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Open AccessOriginalarbeit

Wenn das Studieren außer Kontrolle gerät

Entwicklung und Validierung einer deutschsprachigen Adaptation der Bergen Study Addiction Scale (BStAS)

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000684

Abstract

Zusammenfassung:Theoretischer Hintergrund: Das Ziel der vorliegenden Studie war es, eine deutschsprachige Adaptation der Bergen Study Addiction Scale (BStAS), einer Skala zur Erfassung von exzessivem Studierverhalten, zu entwickeln und zu validieren. Methode: Die Daten von 615 Studierenden wurden analysiert. Die Dimensionalität der BStAS wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse überprüft. Außerdem wurden Korrelations- und hierarchische Regressionsanalysen durchgeführt, um Zusammenhänge von exzessivem Studierverhalten mit Persönlichkeit und Gesundheit zu untersuchen. Ergebnisse: Der Vergleich mit Dynamic Fit Index Cutoffs deutete auf eine moderate Missspezifikation des einfaktoriellen Modells hin. Wie erwartet war exzessives Studierverhalten positiv mit wöchentlichen Lernstunden, Neurotizismus, wahrgenommenem Stress, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen assoziiert und hing negativ mit Lebenszufriedenheit zusammen. Schlussfolgerung: Es ist fraglich, ob alle Items der BStAS Aspekte einer Verhaltenssucht erfassen. Die Ergebnisse legen dennoch nahe, dass die BStAS ein Studierverhalten misst, das in Bezug auf physische und psychische Gesundheit von Relevanz ist.

When Studying Gets Out of Control. The Development and Validation of a German Adaptation of the Bergen Study Addiction Scale (BStAS)

Abstract:Background: The present study develops and validates a German adaptation of the Bergen Study Addiction Scale (BStAS), a questionnaire used for assessing excessive studying behavior. Methods: We analyzed data from 615 students. We examined the dimensionality of the BStAS using confirmatory factor analysis. Moreover, we conducted correlation and hierarchical regression analyses to investigate associations of excessive studying behavior with personality and health. Results: The comparison with dynamic fit index cutoffs indicated a moderate misspecification of the single-factor model. As expected, excessive studying behavior was positively associated with weekly learning hours, neuroticism, perceived stress, psychosomatic complaints, and sleep problems, and negatively related to life satisfaction. Conclusions: It is questionable whether all items of the BStAS capture aspects of behavioral addiction. Nevertheless, the results indicate that the BStAS measures a studying behavior relevant to physical and mental health.

Übermäßig viel Freizeit, ständiges Feiern und kaum Verpflichtungen – mittlerweile dürfte bekannt sein, dass dieses Klischee des vermeintlich „typischen Studentenlebens“ nicht der Realität entspricht. Denn tatsächlich sind Studierende sowohl auf fachlicher als auch sozialer Ebene mit vielfältigen Erwartungen konfrontiert. Dabei stellt insbesondere der Übergang von der Schule zur Universität für einige junge Erwachsene eine Überforderung dar (Hofmann, Sperth & Holm-Hadulla, 2017), verlangt dieser neue Lebensabschnitt schließlich ein höheres Ausmaß an Eigenorganisation und Selbstständigkeit bei häufig gleichzeitig hoch ausgeprägter ökonomischer Abhängigkeit (Reich & Cierpka, 2017). Zwar beeinflusst die Bewältigung der mit dem Studium verbundenen Herausforderungen durch den Erwerb von Wissen und Kompetenzen das weitere private und berufliche Leben in positiver Weise, gleichzeitig gehen diese Herausforderungen bei einer Vielzahl junger Menschen jedoch mit einer starken psychischen Belastung einher, die im schlimmsten Fall in der Manifestation einer klinisch relevanten psychischen Störung resultieren kann (Weber, Ehrenthal, Pförtner, Albus & Stosch, 2020).

Die psychische Belastung Studierender ist insbesondere seit der Bologna-Reform ein zentrales Thema. Studienergebnisse von Pfleging und Gerhardt (2013) zeigen, dass Studierende des Bachelor-Master-Systems ein signifikant höheres Ausmaß emotionaler Erschöpfung und höhere Anforderungen im Studium berichten als Diplomstudierende. Zusätzlich zeigen Daten der Göttinger Psychotherapie-Ambulanz für Studierende, dass Student_innen der „neuen“ Studiengänge Beratungs- und Therapieangebote häufiger aufgrund von Problemen, die in direktem Zusammenhang mit dem Studium stehen, in Anspruch nehmen (Reich & Cierpka, 2017). Laut einem Bericht über die Gesundheit Studierender in Deutschland sind 25.3 % der Befragten von einem hohen Stresslevel betroffen (Grützmacher, Gusy, Lesener, Sudheimer & Willige, 2017) und laut Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (2015) liegt die Diagnoserate affektiver Störungen bei Studierenden bei 7.95 %. Demnach stellen Studierende durchaus eine durch psychische Störungen gefährdete Gruppe dar, die in der Versorgung keinesfalls übersehen werden darf. Wichtig ist, dass anscheinend nicht nur diejenigen gefährdet sind, denen die Energie fehlt, ihrem Studium nachzugehen, sondern ebenso solche Studierenden, die sich nahezu ausschließlich ihrem Studium widmen (siehe Atroszko, Andreassen, Griffiths & Pallesen, 2015).

Studiersucht als neue Verhaltenssucht?

