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Selbstkonzept und Schulleistungen von Grundschülern mit ADHS-Symptomen

Published Online:https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000102

Abstract

Diese Studie untersucht, ob Kinder mit Symptomen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ein positiv illusorisches Selbstkonzept (Positive Illusory Bias, Hoza, Pelham, Dobbs, Owens & Pillow, 2002) bezüglich ihrer Schulleistungen aufzeigen. Dazu wird das akademische Selbstkonzept von Zweitklässlern im Lesen, Schreiben und Rechnen mit den entsprechenden Schulleistungen in Beziehung gesetzt. Kinder, die laut Lehrerurteil ADHS-Symptome zeigen (n = 262) überschätzen im Vergleich zu Kindern ohne ADHS-Symptome (n = 981) ihre Leistungen deutlich stärker. Keine Gruppenunterschiede finden sich hingegen, wenn Kinder mit ADHS-Symptomen einer nach Schulleistung parallelisierten Kontrollgruppe gegenübergestellt werden. Zudem schätzen sich Kinder mit ADHS-Symptomen in dem Leistungsbereich am besten ein, in dem sie auch am besten abschneiden. Die Analysen legen die Vermutung nahe, dass der Positive Illusory Bias nicht spezifisch für die ADHS ist.

Self-concept and academic achievement of elementary school students with ADHD symptoms

This study investigates whether children with attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD) symptoms show a positive illusory bias (Hoza et al. 2002) with respect to their academic achievement. Therefore, the self-concept in reading, writing, and math of second graders was related to their academic achievement in these domains. Children with ADHD symptoms as according to teacher ratings (n = 262) overestimated their achievement more than children without ADHD symptoms (n = 981). However, when children with ADHD symptoms were compared to a control group matched for academic achievement, no group differences were found. Furthermore, children with ADHD symptoms had the highest self-concept in the domain of their best performance. Our data suggests that the positive illusory bias is not specific for ADHD.

Eine Schlüsselrolle für das erfolgreiche Abschneiden in schulischen Lern- und Leistungssituationen wird dem akademischen Selbstkonzept zugeschrieben, also den Vorstellungen und Bewertungen von Schülern über ihre eigenen schulischen Fähigkeiten. Empirische Studien belegen, dass ein hohes Selbstkonzept mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung, einer ausgeprägten Lern- und Leistungsmotivation und guten schulischen Leistungen einher geht (Bong & Skaalvik, 2003; Guay, Ratelle, Roy & Litalien, 2010; Marsh & Craven, 2006). Einerseits beeinflussen dabei schulische Leistungen das Selbstkonzept und andererseits beeinflusst das Selbstkonzept wiederum die schulische Leistungsentwicklung (Guay, Marsh & Boivin, 2003; Marsh & Craven, 2006).

Kurz nach Schuleintritt zeigen fast alle Kinder ein sehr positives akademisches Selbstkonzept (Helmke, 1998) und nicht wenige Kinder halten sich für die Besten ihrer Klasse. Im Verlauf der Grundschulzeit nimmt der Zusammenhang zu Außenkriterien deutlich zu, und es bilden sich bis zur frühen Adoleszenz in zunehmendem Maße differenzierte fach- und bereichsspezifische Selbstkonzeptfacetten aus (Marsh & Ayotte, 2003). Während das akademische Selbstkonzept insgesamt über alle Domänen hinweg sinkt, finden sich bei den meisten Schülern Bereiche, in denen das Selbstkonzept intraindividuell stabil bleibt oder sogar noch ansteigt (Eccles, Wigfield, Harold & Blumenfeld, 1993). Für die Genese des akademischen Selbstkonzepts sind explizite und implizite Leistungsrückmeldungen anderer (z. B. der Lehrer) bedeutsam. Häufige Misserfolgserlebnisse und ein ungünstiger Attributionsstil können sich negativ auf das schulische Selbstkonzept auswirken (z. B. Peterson & Buchanan, 1995). Eine Gruppe von Schülern ist besonders häufig von Misserfolgserlebnissen und ungünstigen Leistungsrückmeldungen betroffen: Schüler mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS; Whalen, Henker & Dotemoto, 1981).

