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Open AccessOriginalarbeit

Einsatz von Demonstrationsvideos zur Psychotherapie im Psychologiestudium

Eine randomisiert-kontrollierte Studie zur Vermittlung praxisbezogener und verfahrensspezifischer Inhalte

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000729

Abstract

Zusammenfassung:Theoretischer Hintergrund: Demonstrationsvideos (DVs) mit Simulationspatient_innen sind eine innovative Lehrmethode. Fragestellung: Eignen sich DVs für die Lehre verschiedener Psychotherapieverfahren im Bachelorstudium Psychologie und als Klausurvorbereitung? Methode: In einer Pilotstudie wurde Studierenden je ein DV zur tiefenpsychologischen, gesprächspsychotherapeutischen, verhaltenstherapeutischen und systemischen Therapie nach der dazugehörigen Vorlesung gezeigt. Das Abschneiden der Studierenden in verfahrensspezifischen Klausurfragen wurde mit den Ergebnissen aus dem Vorjahr verglichen. In einer zweiten, randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) wurden dieselben DVs im Vergleich zu Lehrbuchtexten nach der Vorlesung eingesetzt. Anschließend beantworteten die Studierenden Fragen zu verfahrensspezifischem Wissen und bewerteten verfahrensspezifische Merkmale. Ergebnisse: In der Pilotstudie schnitt die Studierendengruppe mit DVs (n = 59) in Klausurfragen besser ab als die Gruppe aus dem Vorjahr ohne DVs (n = 65). In der RCT (n = 43 – 53) konnte die Videogruppe die Wissensabfrage zur Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie besser beantworten. Verfahrensspezifische Merkmale wurden teilweise erkannt. Schlussfolgerungen: DVs sind eine vielversprechende Lehrmethode, jedoch Lehrbuchtexten nicht immer überlegen.

Use of Demonstration Videos From Psychotherapy in Psychology Training. A Randomized Controlled Trial for Teaching Practice-Related and Approach-Specific Contents

Abstract:Background: Demonstration videos (DVs) with simulated patients represent an innovative teaching method. Objective: To determine whether DVs are suitable for teaching psychotherapeutic approaches in the bachelor’s psychology program and as exam preparation. Methods: In a pilot study, we showed students a DV on psychodynamic, person-centered, behavioral, and systemic therapy after the corresponding lecture, respectively. We then compared the students’ performance in approach-specific exam questions to the results of the previous year. In a second study, a randomized controlled trial (RCT), we compared the same DVs to approach-specific texts. The students answered approach-specific questions and rated approach-specific characteristics. Results: In the pilot study, students with DVs (n = 59) answered exam questions better than students without DVs (n = 65). In the RCT (n = 43 – 53), the video group performed better in both the psychodynamic and the behavioral therapy tests. The students could partly identify approach-specific characteristics. Conclusion: DVs are a promising teaching method, though not always superior to texts.

Der Ausbildungsweg von psychologischen Psychotherapeut_innen (PP) hat sich durch die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) maßgeblich verändert und neue Herausforderungen für die universitäre Lehre geschaffen. Durch die neue Approbationsordnung (§ 9 PsychThApprO) wird bereits während des Studiums ein anwendungsorientiertes Lernen gefordert. An dieser Stelle kann der Einsatz von Simulationspatient_innen (SP) Studierenden den Erwerb praxisrelevanter Fertigkeiten in einem geschützten Rahmen ermöglichen (Kühne, Maaß & Weck, 2021; Partschefeld, Strauß, Geyer & Philipp, 2013; Nikendei et al., 2019). Eine innovative und ressourcensparende Lehrmethode stellen Demonstrationsvideos (DVs) mit SP dar, die zu einer frühzeitigen verfahrensspezifischen Kompetenzvermittlung in der Hochschullehre beitragen könnten.