Studiersucht: Definition und Messung

Exzessives und unkontrollierbares Studierverhalten wurde vor einigen Jahren in Anlehnung an das Konzept der Arbeitssucht unter dem Begriff der study addiction (deutsch: Studiersucht) vorgestellt (Atroszko et al., 2015). Definiert wurde das Konstrukt dabei als „being overly concerned with studying, to be driven by an uncontrollable studying motivation, and to put so much energy and effort into studying that it impairs private relationships, spare-time activities, and/or health” (Atroszko et al., 2015, S. 75). Die Studiersucht wurde von Atroszko et al. (2015) somit den Verhaltenssüchten zugeordnet. Zu beachten ist, dass die betreffenden Verhaltensweisen an und für sich nicht pathologisch sind (Stark & Müller, 2021). Die klinische Relevanz kommt erst dadurch zustande, dass Betroffene sich dem wiederkehrenden Drang, die Handlung auszuführen, nicht widersetzen können und das Verhalten deshalb in einem Ausmaß zeigen, das negative Folgen nach sich zieht (Stark & Müller, 2021). Während bei vielen anderen Verhaltenssüchten wie zum Beispiel der Glücksspielsucht dieses Übermaß auch von der Gesellschaft als negativ aufgefasst wird, wird es im Rahmen der Arbeits- und auch Studiersucht häufig mit Produktivität assoziiert und daher von gesellschaftlicher Seite zum Teil sogar befürwortet (Griffiths, Demetrovics & Atroszko, 2018; Pannier & Fauth-Bühler, 2021).

Die Erfassung der Studiersucht fand in den meisten Untersuchungen mit der Bergen Study Addiction Scale (BStAS; Atroszko et al., 2015) statt. Das Instrument wurde entwickelt, indem die Worte „work“ und „working“ aus der Bergen Work Addiction Scale (BWAS; Andreassen, Griffiths, Hetland & Pallesen, 2012) durch die Worte „study“ und „studying“ ersetzt wurden. Andreassen et al. (2012) nennen als Vorteil der BWAS gegenüber anderen Instrumenten zur Arbeitssucht, dass jedes Item einen direkten Bezug zu einem von sieben zentralen Suchtkriterien (Salienz, Stimmungsveränderung, Toleranzentwicklung, Entzugserscheinungen, Rückfall, Probleme, Konflikte; siehe Griffiths, 2005) aufweise. Diese sieben Kriterien sollen auch mit der BStAS erfasst werden (Atroszko et al., 2015). Da Atroszko et al. (2015) lediglich die Definition und die sieben Kriterien nennen, um Studiersucht zu beschreiben, wird im Folgenden unter Rückgriff auf diese sieben Kriterien (Griffiths, 2005) sowie auf Grundlage von Fallbeispielen zur Arbeitssucht (Griffiths et al., 2018) der Versuch unternommen, eine plastischere Beschreibung des Konstruktes der Studiersucht zu liefern.

Das Kriterium der Salienz ist bei Verhaltenssüchten dadurch gekennzeichnet, dass ein Verhalten zur wichtigsten Aktivität im Leben einer Person wird (Griffiths, 2005). Die betroffene Person spürt ein intensives Verlangen danach, das Verhalten auszuführen und ihr Denken ist von dem Gedanken an die entsprechende Aktivität vereinnahmt (Griffiths, 2005; Grüsser, Poppelreuter, Heinz, Albrecht & Saß, 2007). Bei einem studiersüchtigen Menschen würde sich dieses Merkmal somit vermutlich darin äußern, dass er den Großteil seiner Zeit dem Studium widmet, zum Beispiel täglich mehrere Stunden mit dem Erarbeiten oder Nacharbeiten von Lerninhalten verbringt. Das Studium wäre sein zentraler Lebensinhalt (siehe Griffiths et al., 2018 für ein vergleichbares Fallbeispiel zur Arbeitssucht). Während er nicht studiert, ist er mit dem Gedanken beschäftigt, wie es sein wird, sich wieder dem Studium zu widmen (siehe Griffiths et al., 2018). Das Item aus der BStAS, das Salienz erfassen soll, bezieht sich auf diesen letztgenannten Aspekt der gedanklichen Vereinnahmung. Personen sollen beantworten, wie oft sie im letzten Jahr darüber nachgedacht haben, wie sie sich mehr Zeit für das Studieren schaffen könnten.

Es wird angenommen, dass Suchtverhalten häufig die Motivation zugrunde liegt, eine Stimmungsveränderung herbeizuführen, also positive Gefühle zu maximieren oder negative Gefühle zu reduzieren (Griffiths, 2005). In der BStAS wird das Kriterium adressiert, indem gefragt wird, wie oft im letzten Jahr studiert wurde, um Gefühle von Schuld, Angst, Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit zu verringern.

