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Open AccessOriginalarbeit

In welchen Branchen und für welche beruflichen Tätigkeiten werden Psychologinnen und Psychologen gesucht und was sollten sie können?

Eine systematische Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000557

Abstract

Zusammenfassung. Über die Struktur des Arbeitsmarkts für Psychologinnen und Psychologen, insbesondere über die quantitative Verteilung von Stellen auf verschiedene Beschäftigungsbereiche, berufliche Tätigkeiten, geforderte Kompetenzen und Abschlüsse, liegen keine zuverlässigen und aktuellen Informationen vor. Wir berichten die Ergebnisse einer systematischen Inhaltsanalyse von 2025 Stellenanzeigen, die im Zeitraum von jeweils einem Monat in den Jahren 2018 und 2020 in gängigen deutschen Online-Stellenbörsen veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Arbeitsmarkt für Psychologinnen und Psychologen äußerst vielfältig ist und eine große Bandbreite beruflicher Tätigkeiten im Gesundheits-‍, Bildungs- und Sozialwesen, der Wirtschaft, der Wissenschaft sowie bei Polizei, Justiz und Verwaltung umfasst. Die Psychotherapie war mit 35 % das größte Berufsfeld, während sich die Mehrzahl der Stellen auf berufliche Tätigkeiten verteilte, die sich in der Regel keinem einzelnen Fachgebiet der Psychologie zuordnen ließen. Für 27 % der ausgeschriebenen Stellen war eine Approbation erforderlich, und 28 % der Stellen waren befristet. Die Ergebnisse liefern wichtige Informationen für die Konzeption und professionsorientierte Gestaltung von psychologischen Studiengängen.

In which areas and for which professional activities are psychologists sought and what should they be able to do? A systematic content analysis of job advertisements

Abstract. No reliable and up-to-date information is available regarding the structure of the labor market for psychologists, including the quantitative distribution of jobs across different employment sectors, professional activities, required skills, and degrees. We report the results of a systematic content analysis of 2,025 job advertisements published on popular German online job boards during one month in 2018 and one month in 2020. The results show that the job market for psychologists is extremely diverse, with a wide range of professional activities in health, education, social services, business, academia as well as police, justice, and administration. Psychotherapy was the largest occupational field, comprising 35 % of the job advertisements, whereas most jobs were spread across a wide range of activities that generally could not be assigned to any single field of psychology. Licensure as a psychotherapist was required for 27 % of the advertised positions, and 28 % of the positions were temporary. The results provide important information for designing the curriculum of psychology programs at the university according to profession.

Ein Psychologiestudium eröffnet den Absolventinnen und Absolventen hervorragende Beschäftigungsaussichten, mit einer Beschäftigungsquote von 97.8 % im Jahr 2018 (Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2019), und gilt als „Erfolgsmodell“ (Spinath, 2021, S. 1). Die beruflichen Tätigkeiten, denen Psychologinnen und Psychologen nachgehen, sind vielfältig und umfassen so unterschiedliche Aufgaben wie Diagnostik, Psychotherapie, Personalauswahl, Bildungsberatung, forensische Begutachtung und psychologische Forschung, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Die Gesamtberufsliste der Bundesagentur für Arbeit beinhaltet 52 verschiedene Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen, in denen „Psychologie“, „-psychologie“ oder „Psychologin / Psychologe“ enthalten ist (Bundesagentur für Arbeit, 2021).

Über diese allgemeinen Tatsachen hinaus ist allerdings sehr wenig über die Struktur des Arbeitsmarkts für Psychologinnen und Psychologen bekannt, da aktuelle und systematische empirische Erhebungen dazu nicht vorliegen (s. auch Richter, Souvignier, Hertel, Heyder & Kunina-Habenicht, 2019). Für die inhaltliche Planung von Studienangeboten und die Planung der Studienplatzkapazitäten werden jedoch fundierte Informationen darüber benötigt, a) in welchen Branchen (Beschäftigungsbereichen) Psychologinnen und Psychologen gesucht werden, b) welche Tätigkeiten sie dort ausführen und c) welche Kompetenzen gefragt sind. Beispielsweise sollten die Masterstudiengänge der Psychologie so geplant und ausgerichtet werden, dass sie den Absolventinnen und Absolventen eine gute Vorbereitung auf relevante spätere Tätigkeitsfelder bieten, auch jenseits der neuen Masterstudiengänge für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Tuschen-Caffier et al., 2020). Auch für Studierende und Studieninteressierte sind zuverlässige Informationen darüber hilfreich, welche Tätigkeitsfelder sich mit einem Studium der Psychologie erschließen und wie sie ihr Studium planen und gestalten sollten, um sich auf die angestrebten Tätigkeiten bestmöglich vorzubereiten.

Die vorliegende Studie soll durch eine systematische Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen einen Beitrag dazu leisten, die Informationslücke zu schließen. Analysiert wurden Stellenanzeigen, die in gängigen Online-Stellenportalen veröffentlicht wurden. Die Analyse erstreckt sich über zwei jeweils einmonatige Zeiträume in den Jahren 2018 und 2020, um einen Anhaltspunkt für die zeitliche Stabilität der erzielten Ergebnisse zu erhalten. Im Einzelnen sollten folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

  1. 1.
    In welchen Beschäftigungsbereichen (Branchen) werden Psychologinnen und Psychologen gesucht?
  2. 2.
    Werden in den Stellenanzeigen bestimmte Fachgebiete der Psychologie genannt und wenn ja, welche?
  3. 3.
    Welche Tätigkeiten werden in den Stellenanzeigen genannt?
  4. 4.
    Welche Kompetenzen werden von Psychologinnen und Psychologen erwartet?
  5. 5.
    Über welchen Hochschulabschluss müssen Psychologinnen und Psychologen verfügen?
  6. 6.
    Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen wird eine Approbation als Psychotherapeutin bzw. Psychotherapeut verlangt?
  7. 7.
    Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen sind die angebotenen Stellen befristet?
  8. 8.
    Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen richten sich die angebotenen Stellen nur an Psychologinnen und Psychologen oder aber auch an andere Berufsgruppen?