ADHS ist durch die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität charakterisiert (Döpfner, 2008). Um ADHS zu diagnostizieren, müssen diese Auffälligkeiten vor dem sechsten Lebensjahr aufgetreten sein und sich in Situationen zeigen, die längere Phasen der Ruhe und Aufmerksamkeit erfordern (ICD 10; WHO, 2009). Nach dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS, Huss, Hölling, Kurth & Schlack, 2008) weisen im Grundschulalter 6.4 % der Kinder eine ADHS-Diagnose und weitere 5.3 % einen Verdacht auf eine ADHS-Diagnose auf. Letztere Kinder zeigen also erhöhte Ausprägungen bezüglich der Kernsymptome, jedoch werden rein quantitativ die Kriterien nicht erfüllt, um eine ADHS-Diagnose stellen zu können. Kinder mit ADHS-Symptomen haben häufig Lern- und Leistungsstörungen (z. B. Lese-Rechtschreibstörungen; DuPaul & Volpe, 2009) und meist schlechtere Schulleistungen als Kinder ohne ADHS-Symptome, was sich in Schulleistungstests und in den Zeugnissen widerspiegelt (McConaughy, Volpe, Antshel Gordon & Eiraldi, 2011). Insgesamt zählen Kinder mit ADHS-Symptomen oft zu den Schülern, die trotz einer durchschnittlichen Intelligenz schwache Schulleistungen erbringen (Frazier, Youngstrom, Glutting & Watkins, 2009). Neben Problemen in der Schule haben Kinder mit ADHS häufig Probleme im Sozialverhalten bzw. leiden oft unter komorbiden Störungen des Sozialverhaltens (Witthöft, Koglin & Petermann, 2010). Zudem treten vermehrt Konflikte in der Beziehung zu Eltern (Johnston & Mash, 2001), anderen Erwachsenen (Nijmeijer, Minderaa, Buitelaar, Mulligan, Hartman & Hoekstra, 2008) und Gleichaltrigen (Murray-Close et al., 2010) auf.

Das Selbstkonzept von Kindern mit ADHS-Symptomen

Aufgrund der multiplen psychosozialen Belastungen liegt die Vermutung nahe, dass Kinder mit ADHS ein dementsprechend ungünstiges Selbstkonzept aufweisen. Die empirische Befundlage hierzu ist heterogen: In einigen Studien finden sich Hinweise darauf, dass Kinder mit ADHS-Symptomen ein negativeres Selbstkonzept und eine geringere Selbstwirksamkeitserwartung als Kinder ohne ADHS haben (z. B. Treuting & Hinshaw, 2001; Schöning & Steins, 2002; Slomkowski, Klein & Mannuzza, 1995). Konträr zu diesen Befunden wurde wiederholt berichtet, dass Kinder mit ADHS ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen und ein vergleichbar hohes Selbstkonzept aufweisen wie Kinder ohne ADHS (z. B. Owens, Goldfine, Evangelista, Hoza & Kaiser, 2007). Dieses als Positive Illusory Bias (PIB) bezeichnete Phänomen wurde zum Beispiel von Hoza und Kollegen (2002) untersucht: Demnach schätzen Kinder mit ADHS ihre akademischen und sozialen Fähigkeiten zwar tendenziell negativer ein als Kinder ohne ADHS, zeigen aber im Vergleich zur Lehrereinschätzung eine deutliche Selbstüberschätzung. Die Selbstüberschätzung wird dabei meist durch die Berechnung von Diskrepanzwerten ermittelt. Nach der Transformierung der unterschiedlichen Indikatoren auf dasselbe Skalenniveau, wird entweder die Lehrereinschätzung oder das Ergebnis eines standardisierten Leistungstests von den Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler subtrahiert. Ein positiver Wert entspricht dabei einer Überschätzung, ein negativer Wert einer Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten (siehe Hoza et al., 2002). Kinder mit ADHS-Symptomen zeigten in bisherigen Studien im Vergleich zu Kindern ohne ADHS-Symptome deutlich höhere positive Diskrepanzwerte.

Ursachen des Positive Illusory Bias

Für die Erklärung des PIB liegen verschiedene theoretische Ansätze vor, die neuropsychologische Defizite (Owens & Hoza, 2003), die kognitive Entwicklung (Milich, 1994), Selbstschutzmechanismen (Hoza, Murray-Close, Arnold, Hinshaw & Hechtman, 2010; Ohan & Johnston, 2002) oder die Unfähigkeit zur Kompetenzbewertung (Dunning, Johnson, Ehrlinger & Kruger, 2003) thematisieren. Ein weiterer Grund für die Selbstüberschätzung von Kindern mit ADHS-Symptomen könnte die im Vergleich zu den Kontrollgruppen schlechtere Schulleistung sein. Während gute Schüler ihre Leistungen kaum mehr deutlich überschätzen können, gibt es bei leistungsschwachen Schülern mehr Raum für eine Überschätzung der eigenen Leistung. Aus diesem Grund gilt es als aussagefähiger, Kinder mit ADHS-Symptomen mit unauffälligen Kindern zu vergleichen, die ähnliche schulische Leistungen zeigen (Owens et al., 2007). Der PIB wurde bisher in der Altersgruppe von 7 – 13 Jahren untersucht (Owens et al., 2007), ohne dass sich dabei Alterseffekte gezeigt hätten (Owens & Hoza, 2003).

