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Open AccessÜbersichtsarbeit

Effekte von Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel

Ein systematischer Review

Published Online:https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000769

Abstract

Zusammenfassung:Zielsetzung: Mit zunehmender Popularität internetbasierter Glücksspielangebote stellt sich die Frage nach Präventionsmaßnahmen, um den mit diesem Trend einhergehenden Suchtgefahren effektiv zu begegnen. Ziel dieser Überblicksarbeit ist es, empirische Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel zusammenzutragen und wissenschaftlich zu bewerten. Methodik: Es erfolgte eine systematische Literaturrecherche in sechs elektronischen Datenbanken einschließlich einer flankierenden Handsuche nach relevanten Evaluationsstudien, die in den letzten 12 Jahren (bis Ende 2020) publiziert wurden. Insgesamt erfüllten 22 Originalartikel die vorliegenden Einschlusskriterien. Ergebnisse: Die 22 Primärstudien liefern Information zur Wirksamkeit von 26 Einzelmaßnahmen. Dabei beziehen sich die meisten empirischen Befunde auf das personalisierte Feedback (8), Pre-Commitment-Systeme (7) und die Selbstsperre (6). Von diesen Interventionstypen sind Positivwirkungen im Sinne der Suchtprävention zu erwarten. Allerdings schränken geringe Nutzungsraten (v. a. bei freiwilliger Limitsetzung), mäßige Effektgrößen und weitestgehend fehlende Befunde zur Effektnachhaltigkeit die Aussagekraft der Studien ein. Schlussfolgerungen: Ausgehend vom derzeitigen Wissensstand werden Empfehlungen für eine Optimierung des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel sowie zu priorisierende Forschungsbedarfe benannt.

Effects of Consumer Protection Measures in Online Gambling: A Systematic Review

Abstract: Aim: With the increasing popularity of internet-based gambling offers, the question of prevention measures to effectively counter the addiction risks associated with this trend arises. The aim of this review is to compile empirical findings on the effectiveness of consumer protection measures in online gambling and to evaluate them scientifically. Methods: A systematic literature search was conducted in six electronic databases, including an accompanying hand search for relevant evaluation studies published in the last 12 years (until the end of 2020). A total sample of 22 original articles met the present inclusion criteria. Results: The 22 primary studies provide information on the effectiveness of 26 individual measures. Most of the empirical findings relate to personalised feedback (8), pre-commitment systems (7) and self-exclusion (6). Positive effects in terms of addiction prevention can be expected from these types of interventions. However, low utilisation rates (especially in the case of voluntary limit-setting), moderate effect sizes and largely missing findings on the sustainability of effects limit the validity of these findings. Conclusions: Based on the current state of knowledge, recommendations for the optimisation of consumer protection in online gambling andfuture esearch priorities are named.

Einführung

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung haben internetbasierte Formen des Glücksspiels weltweit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Flankiert durch eine extensive Vermarktung im Fernsehen und im Internet (v. a. über diverse Social-Media-Kanäle) sprechen Angebote wie Online-Automatenspiele, Online-Roulette, Online-Poker und Online-Sportwetten inzwischen breite Bevölkerungsschichten an. Alleine auf der Plattform „online.casinocity.com“ waren am 21.09.2021 insgesamt 4348 verschiedene Glücksspiel-Websites gelistet. Bezogen auf den europäischen Glücksspielmarkt machte das Online-Segment in 2019 gemessen an den Bruttospielerträgen mit 24.5 Mrd. Euro bereits ein Viertel des Gesamtvolumens aus (EGBA, 2020). Entsprechend verwundert es kaum, dass die Teilnahmeprävalenzen für Online-Glücksspiele im internationalen Kontext mittlerweile in der Spitze für das Erwachsenenalter Werte von bis zu 25 % erreichen (Heirene, Vanichkina & Gainsbury, 2021).

In Deutschland war das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen um Geld im Internet in der Vergangenheit bis auf Lotterieprodukte in 15 von 16 Bundesländern verboten. Im Rahmen einer Repräsentativerhebung zum Glücksspielverhalten auf Bundesebene gaben dennoch 7,0 % der 16- bis 70-jährigen Befragten für die vergangenen 12 Monate eine Spielteilnahme im Internet an (Banz, 2019). Noch aktuellere Zahlen stammen von einer bundesweiten Bevölkerungsumfrage aus 2021, deren Ergebnisse erst nach Abschluss des Peer-Reviews zu diesem Beitrag veröffentlicht wurden (Buth, Meyer & Kalke, 2022): Hier beträgt dieser Wert bereits 15,8 %. Nach der Lottoannahmestelle (23,4 %) rangiert das Internet auf Platz 2 aller Spielorte bzw. Zugangswege. Ähnlich wie in Europa lag der hierzulande generierte Bruttospielertrag durch Online-Glücksspiele in 2019 bei 21 % des Gesamtmarktes, was einem Absolutbetrag von 3.41 Mrd. Euro entspricht (Goldmedia, 2020). Hauptverantwortlich hierfür waren die – außerhalb von Schleswig-Holstein – illegalen Online-Kasinospiele mit einem Bruttospielertrag von 2.25 Mrd. Euro. Für 2020 ist anzunehmen, dass die mit COVID-19 in Zusammenhang stehenden Schutzbestimmungen – und hier konkret die temporäre Schließung der meisten terrestrischen Spielstätten – eine weitere Verlagerung des Glücksspielverhaltens in Richtung internetgestützter Spielbeteiligung mit sich gebracht haben. In Einklang mit dieser Annahme steht, bei ansonsten noch fehlenden validen ökonomischen Daten für Deutschland, die während dieser Zeitspanne verstärkt zu beobachtende Werbung insbesondere für Online-Kasinospiele (Hayer et al., 2020).