Für die Inhaltsanalyse wurde ein sequenzielles deduktiv-induktives Vorgehen gewählt, indem zunächst für jede Forschungsfrage ein vorläufiges Kategoriensystem erstellt wurde. Dieses wurde dann anhand einer Teilmenge der verfügbaren Stellenanzeigen erprobt, modifiziert und ggf. um weitere Kategorien ergänzt (Krippendorff, 2004). Das Ziel war die Formulierung eines Kategoriensystems, mit dem möglichst alle Stellenanzeigen erfasst werden, mit dem sich der Stellenmarkt für Psychologinnen und Psychologen adäquat und objektiv beschreiben lässt und mit dem die formulierten Forschungsfragen beantwortet werden können.

Methode

Analysestichprobe

Die Analyse beruht auf einer Vollerhebung aller explizit an Psychologinnen und Psychologen gerichteten Stellenanzeigen, die in zwei Zeiträumen von jeweils einem Monat (Mitte Juli bis Mitte August 2018 und Mitte April bis Mitte Mai 2020) in gängigen Online-Stellenportalen veröffentlicht wurden. Die Stellenportale waren StepStone (https://www.stepstone.de), Indeed (https://de.indeed.com/), Psychjob (https://www.psychjob.eu/de), Kalaydo (https://www.kalaydo.de/) und Zeit Online Stellenmarkt (https://jobs.zeit.de/). Außerdem wurden die Stellensuchmaschinen Jobbörse (https://www.jobbörse.de/) und Kimeta (https://www.kimeta.de/) verwendet, die jeweils auf mehrere Stellenportale zugreifen. Als Suchbegriffe wurden „Psychologie“, „Psychologe“ und „Psychologin“ verwendet. Anzeigen für Praktikums- und Hilfskraftstellen, Stellenanzeigen, die sich bei näherer Betrachtung nur an ärztliches Personal richteten, sowie Dubletten wurden aussortiert. Aufgrund eines technischen Fehlers beim Abspeichern der Stellenanzeigen wurden im Erhebungszeitraum 2018 264 Anzeigen nicht korrekt abgespeichert und konnten nicht in die Analyse einbezogen werden. Diese Anzeigen stammten vor allem von den Stellenbörsen StepStone (n = 213) und Kalaydo (n = 47), die auch von den Stellensuchmaschinen Kimeta und Jobbörse erfasst werden. Daher ist nicht von starken Verzerrungen durch den technischen Fehler auszugehen. Die resultierende Analysestichprobe enthielt 2025 Stellenanzeigen, 767 im Zeitraum 2018 und 1258 im Zeitraum 2020. Wenn bei einzelnen Anzeigen die für eine Kodierung erforderlichen Informationen nicht vorhanden waren, wurden diese Anzeigen nicht kodiert. Daher können bei einzelnen Analysen die Stichprobengrößen um maximal zwei Anzeigen abweichen.

Kategoriensystem, Kodierung und Interrater-Reliabilität

Für jede Forschungsfrage wurde ein Kategoriensystem entwickelt, das die Stellenanzeigen im Hinblick auf die jeweilige Forschungsfrage möglichst informativ beschreiben sollte. Zugleich sollte das Kategoriensystem möglichst objektiv anwendbar sein. Daher wurden Kategorien mit niedriger Inferenzweite (geringem Interpretationsspielraum) angestrebt, die eine eindeutige Kodierung ermöglichen. Die Kodierung wurde von fortgeschrittenen Masterstudierenden der Psychologie vorgenommen.

Gemeinsam mit dem Erstautor formulierten die Raterinnen und Rater zunächst vorläufige Kategorien, die im Team diskutiert wurden und dann in einer Probekodierung von 100 Stellenanzeigen aus dem Zeitraum Juli / ‌August 2018 modifiziert, ergänzt und bei niedriger Kategorienhäufigkeit auch kombiniert wurden. Die Kategorien wurden dabei mit Beispielen und Kodierhinweisen angereichert und das Ergebnis abermals im Team diskutiert.

Im nächsten Schritt wurde für das resultierende Kategoriensystem die Interrater-Reliabilität (Fleiss’ κ) bestimmt. Dazu wurden von vier Raterinnen und Ratern 85 Anzeigen aus dem Zeitraum Juli / August 2018 und von drei Kodiererinnen 141 Anzeigen aus dem Zeitraum April / Mai 2020 unabhängig voneinander kodiert. Für die Kodierung des Beschäftigungsbereichs (fünf wechselseitig exklusive Kategorien) ergaben sich Reliabilitäten von .87 für den Zeitraum 2018 bzw. .88 für den Zeitraum 2020. Für die Kodierung des Fachgebiets (18 wechselseitig exklusive Kategorien) betrug die Reliabilität .81 (ermittelt nur für den Zeitraum 2020). Für die Kodierung der Tätigkeiten, die in den Stellenanzeigen genannt wurden, ergaben sich mittlere Reliabilitäten von .75 bzw. .80 (Median der Reliabilitäten für 26 unabhängige Kategorien). Für die Kodierung der in den Stellenanzeigen geforderten berufsspezifischen Kompetenzen ergaben sich mittlere Reliabilitäten von .67 bzw. .89 (Median der Reliabilitäten für 16 unabhängige Kategorien). Für die Kodierung der Zielgruppe der Stellenanzeigen ergab sich eine Reliabilität von .86 (bestimmt anhand der unabhängigen Kodierung von 100 Stellenanzeigen aus dem Zeitraum 2020 durch vier Raterinnen). Der geforderte Hochschulabschluss, die Approbation und die Befristung von Stellen erwiesen sich als eindeutig kodierbar.

