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Free AccessBericht

Bericht des Fachkollegiums Psychologie in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000495

Das Fachkollegium „Psychologie“ hat sich in der vergangenen Wahlperiode – neben der Bewertung von Forschungsanträgen – mit Themen wie der Antragsaktivität der Psychologie in verschiedenen Förderformaten oder dem Umgang mit Forschungsdaten und Open Science beschäftigt. Wir wollen mit diesem Beitrag zum einen Hintergrundwissen vermitteln (z. B. welche Förderformate bietet die DFG an und wie aktiv ist die Psychologie in diesen Formaten?), und zum anderen Interpretationen und Ideen weitergeben, die im Fachkollegium mit Blick auf diese Themen und Herausforderungen diskutiert wurden. Letztlich möchten wir Impulse für den weiteren Austausch im Fach Psychologie geben.

Verbundförderung der DFG

Neben den verschiedenen Programmen der Einzelförderung (z. B. Sachbeihilfe, Emmy Noether-Programm, Heisenberg-Programm), stellen die Programme zur Verbundförderung eine wichtige Säule des Förderportfolios der DFG dar. Mit diesen Programmen will die DFG einer Gruppe von Wissenschaftler_innen enge wissenschaftliche Kooperationen über mehrere Jahre und damit die Etablierung neuer Forschungsrichtungen ermöglichen. In Forschungsgruppen wird ein wissenschaftliches Thema durch die koordinierte Zusammenarbeit von bis zu neun wissenschaftlichen Teilprojekten untersucht. Den Antrag stellen die Forschenden selbst, die Förderdauer beträgt inzwischen in der Regel acht Jahre. Sonderforschungsbereiche / Transregios bestehen aus deutlich mehr Teilprojekten als Forschungsgruppen, sollten ein interdisziplinäres Forschungsthema verfolgen und können bis zu 12 Jahre gefördert werden. Den Antrag stellt eine Universität, bei Transregios sind mehrere Universitäten Antragstellende. Ein Förderziel ist die wissenschaftliche Schwerpunkt- und Strukturbildung vor Ort. Graduiertenkollegs dienen der gezielten Förderung von Doktorand_innen durch ein strukturiertes Qualifizierungskonzept im Rahmen eines Forschungsprogramms. Auch hier ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit erwünscht. Die Förderdauer beträgt bis zu neun Jahre. Auch hier ist die Universität die Antragstellerin1.

Die Antragstellung für diese Verbundprogramme variiert etwas, ist aber immer zweistufig. Zunächst wird eine Antragsskizze eingereicht. Skizzen für Forschungsgruppen und Graduiertenkollegs werden schriftlich begutachtet und anschließend im zuständigen Fachkollegium diskutiert. Skizzen für Sonderforschungsbereiche werden in einem sogenannten Beratungsgespräch von einer Begutachtungsgruppe geprüft und anschließend in einem Senatsausschuss behandelt. In jedem Programm steht am Ende die abschließende Empfehlung für oder gegen eine Vollantragstellung. Ein Vollantrag wird vor Ort durch eine Gruppe von Wissenschaftler_innen begutachtet, die Förderentscheidungen treffen der Senat der DFG (bei Forschungsgruppen) bzw. die zuständigen Senatsausschüsse für die Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs. Ziel des zweistufigen Verfahrens ist es, dass eine Initiative frühzeitig Rückmeldung über ihre Förderaussichten erhält und nur die aussichtsreichen Verbünde den Aufwand, der mit der Stellung eines Vollantrags verbunden ist, eingehen. In den Verbundprogrammen der DFG wurde in den Jahren 2016 bis 2018 etwa bei jeder dritten Skizze eine Vollantragstellung empfohlen. Ist die erste Hürde genommen, so liegen die Einrichtungsquoten je nach Programm zwischen knapp 70 und 84 Prozent. Das zweistufige Verfahren bedingt eine längere Bearbeitungsdauer als in der Einzelförderung; in der Regel vergehen von der Einreichung einer Skizze bis zur Entscheidung über den dann ggf. eingereichten Vollantrag etwa zwei Jahre. Dem stehen die vielen Vorteile der Verbundprogramme gegenüber, wie etwa die Perspektive auf eine deutlich längere Förderdauer und Mittel zur Koordination des Verbunds, eine intensive wissenschaftliche Kooperation und langfristige positive Effekte auf die Infrastruktur vor Ort.

