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TBS-TK-Rezension

CBCL/6-18R, TRF/6-18R, YSR/11-18R. Deutsche Schulalter-Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach. Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen (CBCL/6-18R), Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen (TRF/6-18R), Fragebogen für Jugendliche (YSR/11-18R)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000394

Allgemeine Informationen

Inzwischen gehören die Verfahren der Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist in Deutschland sowohl in der klinischen Praxis als auch in der Forschung zu den etablierten Instrumenten der multimodalen Diagnostik im Kindes- und Jugendalter. Mit den Deutschen Schulalter-Formen der CBCL liegen ab dem Grundschulalter Fremdeinschätzungsbögen für Eltern und Lehrer sowie ein Fragebogen für das Selbsturteil ab elf Jahren vor. Für die Beantwortung der Fragen werden laut Autoren etwa 15 bis 20 Minuten benötigt. Unabhängig vom Bildungsniveau sollten die relativ einfach gehaltenen Fragen beantwortet werden können. Die revidierte Version greift Weiterentwicklungen in der englischsprachigen Fassung von 2001 auf. Neuerungen sind die leichte Veränderung des Altersbereiches auf sechs bis 18 Jahre und die Anpassung weniger Items in ihrer Formulierung und Skalenzuordnung. Eine besonders relevante Neuerung des Verfahrens ist die Integration von Cutt-off Werten für klinische Populationen.

Theoretische Grundlagen

Die deutschen Schulalter-Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach sind theoretisch eingebettet in das Konzept der evidenzbasierten multimodalen Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen und inhaltlich der Familie des Achenbach Systems of Empirically Based Assessment (ASEBA) zugehörig. Die vorliegenden Fragebögen erfassen als Screeningverfahren ein breites Spektrum psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. In der 2001er Version gehen die Autoren erstmals einen Schritt in Richtung kategorialer Diagnostik und bieten den Transfer in DSM-orientierte Skalen an. Sie stellen jedoch kein direktes Äquivalent zu DSM-Diagnosen dar. Eine Orientierung an Diagnosen nach dem in Deutschland im Rahmen der klinischen Versorgung verwendeten ICD-10 findet sich nicht.

Objektivität

Die Auswertungs- und Interpretationsobjektivität sind durch das Manual, die Software sowie die Berechnung von Normwerten weitgehend gesichert. Die Auswertungsobjektivität wird erhöht und gleichzeitig verkompliziert durch die mögliche Nachkorrektur von Antworten durch den Auswertenden. Als Interpretationshilfe werden von den Autoren Fallbeispiele gegeben. Schwierigkeiten in der Interpretation können sich durch die von den Autoren dargelegten geringen Zusammenhänge zwischen Eltern-, Kind-, und Lehrerperspektive ergeben. Weiterhin können freie Formulierungen für Problembereiche oder Ressourcen von den beantwortenden Personen gegeben werden. Eine Interpretationshilfe ist dafür nicht vorgesehen. Einschränkungen können zudem hinsichtlich der Durchführungsobjektivität entstehen. So fehlen verbindliche Angaben, wie die Zusicherung der Vertraulichkeit umgesetzt wird. Auch Vorgaben zum Umgang mit Nachfragen fehlen. Unterstützungsangebote dürften je nach Qualifizierung des Testleiters variieren.

Normierung

In der CBCL werden geschlechtsspezifische Normen für Sechs- bis Elfjährigen sowie Zwölf- bis 18-Jährige als T-Werte für die Kompetenzskalen, Problemskalen erster und zweiter Ordnung, den Gesamtwert sowie die DSM-orientierten Skalen angegeben. Für die Selbstbeurteilungsversion liegen geschlechtsspezifische Normen für Elf- bis 18-Jährige vor. Die in einem geschichteten mehrstufiges Zufallsverfahren gezogene Normierungsstichprobe wurde bereits in der 1998er Fassung zugrunde gelegt und 1994 im Rahmen epidemiologischer Forschung erhoben. Es wurden für die 2001er-Normierung aus dieser 2471 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren (50,4 Prozent Jungen) ausgewählt und neue Berechnungen vollzogen. Die Größen der jeweils mindestens 6 Jahre abdeckenden Normstichproben erscheinen uns ausreichend. Eine methodisch unzureichende Normierung liegt für klinische Stichproben im Lehrerurteil (TRF) vor.

Zuverlässigkeit

Es werden Angaben zur internen Konsistenz der Normstichprobe sowie zusammenfassend zu den bisherigen Publikationen, die die 1991er-Version genutzt haben, gemacht. Akzeptable und gute Cronbachs-Alpha-Werte werden für den Gesamtwert (α ≥ .93), die Skalen zweiter Ordnung (internale Probleme: α ≥ .82; externale Probleme: α ≥ .88) sowie wenige Skalen erster Ordnung (aggressives Verhalten: .84 ≤ α ≤ .95) berichtet. Der überwiegende Teil der Skalen erster Ordnung weist in der CBCL interne Konsistenzwerte α ≤ .70 auf oder sie liegen im Selbsturteil (YSR) nur knapp über dieser magischen Grenze. Die Skalen mit den niedrigsten Werten sind körperliche Beschwerden sowie Denk-, Schlaf- und repetitive Probleme. Die internen Konsistenzen der Kompetenzskalen sind mangelhaft. Die Autoren raten entsprechend zu einer vorsichtigen Interpretation einzelner Problemskalen (z. B. Skalen zu depressiven Symptomen oder körperlichen Beschwerden). Retestreliabilitätswerte und Angaben zur Stabilität fehlen.