Aus der Perspektive der Suchtprävention ist dieser Entwicklungstrend aus verschiedenen Gründen kritisch zu sehen. So deutet die theoretische Analyse der Veranstaltungsmerkmale von Online-Glücksspielen generell ausgeprägte Suchtgefahren an: Faktoren wie eine hohe Verfügbarkeit bzw. leichte Griffnähe rund um die Uhr (24/7-Prinzip), schnelle Spielabfolgen in Kombination mit sehr kurzen Auszahlungsintervallen, fehlende soziale Kontrollmöglichkeiten bzw. anonyme Spielteilnahmen etwa von zu Hause oder dem Arbeitsplatz aus sowie multiple Optionen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dürften nicht nur Hemmschwellen sinken lassen, sondern darüber hinaus auch ein Abtauchen in die „Welt des Glücksspiels“ fördern (Hayer, Bachmann & Meyer, 2005). Infolgedessen liegt es zum einen nahe, dass der Erstkontakt mit Glücksspielen, glücksspielähnlichen Produkten oder entsprechender Werbung gerade bei den jüngeren Alterskohorten verstärkt online erfolgt (Hayer, 2013). Zum anderen kann daraus abgeleitet werden, dass unter den Internet-Glücksspielenden relativ viele Personen mit einem problematischen Spielverhalten zu finden sind. Tatsächlich konnte ein systematischer Review das hohe Gefährdungspotential von Online-Glücksspielen bestätigen (Hayer, Girndt & Kalke, 2019): Von insgesamt 63 Primärstudien verwiesen 48 auf besondere Suchtgefahren in Verbindung mit internetgestützten Glücksspielangeboten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die übergeordnete Frage, welche Maßnahmen geeignet sind, um den mit Online-Glücksspielen assoziierten Suchtrisiken effektiv zu begegnen. Unabhängig von der obigen Risikobewertung bietet das Internet besondere Chancen im Hinblick auf einen wirksamen Spielerschutz (Lischer, 2018). Unter anderem wird jeder Mausklick plattformspezifisch erfasst und das individuelle (Glücksspiel-)Verhalten lückenlos in Echtzeit aufgezeichnet. Dieser Pool an „objektiven“ Spielverhaltensdaten lässt sich – bestmöglich in Kombination mit „subjektiven“ Selbstberichtsdaten – heranziehen, um auf der Basis von wohldefinierten Risikoparametern im Sinne der Früherkennung eskalierende Spielverhaltensmuster abzubilden und daran unmittelbar anschließend Maßnahmen der Frühintervention passgenau zuzuschneiden. Die Notwendigkeit der Implementierung eines evidenzgeleiteten Maßnahmenkataloges zur Bekämpfung der mit Online-Glücksspielen einhergehenden Suchtgefahren wird durch aktuelle Veränderungen der nationalen regulatorischen Rahmenbedingungen nochmals bekräftigt: Nach jahrelanger kontroverser Diskussion ist am 01.07.2021 ein neuer Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) in Kraft getreten, der bundesweit alle möglichen Formen des Online-Glücksspiels legalisiert. Zugleich soll der Zunahme an legalen Spielanreizen und Suchtgefahren mit einer Stärkung einzelner Maßnahmen des Spielerschutzes, wie die Festlegung eines anbieterübergreifenden Einzahlungslimits für Online-Glücksspiele, die Einrichtung eines zentralen (spielformübergreifenden) Sperrsystems oder die Implementierung eines Früherkennungssystems im Online-Segment, begegnet werden (vgl. zu den jeweiligen Chancen und Grenzen hierzu ausführlich Hayer, 2020). Das Bundesland Schleswig-Holstein hat die Liberalisierung des Online-Glücksspielangebotes bereits 2012 vorweggenommen und damit eine Blaupause geschaffen. Allerdings wurde es dabei versäumt, die implementierten Maßnahmen des Spielerschutzes in Bezug auf Positiv- wie Negativeffekte in nachhaltiger Weise wissenschaftlich evaluieren zu lassen. Auf aussagekräftige Daten aus Deutschland, etwa zum Nutzen der verankerten Präventionsmaßnahmen, lässt sich demnach nicht zurückgreifen.

An diesem Wissensdefizit setzt die vorliegende Übersichtsarbeit an. Übergeordnetes Ziel ist es, die Diskussion zur Optimierung einer evidenzbasierten Glücksspielsucht-Prävention um zentrale und vor allem neuartige Impulse zu erweitern. Im Zuge eines systematischen Literaturstudiums steht dabei die konkrete Frage im Fokus, welche empirischen Erkenntnisse zu den Effekten einzelner Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel weltweit vorliegen. Dieses Vorgehen gilt auch unter Berücksichtigung der internationalen Fachliteratur als einmalig, da sich die bisherigen Überblicksarbeiten in der Regel auf einzelne Maßnahmen der Prävention bzw. Schadensminimierung beziehen (vgl. mit den zitierten Quellen in den Umbrella Reviews von McMahon, Thomson, Kaner & Bambra, 2019, sowie Velasco et al., 2021). Am ehesten sind Überschneidungen zum unlängst publizierten systematischen Review von Rodda (2021) erkennbar, der den Schwerpunkt auf internetgestützte Interventionen im Glücksspielbereich allgemein (d. h. Ansätze der Prävention, Schadensminimierung und Frühintervention) gelegt hat.

Methodik

Die durchgeführte Literatursichtung und -analyse lehnt sich in ihrem methodischen Vorgehen im Kern an die mittlerweile in der gesundheitswissenschaftlichen Fachliteratur etablierten PRISMA-Richtlinien von 2009 bzw. 2020 an („Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses“; Liberati et al., 2009; Page et al., 2020).

Literaturrecherche und -auswahl

Im Zuge des Auswahlprozesses fanden ausschließlich quantitative Primärstudien Berücksichtigung, die folgende Merkmale erfüllten: Es musste sich um „Real-World-Studien“ handeln, die in einer tatsächlich vorhandenen Online-Glücksspielumgebung durchgeführt worden sind. Forschungsarbeiten mit experimentellen Studiendesigns wurden ausgeschlossen. Im Zentrum standen empirische Befunde zur Wirksamkeit von Maßnahmen des Spielerschutzes für die Kundschaft von Online-Glücksspielanbietern. Als Outcome-Variablen galten Nutzungsraten (Reichweite), die Akzeptanz sowie Wissens-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen. Ferner musste die Veröffentlichung der Primärbefunde in einer peer-reviewten Fachzeitschrift erfolgen. Weitere Einschlusskriterien umfassten das Publikationsjahr (Literatur von 2009 bis 2020) und die Publikationssprache (englisch- oder deutschsprachig).

Bei der Literaturrecherche wurden die folgenden sechs Datenbanken herangezogen: Medline, Web of Science, Psyinfo, Psyindex, CINAHL und Cochrane. Vorarbeiten zu diesem Forschungsmodul ergaben eine sehr umfangreiche Palette an Maßnahmen des Spielerschutzes, die im Online-Bereich Anwendung finden (s. Kap. 3 in Hayer, Lahusen & Kalke, 2020). Um alle gängigen Interventionsbereiche zu erfassen, fiel die Schlagwortsuche entsprechend breit aus: „gambl* OR bet OR bets OR betting OR slot* AND online OR internet OR web* OR www* AND account closure OR account-based OR advertis* OR availability OR ban OR counsel* OR education OR effect* OR efficacy OR evaluat* OR exclude* OR exclusion OR feedback OR game design OR harm minimi* OR helpline OR hotline OR impact OR intervention* OR *limit OR limit* OR losses OR marketing OR measure* OR message* OR minimi* OR modif* OR mystery shopping OR personal* OR pop-up OR precommitment OR prevention OR responsib* OR retail* OR staff OR test purchase* OR tool* OR track* OR train* OR warning OR warning message*“. Mit diesem Suchalgorithmus war gewährleistet, verschiedenartige Maßnahmen abzudecken, wie Aufklärungsbotschaften etwa in Form von Pop-up-Fenstern, Limitierungssysteme im Sinne des Pre-Commitments (PC; d. h. freiwillige oder verbindlich vorgegebene Begrenzungen der Spielzeit, der Einzahlungshöhe, des Maximalgewinns, des Maximalverlustes oder der Spielzeit), Strategien des personalisierten Feedbacks (PF) und damit Kurzinterventionen in Form von individuellen Rückmeldungen zum Spielerverhalten, Spielersperren (d. h. Ausschlüsse von Spielbetrieb), Werbebeschränkungen oder sogenannte Responsible Gambling Tools (d. h. Bündel an Interventionen, die von den Spielenden prinzipiell separat oder in Kombinationen genutzt werden können).

Insgesamt mündete die Suche in 1316 Treffern. Von diesen Treffern musste ein Großteil von der weiteren Literaturanalyse ausgenommen werden, weil es sich entweder um Duplikate handelte (617), es nicht oder zumindest nicht schwerpunktmäßig um das Thema Glücksspiel ging (93), es sich bei der Überprüfung zeigte, dass die Artikel tatsächlich schon vor 2009 veröffentlicht worden waren (28) oder sonstige Ausschlussgründe vorlagen (45). In diesem ersten Schritt wurden zusammengenommen 783 Literaturquellen exkludiert; es verblieben 533 für die weitere manuelle Sichtung. Von diesen wiederum fanden 518 Artikel keine weitere Berücksichtigung, weil sich nach der inhaltlichen (Volltext-)Überprüfung herausstellte, dass sie einzelnen Einschlusskriterien nicht entsprachen. Nach Durchsicht von Literaturverzeichnissen konnten sieben weitere Quellen einbezogen werden, so dass letztlich insgesamt 22 Primärstudien in den systematischen Review eingeflossen sind (s. Abbildung 1 für eine kompakte Darstellung des gesamten Ablaufprozesses).