Geht man von einer stufenhaften Entwicklung therapeutischer Kompetenzen aus, scheint besonders in der Anfangsphase die Suche nach therapeutischen Modellen für Noviz_innen im Vordergrund zu stehen (Ronnestad & Skovholt, 2003). Nach der Theorie des Beobachtungslernens von Bandura (1976) sollte die genaue Betrachtung eines therapeutischen Modells in einem DV die Imitation der Verhaltensweisen zu einem späteren Zeitpunkt für Studierende ermöglichen. Im Medizinstudium werden DVs bereits erfolgreich zum Erlernen praktischer Fertigkeiten eingesetzt (Bäwert & Holzinger, 2019; Jang & Kim, 2014; Topping, 2013), um Studierende auf die etablierte Objective Structured Clinical Examination (OSCE; Tervo et al., 1997) vorzubereiten. Dies legt den Einsatz von DVs im Psychologiestudium als Vorbereitung auf die anwendungsorientierte Parcoursprüfung (aoPP) nahe.

In einer qualitativen Studie von Nikendei et al. (2018) gab es erste Hinweise auf die Akzeptanz und Zufriedenheit hinsichtlich DVs bei angehenden Verhaltenstherapeut_innen (N = 38). Eine randomisiert-kontrollierte Studie (RCT) von Kühne, Heinze, Maaß und Weck (2022) indiziert einen möglichen positiven Effekt von DVs auf therapeutische Fertigkeiten. Studierende, die ein Manual zur kognitiven Verhaltenstherapie lasen und zusätzlich ein DV sahen, zeigten in der anschließenden Gesprächssimulation einen größeren Zuwachs therapeutischer Fertigkeiten als die Kontrollgruppe, die nur das Manual gelesen hatte. Für die Effektivität von DVs zu anderen Psychotherapieverfahren gibt es aktuell im deutschsprachigen Raum unseres Wissens keine Anhaltspunkte.

Da der Erwerb deklarativen Wissens die erste Stufe im Kompetenzerwerb darstellt (Anderson, 1982), wird in dieser Studie das durch DVs gelernte praxisrelevante Wissen untersucht. Um den Effekt von DVs auf den Lernzuwachs von Studierenden in den vier psychotherapeutischen Verfahren zu untersuchen, wurden im Wintersemester 2019/2020 (WiSe 19/20) eine Pilotstudie und im Sommersemester 2022 (SoSe 22) eine RCT im polyvalenten Bachelorstudiengang Psychologie an der Universität Hildesheim durchgeführt. In der RCT wurde für jedes psychotherapeutische Verfahren der einen Gruppe ein verfahrensspezifisches DV präsentiert (Videogruppe; VG), während die andere Studierendengruppe einen Lehrbuchtext (LT) zu demselben Verfahren las (Textgruppe; TG). Es stellt sich die Frage, inwiefern sich die DVs für die Lehre der verschiedenen Psychotherapieverfahren im polyvalenten Bachelor und insbesondere als Vorbereitung auf die Klausur eignen.

Hypothesen

Hypothese 1 (H1): In den verfahrensspezifischen Klausurfragen erzielt die Studierendengruppe ein besseres Ergebnis, die DVs für die Prüfungsvorbereitung nutzen konnte, als die Studierendengruppe aus dem Vorjahr, der keine DVs zur Verfügung standen (Pilotstudie).

Hypothese 2 (H2): Durch die gezeigten DVs mit SP können die Studierenden die Fragen zum praxisrelevanten, verfahrensspezifischen Wissen in der Wissensabfrage korrekt beantworten (Pilotstudie und RCT).

Hypothese 3 (H3): Die VG ist mit den DVs als Lehrmethode zufriedener als die TG mit den LTs (RCT).

Hypothese 4 (H4): Die VG kann verfahrensspezifische Wissensfragen besser beantworten sowie verfahrensspezifische Merkmale besser erkennen als die TG (RCT).

Methoden

Die Studien wurden von der Ethikkommission der Universität Hildesheim genehmigt (Code 234). Die Teilnahme der Studierenden war freiwillig und konnte jederzeit ohne Angaben von Gründen abgebrochen werden. Die Erhebung erfolgte in anonymisierter Form. Alle verwendeten Lehrmaterialien (DVs & LTs) aus den Studien wurden aus Gründen der Fairness direkt nach der Erhebung auf der universitären Lernplattform allen Studierenden zur Verfügung gestellt.