Gültigkeit

Die Autoren beziehen sich hinsichtlich der Prüfung der Konstruktvalidität weitgehend auf statistische Vergleiche mit der früheren Version der Verfahren. Aufgrund der unzureichenden Reliabilität der augenscheinvaliden Kompetenzskalen wurde auf eine weitere Überprüfung der Validität dieser Skalen verzichtet. Konfirmatorische Faktorenanalysen belegen kulturübergreifend 8-faktorielle Validität für CBCL sowie YSR. Insgesamt erscheint die Binnendifferenzierung für externalisierende Symptome gelungener als für internalisierende. Untersuchungen in Kombination mit anderen störungsspezifischen Diagnostikverfahren werden nicht dargestellt. Befunde zur Validierung der deutschsprachigen aktuellen Version an einem Außenkriterium, zur Inhalts-, prognostischen oder diskriminanten Validität stehen noch aus.

Weitere Gütekriterien

Wie alle Fragebogenverfahren weisen die vorgestellten Derivate des Achenbach-Systems of Empirically Bases Assessment eine relativ starke Verfälschbarkeit auf, die allerdings durch den multiperspektivischen Charakter reduziert ist. In den Verfahrenshinweisen wird nichts über Studien zur Simulation und Dissimulation und deren Vermeidung berichtet. Der Youth Self Report (YSR) enthält unter anderem zur Stützung der Auskunftsbereitschaft der Jugendlichen 14 Items, die sozial erwünschtes Verhalten beschreiben. Interpretations- und Auswertungshinweise werden nicht gegeben. Die Fragebögen liegen für die kulturübergreifende Forschung in vielen Übersetzungen vor. Die Gesamtbearbeitungsdauer von circa 20 Minuten ist in Anbetracht des Informationsgehalts angemessen, sollte allerdings vor dem Hintergrund der hohen Drop-outs (37 %) im Rahmen der Normierung an Kölner Schulen kritisch betrachtet werden.

Abschlussbewertungen/Empfehlungen

Die Autoren legen eine revidierte Fassung der Verfahren CBCL, YSR und TRF vor. Das Verfahren ist ein etabliertes diagnostisches Screening-Verfahren zur Erfassung von psychopathologischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Zur Stärke des Verfahrens gehört dabei, dass Probleme aber auch Ressourcen aus der Sichtweise von Kindern und Jugendlichen, den Eltern und Lehrkräften erfasst werden. Eine wichtige Neuerung ist die Integration von Klinischen Cut-offs zur Beurteilung einer klinischen Symptomatik.

Obwohl hoffnungsstiftend nun erstmals ein deutschsprachiges Manual über einen Verlag publiziert wurde, ist die Datenbasis für die vorliegende Fassung schwach. Da bisher noch keine systematischen Daten mit der vorgelegten Fassung für das Schulalter erhoben wurden, wurde für die deutsche Normierung auf bereits vorliegende Daten zurückgegriffen, die mit den vorherigen Fassungen erhoben wurden. Anhand dieser Datenbasis wurden alle Skalen- und Normwerte – ausgehend von den Item-Rohwerten – komplett neu berechnet. Die dabei angewandte Ersetzungsstrategie (als Schätzwert für die betreffenden neuen Items wurde der individuelle Mittelwert der vorliegenden Items der Problemskala eingesetzt) führt möglicherweise zu einer Überschätzung der internen Konsistenzen. Repräsentative und differenziertere Normen für die TRF fehlen. Auch scheint die Zuordnung einiger Items zu bestimmten Problembereichen recht weit gefasst, sodass hier nur bedingt diagnostische Informationen aus den Problemindizes gewonnen werden können. Bisher zeigen Studien keine ausreichende diskriminante Validität für die Unterscheidung in Störungsbilder mittels CBCL. Die übergeordneten Faktoren für internalisierende und externalisierende Symptome zeigen sich dagegen als hoch reliabel. Insgesamt handelt es sich bei den Verfahren um Instrumente, die besonders für die psychologische und psychiatrische Praxis von hohem Nutzen sein können.

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478.

Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56.

Testinformationen

Döpfner, M., Plück, J. & Kinnen, C. (2014). CBCL/6-18R, TRF/6-18R, YSR/11-18R. Deutsche Schulalter-Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach. Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen. Test komplett 248 €. 25 Fragebogen CBCL/6-18R oder YSR/11-18R oder TRF/6-18R 16,25 €, 25 Auswertungsbogen CBCL/6-18R oder YSR/11-18R Kompetenz- und Problemskalen 13,75 €, 25 Auswertungsbogen TRF/6-18R Adaptive Funktionen und Problemskalen 13,75 €, 25 Auswertungsbogen CBCL/6-18R oder YSR/11-18R oder TRF/6-18R DSM-orientierte Skalen 13,75 €, 25 Auswertungsbogen Problem- und DSM-orientierte Skalen: Vergleich mit klinischen Stichproben 13,75 €.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Esser, G., Hänsch-Oelgart, S. & Schmitz, J. (2017). TBS-TK Rezension: „CBCL/6-18R, TRF/6-18R, YSR/11-18R. Deutsche Schulalter-Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach“ Psychologische Rundschau, 69, 144 – 146.