Ein Vorteil des PIB könnte darin liegen, dass er die Schülerinnen und Schüler möglichweise vor einer motivationalen Abwärtsspirale schützt. Ein Nachteil könnte hingegen darin liegen, dass eine deutliche Überschätzung der eigenen Fähigkeiten eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bereich verhindert, in dem Leistungsdefizite bestehen (Stone & May, 2002). Weitere Forschung ist notwendig, um festzustellen, ob und wann ein PIB eine positive Schutzfunktion hat oder sich eher negativ auf die schulische Leistungsentwicklung auswirkt (Owens et al., 2007).

In Hinblick auf die Diskrepanz zwischen Selbstkonzept und Lehrereinschätzung konnten viele Studien Belege für den PIB finden. Die Befundlage bezüglich der Diskrepanz zwischen Selbstkonzept und Leistungstests ist jedoch spärlich, obwohl die tatsächliche Fähigkeit bzw. das erreichte Kompetenzniveau anhand objektiver Kriterien festgestellt und mit der subjektiven Einschätzung verglichen werden kann. Lediglich die Studie von Owens und Hoza (2003) erfasst schulische Leistungen von Kindern durch Lehrereinschätzungen und Leistungstests und zeigt auch hier den PIB auf. Unklar ist jedoch bisher, ob die höhere Diskrepanz bei Kindern mit ADHS bereits durch die Leistungsunterschiede zwischen den Gruppen erklärbar ist. Da ADHS mit schlechteren Schulleistungen einhergeht, sind diese beiden Faktoren in den meisten Studien konfundiert. Deshalb konnte bisher nicht geklärt werden, ob sich deutlich höhere Diskrepanzwerte bei Kindern mit ADHS-Symptomen auch dann finden, wenn sie mit Kindern ohne ADHS kontrastiert werden, die ähnlich schlechte schulische Leistungen zeigen. Zudem erweist sich das in PIB-Studien meist verwendete Verfahren The Self Perception Profile for Children (Harter, 1985) als problematisch, da es das akademische Selbstkonzept eindimensional erfasst, aber mit unterschiedlichen Leistungsdimensionen (Lesen und Rechnen) in Beziehung gesetzt wird. Dies ist problematisch, da Schüler ihre eigenen Leistungen nicht nur mit denen anderer Mitschüler vergleichen, sondern auch einen Vergleich zwischen verschiedenen Bereichen (z. B. verbale vs. mathematische Kompetenzen im dimensionalen Vergleich) vollziehen (siehe Internal/External Frame of Reference Model; Marsh, 1986). Dieser dimensionale Vergleich führt dazu, dass das mathematische und verbale Selbstkonzept bereits am Anfang der Grundschule zwei voneinander unabhängige Faktoren darstellen (Marsh, 1989). Um der Mehrdimensionalität des Selbstkonzepts Rechnung zu tragen, sollten das verbale und mathematische Selbstkonzept einzeln mit den jeweiligen Leistungsbereichen in Beziehung gesetzt werden.

Hoza und Kollegen (2002) gehen davon aus, dass sich Kinder mit ADHS in dem Bereich überschätzen, in dem sie besondere Leistungseinbußen zeigen. Beispielsweise schätzen sich Kinder mit ADHS und schlechten akademischen Leistungen im Vergleich zu Kindern ohne ADHS vor allem im akademischen Bereich gut ein. Unberücksichtigt bei solchen Vergleichen bleibt jedoch der bereits angesprochene intraindividuelle Vergleich, den Kinder in ihren Selbsteinschätzungen zwischen unterschiedlichen Leistungsbereichen ziehen.

Fragestellung

Insgesamt erscheinen die Befunde zum PIB bei Kindern mit ADHS-Symptomen ergänzungsbedürftig. Daher geht die vorliegende Studie der Frage nach, ob Kinder mit und ohne ADHS-Symptome sich in der Schulleistung unterscheiden. Weiterhin soll untersucht werden, wie Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Leistungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe einschätzen (absoluter Vergleich) und ob sich diesbezüglich höhere Diskrepanzwerte zur tatsächlichen Leistung und zum Lehrerurteil ergeben (relativer Vergleich). Vorrangig soll geprüft werden, ob Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als Kontrollkinder mit vergleichbaren schulischen Leistungen überschätzen. Unter Berücksichtigung des dimensionalen Vergleichs, den Kinder zwischen dem verbalen und mathematischen Bereich ziehen, ist dabei von besonderem Interesse, ob Kinder mit ADHS-Symptomen ein besonders hohes Selbstkonzept in dem Bereich aufweisen, in dem sie die beste oder die schlechteste Leistung zeigen (Hoza et al., 2002).

Die vorliegende Studie diente demnach der Klärung folgender Fragen:

  1. 1.
    Zeigen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen schlechtere schulische Leistungen?
  2. 2.
    Wie schätzen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen ihre eigenen schulischen Fähigkeiten ein?
  3. 3.
    Überschätzen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als Gleichaltrige ohne ADHS-Symptome?
  4. 4.
    Überschätzen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als unauffällige Kinder mit vergleichbaren schulischen Leistungen?
  5. 5.
    Schätzen sich Kinder mit ADHS-Symptomen gerade in dem Bereich besonders gut ein, in dem sie besonders schlecht sind?