Toleranzentwicklung beschreibt, dass die gewünschten Effekte der Aktivitätsausführung ausbleiben, wenn ihre Häufigkeit oder Intensität mit der Zeit nicht erhöht wird (Griffiths, 2005). In Bezug auf die Studiersucht wäre somit zu erwarten, dass Betroffene über den Studienverlauf hinweg immer mehr Zeit mit dem Studieren verbringen (z. B. immer mehr lernen, weitere Zusatzveranstaltungen belegen), um gewünschte Effekte wie die Reduktion unangenehmer Gefühle zu erzielen (siehe Griffiths et al., 2018 zur Arbeitssucht). In der BStAS wird das Kriterium erfasst, indem gefragt wird, wie oft es im letzten Jahr vorkam, dass mehr Zeit mit dem Studieren verbracht wurde als ursprünglich beabsichtigt. Eine hinreichende Passung zwischen dem Item und dem Kriterium der Toleranzentwicklung ist zu bezweifeln, da mehr Zeit mit dem Studieren zu verbringen als beabsichtigt auch darauf zurückzuführen sein kann, dass Personen das Lernpensum im Vorhinein unterschätzt haben. Doch auch wenn das Item eine Intensivierung des Studierverhaltens über einen zeitlichen Verlauf erfassen würde, dürfte nicht davon ausgegangen werden, dass wirklich Toleranzentwicklung gemessen wird. Denn die Intensivierung von Verhalten könnte auch andere Gründe haben, zum Beispiel den Wunsch nach Kompetenzsteigerung (Billieux, Schimmenti, Khazaal, Maurage & Heeren, 2015). Eine Übertragbarkeit der Kriterien für Substanzkonsumstörungen auf Verhaltenssüchte scheint also nicht unbegrenzt möglich zu sein und ist insbesondere in Bezug auf das Kriterium der Toleranzentwicklung kritisch zu betrachten (siehe Billieux et al., 2015).

Entzugserscheinungen bezeichnen die unangenehmen Effekte, die auftreten, wenn das Suchtverhalten reduziert oder für einige Zeit nicht ausgeführt wird (Griffiths, 2005). Griffiths et al. (2018) nennen in Bezug auf die Arbeitssucht eine Person, die launisch, deprimiert oder ängstlich ist, sobald sie nicht arbeitet. Ähnliche Auswirkungen auf die Stimmung wären auch bei Studiersüchtigen zu erwarten, die vom Studieren abgehalten werden. In der BStAS wird allgemeiner gefragt, wie oft im letzten Jahr Stress empfunden wurde, wenn die befragte Person am Studieren gehindert wurde.

Bei einem Rückfall nehmen Betroffene nach einiger Zeit möglicher Abstinenz oder kontrollierten Verhaltens wieder vorherige problematische Verhaltensmuster an (Griffiths, 2005). Im Falle der Studiersucht könnte das zum Beispiel bedeuten, dass es zwar für einige Zeit gelingt, nur acht anstatt 14 Stunden pro Tag zu lernen, dann aber wieder das vorherige Verhaltensmuster angenommen wird (siehe Griffiths et al., 2018). In der BStAS wird gefragt, wie oft im letzten Jahr das Studieren fortgeführt wurde, obwohl man von anderen gesagt bekommen hat, das Studieren einzuschränken. Um das Kriterium des Rückfalls adäquat abzudecken, müsste das Item darauf ausgerichtet sein, zu erfassen, ob mehrfache Versuche, weniger Stunden für das Studieren aufzubringen, erfolglos waren (siehe Kriterien der Substanzkonsumstörung im DSM-5 [American Psychiatric Association, 2018]). Die inhaltliche Passung zwischen dem Item und dem Suchtkriterium des Rückfalls ist somit nicht gegeben. Dennoch kann das Item als wichtig angesehen werden, da nicht nur die subjektive Sichtweise des Individuums, sondern auch die Reaktionen aus dem Umfeld berücksichtigt werden. Porter (1996) berichtete zum Beispiel, dass Arbeitssüchtige sich ihres Problems häufig nicht bewusst sind. Geht man davon aus, dass das auch auf Personen mit exzessivem Studierverhalten zutrifft, erscheint es sinnvoll und notwendig, zusätzlich zu erfassen, ob bereits Empfehlungen oder Aufforderungen, „einen Gang zurückzuschalten“, vom Umfeld erfolgten.

Die letzten beiden Kriterien, Probleme und Konflikte, betreffen persönliche Beziehungen, Freizeitaktivitäten und gesundheitliche Aspekte, die aufgrund des exzessiven Verhaltens negativ beeinflusst werden (Griffiths, 2005). Diese beiden Aspekte werden durch die Items 6 und 7 der BStAS erfasst, die sich darauf beziehen, wie oft im letzten Jahr Hobbys, Freizeitaktivitäten oder Bewegung aufgrund des Studierens vernachlässigt wurden und wie oft die Gesundheit aufgrund intensiven Studierens gelitten hat.

In vergangenen Untersuchungen wurden Personen dann als studiersüchtig klassifiziert, wenn sie mindestens vier der sieben Items mit „oft“ oder „immer“ beantwortet haben (Atroszko, Mytlewska & Atroszko, 2021). Auf der Grundlage wurden Prävalenzraten für die Studiersucht zwischen 6.4 % und 17.1 % berichtet (Atroszko et al., 2021). Wenn Studierende also nur hin und wieder, beispielsweise während Prüfungsphasen, Freizeitaktivitäten vernachlässigen oder ab und zu eine hohe gedankliche Beschäftigung mit dem Studieren stattfindet, ist dies noch nicht als kritisch im Sinne einer Studiersucht zu interpretieren. Ohnehin wurde in der Vergangenheit davor gewarnt, eine Überpathologisierung alltäglicher Verhaltensweisen vorzunehmen (Billieux et al., 2015). Bei Verwendung der BStAS ist dabei besondere Vorsicht geboten, da, wie zuvor beschrieben, einzelne Items eine mangelnde Übereinstimmung mit den Suchtkriterien aufweisen. Da also fraglich ist, ob mit dem Instrument eine Sucht erfasst wird, wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit die allgemeinere Bezeichnung „exzessives Studierverhalten“ genutzt, wenn Ergebnisse aus vorherigen Studien unter Verwendung des BStAS-Scores dargestellt werden.

