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Free AccessEditorial

Früher erkennen, besser behandeln

Published Online:https://doi.org/10.1024/1661-8157/a002880

Affektive Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und verursachen sowohl erhebliches individuelles Leid als auch hohe Kosten in den Gesundheitssystemen. Depression betrifft laut der Weltgesundheitsorganisation weltweit 350 Millionen Menschen [1] bei einer Lebenszeitprävalenz von etwa 20 % [2]. Dabei verdeutlichen jährlich eine Million Suizide den potenziell letalen Ausgang dieser Erkrankung [3]. Aktuelle Schätzungen prognostizieren die Depression als führende Ursache für die globale Krankheitslast im Jahr 2030 [4].

Mit einer zunehmend alternden Gesellschaft fällt ein wachsender Teil dieser Patienten in den Bereich der Altersdepression. In einer Meta-Analyse zeigte sich, dass fast 14 % aller über 55-Jährigen an klinisch relevanten depressiven Symptomen leiden [5], mit einer weiter steigenden Prävalenz über 75 Jahren [6]. Schon aufgrund der ausgeprägten Komorbidität der Altersdepression mit anderen psychischen und somatischen Erkrankungen [7, 8] und hohen Suizidraten [9] ist eine Reduktion der Krankheitslast durch eine rasche Diagnose und Behandlung essenziell. Hier besteht allerdings noch grosser Handlungsbedarf, da Altersdepressionen vielfach unterdiagnostiziert bleiben. In einer Screening-Studie bei aufgrund körperlicher Erkrankungen hospitalisierten Patienten über 65 Jahren hatten 78 % der depressiven Patienten keine entsprechende Diagnose [10]. Dies zeigt die Notwendigkeit einer umfassenden Sensibilisierung von Ärzten aller Fachrichtungen für das Thema auf.

Der Artikel von Hatzinger et al. [11] in diesem Heft liefert dazu einen wichtigen Beitrag. Die Autoren präsentieren eine Übersichtsarbeit mit Empfehlungen zur evidenzbasierten Diagnostik und Behandlung der Depression im Alter. Besondere Berücksichtigung finden hierbei Kernthemen wie Komorbiditäten und Suizidalität sowie Hypothesen zur Pathogenese und die multimodale Behandlung der Altersdepression. Die Behandlungsoptionen werden mithilfe von Evidenzkategorien und Empfehlungsgraden unterteilt. Der Artikel ist ein theoretisch solide untermauerter und gleichzeitig pragmatischer Leitfaden, der Klinikern unterschiedlicher Fachrichtungen eine sichere Orientierung im Umgang mit diesem komplexen Krankheitsbild bietet. Behandlungsempfehlungen sind für den Alltag brauchbare Handlungskorridore – keine fixen Vorgaben – die auch der therapeutischen ärztlichen Erfahrung und Freiheit im Sinne personalisierter Therapieentscheide bei entsprechender Indikation und Kommunikation den angemessenen Raum bieten.

Bibliografie

Prof. Dr. med. Erich Seifritz, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, 8006 Zürich, E-Mail
Dr. med. Oliver G. Bosch, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, 8006 Zürich, E-Mail