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Published Online:https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000274

Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung

Die Verfahrenshinweise geben einen guten Überblick über Begriffe und Theorien von Motivation. Das IEA basiert auf 70 aus der Forschung bekannten Motiven und erfasst insgesamt 16 Primär- und vier Sekundärmotive. Diese Reduktion ist nachvollziehbar, wenngleich mehr Informationen zum Vorgehen wünschenswert gewesen wären, da in der Literatur andere Motive beschrieben werden.

Neben möglichen Forschungsanwendungen empfiehlt der Autor die Anwendung des Tests im Bereich der Berufsberatung, Personalauswahl, Personalmarketing, sowie der Personalentwicklung. Für die meisten dieser Fragestellungen ist das Inventar zweifellos geeignet.

Die Verfahrenshinweise sind klar verständlich geschrieben. Zielsetzung und Zielgruppe werden explizit genannt. Die Struktur zwischen den Modulen und den zugrundeliegenden Items wird im Handbuch transparent geschildert. Für die Auswertung stehen leicht verständliche Auswertungsbögen zur Verfügung, die an Beispielen illustriert werden. Auch die üblichen Rahmenbedingungen für die Durchführung sowie der zeitliche Aufwand werden im Manual benannt.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Das IEA misst nur explizite, selbstzugeschriebene Motive. Ein besonderes Merkmal des IEA ist, dass anstelle von typischem Verhalten nach Wünschen gefragt wird. Das erscheint insbesondere für Berufseinsteiger ohne Vorerfahrung sinnvoll. Jedoch schlagen Wünsche sich nicht zwingend im tatsächlich gezeigten Verhalten nieder.

Implizite Motive, die anderes Verhalten im Berufskontext vorhersagen, können mit dem IEA nicht gemessen werden. Die Messung von impliziten Motiven bleibt trotz Fortschritten in jüngster Zeit (Lang, 2014; Runge et al., 2016) herausfordernd. Dennoch würde eine allumfassende Messung implizite Motive mit einschließen.

Objektivität

Die Verfahrenshinweise umfassen detaillierte Anweisungen, die erklären, wie eine hohe Durchführungsobjektivität zu erreichen ist. Dazu zählen Instruktionen, die an einem Beispielitem erklären, wie Testbearbeiter die Fragen beantworten sollen. Für die Auswertung liegen standardisierte Auswertungsbögen vor. Die Auswertungsobjektivität der Arbeitsplatzanalyse wird durch die gemittelte Einschätzung mehrerer Experten sichergestellt. Die Testinterpretation erfolgt anhand standardisierter Testwerte und mit Hilfe einer Tabelle, die hohe und niedrige Ausprägungen auf jedem der Primärmotive beschreibt.

Zum Feststellen einer Passung zwischen Arbeitsplatz und Individuum wird eine kritische Differenz von 0.5 auf der Rohskala herangezogen. Wenn diese überschritten wird, liegt keine Passung zwischen Arbeitsplatz und Individuum vor. Die Wahl einer kritischen Differenz von 0.5 ist als Daumenregel sicherlich nachvollziehbar. Es wäre aber vorteilhaft, Werte zu verwenden, die empirisch validiert sind.

Normierung (Eichung)

Die Normierungsstichprobe des Verfahrens ist äußerst umfangreich (N = 4662) und teilt sich in eine größtenteils studentische Teilstichprobe (n = 2832) sowie zwei Stichproben von Berufstätigen (mit Führungsverantwortung: n = 607; ohne Führungsverantwortung: n = 1223) auf. Personen mit höherem Bildungsabschluss sind etwas überrepräsentiert. Alle Normen liegen auch getrennt für Männer und Frauen vor. Es gibt keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Altersgruppen. Es ist denkbar, dass sich Arbeitsmotive von Berufseinsteigern, Arbeitnehmern in mittlerem Alter (z. B. mit Familien) und älteren Arbeitnehmern unterscheiden.

Das Arbeitsanalyseverfahren umfasst keine Normierungsstichprobe. Die Normierung von Arbeitsanalyseverfahren ist herausfordernd, da für eine breite Stichprobe von Tätigkeiten typische Werte ermittelt werden müssen, um Vergleichswerte zu generieren. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn zukünftige Versionen des Manuals Werte zu Tätigkeitsgruppen in BERUFENET oder der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO) umfassen würden.

Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)

Es werden Kennwerte zur internen Konsistenz, Split-Half-Reliabilität und zur Retest-Reliabilität angegeben, die insgesamt für die Messgenauigkeit des Verfahrens sprechen. Etwas geringere interne Konsistenzen für zwei der Skalen lassen sich durch eine geringe Anzahl von Items bzw. einen heterogenen Konstruktbereich plausibel erklären. Die Retest-Reliabilitäten wurden über einen Zeitraum von einem halben Jahr bestimmt und können als zufriedenstellend bis sehr gut interpretiert werden.

Die Reliabilitäten der Arbeitsplatzanalyse (n = 300) liegen für die Sekundärmotive um .90, für die Primärmotive etwas darunter und können insgesamt als gut bewertet werden. Der teilweise etwas niedrigere Intraklassenkoeffizient ist zu erwarten, da Rater unterschiedliche Einblicke in einen bestimmten Arbeitsplatz haben. Weitere Informationen darüber, wie viele und welche Arbeitsplätze geratet wurden, wären für die Testbewertung hilfreich gewesen.