Auch wenn nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden darf, dass die Items der BStAS tatsächlich eine Verhaltenssucht erfassen, so deuten negative Zusammenhänge mit gesundheitsbezogenen Aspekten (siehe z. B. Atroszko et al., 2015) zumindest darauf hin, dass eine Art des Studierens operationalisiert wird, die mit Einschränkungen im physischen und psychischen Funktionsniveau einhergeht. Wie zuvor erläutert, werden übermäßiges Arbeiten und Studieren häufig fälschlicherweise mit höherer Produktivität in Verbindung gebracht (Griffiths et al., 2018; Pannier & Fauth-Bühler, 2021). Es könnte daher passieren, dass gerade Personen, die exzessiv studieren, als besonders leistungsstark wahrgenommen werden und die Problematik dieses Verhaltens unterschätzt wird. Durch den Einsatz der BStAS würde exzessives Studierverhalten in der Diagnostik jedoch gezielt berücksichtigt werden. Betroffene könnten auf Basis des BStAS-Scores darüber aufgeklärt werden, dass sie übermäßig studieren und dass dieses Verhalten mit gesundheitlichen Einbußen einhergehen kann. Denkbar wäre ein Einsatz der BStAS dabei vor allem in psychosozialen Beratungsstellen von Hochschulen und Universitäten.

Darüber hinaus ist es wichtig, die BStAS in der Forschung einzusetzen. Wenn mehr Forschung zu den Konsequenzen exzessiven Studierverhaltens durchgeführt wird, dürfte das Thema auch gesellschaftlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Pannier und Fauth-Bühler (2021) berichteten, dass eine Zunahme der Forschung zu exzessivem Arbeiten und eine wachsende mediale Präsenz dieser Thematik dazu geführt haben, dass Selbsthilfegruppen für Arbeitssüchtige entstanden sind und auch Rehabilitationseinrichtungen sich der Thematik angenommen haben. Analoge Entwicklungen wären möglich, wenn mehr wissenschaftliche Befunde zu exzessivem Studierverhalten vorlägen.

Zusammenfassend stellt die BStAS also eine ökonomische Skala dar, die sowohl in der Individualdiagnostik als auch in der Forschung sinnvoll eingesetzt werden kann. Da das Instrument bislang in keiner deutschen Version vorliegt, wurde in der vorliegenden Arbeit eine deutschsprachige Adaptation der BStAS entwickelt und psychometrisch überprüft. Damit leistet die vorliegende Arbeit einen wichtigen Beitrag, um die Forschung zu exzessivem Studierverhalten auch im deutschsprachigen Raum zu etablieren.

Atroszko et al. (2015, 2019) und Lawendowski et al. (2020) haben auf Grundlage ihrer Studienergebnisse den Schluss gezogen, dass die BStAS eine einfaktorielle Struktur aufweist. Die Werte für Cronbachs α lagen je nach untersuchter Stichprobe zwischen .72 (Loscalzo & Giannini, 2018) und .84 (Lawendowski et al., 2020).

Zusammenhänge mit Lernstunden, Persönlichkeit und Gesundheit

In vergangenen Untersuchungen hing exzessives Studierverhalten positiv mit der Anzahl an Stunden zusammen, die in der Hochschule und zu Hause für das Lernen aufgebracht wurden (z. B. Atroszko et al., 2015; Lawendowski et al., 2020). Da es naheliegt, dass es ein gewisses Maß an Disziplin erfordert, sich seinen studienbezogenen Pflichten intensiv zu widmen, gingen Atroszko et al. (2015) von einer positiven Beziehung zwischen exzessivem Studierverhalten und Gewissenhaftigkeit aus. In ihren Studien zeigte sich der erwartete positive Zusammenhang, der allerdings gering war (r = .14 und r = .16). Auch in anderen Untersuchungen zeigten sich kleine positive Zusammenhänge (Andreassen, Griffiths, Gjertsen, Krossbakken, Kvam & Pallesen, 2013; Charzyńska, Sussman & Atroszko, 2021; Kircaburun, Süral, March, Balta, Emirtekin & Griffiths, 2021). Ferner wurden niedrige bis moderate positive Zusammenhänge zwischen exzessivem Studierverhalten und Neurotizismus berichtet (z. B. Andreassen et al., 2013; Atroszko et al., 2015; Kircaburun et al., 2021). Andreassen et al. (2013) vermuteten, die Beziehung könnte darauf zurückzuführen sein, dass exzessivem Studierverhalten unter anderem Unsicherheit und Versagensängste zugrunde liegen.