Für einzelne Tätigkeiten und berufsspezifische Kompetenzen, die sehr selten vorkamen, war Fleiss’ κ kleiner als .60 (bei seltenen Kategorien fallen punktuell divergente Kodierungen stark ins Gewicht). Diese Kategorien wurden im Kodiererteam besprochen. Anschließend wurden die für die Bestimmung der Interrater-Reliabilität kodierten Stellenanzeigen erneut kodiert. Die übrigen Stellenanzeigen in den beiden Zeiträumen wurden im Anschluss jeweils von einer Raterin oder einem Rater kodiert.

Ergebnisse

Im Folgenden berichten wir die Ergebnisse der Inhaltsanalyse entlang der formulierten Forschungsfragen.

Beschäftigungsbereiche

Die Stellenanzeigen verteilten sich nicht gleich auf die fünf hier betrachteten Beschäftigungsbereiche, χ2‍ (df = 4, N = 2023) = 438.35, p < . 001.1 Die meisten Stellenanzeigen entfielen mit etwa einem Drittel auf das Gesundheitswesen (33.51 %, 95 % KI [31.45 %, 35.57 %]), gefolgt von den Bereichen Wirtschaft (23.08 %, 95 % KI [21.24 %, 24.92 %]), Bildungs- und Sozialwesen (21.11 %, 95 % KI [19.33 %, 22.89 %]) und Wissenschaft (17.60 %, 95 % KI [15.94 %, 19.26 %]) mit jeweils etwa einem Fünftel der Stellenanzeigen. Vergleichsweise wenige Stellenanzeigen entfielen auf den Bereich Justiz, Verwaltung und Polizei (4.70 %, KI [3.78 %, 5.62 %]).

Zur Untersuchung der Stabilität wurden Unterschiede in der Verteilung zwischen den beiden Erhebungszeiträumen 2018 und 2020 betrachtet. Zwischen den beiden Zeiträumen zeigten sich signifikante Unterschiede, χ2‍ (df = 4, N = 2023) = 51.42, p < .001 (Abbildung 1). In der Erhebung 2020 wurden anteilig etwas mehr Stellenanzeigen im Gesundheits- sowie im Bildungs- und Sozialwesen veröffentlicht, in Wirtschaft und Wissenschaft dagegen etwas weniger. Das Gesamtmuster der Verteilung fiel in beiden Erhebungszeiträumen allerdings sehr ähnlich aus, und die Unterschiede zwischen den Erhebungszeiträumen waren insgesamt eher gering (Cramérs φ-Koeffizient: φc = .159).

Abbildung 1 Anteil von Stellenanzeigen nach Beschäftigungsbereichen in den Zeiträumen 2018 und 2020 (mit 95 %-Konfidenzintervall).

Fachgebiete der Psychologie

In 42.47 % (95 % KI [40.31 %, 44.62 %]) der Stellenanzeigen wurde kein Fachgebiet der Psychologie explizit genannt, in 55.95 % (95 % KI [53.79 %, 58.11 %]) wurde ein einziges Fachgebiet genannt und nur in 1.48 % (95 % KI [0.96 %, 2.01 %]) wurden zwei Fachgebiete genannt. Das bei der Erstnennung am häufigsten genannte Fachgebiet war die Klinische Psychologie mit 31.41 % (95 % KI [29.39 %, 33,43 %]). Diese Kategorie wurde auch kodiert, wenn in der Anzeige lediglich Psychotherapie oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie genannt wurde. Das am zweithäufigsten genannte Fachgebiet war die Arbeits-‍, Organisations- und Wirtschaftspsychologie mit 11.95 % (95 % KI [10.54 %, 13.63 %]) der Nennungen, gefolgt von der Pädagogischen Psychologie mit 4.15 % (95 % KI [3.28 %, 5.92 %]), der Neuropsychologie und der Rechtspsychologie mit jeweils 1.53 % (95 % KI [1.00 %, 2.07 %]) und der Verkehrspsychologie mit 1.04 % (95 % KI [0.60 %, 1.48 %]). Alle weiteren Fachgebiete wurden jeweils in weniger als 1 % der Stellenanzeigen genannt.

Für die Analyse, wie stabil die Anteile der Nennungen über die beiden betrachteten Zeiträume 2018 und 2020 hinweg waren, wurden die in weniger als 1 % der Anzeigen genannten Fachgebiete zu einer Kategorie zusammengefasst. Die Verteilungen der Fachgebiete unterschieden sich signifikant zwischen den beiden Zeiträumen, χ2 ‍(df = 7, N = 2023) = 34.30, p < . 001 (Abbildung 2). Allerdings waren die Unterschiede zwischen den beiden Erhebungszeiträumen insgesamt eher klein (φc = .130).

Abbildung 2 Anteil von Stellen nach Fachgebieten in den Zeiträumen 2018 und 2020 (mit 95 %-Konfidenzintervall).

Genannte Tätigkeiten

In den analysierten Stellenanzeigen wurden in aller Regel, nämlich in 84.62 % der Fälle, mehrere berufliche Tätigkeiten genannt (M = 3.23, SD = 1.67; Md = 3, Modus = 3). Die Anteile der Nennungen in der Gesamtstichprobe und in den beiden Untersuchungszeiträumen 2018 und 2020 finden sich in Tabelle 1. Neben der Psychotherapie mit einer Nennung in etwa einem Drittel der Anzeigen wurden 13 weitere Tätigkeiten in mehr als 10 % der Anzeigen genannt. Insgesamt wurden 26 verschiedene Tätigkeiten (einschließlich der Restkategorie) genannt, die eine beträchtliche inhaltliche Breite aufwiesen.