Antragsaktivität in der Psychologie

Die Programme der Einzelförderung werden in der Psychologie im Vergleich zu den übrigen Förderformaten sowie im Vergleich zu anderen Fächern prozentual am häufigsten genutzt. So entfielen im Jahr 2018 64,2 % des Bewilligungsvolumens in der Psychologie auf die Einzelförderung und zusammen betrachtet 30,6 % auf Forschungsgruppen, Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs (siehe Abbildung 1). Im Wissenschaftsbereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, in dem die Psychologie das größte Fach darstellt, gingen im gleichen Jahr hingegen nur 55,8 % der Mittel in die Einzelförderung und 40,5 % in Programme der Verbundförderung. Über alle Fächer der DFG hinweg entfielen sogar nur 45,8 % der Mittel in die Einzelförderung und ganze 43,9 % auf die Verbundförderung.

Abbildung 1 Verteilung der jahresbezogenen Bewilligungssumme für laufende Projekte je Programm in der Psychologie im Jahr 2018 (in Mio €).

Um einen Überblick darüber zu geben, wie viele Anträge in den Verbundprogrammen aus der Psychologie gestellt und letztendlich bewilligt werden, hat die Geschäftsstelle der DFG eine Auszählung aller Antragsskizzen und Einrichtungen (bewilligte Vollanträge) in diesen Programmen zwischen 2012 und 2019 vorgenommen (siehe Tabelle 1). Unterschieden wurde dabei, ob die Psychologie bei dem Antrag federführend (designierte_r Sprecher_in und Mehrzahl der Teilprojekte bzw. der beteiligten Wissenschaftler_innen aus der Psychologie) oder lediglich beteiligt ist. Aus diesen Zahlen können allerdings keine exakten Einrichtungsquoten abgeleitet werden, da sich der zweistufige Antragsprozess über etwa zwei Jahre erstreckt und somit die Auswertung für Skizzen und Einrichtungen nicht ganz identische Kohorten berücksichtigt; außerdem ist die Fallzahl relativ gering. Am häufigsten werden in der Psychologie Anträge in Kooperation mit den Neurowissenschaften und der Medizin gestellt, gefolgt von den Ingenieurwissenschaften und Sozialwissenschaften.

Tabelle 1 Antragsskizzen und bewilligte Vollanträge für Verbundprojekte (2012 – 2018)

Verbundforschung. Betrachtet man die Antragsaktivität (N = 58) und Anzahl der Bewilligungen (N = 13) zu den drei Formaten für Verbundforschung mit psychologischer Federführung, so ist knapp jede vierte Initiative am Ende erfolgreich. Bei Verbundprojekten mit Beteiligung der Psychologie kommen mit 18 Bewilligungen von 69 eingereichten Anträgen geringfügig mehr Initiativen zum Zug. Vergleicht man dies mit den oben berichteten, DFG-weiten Einrichtungsquoten in den Verbundprogrammen, so liegen sie genau im gleichen Bereich. Es gibt also wenig Anhaltspunkte dafür, dass Anträge in denen die Psychologie federführend oder beteiligt ist, strengeren Bewertungskriterien unterliegen als in anderen Disziplinen. Was stärker auffällt, sind die relativ geringen absoluten Zahlen.

Einzelanträge. Demgegenüber gingen im gleichen Zeitraum (2012 – 2019) insgesamt fast 3100 Anträge auf Einzelförderung ein, von denen etwa 1100 bewilligt wurden, was eine Förderquote von 36 % ergibt, die bei der DFG über alle Fächer hinweg vergleichbar hoch ist. Die Zahlen zeigen mit Blick auf einen Zeitraum von acht Jahren, dass Antragsteller_innen in der Psychologie konstant sehr aktiv das Format der Einzelförderung genutzt haben und darin auch konstant erfolgreich waren. Auch wenn es bis vor zehn Jahren eine sogar noch höhere Förderquote gab, aber bei noch geringerer Antragsaktivität (vgl. Erdfelder et al. 2014), ist nach Ansicht des Fachkollegiums unbedingt zu würdigen, dass die Antragsaktivität in der Psychologie insgesamt betrachtet ungebrochen hoch und die Förderquoten zumindest zufriedenstellend sind. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu vielen anderen nationalen Förderinstitutionen (z. B. in Großbritannien, den Niederlanden oder den USA). Das Fachkollegium ermutigt daher alle Forscher_innen der Psychologie, die DFG weiterhin als zentrale Förderinstitution für ihre Forschungsanträge zu sehen, auch wenn mit Blick auf finanzielle Restriktionen nicht immer alle grundsätzlich förderwürdigen Anträge gefördert werden können. Priorisiert werden Anträge, bei denen eine klare theoretische und empiriebasierte Herleitung der Fragestellungen und Hypothesen vorliegt und an denen keine vom Fachkollegium als bedeutsam beurteilte Kritik angebracht wurde. Besondere Aufmerksamkeit genießen die Anträge von Nachwuchswissenschaftler_innen, bei denen Vorarbeiten weniger stark in die Bewertung einfließen.

