TBS-TK Rezensionen
FAKT-II. Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test
Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung
Der FAKT-II (2. Auflage des FAKT) ist ein computerbasierter, adaptiver Leistungstest der Konzentrationsfähigkeit. Probanden sollen Symbole so schnell und so genau wie möglich hinsichtlich der Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung mit Targets beurteilen. Der Test kann in drei Varianten durchgeführt werden (FAKT-E, -S, -SR), welche absteigend situative Belastungsgrade induzieren sollen. Im FAKT-E werden Items einzeln, im FAKT-S und -SR 10 Items simultan dargeboten, wobei im FAKT-E und -S die Darbietungsdauer adaptiv variiert und im FAKT-SR die Reaktionszeit erhoben wird. Die Testzeit beträgt in der Standardeinstellung sechs Minuten (inkl. 1-minütiger Übung), und kann in 6-Minuten-Schritten auf maximal 30 min. verlängert werden. Test- und Übungszeit können auch adaptiv bestimmt werden. Konzentrationsfähigkeit wird mit drei Testwerten erfasst: Leistung (KL), Genauigkeit (KG), Homogenität (KH). Anwendungsbereiche des Tests liegen nach Angabe der Autoren u.a. in Forschung, Eignungsdiagnostik, Sport- und Neuropsychologie sowie Psychiatrie.
Die Neuauflage beinhaltet die Umstellung auf das Hogrefe TestSystem, neue Auswertungs-Algorithmen, Validierungsstudien und eine Neunormierung.
Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion
Konzentration wird als das erfolgreiche Zusammenwirken von spezifischen Aufmerksamkeitskomponenten definiert, die eine willentliche Selektion, Koordination und Kontrolle von kognitiven oder Handlungsschemata erfordern. Konzentrationsleistung ist spezifiziert als Arbeitsmenge im Verhältnis zu einem bestimmten Zeitintervall. Das Konzept der Adaptivität im FAKT-II sieht vor, dass sich basierend auf dem zentralen Grenzwerttheorem die Darbietungsdauer der Items einer liminalen Darbietungsdauer nähert, in der der Proband in der Lage ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% korrekt zu antworten; somit ist die Darbietungsdauer das schwierigkeitsbestimmende Aufgabenmerkmal. Die übliche Adaptation nur derSchwierigkeit der Items an das Fähigkeitsniveau der Probanden ist nicht Bestandteil der Testkonzeption. Die theoretischen Grundlagen sind damit klar spezifiziert. Allerdings ist die theoretische Abgrenzung bzw. Verschränkung zu anderen Aufmerksamkeitskonzeptionen im Testhandbuch in der theoretischen Einleitung kaum aufgeführt, was aus unserer Sicht bedauerlich ist, weil die Testautoren dazu ausführlich gearbeitet haben. Lediglich aus dem Handbuchteil über die konvergente Validität lassen sich derartige theoretische Annahmen ableiten. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, die theoretische Konzeption und Einordnung des Tests hinsichtlich verschiedener Aufmerksamkeitskonzeptionen sowie verwandter Konstrukte wie Arbeitsgedächtnis oder visueller Wahrnehmungsgeschwindigkeit auch im theoretischen Einleitungsteil explizit darzustellen.
Objektivität
Die Durchführung des FAKT-II erfolgt computerbasiert. Die Instruktion zu den Aufgaben erfolgt über den Bildschirm. Das Instruktionsverständnis wurde in einer Studie mit 249 Probanden mit heterogenem Bildungshintergrund überprüft; Ergebnisse zeigen ein gutes Instruktionsverständnis (3,7% beurteilten die Instruktion als (eher) schwer verständlich). Die Gestaltung der Testsituation wird allerdings nicht genauer spezifiziert. Die Auswertung erfolgt automatisiert, ihre Darstellung wird grafisch unterstützt. Sie beinhaltet die Anzahl an insgesamt, richtig und falsch bearbeiteten Items, die Normwerte (Prozentränge) für die drei Testwerte KL, KG und KH und das jeweilige Konfidenzintervall. Dies erlaubt eine eindeutige Interpretation des Testergebnisses. Zusammenfassend erfüllt der FAKT-II das Kriterium der Objektivität weitestgehend.
Normierung (Eichung)
Es werden aktuelle Normen für alle drei Durchführungsvarianten in der Ersttestung und in der Zweittestung für FAKT-S (nach FAKT-S) und FAKT-SR (nach FAKT-E) für jeweils alle drei Testwerte angegeben. Die Handanweisung berichtet Mittelwerte, Streuungsmaße, Standardmessfehler und Stanine-Werte; die Auswertung gibt Prozentränge aus. Die Umfänge der Stichproben variieren zwischen 202 (FAKT-S Zweittestung) und 364 (FAKT-E Ersttestung) mit unteren Altersgrenzen von 16–19 Jahren und oberen von 42–55 Jahren. Jüngere Teilnehmer sind deutlich überrepräsentiert (M = 22,7–25,9 Jahre).