Tabelle 1 Anteile der Nennungen beruflicher Tätigkeiten in den Stellenanzeigen

Tabelle 2 listet die Tätigkeiten in den fünf betrachteten Beschäftigungsbereichen auf, die jeweils in mindestens 10 % der Stellenanzeigen genannt wurden. Die Tabelle veranschaulicht beträchtliche Unterschiede in der Heterogenität der ausgeschriebenen Stellen. Während im Gesundheitswesen nur sechs und in der Wissenschaft neun verschiedene Tätigkeiten in den Stellenanzeigen häufiger genannt wurden, sind es in den anderen Bereichen bis zu 15. Bei den Stellen im Gesundheitswesen und der Wissenschaft gibt es zudem jeweils eine charakteristische Tätigkeit, nämlich die Psychotherapie bzw. die Forschung, die in mehr als drei Vierteln der Stellenanzeigen im jeweiligen Bereich genannt wurden. Demgegenüber wurden in den anderen Beschäftigungsbereichen die häufigsten Tätigkeiten jeweils nur in rund der Hälfte der Anzeigen genannt, und mehrere Tätigkeiten kamen ähnlich häufig vor.

Tabelle 2 Häufig genannte berufliche Tätigkeiten in den Stellenanzeigen nach Beschäftigungsbereichen mit Anteil der Stellenanzeigen, in denen die Tätigkeit genannt wurde. Aufgeführt sind Tätigkeiten, die in mindestens 10 % der Anzeigen des jeweiligen Bereichs genannt wurden.

Geforderte Kompetenzen

In den Stellenanzeigen wurde im Mittel nur rund eine einzige berufsspezifische Kompetenz genannt (M = 1.05, SD = 1.19, Md = 1, Modus = 0), mit einer deutlich rechtsschiefen Verteilung: In 40.48 % der Anzeigen wurde überhaupt keine berufstypische Kompetenz genannt, in 31.21 % eine Kompetenz, in 16.44 % zwei Kompetenzen und nur in 11.87 % mehr als zwei Kompetenzen.

In Tabelle 3 sind die genannten berufsspezifischen Kompetenzen aufgeführt, jeweils mit dem Anteil der Stellenanzeigen, in denen sie genannt wurden. Nur vier berufsspezifische Kompetenzen, nämlich Klinisch-psychologische Kompetenzen (oft bestimmte psychotherapeutische Verfahren), Forschungsmethodische Kompetenzen, Beratungskompetenzen und Spezifische IT-Kenntnisse (z. B. Programmierkenntnisse, Kenntnisse in Statistik-Software) wurden in mehr als 10 % der Anzeigen genannt.

Tabelle 3 Anteile der Stellenanzeigen, in denen bestimmte berufsspezifische Kompetenzen genannt wurden

Geforderter Hochschulabschluss

Der in den Stellenanzeigen am häufigsten geforderte (höchste) Hochschulabschluss war ein Masterabschluss der Psychologie. Dieser Abschluss wurde in 56.94 % (95 % KI [54.78 %, 59.10 %]) der Anzeigen genannt. In weiteren 31.83 % (95 % KI [29.80 %, 33.86 %]) wurde ein abgeschlossenes Studium der Psychologie gefordert, ohne dass die Art des Abschlusses näher angegeben war. Ein Bachelorabschluss der Psychologie wurde nur in 4.49 % (95 % KI [3.59 %, 5.39 %]) der Anzeigen gefordert, eine Promotion in 5.88 % (95 % KI [4.86 %, 6.91 %]) und eine Habilitation in 0.84 % (95 % KI [0.49 %, 1.24 %]). Die Stellenanzeigen, in denen eine Promotion oder Habilitation gefordert wurde, waren fast ausschließlich dem Bereich Wissenschaft zuzuordnen (Promotion: 83.19 %, 95 % KI [81.46 %, 84.82 %]; Habilitation: 94.12 %, 95 % KI [93.10 %, 95.14 %]). Die Verteilungen der geforderten Abschlüsse unterschieden sich signifikant, aber, wie Abbildung 3 zeigt, nur geringfügig zwischen den betrachteten Zeiträumen 2018 und 2020, χ2 ‍(df = 4, N = 2023) = 10.20, p = .037 (φc = .071).

Abbildung 3 Anteile des geforderten (höchsten) Hochschulabschlusses in den Zeiträumen 2018 und 2020 (mit 95 %-Konfidenzintervall).

Geforderte Approbation

Für knapp drei Viertel der ausgeschriebenen Stellen wurde keine Approbation gefordert (72.52 %, 95 % KI [70.58 %, 74.47 %]). Für 11.42 % (95 % KI [10.03 %, 12.81 %]) wurde eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin / Psychologischer Psychotherapeut und für 1.24 % (95 % KI [0.76 %, 1.72 %]) eine Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / -psychotherapeut gefordert; für weitere 1.58 % (95 % KI [1.04 %, 2.12 %]) der Stellen war angegeben, dass eine Approbation wünschenswert sei. In 13.25 % (95 % KI [11.77 %, 14.73 %]) der Stellenanzeigen wurde eine Psychotherapeutin / ein Psychotherapeut in Ausbildung (PiA) gesucht.

Die Verteilungen der genannten Kategorien unterschieden sich kaum (Abbildung 4a) und nicht signifikant zwischen den beiden Zeiträumen 2018 und 2020, χ2 ‍(df = 4, N = 2023) = 7.36, p = .118 (φc = .060).

Ob eine Approbation (bzw. eine Ausbildung, die auf eine Approbation hinführt) gefordert wird oder erwünscht ist, variierte hingegen deutlich und signifikant zwischen den verschiedenen Bereichen, für die Psychologinnen und Psychologen gesucht werden, χ2 ‍(df = 16, N = 2023) = 812.10, p < .001 (φc = .317). Abbildung 4b zeigt die Verteilung der approbationsbezogenen Kategorien innerhalb der Beschäftigungsbereiche. Daraus wird ersichtlich, dass eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin / ‌Psychologischer Psychotherapeut oder als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / -psychotherapeut bei Stellenanzeigen im Gesundheitswesen stark gefragt war, wobei auch dort etwa ein Drittel der angebotenen Stellen keine Approbation erforderte. Bei Stellen im Bildungs- und Sozialwesen sowie im Justiz-, Verwaltungs- und Polizeiwesen wurde eine Approbation (bzw. eine Ausbildung, die auf eine Approbation hinführt) bei etwa einem Fünftel bzw. einem Sechstel der ausgeschriebenen Stellen gefordert. Bei Stellen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft wurde eine Approbation sehr selten gefordert – mit Ausnahme von wissenschaftlichen Stellen im Fachgebiet Klinische Psychologie.