Einzelantrags- und Verbundforschung im Vergleich. Die absoluten Zahlen verdeutlichen, dass Antragsaktivitäten für Einzelanträge eine ganz andere Dimension haben als in der Verbundforschung. Aufgrund des unvergleichbar höheren Aufwands und anderer Herausforderungen für die Verbundforschung ist das zunächst nicht anders zu erwarten. Dennoch zeigen die vorgelegten Zahlen nach Ansicht des Fachkollegiums, dass die Psychologie – insbesondere im Vergleich zu anderen Fächern – das Potential der DFG-geförderten Forscherinnen und Forscher für die Antragsaktivität im Format der Verbundforschung nicht ausschöpft. Die absolute Zahl der Initiativen ist gering in Relation zur Vielzahl der erfolgreichen Einzelanträge. Wenn sie die Initiative ergreifen, haben Antragsteller_innen aus der Psychologie durchaus Erfolg mit diesen Förderformaten, nicht weniger als in anderen Fächern.

Um mögliche Gründe für die Zurückhaltung in Erfahrung zu bringen und Lösungsansätze zu initiieren, hat die DFG im Februar 2020 zu einem Rundgespräch mit Expert_innen der Psychologie nach Bonn eingeladen. Die Anwesenden teilten die Einschätzung, dass die intensive und erfolgreiche Nutzung der Einzelförderung weiterhin wünschenswert ist, dass die (federführende) Beteiligung an der Verbundforschung aber ausbaufähig erscheint und das vorhandene Potenzial nicht ausschöpft. Es wurden vielfältige Gründe diskutiert, die für die Zurückhaltung der Psychologie in der Verbundforschung bedeutsam sein könnten, wie der traditionell geringe Stellenwert für die Identität des Faches, seine Methodenzugänge und die Finanzierung des Personals, oder die Wahrnehmung geringer Erfolgschancen bei hohen Opportunitätskosten. Darauf aufbauend wandte sich die Diskussion der Frage zu, wie der Stellenwert erhöht werden könnte. Die Initiative für einen Verbundantrag setzt eine Öffnung gegenüber anderen methodischen Ansätzen und anderen Disziplinen voraus, die in thematischer und methodischer Hinsicht allzu oft als „Beschränkung“ oder „Fremdbestimmung“ wahrgenommen wird, während zu wenig gewürdigt wird, dass gerade darin aber auch ein besonderes Erkenntnispotenzial des Verbundes liegt. Einhellig wurde betont, dass bereits die Antragstellung und der damit verbundene Austausch über Fächer (innerhalb der Psychologie) oder Disziplinen hinweg einen deutlichen Gewinn darstellt. Durch Verbundinitiativen könnte die Psychologie eigene Forschungsthemen auf die Agenda der Universitäten setzen und im Erfolgsfall zahlreiche wichtige Vorteile gewinnen, wie bessere Bedingungen für die Nachwuchsförderung, eine Strukturbildung an den entsprechenden Instituten, und eine höhere Sichtbarkeit des Fachs. Als Vorschlag wurde allgemein begrüßt, ein Expert_innengremium zu gründen, das sich kontinuierlich der Aufgabe widmet, Antragstellende in der Psychologie bei der Entwicklung von Verbundinitiativen anzuregen und zu unterstützen. Auch die DGPs hat diesen Vorschlag vertreten durch ihre Präsidentin begrüßt, die in Aussicht stellt, dass sich die DGPs des Themas annimmt.

Gutachtenabsagen und Bearbeitungszeiten

Im Fachkollegium Psychologie wurden 2018 insgesamt 471 Anträge in der Einzelförderung entschieden. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrags in der Einzelförderung lag dabei bei 7,0 Monaten und ist damit im Vergleich zum Jahr 2012 angestiegen, in dem 505 Anträge in einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 6,1 Monaten entschieden wurden. Der Zeitraum, in dem sich ein Antrag in der schriftlichen Begutachtung befindet, wuchs von durchschnittlich 3,7 Monaten in 2012 auf durchschnittlich 4,6 Monate. Die Geschäftsstelle und das Fachkollegium beurteilen die längere Bearbeitungszeit für einen Antrag als eindeutig zu lang, insbesondere da es in Einzelfällen auch zu deutlich längeren Bearbeitungszeiten gekommen ist, die insbesondere mit Blick auf die Nachwuchsförderung unhaltbar sind.