Hinsichtlich des Zusammenhangs von exzessivem Studierverhalten und Extraversion ist die Befundlage inkonsistent. In einer Stichprobe von norwegischen Psychologiestudierenden hing exzessives Studierverhalten nicht signifikant mit Extraversion (r = -.06) zusammen (Atroszko et al., 2015), ebenso wenig in einer türkischen Stichprobe (r = -.07; Kircaburun et al., 2021). Lawendowski et al. (2020) fanden jedoch bei einer Stichprobe von Studierenden einer Musikakademie einen niedrigen signifikanten Zusammenhang von r = -.20 zwischen beiden Konstrukten. In Bezug auf Verträglichkeit zeigte sich in den meisten Studien kein signifikanter Zusammenhang mit exzessivem Studierverhalten (z. B. Andreassen et al., 2013; Atroszko et al., 2015; Lawendowski et al., 2020), mit Ausnahme einer Untersuchung von Kircaburun et al. (2021), in der der Zusammenhang mit r = .10 jedoch nur gering war. Interessanterweise fanden Czerwiński, Lawendowski, Kierzkowski und Atroszko (2022) einen Zusammenhang zwischen exzessivem Studierverhalten und Verträglichkeit derselben Höhe, der allerdings negativ und aufgrund der kleineren Stichprobengröße nicht signifikant war. Mit Offenheit für neue Erfahrungen zeigte exzessives Studierverhalten in der Vergangenheit konsistent keine signifikanten Zusammenhänge (z. B. Atroszko et al., 2015; Kircaburun et al., 2021; Lawendowski et al., 2020).

Aus klinisch-psychologischer Sicht von besonderem Interesse ist, inwieweit exzessives Studierverhalten mit Einbußen in der Gesundheit und im psychischen Funktionsniveau assoziiert ist. Es zeigte sich, dass der BStAS-Score mit erhöhtem Stress, einem schlechteren wahrgenommenen Gesundheitszustand, einer geringeren Lebensqualität und einer reduzierten Schlafqualität zusammenhängt (Atroszko et al., 2015; Lawendowski et al., 2020) und außerdem über demographische Variablen und die Big Five hinaus Varianz in diesen Outcomes aufklärt (Atroszko et al., 2015). Insbesondere aufgrund der Beziehungen zu Aspekten des physischen und psychischen Funktionsniveaus, dürfte die BStAS die klinische Diagnostik somit sinnvoll ergänzen. Durch eine frühzeitige Diagnostik exzessiven Studierverhaltens könnte eine rechtzeitige Einleitung von Interventionsmaßnahmen erfolgen, durch die eine mögliche Exazerbation des Verhaltens und die damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit bestenfalls verhindert oder reduziert werden können. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass intensives Studieren nicht per se negativ ist, sondern auch ein Ausdruck von Lernengagement sein kann, weswegen es wichtig ist, zwischen exzessivem Studierverhalten und Lernengagement zu differenzieren (z. B. Lawendowski et al., 2020) Diese Unterscheidung ist analog zu jener zwischen Arbeitssucht und Arbeitsengagement (Atroszko et al., 2015).

Abgrenzung von Lernengagement

Personen mit hohem Arbeitsengagement investieren viel Energie in ihre Arbeit, fühlen sich ihr verbunden und sind so vertieft in sie, dass sie sich nur schwer von ihr lösen können (Bakker, Schaufeli, Leiter & Taris, 2008). Auf phänomenologischer Ebene besteht die Gemeinsamkeit zwischen Arbeitssucht und Arbeitsengagement somit darin, dass viel Zeit und Energie in die Arbeit gesteckt werden (Schaufeli, 2013; Shimazu, Schaufeli, Kamiyama & Kawakami, 2015). Jedoch liegen dem Verhalten unterschiedliche Motive zugrunde (van Beek, Hu, Schaufeli, Taris & Schreurs, 2012). Während Berufstätige mit ausgeprägtem Arbeitsengagement ihrer Beschäftigung nachgehen, weil sie ihnen Freude bereitet, arbeiten Arbeitssüchtige in einem exzessiven Ausmaß, um externalen Standards gerecht zu werden, zum Beispiel um negative Bewertung durch andere zu verhindern (Schaufeli, 2013). Analog zu dieser Unterscheidung wurde Studiersucht von Lernengagement abgegrenzt (Atroszko et al., 2015). Erwartungskonform fanden sich positive Zusammenhänge sowohl von exzessivem Studierverhalten als auch Lernengagement mit der Anzahl an Stunden, die für das Lernen aufgebracht werden (Atroszko et al., 2015; Lawendowski et al., 2020). Während exzessives Studierverhalten allerdings mit erhöhtem Stress, schlechterer Lebensqualität, schlechterer Gesundheit und reduzierter Schlafqualität assoziiert war, ging Lernengagement mit niedrigerem Stress, höherer Lebensqualität, besserer Gesundheit und besserem Schlaf einher (Atroszko et al., 2015; Lawendowski et al., 2020). Das zeigt, dass eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arten intensiven Lernens bzw. Studierens erforderlich ist.

Zielsetzung der vorliegenden Studie

Ziel der vorliegenden Studie war es, eine deutschsprachige Adaptation der BStAS psychometrisch zu überprüfen und Zusammenhänge von exzessivem Studierverhalten mit Lernstunden, Persönlichkeit und Gesundheit zu replizieren. Auf Basis bisheriger Befunde werden die folgenden Hypothesen aufgestellt:

  1. 1.
    Die deutschsprachige BStAS weist eine eindimensionale Struktur auf.
  2. 2.
    Exzessives Studierverhalten hängt positiv mit der Anzahl wöchentlicher Lernstunden zusammen.
  3. 3.
    Exzessives Studierverhalten hängt positiv mit Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit zusammen.
  4. 4.
    Exzessives Studierverhalten hängt positiv mit Stresserleben, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen und negativ mit Lebenszufriedenheit zusammen. Diese Zusammenhänge bestehen über demographische Variablen, die Big Five und Lernengagement hinaus.
  5. 5.
    Im Sinne diskriminanter Validität weisen exzessives Studierverhalten und Lernengagement entgegengesetzte Zusammenhänge mit Stresserleben, psychosomatischen Beschwerden, Schlafproblemen und Lebenszufriedenheit auf.