Abbildung 1 Ablaufprozess der Literatursichtung.

Kodierungsverfahren

Zur Datenextraktion wurde eine eigene Kodierungsmatrix entwickelt, die eine standardisierte und damit vergleichbare Erfassung der zentralen Parameter jeder einzelnen Primärstudie ermöglichte. Mit diesem Formblatt ließen sich stichpunktartig Land, Glücksspielform, Intervention, Stichprobe, Forschungsdesign und zentrale Effekte festhalten. Die Übersichtstabellen zu den einzelnen Interventionsarten weisen im Ergebnisteil (s. u.) für jede kodierte Publikation die entsprechenden Informationen zu diesen Kategorien aus. Außerdem sah der Untersuchungsplan vor, dass alle identifizierten Primärstudien von den beiden Autoren unabhängig voneinander im Hinblick auf relevante Parameter zu kodieren waren. Die Klärung von Abweichungen oder Unstimmigkeiten fand im Diskurs statt; das Resultat bestand in einer gemeinsamen Kodierungsfassung.

Qualitätsbewertung: Bestimmung der Evidenzgüte

In einem weiteren Schritt wurden sowohl die jeweils evaluierten Interventionen als auch die spezifischen methodischen Vorgehensweisen einer Qualitätsbewertung unterzogen. Damit die Bestimmung der jeweiligen Evidenzgüte transparent und nachvollziehbar blieb, war eine Reduktion der komplexen Informationen von Originalarbeiten (Ergebnisse und Studienanlage) entlang von ausgesuchten Gütekriterien erforderlich. Als Orientierung für die Auswahl relevanter Gütekriterien dienten Vorlagen aus der Fachliteratur (Armijo-Olivo, Stiles, Hagen, Biondo & Cummings, 2012; Hong et al., 2018), wobei eine Anpassung an den vorliegenden Forschungsgegenstand notwendig erschien. Es wurde deshalb eine Matrix entwickelt, die die Effekte einer Intervention unter Berücksichtigung der Qualität des Forschungsdesigns sowie der Interventionsart einordnete und diese nach den drei Evidenzstufen „niedrig“ (+), „mittel“ (++) und „hoch“ (+++) zusammenfassend beurteilte. Bei den festgestellten positiven Effekten erfolgte eine Differenzierung zwischen den Outcomes Akzeptanz (Umsetzung), Wissen, Einstellungen und Verhalten. Die Qualität des Forschungsdesigns ließ sich im Wesentlichen anhand der Messzeitpunkte der Effekte (langfristig generell höher als kurzfristig) sowie der Studienart (z. B. randomisiert generell höher als deskriptiv) einschätzen. Größere Mängel konnten in diesem Zusammenhang zu einer (weiteren) Herabstufung der Qualitätsstufe führen.

Ergebnisse

Mit den identifizierten 22 Primärstudien wurden im Ganzen 26 Einzelmaßnahmen evaluiert. Acht Interventionen betreffen dabei das PF, und sieben Interventionen beziehen sich auf PC-Systeme. Zur Spielersperre konnten sechs Quellen einbezogen werden. Kaum Befunde gibt es zu Pop-up-Fenstern (2), Responsible Gambling Tools (2) und Selbsttests (1). Über die Hälfte der inkludierten Primärstudien beinhalten Ergebnisse aus nordeuropäischen Ländern (bezogen auf die Einzelmaßnahmen): Norwegen (5), Finnland (4) und Schweden (5). Hinzu kommen Untersuchungen, die aus Österreich (4), Australien (3) und Frankreich (2) stammen. Drei Studien stellen Ergebnisse von Evaluationen vor, deren Stichproben Spielende aus mehreren Ländern umfassen.

Personalisiertes Feedback (PF)

Insgesamt ergab die Literaturrecherche zum PF acht Treffer (s. Tabelle 1). Die erste Primärstudie dieser Kategorie wurde von Auer und Griffiths (2015a) publiziert und fußt auf einer Sekundäranalyse von Spielverhaltensdaten. Ziel war die Evaluation der Effektivität des PF im Rahmen des Präventionstools „mentor“ bei einem europäischen Online-Glücksspielanbieter (8 verschiedene Spielformen). Konkret ging es um individuumsbezogene Rückmeldungen zu Gewinnen, Verlusten, der Spielzeit, der Anzahl der Spieltage und der Anzahl nachgefragter Spielformen sowie damit korrespondierende Informationen zum Spielverhalten eines durchschnittlichen Lotto- bzw. Kasinospielenden. Den statistischen Analysen zufolge führte die Inanspruchnahme des PF kurzfristig zu einer Verringerung sowohl der Spielzeit als auch des theoretischen Verlustes (theoretischer Verlust meint das Produkt von Geldeinsatz und Ausschüttungsquote der jeweils nachgefragten Spielform und gilt zumindest auf kurze Sicht als stabiles Proximaß für die Glücksspielintensität).

Tabelle 1 Evidenz evaluierter Interventionen – Personalisiertes Feedback (PF)

In einer weiteren Studie wurden verschiedene Varianten des PF überprüft (Auer & Griffiths, 2016). Im Fokus stand der norwegische Glücksspielanbieter „Norsk Tipping“ mit den folgenden Interventionen: (1) ein PF zu den eigenen monatlichen Spielverlusten, (2) ein PF mit personalisierten Daten zu den eigenen monatlichen Spielverlusten inklusive Vergleich mit einem Durchschnittsspielenden sowie (3) eher allgemein gehaltene Handlungsempfehlungen in Sachen Responsible Gambling. In der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse zeigte sich eine Verringerung des Spielverhaltens in den für die quantitativen Analysen zusammengelegten Experimentalgruppen (vs. Kontrollgruppe). Dieser Befund galt für den theoretischen Verlust, die Einsatzhöhe und den Nettoverlust. Daneben ließen sich beim Outcome „theoretischer Verlust“ die deutlichsten Veränderungen in derjenigen Untersuchungsbedingung feststellen, die PF und allgemeine Handlungsempfehlungen kombinierte.

In Ergänzung dazu lieferten Auer und Griffiths (2018) weitere Evaluationsbefunde zum PF, das auf der Plattform von „Norsk Tipping“ in Norwegen angeboten wird. Interessierte Kund_innen erhielten Informationen zu ihren Spielverlusten im vergangenen Monat sowie eine grafische Illustration zu ihren Spielverlusten im letzten Halbjahr. Die Ergebnisse verweisen – bei Betrachtung des Medians – auf eine Verringerung des theoretischen Verlustes um 42 %.

Im Zentrum einer weiteren Originalarbeit aus Norwegen (Auer, Hopfgartner & Griffiths, 2018) stand die Evaluation eines spezifischen PF: Kund_innen von „Norsk Tipping“ wurden an ein individuell gesetztes monatliches Verlustlimit erinnert, sobald sie 80 % dieses Betrags überschritten hatten. Für internetgestützte Spielangebote mit erhöhten Suchtgefahren mussten sich die Kund_innen ein individuelles globales Verlustlimit setzen – mit maximalem Verlust pro Tag und Monat für einzelne Online-Glücksspiele (Kasinospiele, Bingo, Rubbellose, Automatenspiel). Die Ergebnisse zeigen, dass in der Experimentalgruppe sowohl der Einsatz pro Spiel als auch der theoretische Verlust nach Erhalt der Erinnerungsnachricht im Durchschnitt geringer ausfielen als in der Kontrollgruppe. Interessanterweise ließ sich der Effekt der Erinnerungsnachricht auf das nachfolgende Spielverhalten bei der Subgruppe mit der höchsten Spielintensität (Top 10 % bezogen auf Verluste) nicht feststellen.