Abbildung 4 Anteile der Stellen, für die eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin / Psychologischer Psychotherapeut, als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / ‌-psychotherapeut oder ein entsprechender Ausbildungsgang gefordert oder gewünscht sind, in den Zeiträumen 2018 und 2020 (Abbildung 4a) und innerhalb von Beschäftigungsbereichen (Abbildung 4b) (mit 95 %-Konfidenzintervall).

Befristung der ausgeschriebenen Stellen

Die ausgeschriebenen Stellen waren in knapp drei Viertel der Fälle (72.13 %) unbefristet (95 % KI [70.18 %, 74.08 %]). Der Anteil unbefristeter Stellen war im Zeitraum 2020 mit 74.22 % (95 % KI [71.80 %, 76.64 %]) etwas höher als im Zeitraum 2018, in dem der Anteil unbefristeter Stellen nur 68.71 % (95 % KI [65.43 %, 71.99 %]) betrug, χ2 ‍(df = 1, N = 2024) = 7.21, p = .007. Der Effekt ist allerdings sehr klein (φ = .06).

Der Anteil unbefristeter Stellen unterschied sich zudem in nicht unerheblichem Maße zwischen den Beschäftigungsbereichen, χ2 ‍(df = 4, N = 2022) = 381.38, p < .001, φc = .434. Der Anteil unbefristeter Stellen war mit 90.15 % (95 % KI [87.45 %, 92.85 %]) am höchsten im Bereich der Wirtschaft, gefolgt von den Bereichen Bildungs- und Sozialwesen mit 78.45 % (95 % KI [74.55 %, 82.35 %]), Gesundheitswesen mit 77.73 % (95 % KI [74.60 %, 80.86 %]) und Justiz, Verwaltung und Polizei mit 65.96 % (95 % KI [56.83 %, 75.54 %]). In der Wissenschaft war der Anteil der ausgeschriebenen unbefristeten Stellen mit Abstand am geringsten und betrug nur 32.02 % (95 % KI [27.17 %, 36.87 %]).

Stellen nur für Psychologinnen und Psychologen oder für Psychologinnen und Psychologen und andere Berufsgruppen

Die ausgeschriebenen Stellen richteten sich in gut der Hälfte der Fälle (51.06 %) ausschließlich an Psychologinnen und Psychologen (95 % KI [48.88 %, 53.24 %]), in weiteren 8.15 % (95 % KI [6.23 %, 10.07 %]) richteten sich die ausgeschriebenen Stellen an Psychologinnen und Psychologen und Personen mit einem vergleichbaren Abschluss und in 40.79 % (95 % KI [38.65 %, 42.93 %]) an Psychologinnen und Psychologen und explizit genannte andere Berufsgruppen. Der Anteil an Stellen, die sich ausschließlich an Psychologinnen und Psychologen richteten, war im Zeitraum 2020 mit 55.80 % (95 % KI [53.06 %, 58.54 %]) höher als im Zeitraum 2018, in dem der Anteil dieser Stellen nur 43.29 % (95 % KI [39.78 %, 46.80 %]) betrug. Dagegen war der Anteil von Stellen, die sich auch an andere explizit genannte Berufsgruppen richtete, im Zeitraum 2020 mit 36.17 % (95 % KI [33.51 %, 38.82 %]) geringer als im Zeitraum 2018 mit 48.37 % (95 % KI [44.83 %, 51.91 %]) (Abbildung 5a). Die Unterschiede zwischen den Zeiträumen waren signifikant, χ2 ‍(df = 2, N = 2025) = 32.07, p < .001, aber nur mit einer eher geringen Effektstärke assoziiert (φc = .13).

Wir untersuchten außerdem, ob sich die Anteile von Stellen, die sich an Psychologinnen und Psychologen bzw. auch an andere Berufsgruppen richten, zwischen den Beschäftigungsbereichen unterscheiden. In der Tat zeigten sich hier deutliche Unterschiede, χ2 ‍(df = 8, N = 2023) = 807.57, p < .001, φc = .45 (Abbildung 5b). Während sich im Gesundheitswesen 86.28 % (95 % KI [83.69 %, 88.87 %]) der Stellen ausschließlich an Psychologinnen und Psychologen richteten, waren es im Bereich der Wirtschaft nur 13.28 % (95 % KI [10.20 %, 16.35 %]). Im Bildungs- und Sozialwesen betrug der Anteil dieser Stellen 54.10 % (95 % KI [49.37 %, 58.82 %]) und in der Wissenschaft 25.28 % (95 % KI [20.82 %, 29.74 %]). Im Bereich der Wissenschaft war allerdings auch der Anteil der Stellen, die sich an Psychologinnen und Psychologen und Personen mit einem vergleichbaren Abschluss richteten, mit 21.63 % (95 % KI [17.41 %, 25.85 %]) relativ hoch.

Abbildung 5 Anteile der Stellen, die nur für Psychologinnen und Psychologen, für Psychologinnen und Psychologen oder Personen mit einem vergleichbaren Abschluss oder für Psychologinnen und Psychologen oder Personen mit spezifischen anderen Abschlüssen ausgeschrieben sind, in den Zeiträumen 2018 und 2020 (Abbildung 5a) und nach Beschäftigungsbereichen (Abbildung 5b) (mit 95 %-Konfidenzintervall).