Gültigkeit (Validität)

Das zugrunde liegende Modell wird nur für die Sekundärfaktoren faktorenanalytisch überprüft (explorativ). Es lassen sich vier breite Faktoren inhaltlich gut interpretieren, die zum Teil aber deutlich korreliert sind. Die Entwicklung der sechzehn Primärmotive basiert rein auf Plausibilitätsgesichtspunkten und wird nicht faktorenanalytisch gestützt.

Es werden eine Vielzahl von Befunden zur konvergenten (und diskriminanten) Validität mit anderen im Berufskontext häufig verwendeten Verfahren berichtet, die größtenteils erwartungskonform sind. Nicht berichtet werden (a) Studien zur Beziehung mit in der Motivationsforschung verbreiteten Verfahren, (b) Studien, die berufsbezogene Verhaltensmaße wie Leistungsmaße oder Jobzufriedenheit anhand des IEA vorhersagen sowie (c) Studien zur Arbeitsplatzanalyse. Da der Test auch entwickelt wurde, um die Passung von Arbeitnehmer und Arbeitsplatz zu untersuchen, wären Studien zu diesen Themenbereichen für die Zukunft wünschenswert.

Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)

Im Manual des IEA werden zwei Studien zu Unverfälschbarkeit berichtet. In der ersten Studie finden sich keine Korrelationen zwischen dem IEA und einem Maß für sozial erwünschte Antworttendenzen. In der zweiten Studie wurde ein sogenanntes „Faking Good“ Design realisiert, in dem sich eine Gruppe eine Bewerbung in einem Berufsfeld in der Wirtschaft vorstellt und versucht, so gut wie möglich in dem Test abzuschneiden. Die Daten dieser Gruppe werden mit Daten einer Kontrollgruppe verglichen. Personen aus der Faking Good Gruppe haben statistisch signifikant höhere Werte auf einigen der Primärfaktoren. Es handelt sich um kleine bis mittlere Effekte, die bei der Interpretation der Testwerte berücksichtigt werden sollten. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass Bewerber zwar „faken“, dass dies aber nicht notwendigerweise die Kriteriumsvalidität beeinflusst.

Abschlussbewertung/Empfehlung

Das IEA verfolgt einen eklektischen Ansatz, der die Breite bisheriger Modelle und Instrumente zu expliziten, selbstzugeschriebenen Motiven zu einem ökonomischen Verfahren bündelt. Ein allumfassendes Verfahren müsste die Messung impliziter Motive auch mit einschließen. Die Entscheidung für sechzehn Motive auf Ebene der Primärfaktoren erfolgte aus Plausibilitätsgesichtspunkten und wurde nicht weiter geprüft. Nimmt man diese Struktur als gegeben, lassen sich umfangreiche Belege für die Reliabilität und Validität des IEA finden, die anhand von 23 Stichproben und über 4600 Personen untersucht wurden. Die fundierte und gut verständliche Beschreibung des theoretischen Hintergrunds, die ausführlichen Beschreibungen für Durchführung, Auswertung und Interpretation des IEA dürften es zu einem wertvollen Instrument für den Einsatz in der Praxis machen.

Insgesamt stellt das Verfahren eine Bereicherung der für die arbeitsbezogene Motivationsforschung verfügbaren Testverfahren für explizite Motive dar. Im Gegensatz zu den meisten existierenden Verfahren zur Erfassung von expliziten Motiven, die normalerweise auf typisches Motivstreben oder typisches zielgerichtetes Motivverhalten abzielen und sich damit eng an der Persönlichkeitsliteratur orientieren, fragt das vorliegende Inventar direkt nach Wünschen. Durch diese Besonderheit eignet sich das Verfahren insbesondere für Berufseinsteiger.

Für die Zukunft wäre es positiv, wenn die Studien im Manual noch ergänzt würden, insbesondere durch Untersuchungen zur Arbeitsplatzanalyse. Die Passung zwischen Motiven von Personen einerseits und den Anforderungen und dem Befriedigungspotenzial eines Arbeitsplatzes andererseits ist ein aktiv beforschtes und interessantes Feld. Ein Ausbau dieses arbeitsplatzanalytischen Teils des Verfahrens erscheint daher besonders interessant.

Tabelle 1 Formalisierte Bewertung zum „Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotiven“ (IEA)

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2010) erstellt.

Testinformationen

Kanning, U. P. (2016). Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotiven (IEA). Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen.

Test komplett bestehend aus Verfahrenshinweisen und je 20 Exemplaren aller Materialien: € 412,00.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Lang, J. W. B., Mussel, P. & Runge, J. M. (2018). TBS-TK Rezension: „Inventar zur Erfassung von Arbeitsmotiven (IEA)“. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 62, 161 – 163.

Rezensenten: Prof. Dr. Jonas W. B. Lang and J. Malte Runge, Ghent University, Department for Personnel Management, Work and Organizational Psychology, Henri Dunantlaan 2, 9000 Gent, Belgien, ; Prof. Dr. Patrick Mussel, Freie Universität Berlin, AB Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik, Habelschwerdter Allee 45, Raum JK 26/122d, 14195 Berlin

Literatur

  • Lang, J. W. B. (2014). A dynamic Thurstonian item response theory of motive expression in the picture story exercise: Solving the internal consistency paradox of the PSE. Psychological Review, 121, 481 – 500. https://doi.org/10.1037/a0037011 CrossrefGoogle Scholar

  • Runge, J. M., Lang, J. W. B., Engeser, S., Schüler, J., den Hartog, S. C. & Zettler, I. (2016). Modeling motive activation in the Operant Motive Test: A psychometric analysis using dynamic Thurstonian item response theory. Motivation Science, 2, 268 – 286. CrossrefGoogle Scholar

  • Testkuratorium (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56. LinkGoogle Scholar