Außerdem führten Auer und Griffiths (2020) eine Sekundäranalyse von Spielverhaltensdaten von fünf Glücksspiel-Webseiten aus Schweden durch, die ein PF mit 11 verschiedenen Informationen mit direktem Bezug zum vorausgegangenen Spielverhalten anboten. Nach den vorgenommenen Auswertungen war bei insgesamt 65 % der Spieler_innen am Tag des Erhalts des PF der Umfang der Einsätze geringer als im Durchschnitt die sieben Tage zuvor; sieben Tage danach traf dies auf insgesamt 60 % der Spieler_innen zu.

Einen alternativen methodischen Zugang wählten Gainsbury, Angus, Procter und Blaszczynski (2020) mit einer internetgestützten Einmalbefragung von Kund_innen, die bei australischen Online-Glücksspielanbietern gespielt hatten. Unter anderem wurden dabei Einstellungsmuster und Erfahrungswerte zu sogenannten „Activity Statements“, d. h. personenbezogenen Rückmeldungen zu diversen Aspekten des eigenen Spielverhaltens, eingeholt (zu Gewinnen, Verlusten, Abhebungen, Einzahlungen und aktuellem Kontostand). Deskriptive Analysen belegten sowohl einen hohen Bekanntheitsgrad der „Activity Statements“ (96,6 %) als auch eine hohe Nutzungsrate bei Bekanntheit (88,4 %). Daneben waren 71,0 % der Nutzer_innen mit diesem Tool (sehr) zufrieden. Allerdings gaben lediglich 22,9 % dieser Subgruppe an, dass sich ihr Spielverhalten wegen der Inanspruchnahme der „Activity Statements“ verändert hat.

Jonsson, Hodgins, Munck und Carlbring (2019) legten Befunde aus Norwegen vor, die sich auf eine Spielerschutzmaßnahme von „Norsk Tipping“ beziehen. Dabei stand eine Intervention durch Mitarbeiter_innen auf Basis motivierender Gesprächsführung im Fokus, die ausdrücklich auf Vielspielende abzielte. Hierzu zählte schwerpunktmäßig auch ein PF zu den Glücksspielverlusten – in Form eines PF via Telefon oder eines postalischen PF. Zusätzlich hatte jeweils die Hälfte der Proband_innen vier Wochen später einen weiteren Kontakt zu den Mitarbeiter_innen in Form einer Booster-Sitzung. Insgesamt erweisen sich die Befunde als vielversprechend: So konnte eine Verringerung des theoretischen Verlustes nach 12 Wochen um 29 % in der Telefongruppe und 15 % in der Postgruppe festgestellt werden. Zudem nahmen die Mitglieder der Telefongruppe nach der Intervention häufiger eine Verringerung des Limits vor als die Mitglieder der beiden anderen Subgruppen.

Die letzte Evaluationsstudie zum PF kommt erneut aus Schweden (Wood & Wohl, 2015). Im Mittelpunkt standen Personen, die Spielangebote von „Svenska Spel“ nachgefragt und freiwillig das Präventionstool „PlayScan“ genutzt hatten. Dieses bietet ein PF mit Hilfe eines Ampelsystems an: Grün steht für ein unproblematisches, gelb bedeutet ein riskantes und rot markiert ein problematisches Spielverhalten. Dabei basiert die algorithmische Beurteilung des Risikostatus auf einem zehnwöchigen Beobachtungszeitraum. Die Analyse von Spielverhaltensdaten im Längsschnitt ergab Positiveffekte des PF im Hinblick auf die Einzahlungssumme und die Spieleinsätze. Zum einen war eine Verringerung der Einzahlungssumme zu T1 für die grüne Subgruppe und zu T2 für die gesamte Experimentalgruppe sowie differenziert auch für die grüne und gelbe Subgruppe zu beobachten. Zum anderen reduzierten sich die Spieleinsätze für die gesamte Experimentalgruppe zu beiden Post-Messzeitpunkten sowie für die gelbe Gruppe zu T2.

Pre-Commitment (PC)

Insgesamt erfüllen sieben Primärstudien zum PC die Einschlusskriterien (s. Tabelle 2). Die erste Originalarbeit stammt aus Österreich und bezieht sich auf die Spielangebote der Plattform „win2day“ (Auer & Griffiths, 2013). Dabei geht es um Lotterien und Kasinospiele. Während der Registrierung wurden Kund_innen gebeten, Limits unterhalb einer Cash-in-Obergrenze von 800 € in der Woche festzulegen. Insgesamt standen fünf Varianten zur Auswahl: drei Einzahlungslimits (täglich, wöchentlich, monatlich) und zwei Spieldauerlimits (pro Session, Tag). Interventionseffekte ließen sich vor allem beim theoretischen Verlust erkennen: Hier ergaben sich signifikante Verbesserungen bei allen fünf Limitierungsvarianten. Im Hinblick auf das Outcome der Spieldauer war dies bei drei Limitierungsvarianten der Fall. Bei differenzierter Betrachtung wurde deutlich, dass Einzahlungslimits bei Lotterie- und Kasinospielenden eine bessere Wirkung als die spieldauerbezogenen Limits erzielten. Bei Pokerspielenden erwies sich der Effekt von spieldauerbezogenen Limits als grundsätzlich ausgeprägter.

Tabelle 2 Evidenz evaluierter Interventionen – Pre-Commitment (PC)

In einer weiteren Evaluationsstudie präsentierten Auer, Reiestad und Griffiths (2020) Daten aus Norwegen. Im Oktober 2016 führte der nationale Glücksspielanbieter „Norsk Tipping“ ein verbindliches globales Maximalverlustlimit ein. Dieses Limit entsprach umgerechnet ungefähr 2100 €, ließ sich aber individuell herabsetzen. Insgesamt gaben 76 % der Stichprobe an, das neue Limitierungssystem zu kennen. Weiterhin wussten 68 % laut Selbstauskunft, wie ein Limit zu setzen und zu verändern ist. Für 79 % des Samples war ein derartiges globales Maximalverlustlimit (eher) positiv besetzt. Hier wies die Subgruppe der nicht-gefährdeten Spieler_innen die höchsten Anteile auf. Schließlich berichteten 32 % der Befragten davon, ihre selbst gesetzte Obergrenze erreicht zu haben. Von diesem Personenkreis spielten 10 % bei anderen Glücksspielanbietern weiter. Vornehmlich handelte es sich dabei um Personen mit einem hohen „Glücksspielsucht-Risiko“.

Einen methodisch anderen Weg bestritten Auer, Hopfgartner und Griffiths (2019) mit der Analyse von Spielverhaltensdaten verschiedener Plattformen. Inhaltlich im Mittelpunkt stand die wissenschaftliche Überprüfung des Effektes eines freiwilligen Limitierungssystems auf die Kundentreue beim privaten Online-Glücksspielanbieter „Kindred“. Zu den Begrenzungsoptionen zählten Verlust- bzw. Einzahlungslimits pro Tag, Woche und Monat. Das Glücksspielangebot umfasste unter anderem Sportwetten, Bingo, Automatenspiele, Tischspiele und Live-Kasinos. Von diesem Personenkreis hatten 8,3 % Gebrauch von den Limitierungsoptionen gemacht. Die Nutzungsrate stieg mit der Spielintensität bezogen auf die Einsatzhöhe quasi linear an (Grundlage: Einteilung in zehn gleich große Intensitätsgruppen). Ein weiteres Resultat besagt, dass sich unter den Limitsetzenden in jeder Intensitätsgruppe ein höherer Prozentsatz aktiver Spieler_innen befand.

