Skip to main content
Open AccessPositionspapier

Notwendige Voraussetzungen einer kontrollierten Freigabe von Cannabis und anderer THC-haltiger Produkte

Published Online:https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000791

Abstract

Zusammenfassung:Zielsetzung: Dieser Beitrag benennt notwendige Voraussetzungen der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zur Begrenzung der mit der Freigabe verbundenen Schäden im Jugend- und Gesundheitsschutz. Ohne die vorgeschlagenen Maßnahmen würde lediglich ein weiterer Angebotskanal für THC-Produkte eröffnet, ohne die angestrebten Verbesserungen wie Stoffreinheit und Senkung der Drogenkriminalität zu erreichen. Methodik: Wir benennen die notwendigen legislativen Änderungen für eine schadensgeminderte kontrollierte Abgabe von Cannabis. Ergebnisse: Erforderlich für eine Abgabe von THC-haltigen Produkten ist eine THC-Steuer, die Behandlung von THC-Produkten als Arzneimittel gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) und ihre Abgabe ausschließlich durch Apotheken. THC-Produkte dürfen nur von spezialisierten Unternehmen in Form der GmbH mit natürlichen Personen als Gesellschaftern hergestellt werden, die einer bankenanalogen Aufsicht und Wirtschaftsprüfung unterliegen. Ein Verbot jeglicher Werbung für THC-haltige Produkte ist unverzichtbar. Produkte dürfen eine Höchstmenge an THC Gehalt nicht überschreiten. Eine Beeinflussung der natürlichen THC-Aufnahme in den menschlichen Körper durch Zusatzstoffe oder besondere Zuführungstechniken etwa durch Verbindung mit Nikotin ist unzulässig. Nachfragern, die illegale Drogenanbieter im Markt halten, sind zur Erzwingung des Umschwenkens auf den neu eröffneten legalen Markt die Strafminderungen durch das Eigenverbrauchsprivileg ersatzlos zu streichen. Schlussfolgerungen: Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis erfordert zwingend eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften, um die bei einer Freigabe durch den Konsumanstieg anfallenden erheblichen medizinischen und ökonomischen Kosten zu mindern.

Necessary Conditions for a Controlled Legalization of Cannabis and Other THC-Containing Products

Abstract:Objectives: This contribution points out necessary requirements for a controlled legalization of Cannabis for recreational use to adults to uphold health and minors protection. Without the proposed regulations the intended legalization would open an additional distribution channel for THC-products without achieving the intended politicial goals, i. e. better quality of Cannabis and reduction in crime rates. Methods: We outline necessary legislative changes for a controlled distribution of Cannabis for recreational purposes, which will reduce associated harm potentials. Results: Necessary elements of a controlled distribution of Cannabis are an excise tax on the products THC-content, the classification of THC-products under the German Medicines Act (Arzneimittelgesetz). THC-products shall only be manufactured by specialised limited companies, with superveillance by specialized authorities. A ban of any kind of marketing is necessary as well as an upper cap on THC-content of the products. A manipulation of the natural metabolizing of THC by the human body via additives and the addition of nicotine has to be ruled out by law. Consumers making purchases from illegal vendors and thus keeping them in the market need to sanctioned by criminal law even when buying only for own consumption. Conclusions: A controlled distribution of Cannabis has to be accompanied by an array of legal regulations, to mitigate the medical and economic costs of consumption that will result from a legalization of Cannabis.

Einführung

Die Bundesregierung plant die Legalisierung der Abgabe von Cannabis zu Genußzwecken an Erwachsene. Dies geschieht auch unter dem Eindruck einer anhaltenden Liberalisierungs- und Entkriminalisierungswelle von Cannabis zunächst nur zu medizinischen, aber in den letzten Jahren auch vermehrt zu Genusszwecken in einigen europäischen und amerikanischen Ländern, insbesondere verschiedenen US-Bundesstaaten.

Begründet wird das Vorhaben in Deutschland mit dem Scheitern des bisherigen Umgangs als illegale Droge, der Existenz eines unkontrollierten Schwarzmarktes mit gefährlicheren Produkten sowie einer Kriminalisierung und Stigmatisierung von Konsumenten, die nicht mehr zeitgemäß sei. Durch die Legalisierung erhofft man sich, Jugendschutz und Qualität des konsumierten Cannabis zu verbessern und zusätzliche Steuereinnahmen zu erzielen.

Dieser Beitrag benennt die notwendigen Voraussetzungen einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene, um die anderenfalls drohenden außerordentlichen Schäden für Jugend- und Gesundheitsschutz zu begrenzen.