Der Anstieg der Bearbeitungszeiten für DFG Anträge kann u. a. dadurch erklärt werden, dass inzwischen immer mehr Gutachtenanfragen der Geschäftsstelle negativ beantwortet werden. In den Jahren 2010 – 2012 lag die Rücklaufquote – also der Anteil der erfolgreichen Gutachtenanfragen an der Gesamtzahl der Anfragen im Fach Psychologie – noch bei knapp 85 % (siehe Abbildung 2). Inzwischen ist die Bereitschaft, die DFG mit Stellungnahmen zu unterstützen, deutlich gesunken. Für die Jahre 2016 – 2018 betrug die Rücklaufquote im Fach Psychologie noch knapp 64 %. Die DFG Geschäftsstelle hat ihrerseits bereits Maßnahmen wie die Implementierung einer persönlicheren Gutachten-Anfrage mit der Vereinbarung individueller Fristen für Gutachten umgesetzt.

Abbildung 2 Rücklaufquote von Begutachtungsanfragen im Fachkollegium Psychologie und DFG insgesamt.

Die Geschäftsstelle und das Fachkollegium danken ausdrücklich all jenen Gutachterinnen und Gutachtern, die fast immer für ein Gutachten zusagen, aber der Trend geht, wie die Zahlen zeigen, in eine andere Richtung. Im Sinne der Antragstellenden fordert das Fachkollegium nachdrücklich dazu auf, Gutachtenanfragen der DFG eine hohe Priorität einzuräumen, zügig auf Anfragen zu reagieren und diese auch zu übernehmen. Die Problematik der stetig wachsenden Bearbeitungszeiten für DFG Anträge sollte auch mit hoher Priorität in den entsprechenden Gremien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (z. B. Mitgliederversammlungen auf Fachgruppenkongressen) diskutiert und bearbeitet werden. Auch sollte dieser Appell an ausländische Kolleginnen und Kollegen weitergetragen werden, welche die DFG insbesondere bei vielfältigen Befangenheiten benötigt. Aus diesem Grund ist es auch wünschenswert, dass Anträge in der Psychologie in englischer Sprache eingereicht werden.

Der Optimismus des Fachkollegiums, dass derartige Appelle tatsächlich zu einer substanziellen Verbesserung der Situation beitragen werden, ist allerdings gedämpft. So ist bereits im letzten Fachkollegienbericht ein klarer Appell in die gleiche Richtung formuliert worden, aber die Lage hat sich seitdem sogar noch weiter verschärft. Das Fachkollegium möchte daher die Fachgesellschaft (DGPs) und alle Forschenden in der Psychologie dazu auffordern, über Anreizsysteme im Zusammenhang mit Begutachtungen für die DFG nachzudenken und entsprechende Lösungsansätze zur Diskussion zu stellen.

Fachkollegienwahl und neue Fächerstruktur des Fachkollegiums Psychologie

Nach der Fachkollegienwahl Ende 2019, an der sich alle promovierten Forschenden in Deutschland beteiligen konnten, hat auch das neue Fachkollegium „Psychologie“ der DFG im März seine Arbeit aufgenommen. Im Förderhandeln der DFG kommt diesem Kollegium eine Schlüsselrolle zu, da es zwischen Begutachtung und Entscheidung die Funktion der fachlichen Bewertung und Qualitätssicherung wahrnimmt. Mit der Neuwahl ist das Fachkollegium um ein Fach und zwei Mitglieder erweitert worden (siehe Tabelle 2). Angesichts des starken Anwachsens der Antragszahlen insbesondere an der Schnittstelle zwischen Psychologie und Neurowissenschaften hatte das Fachkollegium in der letzten Wahlperiode den Vorschlag vorgebracht, das Fach „Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften“ innerhalb des Fachkollegiums „Psychologie“ zu etablieren. Dies wurde damit begründet, dass es sich hier mittlerweile um einen integralen, starken und innovativen Arbeitsbereich im Fach handelt. Der Vorschlag des Fachkollegiums wurde vom Senat aufgegriffen und beschlossen. Im Zuge der neuen Fächerstruktur wurde das Fach „Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie“ leicht modifiziert. Die weiteren drei Fächer blieben unverändert. Die vollständige Struktur und die Zusammensetzung des Fachkollegiums ist auch auf der Homepage der DFG zu finden. Dieses Gremium tagt viermal jährlich gemeinsam und ist für jeden Antrag in der Psychologie zuständig.