Diskussion

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, anhand einer systematischen Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen aus zwei Zeiträumen (Mitte Juli bis Mitte August 2018 und Mitte April bis Mitte Mai 2020) einen Überblick über den Stellenmarkt für Psychologinnen und Psychologen zu gewinnen. Für die Inhaltsanalyse wurden acht Forschungsfragen formuliert, die als Leitfaden für die Diskussion der Ergebnisse dienen sollen. Die Ergebnisse erwiesen sich als weitgehend vergleichbar für die beiden Zeiträume 2018 und 2020, sodass wir von einer weitgehenden Stabilität der Anteile ausgehen und die sporadisch aufgetretenen, eher kleinen Unterschiede im Folgenden nicht diskutieren.

Forschungsfrage 1: In welchen Bereichen (Branchen) werden Psychologinnen und Psychologen gesucht?

Nach den Ergebnissen unserer Analyse sind Psychologinnen und Psychologen in verschiedenen Branchen gefragt. Etwa ein Drittel der Stellenanzeigen ließ sich dem Gesundheitswesen zuordnen. Mit jeweils etwa einem Fünftel der Stellenanzeigen waren das Bildungs- und Sozialwesen, Wirtschaftsunternehmen und die Wissenschaft (also Universitäten, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) ebenfalls substanziell vertreten. Wenige Stellenanzeigen waren dem Bereich Justiz, Verwaltung und Polizei zuzuordnen. Insgesamt macht die Analyse der Beschäftigungsbereiche die Vielfalt der psychologischen Berufsfelder deutlich, die ein Psychologiestudium eröffnet. Kein Beschäftigungsbereich erwies sich als dominant.

Forschungsfrage 2: Werden in den Stellenanzeigen bestimmte Fachgebiete der Psychologie genannt und wenn ja, welche?

Auch die Fachgebiete, die in den Stellenanzeigen genannt wurden, waren sehr breit verteilt. Stellen im Bereich Klinische Psychologie / Psychotherapie waren mit knapp einem Drittel am häufigsten vertreten, aber etwa gleich viele Stellenanzeigen ließen sich anderen Fachgebieten zuordnen, wobei das gesamte Fächerspektrum der Psychologie zu finden war. Das Hauptergebnis ist aber zweifellos der Befund, dass im größten Teil der Stellenanzeigen, mehr als 40 %, kein bestimmtes Fachgebiet der Psychologie genannt war. Ein großer Teil der für Psychologinnen und Psychologen ausgeschriebenen Stellen scheint also – bezogen auf die Fachgebiete der Psychologie – multidisziplinär ausgerichtet zu sein.

Dieser Befund stellt Analysen des Stellenmarkts für Psychologinnen und Psychologen infrage, in denen Beschäftigungsbereiche mit einzelnen Fachgebieten der Psychologie vermischt werden. Beispiele für solche Analysen finden sich etwa auf der Webseite „Arbeitsmarkt für Psychologen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) (https://studium.dgps.de/berufsfelder/arbeitsmarkt-fuer-psychologen/) oder in den Arbeitsmarktanalysen, die eine Zeitlang im Bericht der Präsidentin und des Präsidenten der DGPs zur Lage der Psychologie veröffentlicht wurden (zuletzt von Antoni, 2019). Nach unseren Befunden sind die in diesen Analysen berichteten Zahlen in Zweifel zu ziehen, weil für die meisten der ausgeschriebenen Stellen eine klare Zuordnung zu einzelnen Fachgebieten der Psychologie gar nicht möglich ist. Zudem taucht in den Analysen der DGPs nur eine kleine Teilmenge der Fachgebiete (nämlich Klinische Psychologie, Arbeits- / Organisations- / Wirtschafts-‍, Rechts-‍, Gesundheits- und Verkehrspsychologie) auf. Dabei bleibt unklar, warum nur diese Fachgebiete für die Benennung von Beschäftigungsbereichen berücksichtigt wurden und nach welchen Kriterien die Klassifikation erfolgte. Unsere Befunde verdeutlichen, dass eine Auswertung nach einzelnen Fachgebieten mit einer deutlichen Verkürzung dessen einhergeht, was in den Stellenanzeigen zum Ausdruck kommt.2

Im Hinblick auf die Planung und Gestaltung von Studienprogrammen jenseits des Approbationsstudiums Psychotherapie legen unsere Ergebnisse nahe, dass stark spezialisierte, an einzelnen Fachgebieten der Psychologie ausgerichtete Masterstudiengänge („M.Sc. in XY-Psychologie“) den Absolventinnen und Absolventen bestenfalls einen kleinen Teil des Stellenmarkts erschließen. Die Ergebnisse stützen dagegen die von verschiedenen Seiten geäußerte Vermutung, dass inhaltlich breiter aufgestellte Studienprogramme wie ein M.Sc. Psychologie mit individueller Schwerpunktsetzung eine bessere Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt jenseits der Psychotherapie bieten und den Absolventinnen und Absolventen die größte Flexibilität bei der Stellensuche und bei einer etwaigen beruflichen Neuorientierung ermöglichen (z. B. Bermeitinger et al., 2016; Richter, 2020; Richter et al., 2019; Tuschen-Caffier et al., 2020). Durch das Studium bestimmter Schwerpunkte, die etwa in Form von Wahlpflichtbereichen angeboten werden, können auch inhaltlich breiter angelegte Programme den Besonderheiten einzelner Beschäftigungsbereiche und den dabei jeweils relevanten beruflichen Tätigkeiten Rechnung tragen (s. Forschungsfrage 3).

Forschungsfrage 3: Welche Tätigkeiten werden in den Stellenanzeigen genannt?