Über alle Stichproben hinweg überwiegen SchülerInnen und Studierende, die Schulart ist nicht angegeben. Die untere Altersgrenze von 16 Jahren lässt auf einen hohen Anteil an Gymnasiasten schließen. Die Stichproben sind nicht oder nur teilweise repräsentativ hinsichtlich Bildung und Geschlecht. Es werden keine gruppen- oder altersspezifischen Normen berichtet. Insgesamt erscheint damit die Normierung unvollständig, wobei davon insbesondere ältere Teilnehmer bzw. bestimmte Bildungsgruppen betroffen sind.
Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)
Cronbachs α wurde auf Basis der Minutenergebnisse für die Standardtestzeit bestimmt. Cronbachs a der Ersttestungen (N = 169 bis 364; jeweils für FAKT-E, -S und -SR) liegt für den Testwert KL bei .94/.93/.96, für KG bei .88/.80/.82 und für KH bei .85/.77/.92. Die Zweittestungen (N = 148 bis 313; jeweils für FAKT-S nach S und FAKT-SR nach -E) zeigen ähnliche Kennwerte: für KL .96/.97, für KG .84/.79 und KH .81/.87. Bei den Retest-Reliabilitäten handelt es sich um diejenigen der vorherigen 1. Auflage des FAKT (Moosbrugger, H. & Heyden, M. [1997].Testmanual FAKT. Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test. [1. Auflage]. Bern: Huber). Sie werden nur für den Testwert KL angegeben. Der zeitliche Abstand lag zwischen 5 und 60 Minuten für FAKT-E und -S und zwischen 3 und 24 Tagen für FAKT-SR (N = 72 bis 295). Es werden Retest-Reliabilitäten berichtet von .70/.91/.81 zwischen Erst- und Zweittestung (FAKT-E, -S und -SR) und .89/.96 zwischen Zweit- und Dritttestung (FAKT-E und -S). Insgesamt sind die Werte als sehr gut zu bewerten mit Ausnahme der Retest-Reliabilität des FAKT-E zwischen Erst- und Zweittestung. Letzteres führen die Autoren darauf zurück, dass die Automatisierung der Fertigkeitsausführung bei FAKT-E länger dauert als bei den anderen Testformen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es zu differenziellen Übungseffekten zwischen Erst- und Zweittestung bei FAKT-E kommen kann (s.u.). Die Testautoren empfehlen daher eine weitere Testung, die aus unserer Sicht in der diagnostischen Praxis mit beschränkten Zeit- und Geldbudgets eher selten vorgenommen werden dürfte. Die Zuverlässigkeit und auch Gültigkeit der Ersttestung dürfte zumindest für den FAKT-E damit eingeschränkt sein. Leider geht aus dem Handbuch die Zuordnung der Stichproben zu den Retest-Reliabilitätsuntersuchungen und die Reihenfolge der Testungen nicht hervor, so dass das Vorhandensein von Transfereffekten bei der Automatisierung der Fertigkeitsausübung nicht geklärt werden kann.
Gültigkeit (Validität)
Die Validitätsbelege beziehen sich auf den Testwert KL. Für die konvergente Konstruktvalidität werden hohe Korrelationen zwischen FAKT-E, -S und -SR (r = .69 bis .80/.60 bis .72 für Standard-Testzeit/adaptive Testzeit) und substanzielle Zusammenhänge mit anderen Aufmerksamkeitstests berichtet (r = .40 bis .61 mit dem „Test d2”;r = .45 bis .55 mit dem „Frankfurter Aufmerksamkeits-Inventar FAIR”; N = 64). Geringere Korrelationen mit diversen Intelligenztestaufgaben belegen die diskriminante Validität, wobei recht hohe Zusammenhänge mit dem APM Set II als figuralem Reasoning-Test (r = .41; N = 197) und dem ZVT als Test der Wahrnehmungsgeschwindigkeit (r = .36;N = 101) gefunden wurden. Als einziger Nachweis für die Kriteriumsvalidität wird berichtet, dass über die Mathematiknote hinaus durch den FAKT inkrementell Varianz an der Statistik-I-Note im Studienfach Psychologie erklärt wird. Die Inhaltsvalidität wird rational begründet; empirische Belege liegen nicht vor. Insgesamt werden zahlreiche Validierungsstudien berichtet, wobei allerdings das Fehlen von weiteren Studien zur Kriteriumsvalidität anzumerken ist.
Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)
Der FAKT-II ist unanfällig gegenüber Störungen. Allerdings weist das Manual auf mögliche Störungen in der Echtzeitmessung durch parallele PC-Prozesse hin. Verfälschbarkeit ist lediglich im unteren Leistungsbereich möglich, etwa wenn der Proband an schlechten Testergebnissen interessiert wäre (z.B. Berufsunfähigkeit, Frühverrentung). Analysen auf Basis des Rasch-Modells zeigen Modellkonformität und sichern damit die Skalierbarkeit; unklar bleibt, welcher Testwert analysiert wurde. Der FAKT-II erlaubt eine ökonomische Leistungsmessung im adaptiven und nicht-adaptiven Modus. Zumutbarkeit bei gesunden Probanden ist gegeben. Die Nützlichkeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorhersage relevanter Außenkriterien, bleibt nachzuweisen. Testfairness wird mit dem Fehlen von sprachgebundenen, kulturspezifischen Anforderungen und der Robustheit gegenüber „habituativen Übungseffekten” (zunehmende Verringerung interindividueller Unterschiede in Übungseffekten bei mehr als zwei Testungen; S. 30–31) begründet.
Abschlussbewertung/Empfehlung
Der FAKT-II ist ein ausgereiftes Verfahren zur Erfassung von Konzentrationsfähigkeit, das sich durch ein adaptives Testkonzept und Unempfindlichkeit gegenüber dem Geschwindigkeits-Genauigkeits-Dilemma auszeichnet. Konzentration wird als das Zusammenwirken von spezifischen Aufmerksamkeitskomponenten definiert. Eine detailliertere Darstellung der theoretischen Abgrenzung bzw. Verschränkung mit solchen multidimensionalen Konstrukten (Sturm, W. [2009]. Aufmerksamkeitsstörungen. In W. Sturm, M. Herrmann & T. F. Münte (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Neuropsychologie [S. 421–443]. Heidelberg: Spektrum) sowie auch mit Arbeitsgedächtniskomponenten und Wahrnehmungsgeschwindigkeit wäre aus unserer Sicht wünschenswert.
Es ist weitestgehende Objektivität gegeben; die Testleiterqualifikation ist allerdings nicht spezifiziert. Im FAKT-II sind erstmals Normen für alle Testvarianten verfügbar, wobei Normen für spezifische Populationen fehlen. Die Altersobergrenze der Eichstichproben (55 Jahre) schränkt den Anwendungsbereich z.B. im neuropsychologischen Kontext ein. Cronbachs α zeigt erwartungsgemäß sehr gute Kennwerte. Die relativ schwächere Retest-Reliabilität von FAKT-E zwischen Erst- und Zweittestung im Vergleich zu Zweit- und Dritttestung wird auf eine Stabilitätssteigerung durch habituative Übung bei mehrmaligem Testen zurückgeführt. Für Testanlässe mit begrenzter Test- oder nicht-adaptiver Übungszeit (dies ist die Voreinstellung des Tests) bedeutet dies im Umkehrschluss, dass bei FAKT-E mit initialen Übungseffekten und Habituation zu rechnen ist.
Die konvergente und in Teilen die diskriminante Konstruktvalidität werden empirisch gestützt. Bei Beachtung sehr ähnlicher Validitätsbelege für die adaptiven und nicht-adaptiven Testvarianten und unter Einbeziehung von Befunden, die Auswirkungen von Adaptivität auf die Motivation zeigen (Probanden mit niedrigerer Leistung waren tendenziell stärker, Probanden mit höherer Leistung tendenziell schwächer motiviert; Frey, A., Hartig, J. & Moosbrugger, H. [2009]. Diagnostica, 55, 20–28), bleibt der Nutzen adaptiver gegenüber nicht-adaptiver Varianten nachzuweisen. Die Bestimmung eines Kriterienraums mit relevanten Außenkriterien und der Nachweis der Kriteriumsvalidität stehen aus.
Die Anwendung des FAKT-II kann grundsätzlich empfohlen werden. Wir raten dabei ausdrücklich zu einem in Psychologischer Diagnostik ausgebildeten Testleiter, damit bei der Interpretation der Testwerte das Fehlen von spezifischen Normen, mögliche Übungseffekte insbesondere in der Standardeinstellung des FAKT-E und die derzeit noch mangelnde Kriteriumsvalidität berücksichtigt werden können.
Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.
Testinformationen
Moosbrugger, H. & Goldhammer, F. (2007). FAKT-II. Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test. Grundlegend neu bearbeitete und neu normierte 2. Auflage des FAKT von Moosbrugger und Heyden (1997). Bern: Huber.
Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen
Hogrefe Testsystem, PC-Version inkl. 50 lokale Durchführungen und Manual, 540,00 €. Testmanual 43,00 €. PC-Version 50 weitere lokale Durchführungen 70,00 €. Eine lokale Durchführung (Testing on Demand) 8,00 €. Eine Durchführung Web Edition 12,00 €. (Preise inkl. MWSt.)
Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt:
Weis, S. & Nuerk, H.-C. (2011). TBS-TK Rezension: „FAKT-II. Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test”.Psychologische Rundschau, 62, 139–141.