Tabelle 2 Neue Fächerstruktur im Fachkollegium Psychologie

Forschungsdaten und Open Science in der Psychologie

Das Fachkollegium „Psychologie“ hat sich in der letzten Wahlperiode verstärkt mit Chancen und Herausforderungen eines zeitgemäßen Forschungsdatenmanagements beschäftigt. Das übergeordnete Ziel dieser Diskussionen ist, einen Umgang mit Forschungsdaten zu etablieren, der für die Sicherstellung höchster Qualitätsstandards und damit für den Erkenntnisfortschritt in der Psychologie förderlich ist. Demzufolge hat sich das Fachkollegium aktiv an aktuellen Diskussionen zu Chancen, Herausforderungen und Grenzen offener und transparenter Forschung (Open Science, u. a. bzgl. der Datenerhebung, der Erhebungsmaterialien, der Forschungsdaten) beteiligt. So fand im Januar 2018 in der DFG Geschäftsstelle in Bonn ein Rundgespräch mit Expert_innen des Fachs Psychologie, Mitgliedern des Fachkollegiums und der DFG Geschäftsstelle statt. Das Rundgespräch hat sowohl konvergente als auch divergente Haltungen und Anregungen zum Thema Open Science deutlich gemacht. Einigkeit bestand u. a. darin, dass Transparenz und Offenheit des Forschungsprozesses (Open Science) anreizorientiert etabliert und gefördert werden sollte. Einigkeit bestand auch dahingehend, dass die konsequente Umsetzung einer offenen und transparenten Forschung aufwändig ist und entsprechende Ressourcen für das Forschungsdatenmanagement erfordert. Weitgehende Einigkeit bestand auch dahingehend, dass die Diskussion um ein zeitgemäßes Forschungsdatenmanagement unter der Open-Science-Perspektive nicht mit anderen wichtigen Perspektiven wie dem kommerziellen Gebrauch von Daten (Dual Use) oder der Replikationsproblematik vermischt werden sollte. Divergenz bestand darin, ob eine Empfehlung (z. B. jene der DGPs, Schönbrodt, Gollwitzer & Abele-Brehm, 2017) alle Spezialthemen und Herausforderungen für das gesamte Fachgebiet der Psychologie abdecken kann und damit bei DFG-Anträgen verpflichtend zugrunde gelegt werden soll (Tuschen-Caf‍fier et al., 2017; Abele-Brehm et al., 2017).

Das Fachkollegium Psychologie hält die Empfehlungen der Fachgesellschaft (DGPs) grundsätzlich für wegweisend. Auch ist unstrittig, dass sich Forschende in ihren DFG-Anträgen zum Umgang mit den im Projekt erhobenen Daten äußern müssen (vgl. Leitfaden für die Antragstellung, Abschnitt 2.4). Das Fachkollegium hat sich aber dagegen ausgesprochen, dass eine bestimmte Leitlinie oder Empfehlung zum Umgang mit Forschungsdaten bei DFG-Anträgen zwingend zugrunde gelegt werden muss (Tuschen-Caffier et al., 2017). Ermutigend ist die Beobachtung in der Praxis, dass Gutachten zunehmend auf die Ausführungen zu Forschungsdaten und Open Science in den Anträgen eingehen und diese kritisch oder positiv kommentieren. In Verbundanträgen sind Maßnahmen zum Umgang mit Forschungsdaten und entsprechende Infrastrukturprojekte in kurzer Zeit zu einem Standard geworden.

Ethikvoten für DFG-Anträge

Die DFG fordert bei psychologischen Vorhaben Ethikvoten an, um die Prüfung der ethischen Unbedenklichkeit eines Forschungsvorhabens von der Begutachtung, Bewertung und Entscheidung – also dem Wettbewerb um die Fördermittel – zu trennen. Die prinzipielle ethische Unbedenklichkeit ist für die DFG eine Antragsvoraussetzung, nicht aber ein Qualitäts- oder Entscheidungskriterium. Liegt ein erforderliches Ethikvotum nicht vor bzw. wird es nicht zügig nachgereicht, kann ein Antrag nicht weiter bearbeitet werden.