Studien und Versuchsablauf

Pilotstudie

Im WiSe 19/20 wurde in der Vorlesung Einführung in die Klinische Psychologie an vier Terminen je ein wissenschaftlich anerkanntes, psychotherapeutisches Verfahren vorgestellt, zu dem die Studierenden jeweils ein verfahrensspezifisches DV anschauten. Anschließend wurden sie gebeten demografische Angaben zu machen und an einer Wissensabfrage teilzunehmen. Um den Einfluss der DVs auf die Klausurleistung zu untersuchen, wurden die Ergebnisse zu fünf verfahrensspezifischen Klausurfragen aus dem WiSe 19/20 mit denselben Fragen aus dem Vorjahr WiSe 18/19 (Studierendengruppe ohne DVs) verglichen.

Randomisiert-kontrollierte Studie

Im SoSe 22 wurde eine RCT mit einer VG und einer TG durchgeführt, um mögliche Unterschiede zwischen dem Einfluss von DVs und LTs auf die Lernleistung zu untersuchen. Die Studieninformationen und Teilnahmeeinladungen wurden per E-Mail an 79 Studierende verschickt, die die Vorlesung Klinische Psychologie II – Verfahrenslehre belegten. In der Vorlesung wurden nacheinander vier Psychotherapieverfahren vorgestellt (1. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP), 2. Gesprächspsychotherapie (GT), 3. kognitive Verhaltenstherapie (VT) & 4. Systemische Therapie (ST)). Im Anschluss an die jeweilige Vorlesung erfolgte die Randomisierung, die zu jedem Vorlesungstermin neu vorgenommen wurde. Die Teilnahmedauer betrug bei jedem Erhebungstermin ca. 30 – 35 Minuten. Nach dem Anschauen des DVs oder dem Lesen des LTs folgte eine fünfminütige Diskussion über die Inhalte mit dem / der Sitznachbar_in. Anschließend wurden die Studierenden gebeten Geschlecht, Alter und ihr aktuelles Studiensemester anzugeben sowie eine Wissensabfrage auszufüllen und verfahrensspezifische Merkmale einzustufen. Am letzten Erhebungstermin wurde zusätzlich die Zufriedenheit mit den Lehrmethoden erfragt.

Materialien – Pilotstudie

Demonstrationsvideos

In den DVs wurde für jedes Verfahren eine Therapiesituation mit SP dargestellt, in der ein Modelltherapeut (MT) die jeweilige therapeutische Grundhaltung sowie verfahrensspezifische Techniken demonstrieren sollte. Die Dauer der DVs variierte zwischen 10:00 und 13:50 Minuten. Im DV zur TP wurden die Techniken Klären, Konfrontieren und Deuten gezeigt; im DV zur GT die Verbalisierung kognitiv-emotionaler Erlebnisinhalte sowie konkretisierende und vertiefende Fragen; im DV zur VT wurde das ABC-Modell mit anschließender Disputation und im Video zur ST die Wunderfrage mit anschließender Exploration und Suche nach Ausnahmen demonstriert.

Wissensabfrage

Die Wissensabfrage bestand aus drei Multiple-Choice-Fragen (MC-Fragen) zum theoretischen Hintergrund, der / ‌den verwendeten Technik/en und dem Ziel des MTs. Für jedes Verfahren wurde eine Wissensabfrage durchgeführt.

Klausurfragen

In zwei Modulklausuren wurden dieselben fünf verfahrensspezifischen Klausurfragen im Multiple- bzw. Single-Choice-Format gestellt.

Materialien – Randomisiert-kontrollierte Studie

Demonstrationsvideos

Die DVs wurden aus der Pilotstudie übernommen.

Lehrbuchtexte

Die LTs für die TG waren Kapitel mit Fallbeispielen aus dem Lehrbuch Psychotherapie von Reimer, Eckert und Hautzinger (2007). Vor dem Beginn der Studie wurden drei der vier LTs gekürzt (TP, VT und GT), damit die DVs und LTs einen vergleichbaren zeitlichen Aufwand einnahmen. Im LT zur TP wurden die Techniken Widerstandsanalyse und Übertragungsdeutung, im LT zur GT dieselben Techniken wie im DV, im LT zur VT ein Problemlösetraining und im LT zur ST ein Genogramm dargestellt.

