriedigend ist, dass das Manual nicht expliziert, auf welche Stichproben sich die Kennwerte der Rasch-Analyse und der Faktorenanalyse beziehen. Die berichteten Gütekennwerte nach dem Rasch-Modell sind gut. Zusätzliche Gütekennwerte wären wünschenswert, fehlen aber. Das Manual berichtet einige Daten zu konvergenter, diskriminanter und kriteriumsbezogener Validität. Diese Daten unterstützen die Validität.

Weitere Gütekriterien

Das Manual versäumt es zu bestätigen, dass alle Daten und relevanten Analysen berichtet werden, so dass keine selektive Berichterstattung vorliegt. Daten und Auswertungssyntax wurden nicht publiziert, was die Einschätzung der Güte erschwert; Schwächen in der Auswertung könnten Reliabilität und Validität in Frage stellen. Wie alle Selbstbeurteilungsverfahren ist der DESC störanfällig gegenüber Fälschung. Sowohl willentliche als auch unwillentliche Verzerrungen nach „oben“ als auch nach „unten“ sollten vom Diagnostizierenden in Betracht gezogen werden. Auf diese Problematik wird im Manual nicht hingewiesen. Im klinischen Kontext sollten Diskrepanzen zum Beispiel zum klinischen Eindruck allerdings in der Regel auffallen und können thematisiert werden.

Abschlussbewertungen/Empfehlungen

Beim DESC handelt es sich um einen methodisch recht anspruchsvoll und differenziert entwickelten Fragebogen zur Erfassung des Schweregrades depressiver Symptomatik und zum Screening depressiver Störungen. Anwendung, Auswertung und Interpretation sind klar beschrieben. Das Instrument ist in dieser Hinsicht gut für die diagnostische Praxis geeignet. Die gut begründete Konzentrierung der erfassten Symptome ermöglicht eine einfache, schnelle und ökonomische Durchführung. Die Nutzung der Parallelversionen bietet sich für Verlaufsbeobachtungen an.

Der Bericht zur Testentwicklung und Güteprüfung ist insgesamt von guter methodischer Qualität, allerdings sind weitere Informationen und empirische Belege wünschenswert. So wird unter anderem nicht berichtet, ob und wie Beobachtungen aus der Stichprobe entfernt wurden. Ebenso fehlen Informationen darüber, welche Variante des Rasch-Modells verwendet wurde. Die Auswahl der Gütestatistiken ist diskutabel bzw. könnte noch erweitert werden. Allerdings unterstützen die bisherigen Daten die Qualität des Instruments; dabei ist die Evidenzlage (noch) begrenzt. Wünschenswert wären unter anderem breitere Untersuchungen zur Validität.

Außerdem sollte die Parallelität der beiden DESC-Varianten besser abgesichert werden, stellen die Parallelversionen doch eine Besonderheit dieses Instruments dar. Praktikerinnen und Praktiker würden von ausdifferenzierteren Normwerten profitieren, da von gewissen Alters- und Geschlechtsunterschieden in Auftreten und Berichterstattung von depressiven Symptomen ausgegangen werden kann. Ebenso wären klinische Normwerte zur Interpretation hilfreich.

Unter dem Strich stellt der DESC ein handwerklich gut ausgearbeitetes Instrument dar, das den Anforderungen der Praxis weitgehend gut gerecht wird

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testinformationen

Forkmann, T., Böcker, M., Wirtz, M., Norra, C. & Gauggel, S. (2011). Rasch-basiertes Depressionsscreening Form I und II (DESC I & II). Verfügbar unter www.psychometrikon.de.

Bezugsquelle:www.psychometrikon.de

Das Verfahren ist kostenlos; für den Download ist eine Registrierung erforderlich.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Groen, G. & Sauer, S. (2019). TBS-TK Rezension: „Rasch-basiertes Depressionsscreening (DESC; 1. Auflage).“ Psychologische Rundschau, 70, 96 – 98.

Literatur

  • Testkuratorium (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478. First citation in articleGoogle Scholar

  • Testkuratorium (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Forkmann, T., Boecker, M., Wirtz, M., Glaesmer, H., Brahler, E., Norra, C. et al. (2010). Validation of the Rasch-based Depression Screening in a large scale German general population sample. Health and Quality of Life Outcomes, 8, 105. First citation in articleGoogle Scholar