Methode

Stichprobe und Versuchsablauf

Die Studie fand von Mitte März bis Anfang September 2021 im Rahmen einer Online-Umfrage über Unipark (ww2.unipark.de/www) statt. Es wurden Fachschaften unterschiedlicher Studiengänge von zahlreichen Hochschulen und Universitäten in Deutschland mit der Bitte kontaktiert, den Link zur Online-Umfrage an Studierende weiterzuleiten. Psychologiestudierende und Studierende der Cognitive Science der Universität Osnabrück hatten die Möglichkeit, für die Teilnahme an der Studie eine halbe Versuchspersonenstunde zu erhalten.

Um teilnehmen zu dürfen, sollten die Proband_innen seit mindestens einem Jahr studieren und mindestens 18 Jahre alt sein. Alle Personen wurden schriftlich über den Ablauf der Studie informiert. Nur wenn allen Aspekten einer Einwilligungserklärung zugestimmt wurde, war eine Teilnahme möglich. Anschließend beantworteten die Teilnehmenden demographische Fragen und Fragen zu ihrem Studium, die deutschsprachige Version der BStAS sowie Fragebögen zu Lernengagement, wahrgenommenem Stress, Lebenszufriedenheit, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen. Nachdem alle Angaben gemacht wurden, wurden die Proband_innen schriftlich über die Inhalte der Studie aufgeklärt und erneut nach ihrer Einwilligung zur Datennutzung gefragt. Die Studie wurde von der lokalen Ethikkommission der Universität Osnabrück als ethisch unbedenklich eingestuft.

Es lagen Daten von 651 Personen vor, die beiden Einwilligungserklärungen zugestimmt hatten. Nachdem die Daten von Personen entfernt wurden, die mehrfach teilnahmen, unrealistisch schnelle Bearbeitungszeiten aufwiesen oder unplausible Angaben gemacht hatten, blieben 636 Personen (154 männlich, 468 weiblich, 14 intergeschlechtlich / divers) im Alter zwischen 18 und 58 Jahren (M = 24.19 Jahre, SD = 4.47) übrig. Um eine hinsichtlich der Studiensituationen homogenere Stichprobe zu erhalten, wurden in einem weiteren Schritt die Daten von Diplom- und Promotionsstudierenden entfernt sowie von Studierenden, die angaben, keinen der vorgegebenen Studienabschlüsse (Bachelor, Master, Diplom, Vordiplom, Staatsexamen, Promotion) anzustreben. Die Analysestichprobe bestand aus 615 Studierenden (147 männlich, 458 weiblich, 10 intergeschlechtlich / divers) im Alter zwischen 18 und 58 Jahren (M = 24.08 Jahre, SD = 4.41), von denen sich 428 im Bachelorstudium und 168 im Masterstudium befanden. Neunzehn Personen strebten das Staatsexamen an. Es gaben 446 Personen an, an einer Universität eingeschrieben zu sein, gefolgt von 136 Personen, die an einer Fachhochschule oder Hochschule für angewandte Wissenschaften studierten. Zwanzig Personen gaben an, ihr Studium an einer Kunst-‍, Film- oder Musikhochschule zu absolvieren. Eine Übersicht der kategorisierten Studiengänge ist in Tabelle S1 im Open Science Framework (OSF) zu finden: https://osf.io/frdjg/?view_only=87cf4d8d9a8d4dc5b8cb181ce7ae933f

Messungen

Demographie und Informationen zum Studium

Neben demographischen Informationen wurden die Teilnehmenden nach Informationen zu ihrem Studium gefragt (z. B. Art der Hochschule, an der sie studieren, Art des Studiums). Im Anschluss wurden sie darum gebeten, zu berichten, wie viele Stunden pro Woche sie während des Semester durchschnittlich mit dem Studieren verbringen. Hier fand sich die Information, dass unter anderem die Anwesenheit in Veranstaltungen, die Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen sowie Prüfungsvorbereitungen als Studieren zu verstehen sind. Im Anschluss beantworteten die Versuchspersonen die Frage, wie viele Stunden sie durchschnittlich pro Woche in der vorlesungsfreien Zeit mit dem Studieren verbringen.

Exzessives Studierverhalten

Exzessives Studierverhalten wurde mit der im Rahmen dieser Studie entwickelten deutschen Adaptation der BStAS erfasst. Bei der Entwicklung fand eine Anlehnung an den von Behr, Braun und Dorer (2015) empfohlenen Team-Ansatz statt. Im ersten Schritt übersetzten die Zweitautorin der vorliegenden Studie und eine Studentin aus dem Masterstudiengang Interkulturelle Psychologie mit sehr guten Englisch- und Deutschkenntnissen unabhängig voneinander die Instruktion und die sieben Items der BStAS vom Englischen ins Deutsche.

Im nächsten Schritt wurden die unabhängig erstellten Übersetzungen in einer Review-Session diskutiert. Beteiligt waren beide Übersetzerinnen, zwei studentische Hilfskräfte und die Erstautorin, die die Sitzung moderierte. Alle an der Diskussionsrunde beteiligten Personen erhielten im Vorfeld ein ausführliches Dokument zur Vorbereitung und eine Checkliste zur Einstufung der Items. Die Unterlagen sind im OSF unter https://osf.io/mvad8/?view_only=87cf4d8d9a8d4dc5b8cb181ce7ae933f zu finden.

Auf Basis beider Übersetzungen und nach einigen Modifikationen hat sich die Diskussionsrunde auf eine endgültige Fragebogenfassung geeinigt, die dem Anhang zu entnehmen ist und in der vorliegenden Studie zum Einsatz kam. Die Teilnehmer_innen bezogen sich bei der Beantwortung auf die letzten 12 Monate. Die Items wurden auf einer fünfstufigen Skala von 1 = nie bis 5 = immer beantwortet.

Lernengagement

Lernengagement wurde mit der 9-Item Version der Work Engagement Scale – Student Form (UWES-SF; Gusy, Lesener & Wolter, 2019) erhoben. Die Beantwortung der Items (z. B. „Ich bin glücklich, wenn ich mich im Studium mit etwas intensiv auseinandersetzen kann.“) fand auf einer siebenstufigen Skala von 1 = nie bis 7 = immer statt. Cronbachs α und McDonalds ω betrugen in dieser Studie .90.

Big Five

Die Big Five wurden mit dem Big Five Inventar 2 (Danner et al., 2019) erfasst. Das Instrument umfasst 60 Items, die auf einer fünfstufigen Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme voll und ganz zu beantwortet wurden. Die Werte für Cronbachs α betrugen αExtraversion = .86, αVerträglichkeit = .83, αGewissenhaftigkeit = .87, αNeurotizismus = .89, α‍Offenheit = .83 und die Werte für McDonalds ω betrugen ωExtraversion = .86, ωVerträglichkeit = .80, ωGewissenhaftigkeit = .84, ωNeurotizismus = .90, ωOffenheit = .71.

Wahrgenommener Stress

Zur Erfassung von wahrgenommenem Stress wurde die Perceived Stress Scale (PSS-10; Schneider, Schönfelder, Domke-Wolf & Wessa, 2020) verwendet. Das Instrument umfasst 10 Items (z. B. „Wie oft hatten Sie im letzten Monat das Gefühl, dass sich so viele Schwierigkeiten angehäuft haben, dass Sie diese nicht überwinden konnten?“), die auf einer Skala von 1 = nie bis 5 = immer beantwortet wurden. Cronbachs α und McDonalds ω betrugen .88.

Lebenszufriedenheit

Lebenszufriedenheit wurde mit der Satisfaction with Life Scale (SWLS; Janke & Glöckner-Rist, 2012) erfasst. Das Instrument umfasst fünf Items (z. B. „In den meisten Bereichen entspricht mein Leben meinen Idealvorstellungen.“), deren Beantwortung auf einer siebenstufigen Skala von 1 = starke Ablehnung bis 7 = starke Zustimmung stattfand. Cronbachs α betrug .85 und McDonalds ω .86.

Psychosomatische Beschwerden

Zur Erfassung psychosomatischer Beschwerden wurde die Skala Psychosomatische Beschwerden im nichtklinischen Kontext (Mohr & Müller, 2004) verwendet. Proband_innen geben an, wie oft sie bestimmte körperliche und psychische Beschwerden wahrnehmen. Die insgesamt 20 Items (z. B. „Ermüden Sie schnell?“, „Haben Sie Kopfschmerzen?“) wurden auf einer Skala von 1 = Nie bis 5 = Fast täglich beantwortet. Cronbachs α und McDonalds ω betrugen .89.

Schlafprobleme

Die Jenkins Sleep Scale (JSS-4; Tibubos, Zenger, Schmalbach, Beutel & Brähler, 2020) erfasst mit vier Items (z. B. „Wie oft innerhalb des letzten Monats hatten Sie Schwierigkeiten einzuschlafen?“) Schlafprobleme mit Bezugnahme auf die letzten vier Wochen. Die Antwortskala war sechsfach gestuft von 1 = gar nicht bis 6 = 22 – 31 Tage. Cronbachs α und McDonalds ω betrugen .76.

Analyse

Die Analysen wurden in R (version 4.1.2; R Core Team, 2021) durchgeführt. Um herauszufinden, ob die BStAS eine eindimensionale Struktur aufweist, wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) mit robuster Maximum Likelihood Schätzung (MLM) durchgeführt. Hierzu wurde das R-Paket lavaan (version 0.6 – 10; Rosseel, 2012) verwendet. Häufig beziehen sich Forschende auf Cutoff-Werte nach Hu und Bentler (1999), um den Fit eines Modells zu bewerten. Allerdings sind solche fixen Cutoff-Werte nicht ohne Weiteres auf andere als die von Hu und Bentler (1999) getesteten CFA-Modelle anwendbar (McNeish & Wolf, 2021). Deswegen wird in dieser Arbeit eine von McNeish und Wolf (2021) vorgeschlagene simulationsbasierte Methode der Dynamic Fit Index (DFI) Cutoffs genutzt, um die Passung des einfaktoriellen Modells einzuschätzen. Dieses Vorgehen erlaubt es, bei der Interpretation der Modellpassung spezifische Modellcharakteristika (z. B. Itemanzahl, Faktorladungen) mitzuberücksichtigen. Die Berechnung dieser dynamischen Cutoffs fand unter Verwendung der R Shiny App Dynamic Model Fit (version 1.1.0; Wolf & McNeish, 2020) statt, die unter https://dynamicfit.app zu finden ist.