Wissensabfrage

In beiden Lehrbedingungen wurden dieselben MC-Fragen und Antworten gestellt. Begründet durch die teilweise unterschiedlichen Inhalte zwischen DV und LT war bzw. waren je nach Gruppe eine andere Antwort / andere Antworten korrekt. Die Fragen und Musterlösungen zu jedem Verfahren sind auf Anfrage erhältlich.

Comparative Psychotherapy Process Scale (CPPS)

Für die RCT im SoSe 22 wurde die deutsche Version der CPPS für Therapeut_innen (Reininger et al., im Druck; englische Originalversion: Hilsenroth et al., 2005) erweitert. Die CPPS besteht aus 20 Items. Es gibt zwei Subskalen mit je 10 Items (kognitiv-behaviorale Merkmale und psychoanalytische Merkmale). Auf einer 7-stufigen Likert-Skala wird von 0 = überhaupt nichtzutreffend bis 6 = extrem zutreffend beurteilt, wie sehr eine verfahrensspezifische Aussage zutrifft. Zusätzlich wurden in der vorliegenden Studie je 10 Items zu Merkmalen der ST und Merkmalen der GT unter Verwendung von Fachliteratur (Reimer et al., 2007) formuliert. Die interne Konsistenz war größtenteils akzeptabel oder gut (Psychodynamische Skala: Cronbachs α = .62; Kognitiv-behaviorale Skala: α = .79; GT- Skala: α = .74; ST-Skala: α = .83). Die Studierenden sollten einschätzen, inwiefern verfahrensspezifische Aussagen auf das zuvor dargestellte Verfahren im DV oder LT zutrafen.

Zufriedenheitsbefragung

Es wurden insgesamt 8 Items zur Zufriedenheit mit den DVs / LTs verwendet, die auf einer 7-stufigen Likert-Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 7 = stimme voll und ganz zu beurteilt wurden (Cronbachs α = .88). Die Fragen wurden in Anlehnung an den Fragebogen zur wahrgenommenen Zufriedenheit, Verhaltensintention und Effektivität von E-Learning bei Studierenden (Liaw, 2008) formuliert, erweitert sowie inhaltlich an die Studie angepasst. Zusätzlich fragte ein weiteres Item ab, welche Schulnote die Studierenden der Lehrmethode zur Verdeutlichung des Verfahrens gaben.

Datenanalysen und statistische Methoden

Die Auswertung der Datensätze erfolgte mit IBM Statistics SPSS Version 27.0 nach Testung der Voraussetzungen.

Pilotstudie

Die Anzahl richtiger Klausurantworten der Studierendengruppen 18/19 und 19/20 (H1) wurde mittels eines t-Tests verglichen. Auf deskriptiver Ebene wurde analysiert, wie häufig die MC-Fragen zur verfahrensspezifischen Wissensabfrage (H2) richtig beantwortet wurden.

Randomisiert-kontrollierte Studie

Die Randomisierung wurde mittels Python 3.8 durch eine externe Person vorgenommen. Die korrekte Beantwortung der Wissensabfrage (H2) wurde deskriptiv beschrieben. Die Zufriedenheit mit den DVs im Vergleich zur Zufriedenheit mit den LTs (H3) wurde durch einen t-Test für unabhängige Stichproben untersucht. Um die vergebenen Schulnoten zu vergleichen, wurde ein Mann-Whitney-U-Test durchgeführt. Die Gesamtpunktzahl in der Wissensabfrage wurde zwischen den Studierendengruppen unter Verwendung von Mann-Whitney-U-Tests für jedes Verfahren verglichen (H4). Mithilfe von Mixed ANOVAs wurde für jedes Verfahren untersucht, ob die Studierenden in Abhängigkeit von ihrer Gruppe das jeweilige Verfahren anhand verfahrensspezifischer Merkmale richtig erkannt hatten (gemessen durch die CPPS; H4). Um den teilweise unterschiedlichen Ausprägungen von verfahrensspezifischen Merkmalen zwischen den DVs und LTs Rechnung zu tragen, wurde die 7-stufige CPPS-Skala in eine 3-stufige Skala zusammengefasst (0 zu 0 = gar nicht zutreffend; 1, 2 zu 1 = teilweise zutreffend, 3, 4, 5 & 6 zu 2 = zutreffend). Es wurden Bonferroni-korrigierte Posthoc-Tests durchgeführt.