Hypothesen

Wir erwarten, dass Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne diese Symptome eine schlechtere Schulleistung zeigen, also sowohl in den Lehrereinschätzungen als auch in den Schulleistungstests schlechter abschneiden (vgl. Frazier et al., 2009). Diese deutlichen Leistungsnachteile bei Kindern mit ADHS-Symptomen sollten sich auch in einem niedrigeren Selbstkonzept zeigen (Hoza et al., 2002). In Anlehnung an die Befunde von Hoza und Kollegen (2002) wird erwartet, dass sich bei Schülerinnen und Schülern mit ADHS-Symptomen eine höhere Überschätzung der eigenen Fähigkeiten finden lässt (größere Diskrepanz zwischen Selbstkonzept und Schulleistung).

Hypothese 4 ist explorativ. Bisher liegen keine Studien vor, die zeigen, dass der PIB spezifisch für Kinder mit ADHS ist und nicht nur auf schlechte schulische Leistungen zurückgeht. Wir gehen davon aus, dass keine Unterschiede in den Diskrepanzwerten auftreten sollten, wenn Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen unauffälligen Kindern mit vergleichbaren schulischen Leistungen gegenübergestellt werden.

Studien zeigen, dass sich Kinder mit ADHS besonders in dem Bereich überschätzen, in dem sie die größten Defizite haben (Hoza et al. 2002, 2004). Diese Ergebnisse beziehen sich auf den Vergleich übergeordneter Domänen wie Schulleistung und Sozialverhalten. Aufgrund der dimensionalen Vergleiche, die Schülerinnen und Schüler zwischen den verschiedenen akademischen Leistungsbereichen (Lesen, Schreiben und Rechnen) ziehen, gehen wir jedoch davon aus, dass Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen in dem Bereich das höchste Selbstkonzept aufweisen, in dem sie auch am besten abschneiden (Marsh, 1986).

Methode

Stichprobe

Die Querschnittserhebung wurde im Rahmen der vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg geförderten wissenschaftlichen Begleitung des Projekts „Schulreifes Kind” durchgeführt; es nahmen insgesamt 1675 Schüler (820 Mädchen; M-Alter = 8.4 Jahre, SD = 0.49) der zweiten Jahrgangsstufe aus 36 Grundschulen (91 Klassen) in Baden-Württemberg teil. Die Datenerhebung fand innerhalb eines fünfwöchigen Zeitraums am Ende des zweiten Schuljahrs statt und wurde von geschulten Versuchsleitern als Gruppentestung (Schulleistungstests und Erfassung des Selbstkonzepts) im Klassenverband an zwei aufeinander folgenden Vormittagen durchgeführt.

Die ADHS-Symptome der Schüler wurden von den Klassenlehrerinnen anhand des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ; 3-Punkte Likert Skala: von nicht zutreffend bis eindeutig zutreffend; Goodman, 1997) eingeschätzt (fehlende Angaben n = 49 Schüler, 2.9 %). Hierbei wurde die Subskala Unaufmerksamkeit/Hyperaktivität (Maximum = 10 Punkte; interne Konsistenz in der vorliegenden Stichprobe α = .87) herangezogen. Für die Bestimmung des Anteils der Schüler mit auffälligen Werten wurde ein Cut-off-Wert von ≥ 7 Rohwertpunkten festgelegt (Huss, et al., 2008; Woerner et al., 2002). Kinder mit einem Wert ≤ 3 konstituieren die Kontrollgruppe. Nach Einschätzung der Lehrer zeigten 981 Kinder (563 Mädchen) keine Unaufmerksamkeits-/Hyperaktivitäts-Symptome; 262 (69 Mädchen) erzielten auffällige Werte in diesem Bereich. Bei Jungen liegen nach Lehrereinschätzung häufiger ADHS-Symptome vor, χ2 = 79.79, df = 1, p < .001.

Zur Beantwortung der vierten Fragestellung wurden zudem Gruppen von Kindern mit und ohne ADHS-Symptome gebildet, die sich bezüglich ihrer Schulleistung (Leistungstests und Lehrerurteilen, siehe Anmerkungen Tabelle 3), der Geschlechtsverteilung und des durchschnittlichen Alters nicht unterschieden. Die durch das Parallelisieren1 gebildete Substichprobe bestand aus 225 Schülern (M-Alter = 8.40 Jahre, SD = 0.53, 74 Mädchen) ohne und 176 Schülern (M-Alter = 8.43 Jahre, SD = 0.52: 59 Mädchen) mit ADHS-Symptomen (keine fehlenden Werte).