Medizinischer Hintergrund

Die gesundheitlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums sind weitgehend bekannt. Sie belegen ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Konsumenten. Das Risiko ist für Heranwachsende nochmals deutlich gesteigert. Diese stehen jedoch als Absatzziel der Anbieter im Vordergrund. Zu den durch Cannabis verursachten Gesundheitsfolgen zählen:

Die Risiken sind für Heranwachsende nochmals deutlich gesteigert: Jugendliche, die bereits vor dem 15. Lebensjahr regelmäßig Cannabis konsumiert haben, entwickeln signifikant häufiger Psychosen, Konzentrationsstörungen, Ängste, sozialen Rückzug, Lernschwierigkeiten, sowie Depressionen und weisen eine in diesem Zusammenhang stark veränderte Hinrstruktur im Gegensatz zu Nichtkonsumenten auf (Batalla et al., 2013; Jacobus & Tapert, 2014; Jackson, Isen, Khoddam & Baker, 2016; NIDA, 2021; Hall, 2006).

In Deutschland ist Cannabis bereits als Medikament seit 2017, allerdings ohne spezifische Indikationsliste für dessen Verschreibung, zugelassen. Meist wird es bei schwerwiegenden Krankheiten wie Multipler Sklerose gegen Muskelspastiken oder bei chronischen Schmerzpatienten eingesetzt, auch wenn ein gesundheitlicher Nutzen nicht immer eindeutig belegbar ist (z. B. Zajicek et al., 2003)

Aus medizinischer Sicht erscheint eine wie auch immer geartete Freigabe von Cannabisprodukten zu Genusszwecken nicht zu verantworten.

Wirtschaftlicher Hintergrund

Die jährlichen ökonomischen Krankheitskosten illegalen THC-Konsums werden auf ca. 1 Mrd Euro geschätzt (Effertz, Verheyen & Linder, 2016). Bei einer Legalisierung von Cannabis und dem damit verbundenen Konsumanstieg werden diese weiter ansteigen. Cannabiskonsum in Deutschland ist bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren prävalenter (10,8 % Jungen 5,3 % Mädchen) als bei Erwachsenen (8,9 % Männer, 5,3 % Frauen; Orth, Merkel, Seitz & Kraus, 2021). Die Kosten der medizinischen Behandlung der Folgen des THC-Konsums und der verminderten Produktivität der Konsumenten führen zu geringeren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen und werden über die Sozialversicherungen auf andere Bürger umverteilt. Bei der Feststellung der Kosten des Zigarettenkonsums erweisen sich die jährlichen Kosten der Produktivitätsverluste und medizinischen Behandlung von Nikotinkonsumenten um ein Vielfaches höher als die Steuereinnahmen von rund 15 Mrd. Euro (Effertz, 2019). Eine derartige Struktur ist auch bei einer weitgehend voraussetzungslosen Cannabisfreigabe zu erwarten. Aus wirtschaftlicher Sicht erscheint eine Freigabe von Cannabisprodukten gleichfalls nicht zu verantworten.

Erforderliche Maßnahmen einer kontrollierten Abgabe

Um die von Regierungsseite erhofften Vorteile aus einer kontrollierten Freigabe zu erzielen, sind zwingend verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen:

Produktregulierungen

THC-Produkte müssen dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Es hat sich als eine für die Bürger ungewöhnlich tödliche Maßnahme erwiesen, dass Tabakprodukte von den Schutzregelungen des Arzneimittelgesetzes ausgenommen wurden und damit im Ergebnis unkontrolliert chemischen Veränderungen zum Zwecke der Suchtverstärkung, etwa durch Ammoniakzusätze, ausgesetzt wurden. Eine wirksame Überwachung von Tabakprodukten und ihres Suchtpotentials fand trotz Verursachung größter gesundheitlicher Probleme nicht statt. Tabakkonsum von Kindern und Jugendlichen und diesen verursachende Marketingangriffe der Tabakkonzerne wurden über Jahrzehnte politisch hingenommen. Trotz hoher pharmakologischer Potenz von Nikotinprodukten wurde eine Überwachungsmöglichkeit der sachlich zuständigen und hierfür berufenen Arzneimittelzulassungsbehörden durch Gesetz ausgeschlossen. Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen. Die Position, Cannabis als Genussmittel ohne die Obliegenheiten und Kontrollstrukturen eines Arzenimittels einzustufen, erhöht damit das Risiko möglicher Produktmanipulationen zum Zwecke der Steigerung von Suchtpotenzialen mit u. U. weiteren Gesundheitsgefahren beispielsweise gesteigerter Karzinogenität.