Ergebnisse

Stichprobencharakteristika

Pilotstudie

Im WiSe 19/20 variierte die Teilnehmerzahl pro Erhebungstermin zwischen n = 59 und 68. Personen wurden ausgeschlossen, wenn sie keinen Studiengang oder nicht Psychologie als Hauptfach angegeben hatten. Detaillierte Angaben zu den Stichprobencharakteristika sind der Tabelle 1 zu entnehmen. An der Klausur nahmen im WiSe 18/19 n = 59 und im WiSe 19/20 n = 65 Studierende teil.

Randomisiert-kontrollierte Studie

An der RCT im SoSe 22 nahmen pro Erhebungstermin zwischen n = 43 und 53 Personen teil (für detailliertere Angaben s. Tabelle 1).

Tabelle 1 Stichprobencharakteristika und Ergebnisse der Wissensabfrage

Hypothesentests – Pilotstudie

Klausurfragen

Die Studierendengruppe aus dem WiSe 19/20 (M = 4.79, SD = 0.43), die DVs zur Vorbereitung auf die Klausur nutzen konnte, schnitt in denselben verfahrensspezifischen Klausurfragen besser ab als die Studierendengruppe ohne DVs aus dem Vorjahr (M = 4.59, SD = 0.54, t ‍(98) = -2.14, p < .05, d = 0.48). Im Anhang A (Tabelle A1) sind die Ergebnisse zu den verfahrensspezifischen Klausurfragen aufgelistet.

Wissensabfrage

Der Tabelle 1 sind die durchschnittlich erreichten Punkte in der Wissensabfrage für jedes Verfahren zu entnehmen. Der Prozentsatz richtiger, teilweise richtiger (über 50 % richtig) und falscher Antworten ist im Anhang B (Tabelle B1) aufgelistet.

Hypothesentests – Randomisiert-kontrollierte Studie

Wissensabfrage

Die Ergebnisse der Wissensabfrage sind der Tabelle 1 zu entnehmen.

Zufriedenheit mit der Lehrmethode

Die Zufriedenheit der Gruppen mit der Lehrmethode lag bei der VG bei M = 38.05 (SD = 9.07) und bei der TG bei M = 33.23 (SD = 9.92). Ein Vergleich der Zufriedenheit zwischen der VG und TG ergab keinen Unterschied, t ‍(41) = 1.66, p = .104, d = 0.56, β = 0.57. Die durchschnittlich vergebene Schulnote, die beschreiben sollte, wie hilfreich die Lehrmethode zur Verdeutlichung des Verfahrens war, unterschied sich zwischen der VG und der TG, U = 129.50, Z = -2.574, p < .05, r = -0.39. Die VG bewertete die DVs als gut (Mdn = 2.00) und die TG die LTs als befriedigend (Mdn = 3.00).

Gruppenvergleiche – Verfahrensspezifisches Wissen und Merkmale

In der Tabelle 1 sind die durchschnittlich erreichten Gesamtpunkte in der verfahrensspezifischen Wissensabfrage für die VG und TG abgetragen. Die VG schnitt in der Wissensabfrage zur TP (U = 130.50, Z = -3.823, p < .001, r = –0.54) und zur VT (U = 121.00, Z = -3.527, p < .001, r = -0.51) besser ab als die TG. Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen für die Wissensabfrage zur GT (U = 258.00, Z = -1.764, p > .05, β = 0.49; r = -0.03) und zur ST (U = 203.00, Z = -0.706, p > .05, β = 0.89; r = –0.02).

Die Interaktion zwischen den verfahrensspezifischen CPPS-Subskalen und den Gruppen (VG vs. TG) wurde zur TP-Vorlesung signifikant, F ‍(3, 147) = 14.52, p < .001, partielles η2 = .23. Wie aus Tabelle 2 und dem Profildiagramm (s. Abbildung 1a) hervorgeht, zeigten die Posthoc-Tests im TP-Subskalenwert zwischen den Gruppen keinen Unterschied. Die TP-Merkmale konnten in der VG nicht von den GT-Merkmalen unterschieden werden. In der TG wurden im Vergleich zur VG im Durchschnitt mehr GT-Merkmale als TP-Merkmale höher eingestuft.