Testverfahren

Selbstkonzept

Die multidimensionalen Facetten des Selbstkonzepts wurden je Domäne durch vier Items (z. B. „Im Lesen/Schreiben/Rechnen bin ich…”) anhand einer siebenstufigen Antwortskala (1 bis 7, niedrige Werte stehen für ein geringes Selbstkonzept) erfasst. Die einzelnen Stufen waren durch Strichmännchen illustriert, und die Schüler sollten das Strichmännchen anzukreuzen, das am ehesten ihren eigenen Leistungen entspricht. Darüber hinaus enthielten einige Items explizite soziale Vergleichsinformationen (z. B. „Im Lesen bin ich am schlechtesten/besten”; die Items sind im Anhang aufgelistet, Tabelle A).

Schulleistung in Tests und der Lehrereinschätzung

Zur Feststellung der Leseleistung wurde der ELFE 1 – 6 (Lenhard & Schneider, 2006) eingesetzt. Der ELFE 1 – 6 misst das Leseverständnis durch die Untertests Wortverständnis, Satzverständnis und Textverständnis. Die Rechtschreibleistung wurde mit dem Fließtext (Diktat mit 52 Wörtern) des Deutschen Rechtschreibtests für das erste und zweite Schuljahr (DERET 1 – 2+;Stock & Schneider, 2008) erfasst. Als Maß für die Mathematikleistung wurde der DEMAT 2+ (Deutscher Mathematiktest für zweite Klassen, Krajewski, Liehm & Schneider, 2004) herangezogen. Das Testverfahren setzt sich aus zehn Subtests zusammen (Zahleneigenschaften, Längenvergleich, Addition und Subtraktion, Verdoppeln und Halbieren, Division, Rechnen mit Geld, Sachaufgaben und Geometrie).

Neben diesen expliziten Leistungsmaßen wurde zusätzlich die Lese-, Rechtschreib- und Mathematikleistung der Schüler durch die Lehrer auf einer fünfstufigen Skala (0 = deutlich unterdurchschnittlich bis 4 = sehr gut) eingeschätzt. Die Einschätzung erfolgte pro Klasse jeweils durch eine Lehrkraft (Klassenleitung). Diese schätzte gleichzeitig die ADHS-Symptomatik ein. Die über alle Klassen gemittelte Produkt-Moment-Korrelation zwischen Lehrerurteil und dem jeweiligen Leistungstest betrug im Mittel .71.

Statistische Analyse

Die relative Über- bzw. Unterschätzung der Schüler wurde über die Differenz der Selbsteinschätzungen der Schüler mit den Leistungstests und den Einschätzungen der Lehrer operationalisiert. Um eine gemeinsame Skalierung zu erreichen, wurden dazu die Selbsteinschätzungen der Schüler, die Ergebnisse der Leistungstests und die Einschätzung der Lehrkräfte jeweils auf eine 24-stufige Skala transformiert. Je Fähigkeitsbereich wurden danach durch Subtraktion der Leistungstests bzw. Lehrerbeurteilungen von den Selbsteinschätzungen der Schüler Diskrepanzwerte berechnet. Ein positiver Wert entspricht dabei einer Überschätzung, ein negativer Wert einer Unterschätzung der eignen Fähigkeiten.

Da die Datenerhebung im Klassenverband stattfand, liegt eine geschachtelte Datenstruktur vor. D. h. im Mittel sind sich die Schüler innerhalb einer Klasse ähnlicher als zwischen den Klassen, was bei einer gewöhnlichen Analyse zu einer Verzerrung des Standardfehlers führt. Um der Nestung der Daten Rechnung zu tragen, wurden alle Analysen mit Mplus 6.1 (Muthén & Muthén, 1998 – 2010) mit der type = complex Option durchgeführt (Klassenzugehörigkeit als Clustervariable).

Tabelle 1. Testleistungen, Lehrereinschätzungen und Selbstkonzept von Kindern mit und ohne ADHS-Symptomen

Ergebnisse

Zeigen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen schlechtere schulische Leistungen?

Kinder mit ADHS-Symptomen zeigen wie erwartet in allen drei erfassten Leistungsbereichen schlechtere Leistungen als die Kinder der Kontrollgruppe (Tabelle 1). Am deutlichsten sind die Unterschiede mit fast zehn T-Wert Punkten im Schreiben, z = 16.22, p < .001, d = 1.13. Kinder mit ADHS-Symptomen werden auch durch ihre Lehrer in allen drei Leistungsbereichen schlechter als die Kinder der Kontrollgruppe eingeschätzt. Wiederum zeigen sich die größten Effektstärken im Schreiben, d = 1.23, gefolgt von Lesen, d = 1.06 und Mathematik, d = .85.

Wie schätzen Schülerinnen und Schüler mit und ohne ADHS-Symptome ihre eigenen schulischen Fähigkeiten ein?

Kinder ohne ADHS-Symptome zeigen höhere Werte im Selbstkonzept (Tabelle 1). Sowohl im mathematischen Selbstkonzept z = 3.58, p < .001, d = .26, im Selbstkonzept des Lesens z = 4.34, p < .001, d = .31, vor allem aber im Selbstkonzept des Schreibens z = 4.48, p < .001, d = .33, zeigen Kinder ohne ADHS-Symptome höhere Werte als Kinder mit ADHS-Symptomen.