Daran anknüpfend analysierten Auer, Hopfgartner und Griffiths (2020) weitere Daten des Glücksspielanbieters „Kindred“ zu den Limitierungsoptionen. Dieses Mal stand der Effekt eines freiwilligen Einzahlungslimits (pro Tag, Woche oder Monat) auf das Online-Spielverhalten über einen Ein-Jahres-Zeitraum im Mittelpunkt. Insgesamt 1,3 % des Samples nahmen eine entsprechende Limitierung vor. Im Zeitverlauf ergaben sich bei den Spieleinsätzen bei acht der zehn Gruppenvergleiche keine signifikanten Unterschiede. Es deutete sich allerdings an, dass Intensivspielende mit Limit eine deutlichere Verringerung der Einsätze aufweisen als Intensivspielende ohne Limit.

Die bereits weiter oben vorgestellte Querschnittbefragung aus Australien von Gainsbury et al. (2020) nimmt gleichfalls Bezug auf die freiwillige Nutzung von Einzahlungslimits und deren Mehrwert aus Sicht der Konsument_innen. Von den an der Studie Teilnehmenden berichteten 85,5 %, dass ihnen eine derartige Maßnahme bekannt ist. Knapp ein Viertel dieser Subgruppe (24,5 %) hatte bereits selbst über ein Einzahlungslimit verfügt. Des Weiteren erklärten sich 72,8 % aller Nutzer_innen mit diesem Tool (sehr) zufrieden. Bei 58,0 % hatte die Begrenzung der Einzahlungssumme laut Selbstbericht zu einer Veränderung des Spielverhaltens geführt. Schließlich erwähnten Personen mit einem problematischen Spielverhalten (40,0 % nach dem Problem Gambling Severity Index [PGSI]) häufiger eine Nutzung als Personen ohne glücksspielbezogene Belastungen (10,3 %) bzw. Personen mit einem niedrig-riskanten Spielverhalten (20,2 %).

Die ähnlich konzipierte Forschungsarbeit von Ivanova, Rafi, Lindner und Carlbring (2019) aus Finnland (Region Åland, Anbieter: Penningautomat-förening) fußte auf einer Einmalbefragung aktiver Online-Spieler_innen zu ihren Erfahrungen mit ausgewählten Spielerschutzmaßnahmen. Thematisiert wurden dabei auch vergangene Erlebnisse mit monetären oder zeitlichen Limitierungen. Insgesamt gaben fast alle Studienteilnehmenden (95,6 %) an, derartige Begrenzungen schon einmal in Anspruch genommen zu haben. Für alle PGSI-Statusgruppen lag dieser Anteil über 93 %; eine Variation der Nutzungsrate nach glücksspielbezogenem Problemstatus war demnach nicht ersichtlich.

Im Gegensatz dazu baute die Evaluation von Ivanova, Magnusson und Carlbring (2019) auf der Analyse von Spielverhaltensdaten auf. Abermals bezog sich die Studie auf die Online-Glücksspielangebote von „Penningautomatförening“ aus Finnland (Region Åland). Die Intervention bestand in einem freiwilligen wöchentlichen Einzahlungslimit. Insgesamt sind drei Hauptbefunde festzuhalten: Erstens variierte die Nutzungsrate bei verschiedenen Aufforderungszeitpunkten zur Limitsetzung (während des Registrierungsprozesses: 45,0 %; vor der ersten Einzahlung: 38,8 %; direkt nach der ersten Einzahlung: 21,9 %; ohne Aufforderung: 6,5 %). Zweitens waren keine diesbezüglichen Gruppenunterschiede in Bezug auf den Nettoverlust belegbar. Drittens zeigten Kund_innen, die das Limit heraufgesetzt oder ganz aufgehoben haben, höhere Nettoverluste als Kund_innen, die das Limit nicht verändert haben. Es deutet sich an, dass eine Heraufsetzung bzw. Aufhebung des Limits einen Risikomarker für glücksspielbedingte Fehlanpassungen darstellen kann.

Spielersperre

In Bezug auf Online-Glücksspiele lassen sich in der Literatur insgesamt sechs Primärstudien mit Effektivitätsnachweisen zur Spielersperre finden (s. Tabelle 3). Bei allen Erhebungen steht die Selbstsperre im Fokus der Evaluation. Caillon et al. (2019) untersuchten die suchtpräventive Wirkung einer 7-tägigen Selbstsperre, die auf in Frankreich lizenzierten Glücksspiel-Webseiten verfügt werden konnte. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren in Frankreich unterschiedliche Online-Spielformen legalisiert, darunter fielen aber keine Online-Kasinospiele. Teststatistische Überprüfungen im Rahmen einer Kontrollgruppenstudie (mit und ohne Sperre) ergaben keine signifikanten Gruppenunterschiede in Bezug auf Einsatzhöhe, Spieldauer, glücksspielbezogenes Verlangen und kognitive Verzerrungen. Nach zwei Monaten zeigte die Experimentalgruppe bessere Werte lediglich auf der Subskala „Wunsch nach einer Spielteilnahme“ und auf den Dimensionen „wahrgenommene Unfähigkeit, mit dem Glücksspiel aufzuhören“ sowie „Kontrollillusion“ aus dem Spektrum der kognitiven Verzerrungen.

Tabelle 3 Evidenz evaluierter Interventionen – Spielersperre

Die weiter oben zitierte Befragungsstudie von Gainsbury et al. (2020) aus Australien erfasste die Einstellungen und Erfahrungen hinsichtlich einer kurzzeitigen Selbstsperre („Time out“), die in der Regel nicht länger als sechs Monate andauerte. Von den Spieler_innen mit Selbstauskünften kannten 65,8 % diese Maßnahme. Von dieser Subgruppe hatten 8,1 % vom „Time out“ Gebrauch gemacht. Darüber hinaus waren die Nutzer_innen mit der Selbstsperre zu 60,9 % (sehr) zufrieden; für 69,9 % ging dieses Tool mit einer Verhaltensänderung einher. Schließlich haben Personen mit einem problematischen Spielverhalten nach PGSI (20,5 %) eher über „Time outs“ verfügt als Personen ohne Glücksspielproblematik (2,8 %) bzw. mit einem niedrig-riskanten Spielverhalten (3,1 %). Dasselbe galt für Personen mit einem moderat-riskanten Spielverhalten gegenüber Personen mit einem niedrig-riskanten Spielverhalten.

In Schweden wurde das glücksspielformübergreifende Sperrsystem „Spelpaus“ mit einer Einmalbefragung von Online-Spieler_innen evaluiert (Håkansson & Widinghoff, 2020). Im Fokus standen Selbstsperren mit zeitlichen Varianten von einem, drei und sechs Monat(en). Auch eine unbegrenzte Laufzeit mit einer Ausstiegsoption nach 12 Monaten war möglich. Nach den Ergebnissen einer multivariaten Auswertung blieb die Inanspruchnahme einer Sperre positiv assoziiert mit der Teilnahme an Online-Kasinos sowie glücksspielbezogenen Problemen und negativ assoziiert mit Sportwetten. Über ein Drittel der Befragten (38 %) berichteten aber auch, trotz der Sperre gespielt zu haben, und zwar vor allem bei (anderen) Online-Kasinos.

Hayer und Meyer (2011) führten eine Evaluation der Selbstsperre beim Online-Glücksspielanbieter „win2day“ aus Österreich durch. Diese Plattform umfasste Lotteriespiele, Kasinospiele sowie Spiele im Gamesroom in Form sogenannter Minispiele. Es bestand die Möglichkeit, eine Selbstsperre für unterschiedliche Zeiträume zu beantragen. Als Laufzeiten standen vier Wochen, drei Monate, sechs Monate und 12 Monate zur Auswahl. Es kam zum einen zu einem Rückgang des Anteils von Personen mit einem problematischen Spielverhalten auf der Grundlage des Lie/Bet-Questionnaires von 80 % (Baseline) auf 30 % (12 Monate später). Zum anderen berichteten zu den verschiedenen Follow-up-Messzeitpunkten zwischen 35,0 % und 72,2 % dieser Subgruppe von Verringerungen der Glücksspielbeteiligung hinsichtlich unterschiedlicher Parameter (Spielhäufigkeit, Spieldauer, Einsatzhöhe).

Die ebenfalls bereits rezipierte Befragungsstudie von Ivanova, Rafi et al. (2019) aus Finnland (Region Åland) enthält auch Einzelbefunde zur Selbstsperre. Konkret ging es in diesem Kontext um Erfahrungen mit dem sogenannten „Game Freeze Feature“. Hiermit war ein nicht näher definierter temporärer Spielstopp gemeint. Von den Kund_innen gaben insgesamt 58,5 % an, dieses Tool schon einmal in Anspruch genommen zu haben. Es bestand zudem eine statistische Assoziation zwischen der Nutzungsrate und dem glücksspielbezogenen Problemstatus nach PGSI: Bei Personen mit einem problematischen bzw. moderat-riskanten Spielverhalten beliefen sich die Nutzungsraten auf 67,9 % bzw. 63,1 %; diese Anteile sind bei Personen ohne Probleme (49,4 %) bzw. mit einem niedrig-riskanten Spielverhalten (52,7 %) niedriger.

Eine letzte Primärstudie in dieser Kategorie stammt nochmals aus Frankreich und bezieht sich auf Online-Pokerspielende (Luquiens et al., 2019). Im Zentrum des Beitrages stand die Effektivitätsüberprüfung der Selbstsperre auf der Plattform „Winamax“. Dabei konnte die Länge der Sperre zwischen einem Tag und drei Jahren variieren. Die Ergebnisse zeigen, dass ehemals gesperrte Pokerspielende ihr Spielverhalten verändert haben: Im Vergleich zur Baseline waren im Rahmen des 12-monatigen Beobachtungsfensters durchgängig deutliche Verringerungen des Nettoverlustes und der Spieldauer zu erkennen. Allerdings lagen diese Parameter auf deskriptiver Ebene zu jedem Messzeitpunkt etwas höher als in der Kontrollbedingung. Diese Kernbefunde galten auch für kurzzeitig gesperrte Spieler_innen. Hingegen profitierten Vielspielende nicht in demselben Ausmaß von der Intervention. Eine Ausnahme stellte die Subgruppe mit den höchsten Zeitaufwendungen dar: Hier ließ sich ein positiver Effekt bezüglich der Spieldauer beobachten.

Weitere Interventionen

Aufklärung via Pop-up-Fenster

In Bezug auf das Online-Glücksspielsegment lassen sich zwei Originalarbeiten finden, welche die präventive Wirksamkeit von Pop-up-Fenstern untersucht haben (s. Tabelle 4). Diese stammen aus Österreich und beziehen sich auf das Online-Automatenspiel einer nationalen Glücksspiel-Webseite. Auer, Malischnig und Griffiths (2014) gingen der Frage nach, ob ein Pop-up-Fenster auf der Plattform „win2day“ nach 1000 aufeinanderfolgenden Einzelspielen (Gesamtdauer: ca. 50–66 Minuten) einen Effekt auf das nachfolgende Spielverhalten mit sich bringt. Die kurz gehaltene Interventionsbotschaft lautete: „Sie haben nun 1000 Slotspiele getätigt. Wollen Sie weiterspielen?“ Deskriptive Analysen belegten, dass in der Prä-Interventionsstichprobe fünf Sitzungen (0,1 %) bei jener 1000er Grenze abgebrochen worden sind. Nach Einbindung des Pop-up-Fensters lag dieser Wert bei 45 Sitzungen (1,1 %).

Tabelle 4 Evidenz evaluierter Interventionen – Weitere Interventionen

Einen daran anknüpfenden Evaluationsansatz wählten Auer und Griffiths (2015b), indem die obige Interventionsbotschaft um verschiedene inhaltliche Komponenten ergänzt wurde. Im Einzelnen fanden neben der obigen Sachinformation jeweils ein Satz (1) im Sinne des normativen Feedbacks (= Hinweis, dass derart lange Spielsessions selten anzutreffen sind), (2) in Bezug auf eine bestimmte kognitive Verzerrung (= Hinweis zur Unabhängigkeit von Gewinnwahrscheinlichkeit und Spieldauer) und (3) zur Beendigung der Spielsession („Spielpausen einzulegen hilft oftmals, und Sie können die Dauer der Spielpause selbst festlegen“) Berücksichtigung. Die Evaluationsbefunde decken sich im Kern mit den Ergebnissen der Vorgängerstudie: Während zur Prä-Messung beim Erreichen der 1000er Grenze 0,7 % aller Sitzungen von 71 verschiedenen Personen beendet wurden, verdoppelte sich dieser Wert zur Post-Messung (1,4 % bzw. 139 Einzelpersonen).

Selbsttest

Die einzige Evaluationsstudie für einen Selbsttest stammt von Ivanova, Rafi et al. (2019) und befasst sich mit den Spielerschutzmaßnahmen eines Online-Glücksspieleranbieters in Finnland, der in der autonomen Region Åland lizenziert ist (s. Tabelle 4). In diesem Zusammenhang wurden erstmals auch empirische Befunde zu einem nicht näher spezifizierten Selbsttest präsentiert. Als Differenzierungsmerkmal fand der glücksspielbezogene Problemstatus nach PGSI Beachtung. Insgesamt wies der Selbsttest eine Nutzungsrate von 57,4 % auf. Diese Größenordnung variierte nicht in Abhängigkeit vom Problemstatus und reicht von 55,4 % bei Personen ohne Glücksspielproblematik bis zu 58,5 % bei Personen mit einem problematischen Spielverhalten.

Responsible Gambling Tool

Es konnten zwei Evaluationsstudien zu Responsible Gambling Tools gefunden werden (s. Tabelle 4). Beide beziehen sich auf „PlayScan“ aus Schweden und präsentieren im Wesentlichen Befunde zur Akzeptanz bzw. Nutzung einzelner Elemente. So bezog sich die Evaluationsstudie von Forsström, Hesser und Carlbring (2016) auf das Ampelsystem zum Spielverhalten (im Sinne eines PF, auch mittels Warnhinweisen), einen Selbsttest, die Limitierung der Ausgaben bzw. der Spielzeit und Spielerschutz-Informationen bzw. Hilfehinweisen. Der Zugriff auf „Play Scan“ erfolgte auf freiwilliger Basis. Insgesamt hatten 86,1 % die „PlayScan“-Seite einmal besucht. Die entsprechenden Kennwerte in Bezug auf das vollständige Ausfüllen des Selbsttests (65,4 %), den Rückgriff auf Informationen/Hilfehinweise (43,6 %) und das Lesen von Warnhinweisen (35,0 %) fielen geringer aus. Wird als Kriterium eine mindestens dreimalige Nutzung herangezogen, führten der Besuch der „PlayScan“-Seite (22,5 %) und das Lesen der Warnhinweise (16,8 %) die Rangreihe mit Abstand an. Der Rückgriff auf Informationen/Hilfehinweise (4,5 %) und das vollständige Ausfüllen des Selbsttests (3,6 %) gehörten hingegen selten zu den wiederholt durchgeführten Aktivitäten.

Schon vor über zehn Jahren hatten Griffiths, Wood und Parke (2009) vergleichbare Ergebnisse vorgelegt. Damals inkludierte „Play Scan“ neben den oben genannten Komponenten auch die Option der Selbstsperre mit flexiblen Laufzeiten, jedoch nicht die Möglichkeit einer zeitlichen Limitierung. Von allen Befragungs-Teilnehmenden wiesen 26 % Erfahrungen mit „PlayScan“ auf. Unter allen Nutzer_innen stuften 52 % dieses Tool als ziemlich oder sehr nützlich ein. Auf der Ebene der Einzelmaßnahmen stand diesbezüglich die Limitierungsoption mit 70 % an erster Stelle, gefolgt von dem Ampelsystem (49 %), dem Selbsttest (46 %), der Selbstsperre (42 %) und den Informationen zu Hilfeangeboten (40 %). Während sich 56 % ein Einsatzlimit gesetzt und 40 % einen Selbsttest durchgeführt hatten, fiel die Nutzungsrate bei der Selbstsperre mit 17 % etwas ab. Schließlich gaben knapp 7 % der „PlayScan“-Kund_innen an, dass sich ihr Spielerstatus im Anschluss an die Tool-Nutzung verbessert hat.

Diskussion

Vor dem Hintergrund expandierender Online-Glücksspielmärkte im Allgemeinen und der bundesweiten Legalisierung des internetbasierten Glücksspiels im Speziellen widmete sich dieser Beitrag der Frage, welche Präventionsmaßnahmen den mit diesem Trend assoziierten Suchtgefahren entgegenwirken können. Im Rahmen eines Reviews wurde der aktuelle Forschungsstand zu den Effekten von verschiedenen Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel in systematischer Weise zusammengefasst. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich die Studienlage sowohl unter quantitativen Gesichtspunkten (mit 22 Originalarbeiten, die Evaluationsbefunde zu 26 Einzelmaßnahmen beinhalten) als auch unter qualitativen Aspekten (20 von 22 Originalarbeiten wiesen eine niedrige Evidenzstufe auf) als ausbaufähig erweist. Ähnliche Wissensdefizite konnten bereits unter Berücksichtigung von Maßnahmen des Spielerschutzes aus dem Offline-Bereich identifiziert werden (z. B. Kalke & Hayer, 2019; Ladouceur, Shaffer, Blaszczynski & Shaffer, 2017). Auch Rodda (2021) verweist in ihrer aktuellen Übersichtsarbeit zu internetgestützten Interventionen im Glücksspielbereich auf eine begrenzte Anzahl an Evaluationsstudien und damit auf die bislang weitgehend verpasste Chance, internetbasierte Technologien zur Vorbeugung und Verringerung von Glücksspielschäden besser nutzbar zu machen. Studienübergreifend fällt methodisch vor allem das Fehlen von Longitudinaldaten (> 1 Jahr) auf; inhaltlich sind insbesondere die eher geringen Effektstärken sowie die mäßigen Nutzungsraten bei einzelnen Präventionsmaßnahmen kritisch zu würdigen. Schließlich überrascht es nicht, dass die Evaluationsbefunde in der Regel aus Ländern mit regulierten Online-Glücksspielmärkten stammen (z. B. findet sich keine einzige Primärstudie aus den USA, wo das Internet-Glücksspiel lange Zeit nahezu komplett verboten war). In diesem Kontext ist die Generierung der vorliegenden Befunde durch wenige Forscher_innen gleichfalls bemerkenswert: So wurde die Hälfte der eingeschlossenen Primärstudien (11) von derselben Arbeitsgruppe um M. Auer publiziert. Da jener Autor maßgeblich an der Konzeption bestimmter Präventions-Tools (wie „mentor“) mitgewirkt hat, sind potenzielle Interessenkonflikte an dieser Stelle nicht auszuschließen. Auf jeden Fall sollte zukünftig verstärkt auf die Unabhängigkeit von Entwicklungs- und Evaluationstätigkeit und damit die Entkoppelung von ökonomischen und wissenschaftlichen Belangen geachtet werden.

In Bezug auf einzelne Maßnahmen lassen sich folgende Befundeinordnungen vornehmen: Beim personalisierten Feedback variieren Inhalt und Form der rückgemeldeten Informationen zwar zum Teil erheblich, studienübergreifend deuten sich aber die gewünschten Präventivwirkungen auf der Verhaltensebene an. Jedoch bewegen sich die durch das PF erzielten Effekte bestenfalls in einer moderaten Größenordnung. Zudem bezieht sich die Mehrheit der Evaluationsstudien auf die Verhältnisse in Norwegen und Schweden, so dass vor einer einfachen Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere Länder bzw. Jurisdiktionen zu warnen ist. Ungeachtet dessen stellt das PF generell im Glücksspielbereich eine durchaus vielversprechende und vor allem effizient umzusetzende Präventions- bzw. Interventionsmaßnahme mit hohem Weiterentwicklungspotential dar (vgl. Marchica & Derevensky, 2016). Des Weiteren gehören PC-Systeme, zumindest was die Anzahl der Evaluationsstudien anbelangt, zu den vergleichsweise gut erforschten Interventionsbereichen. Die Variabilität der Outcomes in Form von Spielverhaltens- sowie Selbstberichtsdaten erweist sich hier ebenfalls als Pluspunkt. Bei allen Primärstudien sind zudem Positiveffekte auf unterschiedlichen Ebenen zu erkennen – somit dürften von diesem Interventionstyp durchaus die gewünschten Wirkungen im Sinne des Spielerschutzes ausgehen. Einschränkend sei anzumerken, dass sich nahezu alle bisherigen Online-Befunde auf freiwillig bzw. individuell gesetzte Limits beziehen. Konsistent zu den hier dargestellten Ergebnissen verweisen Delfabbro und King (2021) in ihrer Überblicksarbeit auf die geringen Nutzungsraten bei Pre-Commitment-Systemen, die auf Freiwilligkeit fußen: So nehmen nur wenige Zielpersonen überhaupt von sich aus die Funktionen der Limitsetzung in Anspruch – selbst dann nicht, wenn sie dazu aufgefordert werden. Eine zukünftige Herausforderung besteht folglich darin, die Attraktivität bzw. Akzeptanz von PC-Angeboten maßgeblich zu erhöhen. Gleichzeitig existiert weiterführender Forschungsbedarf zu gesetzlich vorgegebenen Einzahlungs-, Einsatz-, Gewinn- und Verlustlimits, zu deren Wirksamkeit im Online-Segment bislang nahezu keine empirischen Erkenntnisse vorhanden sind. Ferner lässt sich im Hinblick auf die Spielersperre Folgendes festhalten: Während zur Effektivität von Selbstsperren im Offline-Bereich inzwischen eine solide Wissensbasis vorliegt (Kotter, Kräplin, Pittig & Bühringer, 2019), steckt die Evaluationsforschung zu Online-Sperren noch in den Kinderschuhen. Erste Forschungsergebnisse verweisen indessen auf den prinzipiellen Nutzen dieses Instruments auch bei internetbasierten Glücksspielen. Unter anderem scheinen erwartungsgemäß vor allem Personen mit einer Glücksspielproblematik die Sperre in Anspruch zu nehmen. Bei der Befundinterpretation ist jedoch zum einen zu beachten, dass Sperrsysteme in der Praxis sehr heterogen ausgestaltet sind, etwa im Hinblick auf die Laufzeit oder Reichweite. Zum anderen beschränken sich die vorgestellten Primärstudien auf Selbstsperren – Fremdsperren (z. B. durch Glücksspielanbieter initiiert) wurden bisher nicht evaluiert. Ebenso fehlen wissenschaftlich belastbare Daten zu kurzfristig anlegten Sperren bzw. Cool-Down-Phasen (z. B. Ausschluss vom Spielbetrieb für 24 Stunden) in Gänze.