Abbildung 1 Anmerkungen: TP: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, GT: Gesprächspsychotherapie, VT: Verhaltenstherapie, ST: Systemische Therapie, CPPS: Comparative Psychotherapy Process Scale. Abbildung 1. Gruppenunterschiede bei der Einschätzung verfahrensspezifischer Merkmale.

Auch hinsichtlich der GT-Vorlesung zeigte sich ein Interaktionseffekt, F ‍(3, 150) = 3.60, p < .05, partielles η2 = .07. Die TG erkannte verfahrensspezifische Merkmale der GT eher als die VG (s. Tabelle 2; Abbildung 1b). Innerhalb beider Gruppen konnten die verfahrensspezifischen Merkmale der GT von den anderen verfahrensspezifischen Merkmalen abgegrenzt werden. Es gab zudem einen Interaktionseffekt zwischen den CPPS-Subskalen und den Gruppen für die VT-Vorlesung, F ‍(3, 138) = 3.18, p < .05, partielles η2 = .07. Auch hier erkannte die TG im Vergleich zur VG eher VT-Merkmale. In beiden Gruppen konnten jedoch die VT-Merkmale nicht von den anderen verfahrensspezifischen Merkmalen abgegrenzt werden (s. Tabelle 2, Abbildung 1c). Es gab ebenfalls einen Interaktionseffekt zur ST-Vorlesung, F ‍(2, 90) = 26.65, p < .001, partielles η2 = .41. Die VG erkannte die ST-Merkmale eher als die TG. Außerdem konnten in der VG die Merkmale von den anderen Verfahren abgrenzend erkannt werden, in der TG hingegen nicht (s. Tabelle 2, Abbildung 1d).

Tabelle 2 Post-hoc Analysen

Diskussion

Die Studierendengruppe aus dem WiSe 19/20, die DVs als Vorbereitung auf die Klausur zur Verfügung hatte, schnitt in den verfahrensspezifischen Klausurfragen besser ab als die Studierendengruppe aus dem WiSe 18/19. Natürlich muss bedacht werden, dass eine mündliche Weitergabe der Klausurinhalte ebenfalls zu einer Verbesserung geführt haben könnte. Zukünftig müsste mithilfe anderer vergleichbarer Klausurfragen untersucht werden, ob die verfahrensspezifischen DVs, wie bei Kühne et al. (2022), auf einen zusätzlichen Lernerfolg hindeuten. Die verfahrensspezifischen Wissensfragen konnten sowohl in der Pilotstudie als auch in der RCT größtenteils richtig beantwortet werden. Dies legt eine verständliche Vermittlung der Inhalte durch die MTs nahe. Wie auch Medizinstudierende (Topping, 2013) zeigten sich die Psychologiestudierenden aus dem SoSe 22 mit DVs als Lehrmethode zufrieden. Es gab jedoch keinen Unterschied hinsichtlich der Zufriedenheit zwischen der VG und TG bei einer geringen Teststärke.

In den Gruppenvergleichen zum verfahrensspezifischen Wissen in der RCT schnitt die VG im Vergleich zur TG nur in der TP- und VT-Vorlesung besser ab, jedoch nicht in den Vorlesungen zur GT und ST. Die Teststärke war gering, weshalb ein möglicher Unterschied eventuell nicht identifiziert werden konnte. Zudem könnten sich die abweichenden Inhalte in den DVs und LTs auf die Antworten der Studierenden ausgewirkt haben. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass sich die spezifischen Merkmale der Verfahren besser oder schlechter durch DVs bzw. LTs abbilden lassen.

Verfahrensspezifische Merkmale wurden in der RCT nur von der VG und TG bei den GT-Merkmalen und von der VG hinsichtlich der ST-Merkmale in Abgrenzung zu den anderen Verfahren richtig erkannt. Einschränkend muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass das Vorwissen der Studierenden nicht erhoben wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Studierenden durch ihr bisheriges Studium bestimmte Annahmen bzw. Stereotype zu den Verfahren hatten. So konnten die Studierenden beispielsweise in dem VT-DV, in dem es um die Disputation dysfunktionaler Annahmen und Bewertungen eines Telefonates der SP mit ihrer Mutter anhand eines ABC-Modells ging, die VT-Merkmale nicht vollständig identifizieren. Stattdessen wurden einige verfahrensspezifische Merkmale der TP und ST hoch eingestuft. Eine mögliche Erklärung könnte die Thematisierung der Familie im DV sein, was Studierende eher mit der TP und ST assoziiert haben könnten.