Wenn Belastungen oder Risiken für die Beteiligten nicht zu erwarten sind, verzichtet die DFG in der Praxis darauf, ein Ethikvotum anzufordern. Hinweise dazu, für welche Vorhaben ein Ethikvotum immer erforderlich ist, finden sich in den FAQ auf der Homepage der DFG. In weiteren Einzelfällen kann ein Ethikvotum nach der Antragstellung erbeten werden. Wenn Antragstellende selbst entscheiden, ein Ethikvotum anzufordern, und im Antrag darauf verweisen, so ist dieses Votum auch der DFG vorzulegen. Ganz unabhängig von der Praxis der DFG können Ethikvoten von den Einrichtungen der Forschenden oder von Zeitschriften zur Veröffentlichung der Ergebnisse verlangt werden.

Im vorigen Jahr hat ein Austausch des Fachkollegiums und der Geschäftsstelle der DFG mit der Ethikkommission der DGPs und Vertreter_innen lokaler Ethikkommissionen über die Praxis der Ethikvoten stattgefunden. Das Ziel war, den wachsenden Aufwand für alle Beteiligten zu begrenzen und zugleich der Funktion der Voten gerecht zu werden. Im Ergebnis wurde ein Vorschlag erarbeitet, dass Ethikkommissionen auf der Grundlage des DFG-Antrags die ethische Unbedenklichkeit eines Vorhabens beurteilen und bescheinigen sowie zugleich die Wiedervorlage mit allen Studienunterlagen zu einem späteren Zeitpunkt verlangen können. Sofern dies keine Einschränkung der ethischen Unbedenklichkeit beinhaltet, kann das Ethikvotum von der DFG anerkannt werden. Das Fachkollegium Psychologie hat in seiner Diskussion darauf Wert gelegt, dass die Ethikkommissionen autonom darin sind, welches Verfahren sie anwenden, und dass die DFG eine wissenschaftliche Bewertung der Vorhaben unabhängig davon vornimmt.

Förderung und Bezahlung von Promovierenden in DFG-Projekten

Rund 40 % der von der DFG bewilligten Mittel dienen zur Finanzierung von Stellen für Promovierende. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 27.000 Promotionsstellen durch die DFG gefördert. Davon werden wiederum rund 40 % in Einzelprojekten gefördert (DFG, 2019). Diese Zahlen unterstreichen, wie bedeutsam die Gewinnung herausragender Nachwuchswissenschaftler_innen für die erfolgreiche Umsetzung der Forschungsprojekte und die DFG-Förderung insgesamt ist. Seit 2009 kann bei der DFG für Promovierende in der Psychologie ein Stellenumfang von 65 % einer Vollzeitstelle (in der Regel TVL-13) beantragt und bewilligt werden. Dies gilt für Einzelanträge und die Verbundforschung gleichermaßen. Die Arbeitsmarktsituation innerhalb der Psychologie ist einem aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit (2019) zufolge sehr gut: So zeigt eine Mikrozensus-Analyse von 2017, dass die Arbeitslosenquote für Absolvent_innen eines Studiums der Psychologie nach wie vor sehr niedrig ist (2,2 %) und dass mehrheitlich ein Arbeitsplatz mit Tätigkeitsprofil in der Psychologie zur Verfügung stand.

Die Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass Absolvent_innen der Psychologie ein attraktives Berufsfeld und Stellenangebote vorfinden, die mit einer Promotionsstelle in der Wissenschaft konkurrieren können. Auch ist zu erwarten, dass sich mit Blick auf Absolvent_innen, die zukünftig neben dem Master in Psychologie zusätzlich ein Staatsexamen ablegen und die Approbation erhalten, weitere attraktive Stellenangebote ergeben werden. Vor diesem Hintergrund hat das Fachkollegium beschlossen, dass eine Anhebung der Stellen für Promovierende in DFG-Projekten auf 75 % (statt bisher 65 %) einer Vollzeitstelle zeitgemäß und dringlich ist, um die Attraktivität der Stellenangebote und die Gewinnbarkeit hoch qualifizierter Nachwissenschaftler_innen sicher zu stellen. Die Anhebung gilt ausschließlich für alle neuen Anträge, die seit Mitte Februar gestellt wurden.

Literatur

1Die Schwerpunktprogramme werden hier ausgeklammert, da sie mit offenen Ausschreibungen einer anderen Förderlogik folgen.

Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Psychologie, Engelbergerstr. 41, 79085 Freiburg,