Überschätzen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als Gleichaltrige ohne ADHS-Symptome?

Im Mittel überschätzen alle Kinder ihre eigenen Leistungen im Vergleich zu Leistungstests bzw. Einschätzungen der Lehrer (vgl. Tabelle 2). Kinder mit ADHS-Symptomen zeigen jedoch in allen Leistungsbereichen höhere Diskrepanzwerte als Kinder ohne ADHS-Symptome. Den Hypothesen entsprechend überschätzen Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als die Kinder der Kontrollgruppe, was sich besonders beim Schreiben und Lesen zeigt (Tabelle 2).

Tabelle 2. Diskrepanzwerte (Selbstkonzept −Testleistung und Selbstkonzept–Lehrerurteil) von Kindern mit und ohne ADHS-Symptomen

Überschätzen Schülerinnen und Schüler mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten stärker als unauffällige Kinder mit vergleichbaren schulischen Leistungen?

Die Vergleiche der Diskrepanzwerte von Kindern mit und ohne ADHS-Symptome parallelisiert nach Schulleistung (Testleistung, Lehrereinschätzung), Geschlecht und Alter erbringen durchwegs keinen bedeutsamen Unterschied (vgl. Tabelle 3). Demnach überschätzen Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Leistungen nicht stärker als Kinder ohne ADHS-Symptome mit vergleichbaren schulischen Leistungen.

Tabelle 3. Diskrepanzwerte (Selbstkonzept − Testleistung und Selbstkonzept − Lehrerurteil) von Kindern mit und ohne ADHS Symptomen in der nach Schulleistung, Alter und Geschlecht parallelisierten Stichprobe

Schätzen sich Kinder mit ADHS-Symptomen gerade in dem Bereich besonders gut ein, in dem sie besonders schlecht sind?

Für jedes Kind wurde der Leistungs- und Selbstkonzeptbereich bestimmt, in dem das Kind im intraindividuellen Vergleich am besten abschneidet bzw. sich am besten einschätzt. Die relative Übereinstimmung zwischen Schulleistung und Selbstkonzept wurde ermittelt, indem geprüft wurde, ob sich die Schüler in dem Bereich am besten einschätzen, in dem sie objektiv am besten abschneiden oder in dem sie am schlechtesten abschneiden (Dummy Variable, 1 = Übereinstimmung, 0 = keine Übereinstimmung). Da das Selbstkonzept des Lesens und Schreibens dem verbalen Selbstkonzept zuzuordnen ist, wurden diese als ein gemeinsamer verbaler Faktor betrachtet (Cronbachs α = .88). Auch im Leistungsbereich, bei dem Testleistung und Lehrerurteil mit gleicher Gewichtung eingingen, wurde ein verbaler und mathematischer Faktor gebildet.

Sowohl bei den Kindern ohne ADHS-Symptome (77 %) als auch bei denen mit ADHS-Symptomen (77.5 %) schätzt sich ein vergleichbarer Großteil in dem Leistungsbereich am besten ein, in dem sie auch objektiv am besten abschneiden, χ2 (1062) = 0.02, df = 1, ns (siehe Häufigkeitsangaben Tabelle 4).

Tabelle 4. Häufigkeiten der relativen Übereinstimmung von Selbstkonzept und Schulleistung für Kinder mit und ohne ADHS-Symptome

Diskussion

Kinder mit ADHS-Symptomen zeigen in Mathematik, und vor allem im Lesen und Schreiben, schlechtere Leistungen als Kinder ohne ADHS-Symptome. Trotz dieser schlechteren Leistung haben Kinder mit ADHS-Symptomen ein relativ positives Selbstkonzept ihrer eigenen Fähigkeiten: Zwar schätzen sie sich in allen Bereichen negativer ein als die Kinder ohne ADHS-Symptome (absoluter Vergleich), gleichzeitig zeigen jedoch die Analysen der Diskrepanzwerte, dass auch Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Leistungen überschätzen (relativer Vergleich). Demnach finden sich bei Kindern mit ADHS-Symptomen in allen Bereichen höhere Diskrepanzen zwischen Selbstkonzept und Schulleistungstest bzw. Lehrerbeurteilung als bei Kindern ohne ADHS-Symptome. Ein Vergleich der Diskrepanzwerte von Kindern mit ADHS-Symptomen und der nach Leistung parallelisierten Kontrollgruppe ergab hingegen keine Unterschiede: Kinder mit ADHS-Symptomen überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten in einem ähnlichen Ausmaß wie Kinder ohne ADHS-Symptome und vergleichbarer schulischer Leistung. Auch in der dimensionalen Einschätzung ergaben sich keine Gruppenunterschiede. Ein Großteil der Kinder mit und ohne ADHS-Symptome schätzt sich in dem Bereich am besten ein, in dem sie auch tatsächlich die beste Leistung zeigen.

