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TBS-TK-Rezension

Strukturiertes Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000398

Allgemeine Informationen

Das strukturierte Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI) ist ein Verfahren zur Einschätzung der Qualität und Intensität der emotionalen Beziehung eines Kindes zu seinen unmittelbaren Beziehungspersonen. Das Interview ist als Fragespiel konzipiert, bei dem die Interviewerin bzw. der Interviewer 34 beispielhafte Situationen als Vorzugsfrage stellt (zum Beispiel: „Wer bringt dich gerne ins Bett?“). Das Kind kann als Antwort die Mutter, den Vater und/oder eine andere Person nennen. Das Verfahren ist als eine Entscheidungshilfe im Rahmen familienrechtlicher Begutachtung und hier insbesondere bei strittigen Sorgerechtsfragen gedacht. Es erfasst neben einem Gesamtwert die zwei Unterskalen „positiv getönte emotionale Tiefe der Beziehung“ sowie „negativer Beziehungsaspekt“ für jede Bezugsperson und drei entsprechende Differenzierungsscores zwischen den Bezugspersonen. Zielgruppe sind Vorschul- bzw. Kindergartenkinder von vier bis sieben Jahren.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Das SKEI basiert nicht auf einer bestimmten Theorie, sondern auf einem nicht näher explizierten Alltagsverständnis von Beziehungsempfinden und Zugehörigkeitsgefühl eines Kindes zu seinen Eltern. Während für das Vorläuferverfahren (Parent Attachment Structures Interview, PASI) angegeben wird, dass die Items bestimmte Dimensionen abdecken sollten, liegen für das SKEI dazu keine Informationen vor. So wird nicht deutlich, welches Konstrukt genau erfasst wird, wo dessen Grenzen zu verwandten Konstrukten sind, aus welchen Facetten es besteht und ob ein beliebiges Item zum Test gehören könnte oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Bezeichnung „Weiterentwicklung des PASI“ nicht ganz angemessen. Die in der Psychologie verwendeten Beziehungskonzepte, Ansätze der kindlichen Beziehungsdiagnostik sowie der gesetzliche Rahmen und die dazugehörigen Vorgehensweisen in Sorgerechtsverfahren werden zwar beschrieben, aber es wird dabei kein Bezug zu theoretischen Grundlagen des SKEI hergestellt.

Objektivität

Die Durchführungsobjektivität des Verfahrens erscheint durch die standardisierten Testmaterialien und Instruktionen gegeben. Allerdings fehlen Angaben zum Umgang mit Nachfragen des Kindes, zur Beurteilung der Aufwärmfragen sowie Abbruchkriterien. Auch fehlen Hinweise zur Vermeidung von Suggestivfragen, was bei Kindern besonders problematisch erscheint. Die Auswertungsobjektivität erscheint anhand des anschaulichen Interviewbogens gegeben, allerdings fehlen Angaben zum Umgang mit fehlenden Werten (zum Beispiel durch Antwortverweigerung) bzw. Mindestanzahlen beantworteter Items zum Auswerten. Unklar bleibt auch, wie viele Personen das Kind nennen darf oder wie mit Fehlinterpretationen und Verständnisschwierigkeiten umgegangen werden soll. Insgesamt wäre es wünschenswert einige ausformulierte Phrasen für die Interviewdurchführung bereitzustellen. Zwar können Prozentrangnormen berechnet und eine Entscheidungsorientierung anhand unterschiedlicher Fallbeispiele vorgenommen werden, dennoch bleibt eine Gewichtung der unterschiedlichen diagnostischen Informationen sowie die finale Entscheidungsfindung (mit möglichen sorgerechtlichen Konsequenzen) der Gutachterin bzw. dem Gutachter überlassen.

Normierung

Für alle Skalenwerte stehen alters- und geschlechtsspezifische Normen als Prozentränge zur Verfügung. Die Normstichprobe besteht aus N = 308 Kindergartenkindern (152 Jungen und 156 Mädchen) bestimmter steirischer Bezirke in Österreich. Die Auswahl der Bezirke wird nicht näher beschrieben, aber es wurde auf eine gleichmäßige Verteilung ländlicher, industrieller und städtischer Regionen geachtet. Die einzelnen Kindergärten wurden zufällig ausgewählt. Es fehlen Rücklaufquoten auf Ebene der Kindergärten und Familien, vertiefende soziodemographische Angaben (zum Beispiel Partnerschaftsstatus, Alter der Eltern oder Anzahl der Geschwister) sowie Informationen zur Aktualität und Repräsentativität. Die Stichprobe ist für eine alters-und geschlechtsspezifische Normierung mit Gruppengrößen zwischen 68 und 85 Fällen zu klein. Dementsprechend fallen die Messfehler zu groß aus.

Zuverlässigkeit

Mit internen Konsistenzen und Messwiederholungsreliabilität liegen die beiden wichtigsten Reliabilitätskennwerte für die Zielsetzung des Verfahrens vor. Die Messwiederholungsreliabilität wurde an einer nicht näher beschriebenen Subgruppe von 102 Kindern mit einem Intervall von ein bis zwei Monaten berechnet. Reliabilitätsanalysen für die in den Normtabellen verwendeten Alters- und Geschlechtsgruppen liegen nicht vor. Die Höhe der Werte liegt für Cronbachs Alpha zwischen .69 und .82 und für die Test-Retest-Korrelationen zwischen .62 und .78. In Anbetracht des Alters der Probanden sind die teilweise unbefriedigenden Reliabilitätswerte zwar nachvollziehbar, müssen aber im Hinblick auf die primär individualdiagnostische Zielsetzung des Verfahrens als nicht ausreichend bezeichnet werden. Anzumerken ist auch, dass bereits Items ab einer Trennschärfe von ris > .20 eingeschlossen wurden und diese damit möglicherweise nicht angemessen zur Konstrukterfassung beitragen.