In der TP-Vorlesung konnten die TP-Merkmale von den GT-Merkmalen nicht abgegrenzt werden. Eine mögliche Begründung hierfür wäre, dass beide Verfahren prozessorientiert sind. Allerdings konnten im GT-DV die Merkmale deutlich von den anderen Verfahren abgegrenzt werden. Hier könnte von Vorteil gewesen sein, dass Studierende nicht von dem Demonstrieren einer Technik abgelenkt werden konnten, da in dem DV die therapeutische Grundhaltung und die Basisvariablen im Vordergrund standen. Folglich sollten DVs nicht mit zu vielen Techniken überladen werden, da sonst in der Fülle der Informationen didaktisch wichtige Inhalte untergehen könnten.

Limitationen

Kritisch ist anzumerken, dass die Erhebungen an einer Universität stattfanden, daher ist ein Kohorten-Effekt nicht auszuschließen und die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt. Die Stichproben waren klein und es gab keine Gruppe, der transkribierte Videotexte aus den DVs präsentiert wurden. Die Inhalte zwischen den DVs und LTs unterschieden sich (abgesehen von den Materialien zur GT). Bei mehrfacher Teilnahme könnte sich ein Übungseffekt oder Reihenfolgeneffekt in der Pilotstudie und in der RCT im Umgang mit DVs oder LTs als Lehrmethode zwischen den unterschiedlichen Vorlesungsterminen ergeben haben. Es wurden keine Gesprächssimulationen als praktisches Erfolgsmaß erhoben. Für eine Übertragung deklarativen Wissens in prozedurales Wissen müssten didaktisch zusätzliche Lehrmethoden wie beispielsweise Rollenspiele eingesetzt werden.

Ausblick

Für zukünftige Studien könnte von Interesse sein, inwiefern das gelernte praxisrelevante verfahrensspezifische Wissen aus den DVs im Sinne des Beobachtungslernens nach Bandura (1976) auch in praktischen Gesprächssimulationen mit SP von den Studierenden selbstständig umgesetzt werden könnte. Ferner könnte untersucht werden, ob verfahrensspezifische Merkmale von prozessorientierten Verfahren wie der TP und GT eher auf einer Mikroebene von Studierenden erkannt werden können, während für technikbasierte Verfahren wie die VT oder ST auch eine Makroebene bei der didaktischen Vermittlung durch DVs genügen könnte.

Fazit

DVs sind eine vielversprechende Lehrmethode und können in Vorbereitung auf Klausuren eingesetzt werden. Die praktische Demonstration verfahrensspezifischer Techniken durch Expert_innen kann frühzeitig im Studium zur Verfahrensvielfalt in der Lehre beitragen. Herkömmlichen LTs sind DVs nicht immer überlegen, weshalb die Produktion und der Einsatz der DVs ein didaktisches Ziel verfolgen sollte. Verschiedene Verfahren können möglicherweise unterschiedlich gut durch DVs dargestellt werden – hier bedarf es weiterer Forschung.

Die Autor_innen möchten sich für die Aufnahmen der DVs und die didaktischen Hinweise bei Herrn Dipl. Psych. Peter Döring, Psychologischer Psychotherapeut, Kassel, und Lehranalytiker, Dr. Lars Hauten, Lehrbeauftragter der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin und Prof. Dr. Ingo Jungclaussen, Fachhochschule des Mittelstandes Köln, bedanken. Zudem danken die Autor_innen Jan Niklas Reinhardt, M. Sc. Physiker, für die Unterstützung bei der Randomisierung und insbesondere allen Studierenden für ihre Teilnahme.

Literatur

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Anhang A

Tabelle A1 Klausurantworten

Anhang B

Tabelle B1 Anzahl richtiger Antworten pro Wissensfrage in den Vorlesungen