Wesentliche Befunde der bisherigen Forschung zum PIB bei Kindern mit ADHS-Symptomen können somit bestätigt werden. Jedoch stehen die Ergebnisse gleichzeitig im deutlichen Kontrast zu zentralen Erklärungsmustern des PIB, da das Phänomen des positiv illusorischen Selbstkonzepts den Ergebnissen der vorliegenden Studie zufolge nicht nur auf Kinder mit ADHS-Symptomen beschränkt ist. Auch in der Kontrollgruppe mit vergleichbaren schulischen Leistungen finden sich ähnlich hohe Diskrepanzwerte, die auf eine Selbstüberschätzung hindeuten. Dadurch kann in Frage gestellt werden, ob die Ursachen des PIBs allein im Störungsbild der ADHS zu finden sind.

Als mögliche Erklärung des PIB wurde von Owens und Kollegen (2007) die Annahme einer allgemeinen Unfähigkeit von Kompetenzbewertungen diskutiert. Demnach können Personen Fähigkeiten in Bereichen, in denen sie Defizite aufzeigen, nicht exakt beurteilen, und es kommt somit zu einer Überschätzung. Die vorliegenden Befunde widersprechen jedoch dieser Annahme: Kinder mit ADHS-Symptomen sind sich aufgrund des dimensionalen Vergleichs, den sie zwischen den verschiedenen Bereichen ziehen (Marsh, 1986), ihrer Stärken und Schwächen bewusst und weisen in der Regel in dem Bereich das positivste Selbstkonzept auf, in dem sie auch am besten abschneiden.

Da sich der PIB vor allem im unteren Leistungsspektrum zeigt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei vor allem um einen allgemeinen kompensatorischen Schutzmechanismus handeln könnte, der den Selbstwert der Kinder erhält und vor Versagensgefühlen schützt. Unterstützung findet diese Hypothese durch die Studie von Diener und Milich (1997), die ein „Aufblähen” des sozialen Selbstkonzepts bei Kindern mit geringen sozialen Fähigkeiten beobachten konnten. Neben diesem Selbstschutz könnte auch der Wunsch nach guten Leistungen, der die Selbsteinschätzung verzerrt (Stipek, 1984), ausschlaggebend für das positiv illusorische Selbstkonzept bei Kindern mit ADHS-Symptomen oder–besser gesagt–mit schlechten schulischen Leistungen sein. Infolgedessen ist das Selbstkonzept bei Zweitklässlern mit geringen schulischen Leistungen eher ein Abbild ihrer Wünsche statt ihrer tatsächlichen Leistungseinschätzungen. Eine weitere Erklärung für das übermäßig positive Selbstkonzept bei Schülern mit unterdurchschnittlichen schulischen Leistungen stellen die im Kontext des PIB bisher noch nicht untersuchten dimensionalen Vergleiche dar. Gemäß dem Internal/External Frame of Reference Model (Marsh, 1986) nehmen Schüler die Unterschiede zwischen zwei akademischen Bereichen deutlich wahr und überschätzen ihre Stärken und unterschätzen relativ gesehen ihre Schwächen, was in der Summe eher zu höheren Selbstkonzepten führt (Pohlmann & Möller, 2009)2.

Limitierungen

Auf verschiedene Einschränkungen dieser Studie ist hinzuweisen. So wurde die Einteilung der Gruppen in Kinder mit und ohne ADHS-Symptome nicht anhand einer klinischen Diagnose getroffen. Allerdings weist der hier verwendete SDQ als Screeningverfahren sowohl eine hohe Sensitivität (Banaschewski, Woerner, Becker & Rothenberger, 2004) als auch eine hohe Übereinstimmung zu anderen Screeningverfahren (Becker, Woerner, Hasselhorn, Banaschewski & Rothenberger, 2004) auf. Weiterhin stimmen die berichteten Prävalenzangaben zu ADHS-Verdachtsfällen mit den Angaben der KiGGS-Studien (Huss et al., 2008) überein.

Bei der Interpretation der Ergebnisse muss außerdem berücksichtigt werden, dass in der vorliegenden Studie keine Information über die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten verfügbar waren. Wir können daher nicht ausschließen, dass es bei einigen der angestellten Gruppenvergleiche auch Intelligenzunterschiede zwischen den Gruppen gab. Allerdings dürfte auch in der vorliegenden Studie davon auszugehen sein, dass Intelligenz zwar in einem engen Zusammenhang zur schulischen Leistung, nicht aber zum Selbstkonzept steht (Hoza, et al. 2002), womit eine Konfundierung etwa bei den Diskrepanzwerten sehr unwahrscheinlich sein dürfte.