Auch die Analyse der Tätigkeiten, die in den Stellenanzeigen genannt wurden, weist auf einen vielfältigen und heterogenen Stellenmarkt der Psychologie hin. In den Stellenanzeigen wurden in der Regel jeweils mehrere Tätigkeiten angeführt, die sich zudem sehr breit über zahlreiche Kategorien verteilten. Nur in zwei Beschäftigungsbereichen, dem Gesundheitswesen und der Wissenschaft, ließen sich mit der Psychotherapie bzw. der Forschung Tätigkeiten ausmachen, die in deutlich mehr als der Hälfte der Stellenanzeigen vorkamen und insofern für den jeweiligen Beschäftigungsbereich kennzeichnend sind. Die Stellenanzeigen in den anderen Beschäftigungsbereichen sind dagegen durch eine größere Bandbreite an Tätigkeiten gekennzeichnet, die eher lose Cluster bilden. Wenn man die Rangreihen der Nennungshäufigkeiten in Betracht zieht, lassen sich gleichwohl inhaltlich gut interpretierbare Unterschiede zwischen den Beschäftigungsbereichen feststellen, etwa zwischen dem Bildungs- und Sozialwesen, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Diese Befunde können dabei helfen, die Masterstudiengänge der Psychologie professionsorientierter zu gestalten, indem neben allgemeinen wissenschaftlich-psychologischen Grundlagen auch Kompetenzen vermittelt werden, die gezielt auf Tätigkeiten in bestimmten Beschäftigungsbereichen vorbereiten (Tuschen-Caffier et al., 2020).

Forschungsfrage 4: Welche Kompetenzen werden von Psychologinnen und Psychologen erwartet?

Bei den genannten berufsspezifischen Kompetenzen fällt zunächst auf, dass in den Stellenanzeigen nur sehr wenige Kompetenzen – im Mittel lediglich eine einzige – genannt wurden. Möglicherweise enthalten die in den Stellenanzeigen genannten Tätigkeiten selbst bereits implizit ein Kompetenzprofil, sodass sich konversationslogisch eine gesonderte Auflistung von geforderten Kompetenzen erübrigt. Auch die Tatsache, dass sich die Stellenanzeigen an Psychologinnen und Psychologen richten, könnte per se schon ein gewisses Kompetenzprofil vorgeben, weil das Studium der Psychologie bislang ja in weiten Teilen einer standardisierten Struktur folgt (gefördert durch Rahmenempfehlungen der DGPs für die Gestaltung von Studiengängen und entsprechende Gütesiegel). Diese Interpretation wird durch die Beobachtung gestützt, dass die in den Stellenanzeigen genannten Kompetenzen meist sehr spezifischer Natur sind (z. B. spezielle Therapieverfahren oder Softwareprogramme).

Abgesehen davon weisen auch die in den Stellenanzeigen genannten Kompetenzen eine breite Verteilung und eine große inhaltliche Spannweite auf. Dies stützt die allgemeine Schlussfolgerung, dass der Stellenmarkt für Psychologinnen und Psychologen heterogen und vielfältig ist.

Forschungsfrage 5: Über welchen Hochschulabschluss müssen Psychologinnen und Psychologen verfügen?

Für die überwiegende Mehrzahl der ausgeschriebenen Stellen war ein Masterabschluss der Psychologie erforderlich. Der Anteil der Stellen, in denen ausdrücklich nur ein Bachelorabschluss angegeben war, war demgegenüber sehr gering. In etwa einem Drittel der Fälle wurde zwar lediglich ein „abgeschlossenes Hochschulstudium der Psychologie“ gefordert, womit aber in der Regel ein Diplom- oder Masterabschluss gemeint sein dürfte. Eine Promotion oder gar Habilitation spielte für Stellen in der Wissenschaft, aber kaum in praktischen Berufsfeldern eine Rolle.

Forschungsfrage 6: Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen wird eine Approbation verlangt?

Eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin / ‌Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / -psychotherapeut bzw. die Teilnahme an einer Ausbildung, die auf eine Approbation hinführt (Psychologe / Psychologin in Ausbildung, PiA), wurde in gut einem Viertel der Stellenanzeigen gefordert, insbesondere bei Stellen im Bereich des Gesundheitswesens. Diese Zahl liegt in der Größenordnung des Anteils der approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an der Gesamtzahl der arbeitstätigen Psychologinnen und Psychologen. Laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2019) gab es 2018 etwa 129 000 Erwerbstätige mit einem abgeschlossenen Psychologiestudium, während im gleichen Zeitraum 46 427 Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten aktiv beschäftigt waren (Quelle: Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, www.gbe-bund.de). Auf dieser Basis kann man schätzen, dass gut ein Drittel der berufstätigen Psychologinnen und Psychologen psychotherapeutisch tätig ist. Wenn man bedenkt, dass selbstständige Tätigkeiten in einer psychotherapeutischen Praxis in unseren Analysen nicht erfasst wurden, scheint der hier berichtete Anteil von gut einem Viertel eine realistische Schätzung des Populationsanteils der ausgeschriebenen Stellen zu sein, die eine Approbation erfordern. Mit einer Approbation als Psychotherapeutin / Psychotherapeut erschließt sich also ein wichtiger und großer Teil des Stellenmarkts für Psychologinnen und Psychologen. Der weitaus größere Teil der Stellen ist aber jenseits der Psychotherapie zu finden und steht auch Psychologieabsolventinnen und -absolventen ohne Approbation offen.

Forschungsfrage 7: Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen sind die angebotenen Stellen befristet?

Unter den ausgeschriebenen Stellen war mit rund drei Vierteln ein erfreulich großer Anteil an unbefristeten Stellen zu finden. Allerdings variierte dieser Anteil stark zwischen den Beschäftigungsbereichen, mit besonders vielen unbefristeten Stellen im Bereich der Wirtschaft und mit besonders wenigen unbefristeten Stellen im Bereich der Wissenschaft (rund ein Drittel). Der hohe Anteil befristeter Stellen in der Wissenschaft ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass Weiterqualifikationsstellen für (Post–)‌Doktorandinnen und (Post–) Doktoranden in der Wissenschaft fast immer befristet sind. Dieser Umstand muss nicht negativ bewertet werden, weil viele Absolventinnen und Absolventen die Promotion auch als Sprungbrett für praktisch orientierte Tätigkeiten außerhalb der Wissenschaft nutzen dürften. Allerdings zeigen die Analysen auch, dass außerhalb der Wissenschaft eine Promotion eher selten verlangt wird. Unsere Analysen geben keine Auskunft darüber, inwieweit ein Wechsel in ein praktisches Berufsfeld nach der Promotion tatsächlich mit verbesserten Karrierechancen einhergeht.