Apotheken, die bereits mit der Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken betraut sind, wären die bessere Alternative, als den Cannabisverkauf einem spezialisierten Einzelhandel zu überlassen. Apotheker verfügen über qualifiziertes pharmakologisches Wissen um die Wirksamkeit der Produkte und können bzgl. möglicher Gesundheitskomplikationen mit bereits bestehenden psychischen Erkankungen beraten. Damit unterliegen sie einem Interessenkonflikt zwischen Verkaufszielen und ihrem Berufsethos, der im Zweifel auch eine gesundheitsgefährdende Abgabe von Cannabis verhindert. Während im spezialisierten Einzelhandel der Umsatz mit Cannabis das ganze Geschäft beinhaltet, macht dieser bei Apotheken nur einen geringen Umsatzanteil aus. Aufgrund dessen würden Apotheker auch einen besseren Jugendschutz garantieren, als ein Cannabisshopbetreiber, der wegen seiner Spezialisierung einem stärkeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist und deshalb den Jugendschutz im Zweifel nicht so genau nimmt.

THC-haltige Produkte müssen aufgrund ihrer Wirkung als Arzneimittel angesehen werden und dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Der zukünftige Wortlaut des Arzneimittelgesetzes § 2 Absatz 3 Ziffer 3 muss dann wie folgt lauten: „Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes, mit Ausnahme THC-haltiger Produkte“. Die eingefügte Formulierung „mit Ausnahme THC-haltiger Produkte“ stellt klar, dass es sich bei THC-haltigen Produkten um Arzneimittel handelt.

Weiterhin sind folgende Regelungen vorzusehen: THC Produkte dürfen ausschließlich in Apotheken an Endverbraucher verkauft werden. Schlüssel für die Verhinderung eines unverantwortlichen Konsumanstiegs von THC in allen Altersgruppen ist das Verbot jeglicher Werbung für THC-haltige Produkte. THC-Produktverpackungen müssen aus braunem Packpapier bestehen und dürfen außer dem Markennamen und den Inhaltsstoffen keine sonstigen Angaben oder andere Bilder als die vorgeschriebenen aufweisen. Auf der Verpackung sind bildliche Warnhinweise entsprechend den Regelungen für Tabakprodukte aufzudrucken. Diese werden entsprechend der Tabakwerberegulierung in einer Verordnung festgelegt. Im Übrigen sind die Regulierungen für Tabakprodukte zu übernehmen. THC-Produktpackungen müssen mit einer Höchstmengenregulierung versehen werden. Jedes zum Einzelkonsum vorgesehene Produkt darf eine Höchstmenge an THC Gehalt nicht überschreiten. Bei der Einführung der e-Zigaretten hat diese Regelung einen extrem hochlaufenden Konsum unter Heranwachsenden, wie er in den USA stattgefunden hat, begrenzen können. THC-Produkte dürfen auch keine Zusatzstoffe enthalten, die nicht ausdrücklich für dieses Produkt erlaubt wurden („Positivliste“). Eine Beeinflussung der natürlichen THC-Aufnahme in den menschlichen Körper durch Zusatzstoffe oder besondere Zuführungstechniken ist unzulässig. Eine Beimischung von Nikotin zu THC-Produkten ist unzulässig.

Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Anbieter

Erste indirekte Beteiligungen von weltweit agierenden Tabakkonzernen an legalen Cannabisproduzenten in Nordamerika weisen darauf hin, dass diesen die synergetischen Chancen eines verbundenen Geschäfts von Nikotin und THC nicht verborgen geblieben sind. So hat sich in den US-Bundestaaten mit legalem Angebot die Anbieterstruktur von Cannabisherstellern sehr stark konzentriert. Die Betriebsabläufe wurden professionalisiert und Konzernsynergien erzielt (Sabaghi, 2021). In anderen Konsumgüterindustrien kam es zu Produktinnovationen wie THC-Gummibärchen und THC-haltiges Bier, die zusätzliche Verzehrrisiken bergen und bereits zu Vergiftungen bei Kindern geführt haben (vgl. Produktvergleiche mit THC-Beimischung von Evans, 2021 und the island now, 2021 sowie Yap, 2022).

Vorrangig gilt es zu verhindern, dass es zu einer wie auch immer gestalteten Verbindung von Nikotin- mit THC-Anbietern kommt. Dies würde zu Produkten führen, bei dem Nikotin eine Stärkung des Suchtverhaltens der THC-Konsumenten herbeiführt (Hindocha et al., 2015). Die bisherige Manipulation der Nikotinaufnahme zum Zwecke der Suchtsteigerung bei Zigaretten und e-Zigaretten belegt die zu erwartenden THC-Produktgestaltungen. Ein Einstieg börsennotierter Gesellschaften würde dem THC-Geschäft zu einem unerwünschten Umfang verhelfen. Kapitalkraft, wissenschaftlich-technisches Know-How und vor allem der überragende Lobbyeinfluss der Konzerne würden im Ergebnis, wie seit Jahrzehnten auf dem Zigarettenmarkt, vor allem den Schutz der Heranwachsenden aushebeln und deren THC-Konsum ausweiten.

Daher sollten THC-Produkte anbietende Unternehmen ausschließlich als GmbH organisiert sein dürfen, deren rechtliche und wirtschaftliche Eigentümer nur natürliche Personen sein müssen. Ein weiterer Geschäftszweck darf von diesen Firmen nicht verfolgt werden. Um mittelständisch geprägte Anbieterstrukturen zu gewährleisten, sind Umsatzgrößenbeschränkungen vorzusehen.

Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu gewährleisten, sind vom Bankaufsichtsrecht zu entlehnende aufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzlich vorzusehen. Der staatlichen Aufsichtsbehörde ist die Möglichkeit zu gewähren, bei Gesetzesverstößen den Vorstand in einer THC-anbietenden Gesellschaft abzuberufen und einzelne Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen. Zudem ist eine ständige Berichtspflicht entsprechend dem Vorgehen bei der Bankenaufsicht vorzusehen. Die Gesellschafter müssen zudem Sachkompetenz und persönliche Zuverlässigkeit aufweisen.

Besteuerung und Strafbarkeit illegaler Nachfrager und Anbieter

Mit der Legalisierung von Cannabis entfallen für Anbieter die Kosten, sich vor Strafverfolgung und erwarteter Strafe zu schützen (Van Ours, 2012). In den Cannabis-legalisierenden US-Bundestaaten ist es zu Preissenkungen gekommen (Abb. 1), mit der Folge eines Anstiegs der legalen Absatzmengen (vgl. hierzu Frontiers Financial Group, 2017; z. B. Gali, Winter, Ahuja, Frank & Prochaska, 2021). Außerdem hat sich der THC-Gehalt in Cannabisprodukten während der letzten zwei Jahrzehnte mehr als verdoppelt (Chandra et al., 2019). Inzwischen werden laut NYT (23.6.2022) Produkte mit 100 % THC Anteil angeboten.

Abbildung 1 Preisentwicklung von Cannabis, Spotmarkt (Abbildung entnommen aus Cannabis Benchmarks, 2018).

Es ist damit zu rechnen, dass eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland zu vergleichbaren Preis- und Nachfrageentwicklungen führen wird, und dadurch auch die cannabisassoziierten Gesundheitskosten deutlich ansteigen werden.

Vor dem bereits beschriebenen Hintergrund, dass in Deutschland Cannabiskonsum bei Jugendlichen prävalenter ist als bei Erwachsenen (Orth et al., 2021) ist es aus Gründen des Jugendschutzes nicht hinnehmbar, dass die Preise für THC-Produkte niedrig sind und damit starke Konsumanreize vermitteln.

Es ist daher notwendig, THC-haltige Produkte einer zusätzlichen Steuer zu unterwerfen, die an deren THC-Gehalt zu knüpfen ist, welcher die gesundheitlichen Probleme und deren Folgekosten maßgeblich verursacht.

Behauptete Steuermehreinnahmen werden häufig als Argument für die Rechtfertigung der Freigabe von Cannabis vorgebracht. Entscheidend für die Höhe der möglichen Steuersätze ist die Wirksamkeit der Strafverfolgung illegaler Anbieter. Ist das legale Angebot teurer als illegale Angebote, verlagert sich die Nachfrage auf die illegalen Märkte. Da illegale Anbieter keine Steuern zahlen und auch anderen kostspieligen Verpflichtungen, etwa aus der Anwendung des AMG und der Aufsicht nicht nachkommen, können sie deutlich billiger als legale Konkurrenten anbieten und deren Absatz austrocknen. Tatsächlich ist es bislang auch in keinem Cannabis legalisierenden Land gelungen, den Schwarzmarkt zu beseitigen. Die kriminellen Anbieterorganisationen werden somit durch Preissenkungen, aggressiveres Marketing und gezielte Ansprache der im legalen Angebot ausgeschlossenen Kinder und Jugendlichen den Markt für Cannabis wirksam verteidigen. Die bessere Qualität des legalen Angebotes wird sich als Kaufargument für wichtige Marktsegmente nicht durchsetzen können, wenn es keine zusätzliche ausreichende Abschreckung durch Strafnormen gibt.

Die illegalen Käufe von THC-Produkten durch die Verbraucher halten die kriminellen Anbieter im Markt. Gelänge es, Konsumenten von illegalen Käufen abzuhalten, müssen die illegalen Anbieter den Markt verlassen. Berechnungen über das erwartbare Strafmaß bei illegalem Cannabiskonsum ergeben Geldstrafen im einstelligen Eurobereich, die keine Abschreckungswirkung erzeugen können. Strafe und Aufklärungswahrscheinlichkeit illegaler Käufe von Konsumenten müssen daher zum Zwecke der Nachfrageumleitung auf legale Anbieter erhöht werden. Als gesetzgeberische Maßnahme zur Sicherung des kontrollierten Freigabeversuchs ist § 29 Absatz V BtMG ersatzlos zu streichen, der vorsieht, dass das Gericht von einer Bestrafung illgaler Konsumenten absehen kann, wenn diese Cannabis lediglich zum Eigenverbrauch besitzen.

Ohne diese Regelung wird sich die Hoffnung auf Trennung des Vertriebs von Cannabis und anderen Drogen nicht erfüllen. Es käme lediglich zu einem zusätzlichen Angebotskanal, der kaum wahrgenommen wird, weil kriminelle Anbieter unbelastet von Steuern und Auflagen den Preis ihrer Produkte kompetitiv so festsetzen werden, dass das legale Angebot nicht gekauft wird.

Ausgehend von den Erfahrungen mit Tabakprodukten stellt sich auch die Frage der Strafbarkeit der Weitergabe legal erworbener THC-haltiger Produkte an Kinder und Jugendliche. Eine wirksam abgestufte Strafdrohung im Falle einer Cannabisweitergabe an Minderjährige wird den Konsum in den besonders vulnerablen Altersgruppen ebenfalls wirksam begrenzen können.

Zulassung auf Zeit

Bei der vorgesehenen Freigabe handelt es sich um ein gefährliches Experiment. Die Reaktionen der Marktteilnehmer und vor allem die Strategieanpassung der illegalen Anbieter sind nicht hinreichend sicher vorherzusehen. Neben den oben erwähnten Maßnahmen, um eine kontrollierte Abgabe zu ermöglichen, sind zudem weitere gesetzliche Regeln erforderlich, um die zusätzlichen gesellschaftlichen Schäden durch Cannabiskonsum zu reduzieren. Dazu gehören beispielsweise Normen, das Führen von Fahrzeugen oder die Bedienung von Maschinen betreffend, sowie Implementierungen von effektiven Frühinterventionen zur Suchtprävention insbesondere bei lückenhaftem Jugendschutz.

Um diesen teils sehr unvorhersehbaren schädlichen Entwicklungen Einhalt gebieten zu können, ist die kontrollierte Freigabe als Versuch mit laufender Evaluation mit einem Auslaufen der Erlaubnis nach 4 Jahren zu gestalten.

Zusammenfassung

Mit diesem Beitrag wurde aufgezeigt, dass eine kontrollierte Abgabe von Cannabis unabdingbar eines abgestimmten Systems von Regeln zur Produktregulierung, Besteuerung, Bestrafung und gesellschaftsrechtlicher Strukturen bedarf. Diese lauten zusammenfassend:

  • Die Klassifizierung von Cannabis als Arzneimittel, um über die dann geltenden Regulierungen eine bessere Kontrolle über das Schadpotenzial von Cannabisprodukten zu behalten.
  • Eine Produktregulierung, die ein vollständiges Werbeverbot inklusive Plain Packaging, eine THC-Höchstmengengrenze und ein Verbot von Produktkombinationen mit Nikotin und anderen schädlichen Substanzen vorsieht.
  • Eine gesellsschaftsrechtliche Regel zum Rechtsformzwang, die die Beteiligung von Kapitalgesellschaften insbesondere von Tabakunternehmen und der Alkoholindustrie mit der Cannabiswirtschaft unterbindet.
  • Ein zweistufiges Anreizsystem, dass im legalen Markt in Form von Steuern die gesellschaftlichen Kosten des Cannabiskonsums einpreist und damit eine wirksame Markteintrittsschranke für jüngere Käuferschichten darstellt und zweitens eine Aufrechterhaltung der Bestrafung illegaler Anbieter und Nachfrager, um eine Umlenkung in den legalen Markt herbeizuführen.
  • Eine Begrenzung auf Zeit, um im Falle einer verschlechterten Entwicklung im Gesundheitswesen zu einem Verbot von Cannabis zurückkehren zu können.

Literatur