Nicht geklärt werden konnte weiterhin, welche Konsequenzen sich aus der Überschätzung für die Leistungsentwicklung der Schüler ergeben. Aufgrund des reziproken Zusammenhangs zwischen Selbstkonzept und Schulleistung könnte ein sehr positives Selbstkonzept der eigenen Fähigkeiten zu einer erhöhten Motivation und somit zu besseren schulischen Leistungen führen (Guay et al., 2003; Marsh & Craven, 2006). Gleichzeitig zeigen Kinder mit ADHS neben dem unrealistisch positiven Selbstkonzept oft eine erlernte Hilflosigkeit, die eng mit geringer Lern- und Leistungsmotivation in Verbindung steht (Milich, 1994). Auch investieren Schüler mit Lernschwierigkeiten, die ihre Leistungen überschätzen, weniger Lernzeit und nehmen seltener Hilfe in Anspruch (Stone & May, 2002). In zukünftigen Studien wäre es daher interessant zu untersuchen, ob ein übermäßig positives akademisches Selbstkonzept eine mögliche Ressource oder eine kurzfristige selbstwerterhaltende Schutzfunktion mit langfristig nachteiligen Wirkungen darstellt.

Schlussfolgerung

Insgesamt können die hier dargestellten Befunde einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des PIB leisten. Insbesondere die Befunde, dass Kinder mit ADHS-Symptomen ihre eigenen Fähigkeiten nicht mehr als Kontrollkinder mit vergleichbaren schulischen Leistungen überschätzen und sich ihrer relativen Stärken und Schwächen im ähnlichen Ausmaß bewusst sind, werfen ein neues Licht auf die Ursachen und Funktionen des PIB.

Anhang

(Tabelle A)

Tabelle A. Anhang. Übersicht über die Skalen mit Cronbachs α, die ihnen zugeordneten Items mit deren Trennschärfekoeffizienten (rit ) und die standardisierten Faktorladungen (a)

1Bei parallelisierten Stichproben handelt es sich um Stichproben, die so ausgewählt werden, dass Unterschiede zwischen den Probanden konstant gehalten werden (Bortz & Döring, 2006, S. 526). Um dieses Ziel zu erreichen, wurden in der vorliegenden Stichprobe vor allem Kinder mit guten Leistungen und Mädchen aus der Kontrollgruppe ausgeschlossen. Das Ausschließen aus der Stichprobe erfolgte sukzessive, bis sich keine Unterschiede mehr zwischen den Gruppen hinsichtlich der genannten Variablen ergaben (siehe Rubin, 2006).

2Auch für die vorliegende Stichprobe wurde das I/E-Modell für die Faktoren Lesen und Mathematik geprüft. Dazu wurden sowohl das Selbstkonzept als auch die Schulleistungen durch latente Variablen moduliert. Als Indikatorvariablen der Selbstkonzeptfaktoren dienten je Bereich die vier fähigkeitsspezifischen Items. Als Indikatorvariablen des Lesens und der Mathematik dienten jeweils die Untertests der entsprechenden Schulleistungstests. Sowohl das Modell über beide Gruppen hinweg χ2(183) = 536.16; p < .001; CFI = .968; TLI = .932, RMSEA = .039, als auch das Modell getrennt für beide Gruppen χ2(366) = 702.92; p < .001; CFI = .968; TLI = .959, RMSEA = .027, weisen eine gute Modellanpassung auf. Im Einklang mit dem I/E-Modell fanden sich positive Regressionsgewichte von der Leistung in einem Bereich auf das Selbstkonzept im konvergenten Bereich (Lesen: .52; Mathematik: .53), sowie signifikant negative Pfade auf das Selbstkonzept im divergenten Bereich (Leistung Lesen auf Selbstkonzept Mathematik: -.14; Leistung Mathematik auf Selbstkonzept Lesen: -.15). Bei gegebener Messmodellinvarianz führte das Gleichsetzen der vier Regressionsgewichte zu keiner signifikanten Verschlechterung des Modellfits. Der bereichsspezifische Leistungsvergleich vollzieht sich daher in beiden Gruppen in vergleichbarer Weise.

Literatur

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Wir danken dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg für die Förderung der Untersuchung sowie allen beteiligten UntersuchungsleiterInnen, den Kindern, Eltern und Lehrkräften für Ihre engagierte Mitarbeit. Insbesondere gilt unser Dank den Kooperationspartnern bei der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts „Schulreifes Kind” in Frankfurt (Katja Krebs, Hanna Wagner), Würzburg (Frank Niklas, Sandra Schmiedeler, Wolfgang Schneider, Robin Segerer) und Heidelberg (Isabelle Keppler, Miriam Johnson, Eva Randhawa, Hermann Schöler), ohne deren Beiträge dieser Artikel nicht hätte entstehen können.

Dr. Jan-Henning Ehm, Dipl. Psych. Julia Merkt, Prof. Dr. Caterina Gawrilow, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Center for Individual Development and, Adaptive Education of Children at Risk (IDeA), Bildung und Entwicklung, Schloßstraße 29, 60486 Frankfurt am Main, E-Mail: