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TBS-TK Rezension

ET 6-6-R: Entwicklungstest für Kinder von sechs Monaten bis sechs Jahren–Revision

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000283

Allgemeine Informationen über den Test

Mit dem ET 6-6-R soll der allgemeine Entwicklungsstand eines Kindes im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren als differenziertes Entwicklungsprofil abgebildet werden. Gegenüber der dritte Auflage des ET 6-6 wurde die konzeptionelle Grundlage überarbeitet und die erfassten, inhaltlich begründeten Entwicklungsbereiche von sechs auf fünf reduziert (bei Erhöhung der Itemanzahl) sowie eine Neunormierung vorgenommen. Körper- und Handmotorik, kognitive, Sprach- und sozial-emotionale Entwicklung werden mit 166 Aufgaben, einem Nachzeichentest und 79 Elternfragen erfasst. Anhand spezifischer Items wird in jeder Altersgruppe das Erreichen von sogenannten Entwicklungsgrenzsteinen überprüft. Die individuelle Testung des Kindes erfolgt durch altersgerecht ausgewählte Aufgaben und Elternbefragung. Die Testdauer wird je nach Alter der Kinder mit etwa 20 bis 50 Minuten angegeben. Die Rohwerte (Anzahl gelöster Items) werden als Entwicklungsquotienten je Dimension normiert und im Entwicklungsprofil eingetragen.

Theoretische Grundlagen

Auf eine explizite theoretische Grundlegung des Verfahrens wird verzichtet. Stattdessen wird ein grober Überblick über die Geschichte der Entwicklungsdiagnostik und die Nützlichkeit des auch hier bevorzugten Breitbanddiagnostikums gegeben. Das herangezogene Ordnungsschema für Entwicklungsstände im frühen Kindesalter sind eher pragmatisch festgelegte Entwicklungsbereiche mit Rückbezug auf klassische entwicklungsdiagnostische Ansätze. Im Unterschied zu der früheren Fassung des Verfahrens werden Entwicklungsmeilensteine nach dem Grenzsteinekonzept in Anlehnung an Michaelis und Mitarbeiter berücksichtigt. Normalität und Abweichung werden in Anlehnung an dieses Konzept definiert, wobei verschiedenartige Aufgabenlösungen als Anzeichen qualitativer Entwicklungsunterschiede angesehen werden. In allen Altersabschnitten werden aber die gleichen fünf Bereiche als entwicklungsrelevant betrachtet und Teilaspekte (wie im ET 6-6) nicht mehr betrachtet.

Objektivität

Zur Durchführung finden Anwender detaillierte Anweisungen im Manual und in der Durchführungshilfe. Das Material ist weitgehend standardisiert. Der Ablauf der Testung ist dem Versuchsleiter freigestellt, es werden jedoch detaillierte Empfehlungen gegeben. Die Auswahl der Aufgaben für jede Altersgruppe ist klar geregelt. Die Auswertung der kindlichen Reaktionen ist vorbildlich beschrieben, ebenso die Verrechnung der Einschätzungen (gelöst/nicht gelöst) und die Beurteilung der Nachzeichenaufgabe (Beispiele, Schablone). Nach gründlicher Einarbeitung in das Verfahren dürfte mit hoher Durchführungs- und Auswertungsobjektivität zu rechnen sein, allerdings werden keine Kennwerte zur Objektivität angegeben. Die nun vorliegende Normierung in Standardwerte (Entwicklungsquotienten) dürfte zur Interpretationsobjektivität beitragen. Soweit bei einem Entwicklungstest möglich, sind zwar Situations- und Versuchsleitereffekte minimiert, empirische Daten dazu wären aber wünschenswert.

Normierung

Die 2011/2012 erhobene Normierungsstichprobe schwankt zwischen 64 und 125 Kinder pro Altersstufe und ist daher als eher klein einzustufen. Es gibt 13 Altersgruppen (Abstände: 1,5 Monate [6 – 9], 3 Monate [9 – 24], 6 Monate [24 – 48], 12 Monate [48 – 72]). Die Stichprobe stammt aus fünf verschiedenen Regionen Deutschlands, davon etwa 21 Prozent aus ländlichen Gebieten, der Anteil der mehrsprachigen Kinder wird mit 12 Prozent angegeben. Angesichts der Tatsache, dass in amtlichen Statistiken gegenwärtig mehr als 30 Prozent dieses Altersbereichs als mehrsprachig ausgewiesen werden, wirft dies die Frage der Repräsentativität der Normstichprobe auf. Die Autoren geben an, dass ca. 11 Prozent der Kinder schon einmal Förderung oder Therapie erhalten haben. Bei der Gewinnung der Stichprobe war beabsichtigt, keine Kinder mit gravierenden Entwicklungsauffälligkeiten aufzunehmen. Die Vergleichswerte liegen als Entwicklungsquotienten (Mittelwert = 10, Standardabweichung = 3) und dazu gehörige Prozentränge vor.

Zuverlässigkeit

Die Autoren geben als Schätzungen für die „Mindestreliabilität“ interne Konsistenzwerte (Cronbachs Alpha) aller fünf Bereiche (plus Untertest Nachzeichnen) pro Normierungsaltersgruppe an. Diese liegen im Bereich zwischen .53 und .85 (Durchschnitt: .70) und sind insgesamt als schwach befriedigend einzustufen. Angaben zur Retestreliabilität (Messwiederholung nach einem kurzen Intervall), die gerade bei heterogenen Merkmalen eine sinnvolle Überprüfung des Mindestniveaus der erreichten Messgenauigkeit darstellen, fehlen. Die Autoren weisen jedoch selbst auf die Möglichkeit einer Wiederholungsmessung hin und geben Anhaltspunkte für sinnvolle Intervalle (Kap. 5.7.) Die in Tabelle 8 angegebenen Standardmessfehler stimmen nicht mit den berichteten Konsistenzkoeffizienten überein. Eine Erklärung dazu fehlt im Manual.

Gültigkeit

Wichtigster Validitätshinweis sind Befunde zu Mittelwertsunterschieden (ohne Effektstärken) zwischen gesunden und entwicklungsauffälligen Kindern (auffällig bei letzter Vorsorgeuntersuchung, Frühgeborene, Geburtsgewicht < 2000 g, chronische Erkrankung, haben schon einmal Förderung oder Therapie erhalten). Diese finden sich in fast allen Entwicklungsbereichen. Weitere Aspekte der kriterienbezogenen Validität wurden bisher nicht überprüft, die Autoren verweisen stattdessen auf solche Überprüfungen mit der Vorgängerversion, die allerdings eine Reihe von Unterschieden aufweist. Auf der Basis moderater Skaleninterkorrelationen schließen die Autoren auf gegebene Konstruktvalidität, die allerdings nicht direkt geprüft wird. Da gerade die Differenzierbarkeit der Entwicklung in fünf Bereichen im Vordergrund steht (s. Auswertung als Entwicklungsprofil), sollte die eigenständige Validität der Teilbereiche nachgewiesen werden, wozu auch die Validierung des Profils gehört.

Weitere Gütekriterien

Alle Untersuchungen von Kleinkindern und damit auch die Ergebnisse der Testung mit dem ET 6-6-R sind störanfällig. Im Manual werden Angaben zum Umgang mit Aufgabenverweigerungen gemacht (Abschnitt 5.10). Wünschenswert wären zusätzlich Angaben über Art und Umfang von Testleitertraining. Der Elternfragebogen ist für Verfälschungstendenzen anfällig (das Kind besonders unterstützungsbedürftig beziehungsweise eher weit entwickelt darzustellen). Allgemeine Hinweise zur Verlässlichkeit der Elternangaben finden sich im Manual (Abschnitt 5.8).

Abschlussbewertung/Empfehlung

Mit dem ET 6-6-R liegt ein Verfahren mit relativ hoher Inhalts- und Augenschein-Validität in der Tradition allgemeiner Entwicklungstests vor. Dem Verfahren fehlt jedoch eine explizite theoretische Begründung, auch wenn gegenüber der früheren Fassung nun das Konzept der Entwicklungsgrenzsteine mit einbezogen wird. Ohne Zweifel sind die eingesetzten Aufgaben und Materialien kindgemäß. Dies betrifft auch die Durchführungs- und Auswertungsrichtlinien (z. B. Schablone für die Auswertung des Nachzeichentests, Hinweise zur Testdurchführung), was zur Objektivität des Verfahrens beiträgt. Die Neunormierung gewährleistet die Aktualität der Vergleichswerte, die Teilstichproben sind jedoch nach wie vor klein. Die straffere Strukturierung des Verfahrens in nur noch fünf Teilbereiche der Entwicklung und die Angabe von Standardwerten (Entwicklungsquotienten) trägt zur inhaltlichen Überprüfbarkeit der Ergebnisse bei. Diese bleibt jedoch vorläufig noch formal, da eine empirisch-kritische, formative Evaluation der Validität des Verfahrens fehlt (Tabelle 1).

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478.

Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56.

Testinformationen

 Petermann, F. & Macha, T. (2013). Entwicklungstest für Kinder von sechs Monaten bis sechs Jahren (ET 6 – 6-R). Frankfurt: Pearson.

Bezugsquelle: Pearson Assessment & Information GmbH, Baseler Str. 35 – 37, 60329 Frankfurt/M.

Test komplett, 1308 Euro. Handbuch, 65,60 Euro. Protokollbogen bis 7.5, 9, 12, 15, 18, 21, 24, 30, 36, 42, 48, 60 oder 72 Monate (jeweils 10 Stück), je 14,00 Euro. Grenzsteinprotokollbogen 27,90 Euro; Durchführungshilfe 32,50 Euro. DVD, 60 Euro.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Hasselhorn, M. & Margraf-Stiksrud, J. (2015). TBS-TK Rezension: „Entwicklungstest für Kinder von sechs Monaten bis sechs Jahren–Revision (ET 6 – 6 R)“. Psychologische Rundschau, 66, 208 – 210.