Gültigkeit

Die Inhaltsvalidität des SKEI erscheint weitestgehend gegeben. Es sollte aber geprüft werden, ob jüngere Kinder die sprachlichen Nuancen (zum Beispiel „Wer bringt Dich gerne ins Bett?“ versus „Wer bringt Dich ins Bett?“) tatsächlich korrekt interpretieren. Der faktorenanalytische Ansatz zur Testentwicklung ist aufgrund der fehlenden theoretischen Verortung problematisch. Die Kriteriumsvalidität wurde in einer Studie über Kinderzeichnungen und in einer weiteren Studie über Eltern- und Erzieherurteile untersucht, ohne dass die dazugehörigen Hypothesen genannt werden. Die Übereinstimmung von SKEI-Werten mit den Kinderzeichnungen fiel schlecht, die mit Eltern- und Erzieherurteilen moderat aus. Die verwendeten Effektgrößen sind adäquat gewählt und werden grob eingeordnet, die Kennwerte werden aber nicht subgruppenspezifisch aufgetrennt. Beide Validitätskriterien sind sinnvoll, erscheinen aber aufgrund der unklaren Objektivität (Kinderzeichnungen) bzw. Reliabilität (Eltern- und Erzieherurteilen) wenig belastbar. Eine belastbare Kriteriumsvalidierung an katamnestisch untersuchten Sorgerechtsfällen fehlt.

Weitere Gütekriterien

Weitere Gütekriterien werden nicht berichtet und Hinweise zur praktischen Bewährung liegen nicht vor. Das Verfahren kann aber wegen seiner Kürze und Standardisierung als ökonomisch gelten. Ob die Items für Kinder aus unterschiedlichsten familiären Kontexten gleichermaßen fair sind, lässt sich nicht sicher beurteilen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass Kinder mit einem schwer kranken oder behinderten Elternteil manches Item nicht im intendierten Sinne beantworten können. Das Verfahren ist durchschaubar und die Ergebnisse sind für Kinder durch unwahre Angaben in jede Richtung verfälschbar. Als situative Einflussfaktoren können zum Beispiel eine gezielte elterliche Beeinflussung vor der Testung oder aktuelle Konflikte mit den Eltern angenommen werden. Ob die Testwerte im Sinne der Item-Response-Theorie (IRT) auf einer eindimensionalen, latenten Messdimension liegen, wird nicht analysiert und kann damit nicht abschließend beurteilt werden.

Abschlussbewertungen/Empfehlungen

Das SKEI bietet als geprüftes Messverfahren eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Datenerhebungsverfahren bei Sorgerechtsgutachten, weil die Ergebnisse weniger personell und situativ beeinflussbar sind als zum Beispiel die einer freien Exploration. Problematisch ist allerdings die fehlende theoretische Fundierung. Damit bleibt letztlich unklar, welche Dimensionen erfasst werden sollten und inwieweit dieses Ziel mit der gegebenen Struktur erreicht worden ist. Die Anwendbarkeit ist durch das enge Altersfenster von vier bis sieben Jahren begrenzt. Es sollte daher untersucht werden, inwieweit sich die Zielpopulation auf das Grundschulalter ausdehnen ließe. Weiterhin wäre es sinnvoll, den Einfluss gezielter Beeinflussung des Kindes beispielsweise durch einen Elternteil näher zu beleuchten bzw. entsprechende standardisierte Anweisungen aufzuführen. Die Reliabilität könnte besser ausfallen, aber bei vier bis sieben Jahre alten Kindern in konflikthaften familiären Situationen ist die Merkmalsstabilität wahrscheinlich reduziert. Dazu würden Reliabilitätsanalysen unter Berücksichtigung von Alter und Familiensituation mehr Information liefern. Die bisherigen Validitätsuntersuchungen sind nicht ausreichend und sollten weitergeführt werden. Dabei sollten auch Validitätskennwerte für die in den Normtabellen verwendeten Alters- und Geschlechtsgruppen bestimmt werden. Die Eichstichprobe sollte landesweit repräsentativ und mit angemessener Fallzahl gezogen werden. Zu klären wäre auch, inwieweit die Testwerte durch bestehende Rollen- und Arbeitszeitmodelle der Eltern beeinflusst sind, die die prognostische Validität vermindern könnten. So wäre zum Beispiel denkbar, dass ein Kind nur deshalb seine Mutter präferiert, weil diese bislang besser verfügbar war. Insgesamt ist das SKEI ein – mit den auf geführten Einschränkungen – objektives und reliables Verfahren, für dessen Validität noch belastbare Ergebnisse ausstehen und das sich durch die genannten Hinweise optimieren ließe.

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478.

Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56.

Testinformationen

Skatsche, R., Buchegger, M., Schulter, G. & Papousek, I. (2013). Strukturiertes Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI). Ein Verfahren zur Diagnostik der emotionalen Beziehung im familienrechtlichen Kontext. Weiterentwicklung des Parent Attachment Structured Interview (PASI) von Samuel Roll, Julianne Lockwood & Elizabeth J. Roll. Bern: Huber.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herber-Quandt-Straße 4, 37081 Göttingen. Test komplett 77,00 €. Manual 46,00 €. 20 Interviewbogen 19,00 €. 20 Ergebnisblätter 12,00 €.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Kliem, S. & Barkmann, C. (2018). TBS-TK Rezension: „Strukturiertes Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI)“, Psychologische Rundschau, 69, 146 – 148.