Für alle anderen Maßnahmen des Spielerschutzes ließen sich nur vereinzelt oder überhaupt keine Evaluationsstudien ausfindig machen. Zum Beispiel ist die Evidenzlage zu Pop-up-Fenstern, die präventiv ausgerichtete Informationen präsentieren, als mangelhaft zu bezeichnen. Unter Hinzuziehung der Erkenntnisse zum terrestrischen Glücksspiel (vgl. Kalke & Hayer, 2019) dürften von derartigen Botschaften alleine jedoch nur geringe Effekte zu erwarten sein. Ähnliche Wissenslücken bestehen in Bezug auf Selbsttests und RGT: Die wenigen empirischen Ergebnisse deuten zwar jeweils eine passable Akzeptanz bei der Zielgruppe an. Ob diese Maßnahmen aber tatsächlich das Potential besitzen, nachhaltige Veränderungen des Spielverhaltens zu bewirken, kann aufgrund der aktuellen Datenlage nicht beantwortet werden. Zu weiteren, zumindest theoretisch gut begründbaren bzw. in der Praxis bereits umgesetzten Interventionsformen, wie etwa Werbebeschränkungen (z. B. der Verzicht auf Boni beim Anlegen oder Aufladen eines Spielkontos), Verboten von einzelnen Bezahlsystemen (z. B. Kreditkarten) oder Maßnahmen des Jugendschutzes (z. B. zur Implementierung und Wirksamkeit von Altersverifikationen) sind bislang keine Begleitforschungen durchgeführt worden.

Die vorangegangene Übersicht hat erstmals den bisherigen Forschungsstand zu den Effekten von verschiedenen Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel in Form eines systematischen Reviews zusammengetragen. Dabei wurden die Grenzen der bisherigen Erkenntnislage, aber auch erste evidenzgestützte Anhaltspunkte für eine Erfolg versprechende Präventionsarbeit sichtbar. Bei der Bewertung und Einordnung der Befunde müssen jedoch folgende Limitationen Erwähnung finden, die der gewählten Methodik bzw. der Datengüte der selektierten Primärstudien geschuldet sind. Hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise ist primär zu beachten, dass Graue Literatur (z. B. Forschungsberichte, Dissertationen) genauso wie qualitative Primärstudien exkludiert wurden und somit womöglich wichtige empirische Erkenntnisse unberücksichtigt blieben. Gerade qualitativ ausgerichtete Forschungsarbeiten verfolgen den Anspruch, subjektive Erfahrungswirklichkeiten und Deutungszusammenhänge lebensweltnah abzubilden. Möglicherweise hätte der Einschluss dieser Studienart nicht nur die Datengrundlage erweitert, sondern sie gleichfalls durch neue Facetten ergänzt. Zudem stellte die studienübergreifend möglichst gleichförmige Kodierung der zentralen Interventionseffekte eine Herausforderung dar, da die Interventionsarten, die Bandbreite an verwendeten statistischen Verfahren und die Befunddarstellung in den Originalarbeiten äußerst heterogen ausfiel. Zum Zwecke der Integration des gesamten Datenmaterials wurde in diesem Zusammenhang entschieden, sich lediglich auf die jeweiligen (signifikanten) Hauptbefunde zu konzentrieren. Unter inhaltlichen Kriterien ist in erster Linie an die relativ geringe (methodische) Evidenzqualität der meisten Primärstudien zu erinnern. Neben den bereits diskutieren Defiziten beinhaltete ein Teil dieser Studien keine Effektmessung, und ein anderer Teil konnte nur mäßige Effektgrößen nachweisen. Gelegentlich fehlten Angaben zu den soziodemografischen Profilen bzw. zur Repräsentativität der Stichproben, was wiederum die Einordnung der Einzelbefunde erschwerte. Ferner fußten die Evaluationen häufig auf einem Querschnittansatz in Verbindung mit Selbstberichten. Schließlich schränkten die kleinen Fallzahlen bei einzelnen Originalarbeiten die jeweilige Aussagekraft ein. Im Ganzen war eine differenzierte Gewichtung der Einzelstudien nach ihrer Güte infolgedessen nur in Ansätzen möglich (vgl. mit dem sog. „Garbage in – Garbage out“-Grundsatz). Trotz dieser Schwächen liefert die vorliegende Übersicht erste wichtige empirische Impulse für eine Erfolg versprechende Ausgestaltung des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Aufgrund des lückenhaften Wissensstandes sind gesicherte evidenzgestützte Aussagen im Sinne von Best-Practice-Modellen zu effektiven Maßnahmen des Spielerschutzes beim Online-Glücksspiel zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu treffen. Als Mindeststandard lässt sich aber die Forderung ableiten, dass Präventionskonzepte den bisherigen internationalen Kenntnisstand abbilden und daher Interventionen wie PF sowie Limitierungs- und Sperrsysteme enthalten sollten.

Während mit der fortwährenden Expansion der Online-Glücksspielmärkte innovative Spielanreize und damit auch neue Suchtgefahren geschaffen werden, hinkt die Forschung zu effektiven Spielerschutzmaßnahmen dieser dynamischen Entwicklung eindeutig hinterher. Das übergeordnete Ziel zukünftiger Forschung sollte deshalb darin bestehen, mittels hochwertiger Studiendesigns (u. a. unter Hinzuziehung von Kontrollgruppen) den suchtpräventiven Mehrwert einzelner Interventionen auf multiplen Ebenen in detaillierter Weise und im Längsschnitt zu bestimmen. Mögliche Outcome-Variablen umfassen bestimmte Marker des Spielverhaltens (z. B. Variablen der Glücksspielintensität wie Glücksspieltiefe- und breite), finanzielle Parameter (z. B. Geldeinsätze und -verluste) und psychosoziale Faktoren (z. B. der glücksspielbedingte Problemstatus oder das psychische Wohlbefinden).

Mit Blick auf den am 01.07.2021 in Kraft getretenen GlüStV ist hierzulande konkret die wissenschaftliche Überprüfung derjenigen Maßnahmen des Spielerschutzes einzufordern, die das Online-Glücksspiel betreffen (vgl. weiterführend zu Evaluationsthemen und -anforderungen Hayer et. al., n. d.). Hierzu zählen im Kern das anbieterübergreifende monatliche Einzahlungslimit von 1000 € für Online-Glücksspiele, die Implementierung eines automatisierten Systems zur Früherkennung von riskanten bzw. problematischen Spielmustern im Internet sowie die Einrichtung eines zentralen Sperrsystems, das auch Online-Glücksspiele umfasst.

Literatur