Forschungsfrage 8: Wie häufig und in welchen Beschäftigungsbereichen richten sich die angebotenen Stellen nur an Psychologinnen und Psychologen bzw. auch an andere Berufsgruppen?

Unsere Analyse zeigt, dass sich etwa die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen auch an Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge richtet, mit großen Unterschieden zwischen den Beschäftigungsbereichen. Mit Ausnahme der Stellen in der Wirtschaft, wo der Anteil exklusiver Psychologiestellen gering ist, gilt allerdings für alle Beschäftigungsbereiche, dass in der Mehrzahl der Fälle entweder nur Personen mit einem Abschluss in Psychologie oder Personen mit einem Abschluss in Psychologie und vergleichbaren Fächern gesucht werden. Dieser Befund legt nahe, dass Psychologinnen und Psychologen die präferierten Kandidatinnen und Kandidaten sind. Inwieweit das auch bei den Stellenanzeigen der Fall ist, in denen Psychologinnen und Psychologen, aber auch Absolventinnen und Absolventen spezifischer anderer Fächer gesucht werden, kann unsere Analyse nicht aufklären. Bei der Gestaltung von psychologischen Masterstudiengängen könnte es sich empfehlen, das Angebot an nicht psychologischen Nebenfächern so zu gestalten, dass in den Stellenanzeigen häufig genannte Fächerkombinationen mit abgedeckt werden (die zusätzlich genannten Fächer sind in den auf OSF verfügbaren Daten enthalten). Damit könnten die Passung und die Bewerbungschancen der Psychologieabsolventinnen und -absolventen für bestimmte Beschäftigungsbereiche, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, erhöht werden.

Einschränkungen der vorliegenden Studie und Anregungen für weitere Forschung

Unsere Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen liefert einen Überblick über einen relevanten Ausschnitt, aber kein vollständiges Bild des Arbeitsmarkts für Psychologinnen und Psychologen. So wurden die in zwei einmonatigen Zeitfenstern in den Jahren 2018 und 2020 erschienenen Stellenanzeigen analysiert. Die erwähnte Stabilität der zentralen Ergebnisse über beide Zeiträume lässt vermuten, dass die betrachteten Zeiträume recht repräsentativ sind. Eine noch umfangreichere Erhebung wäre aber sicherlich wünschenswert. Auch konnten Stellen nicht berücksichtigt werden, die nicht entsprechend ausgeschrieben sind, aber gleichwohl für Psychologinnen und Psychologen in Frage kommen. Wie groß dieser Teil des „interdisziplinären“ Stellenmarkts ist und wie er strukturiert ist, sind wichtige, aber derzeit offene Fragen. Auch selbstständige Tätigkeiten, die einen beträchtlichen Teil des Arbeitsmarkts für Psychologinnen und Psychologen ausmachen (die Bundesagentur für Arbeit, 2019, schätzt den Anteil auf 43 %), wurden von unserer Analyse nicht erfasst. Schließlich existiert ein „grauer“ Stellenmarkt unbekannten Umfangs, in dem Stellen ohne eine öffentliche Stellenausschreibung vergeben werden.

Eine Möglichkeit, diese offenen Fragen zu beantworten, wäre die Durchführung einer systematischen Absolventenstudie, bei der Absolventinnen und Absolventen der Psychologie nach ihren derzeitigen Beschäftigungsmöglichkeiten und Karriereplänen befragt werden. Die letzte umfassendere Befragung dieser Art wurde im Jahr 2003 durchgeführt (Schneller & Schneider, 2004; s. auch Schneider, 2005), sodass eine neue Absolventenstudie, idealerweise mit einer Befragung unterschiedlicher Kohorten von Absolventinnen und Absolventen und mit einer Untersuchung der Karrierewege promovierter Psychologinnen und Psychologen, überfällig scheint.

Wir danken herzlich den studentischen Hilfskräften, die an der Kodierung der Stellenanzeigen beteiligt waren: Lisa Bergmann, Luisa Brunner, Sarah Engel, Johanna Grimm, Annika Hirschlein, Laura Christin Katz, Katharina Maschewski, Fabienne Schmid, Isabel Stangier, Jannik Thassler.

Literatur

1Die Einteilung in Beschäftigungsbereiche unterscheidet sich von der amtlichen Klassifikation der Wirtschaftszweige (Statistisches Bundesamt, 2008) wie folgt: Das Gesundheitswesen wurde als eigene Kategorie aufgenommen (statt der kombinierten Kategorie „Gesundheits- und Sozialwesen“ in der amtlichen Klassifikation), um dem Stellenwert von psychotherapeutischen Tätigkeiten Rechnung zu tragen, die weit überwiegend im Gesundheitswesen angesiedelt sind. Weiterhin wurde eine kombinierte Kategorie „Bildungs- und Sozialwesen“ gebildet, da viele psychologische Tätigkeiten nicht eindeutig entweder dem Bildungswesen („Erziehung und Unterricht“ in der amtlichen Klassifikation) oder dem Sozialwesen zugeordnet werden können (z. B. Stellen in der Erziehungs-‍, Familien- und Bildungsberatung). Zudem wurde die Wissenschaft als wichtiger Beschäftigungsbereich aufgenommen, der in der amtlichen Klassifikation gar nicht vorkommt. Alle übrigen Wirtschaftszweige, die in der amtlichen Klassifikation sehr differenziert aufgeschlüsselt werden, wurden zu einer Kategorie „Wirtschaft“ zusammengefasst.

2Die DGPs-Daten konnten leider nicht – wie eigentlich geplant – für eine Kreuzvalidierung der hier berichteten Ergebnisse genutzt werden, weil die DGPs das für die eigenen Analysen gesammelte Datenmaterial nicht archiviert hat.