Mit dem R-Paket semTools (version 0.5 – 5, Jorgensen, 2021) wurden Cronbachs α und McDonalds ω berechnet.

Um Zusammenhänge von exzessivem Studierverhalten mit der Anzahl wöchentlicher Lernstunden, den Big Five und gesundheitsbezogenen Variablen zu bestimmen, wurden Pearson Produkt-Moment-Korrelationen berechnet. Um herauszufinden, ob exzessives Studierverhalten über demographische Variablen, die Big Five und Lernengagement hinaus Varianz in wahrgenommenem Stress, Lebenszufriedenheit, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen vorhersagt, wurden hierarchische Regressionsanalysen durchgeführt. Im ersten Schritt wurden die Variablen Alter und Geschlecht (da es sich um eine trichotome Variable mit den Ausprägungen männlich, weiblich und inter / divers handelte, wurden die Analysen mit Dummy-Variablen durchgeführt) in die Analyse aufgenommen. Im zweiten Schritt wurden die Big Five, im dritten Schritt Lernengagement und im vierten Schritt der BStAS-Score aufgenommen.

Ergebnisse

Itemstatistiken zur BStAS, deskriptive Statistiken zu allen Instrumenten und eine Interkorrelationsmatrix aller Messungen sind in den Tabellen S2 bis S4 im OSF zu finden. Außerdem finden sich in Tabelle S5 die detaillierten Ergebnisse zu den durchgeführten hierarchischen Regressionsanalysen.

Faktorenstruktur und Reliabilität

Es resultierten folgende Fit-Indices für das postulierte einfaktorielle Modell: SB-χ² = 66.516, df = 14, p < .001, CFI = .944, RMSEA = .078, 90 % KI [.061, .097], SRMR = .042. Diese Werte wurden mit den DFI-Cutoffs verglichen, die bei unterschiedlichen Ausmaßen von Missspezifikationen zu erwarten wären, wobei die Level-1-Werte zur Orientierung als Cutoffs für kleine, Level-2-Werte als Cutoffs für moderate und Level-3-Werte als Cutoffs für starke Missspezifikationen verstanden werden können (McNeish & Wolf, 2021). Die zuvor genannten Fit-Indices sind in etwa konsistent mit den Werten in einem Modell mit moderater Missspezifikation (DFI-Cutoffs für Level 2: CFI = .939, RMSEA = .088, SRMR = .048; im Vergleich dazu für Level 1: CFI = .973, RMSEA = .057, SRMR = .036).

Cronbachs α und McDonalds ω betrugen .78.

Exzessives Studierverhalten hing signifikant mit der wöchentlichen Lernstundenanzahl während des Semesters, r = .37, p < .001, und mit der Lernstundenanzahl in der vorlesungsfreien Zeit zusammen, r = .34, p < .001. Im Vergleich dazu korrelierte Lernengagement zu r = .19, p < .001 mit der Anzahl an Lernstunden während des Semesters und zu r = .12, p = .003 mit der Anzahl an Stunden, die in der vorlesungsfreien Zeit für das Lernen aufgebracht wurden. Die Korrelation zwischen exzessivem Studierverhalten und Lernengagement betrug r = .07, p = .071.

Zusammenhänge mit den Big Five

Wider Erwarten hing exzessives Studierverhalten nicht signifikant mit Gewissenhaftigkeit zusammen, r = .08, p = .054. Es zeigte sich jedoch der erwartete positive Zusammenhang mit Neurotizismus, r = .33, p < .001. Exzessives Studierverhalten korrelierte nicht signifikant mit Extraversion (r = -.06, p = .121), Verträglichkeit (r = -.04, p = .321) oder Offenheit (r = .05, p = .259).

Zusammenhänge mit Stress, Lebenszufriedenheit, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen

Wie erwartet, hing exzessives Studierverhalten signifikant mit wahrgenommenem Stress (r = .45, p < .001), Lebenszufriedenheit (r = -.23, p < .001), psychosomatischen Beschwerden (r = .37, p < .001) und Schlafproblemen (r = .32, p < .001) zusammen. Lernengagement sagte die genannten Variablen ebenfalls signifikant vorher, wie erwartet jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen (Stress: r = -.31, p < .001, Lebenszufriedenheit: r = .38, p < .001, psychosomatische Beschwerden: r = -.24, p < .001, Schlafprobleme: r = -.15, p < .001).

Im Rahmen von hierarchischen Regressionsanalysen wurde untersucht, ob der BStAS-Score auch über Alter, Geschlecht, die Big Five und Lernengagement hinaus Varianz in den oben genannten Outcomes aufklärt. Es zeigte sich, dass durch die Hinzunahme des BStAS-Scores in die Modelle ein signifikanter Anteil zusätzlicher Varianz aufgeklärt werden konnte (Stress: ΔR2 = .07, p < .001, Lebenszufriedenheit: ΔR2 = .02, p < .001, psychosomatische Beschwerden: ΔR2 = .05, p < .001, Schlafprobleme: ΔR2 = .05, p < .001).

Diskussion

Zusammenfassung und Implikationen

Das Ziel der vorliegenden Studie bestand darin, eine deutschsprachige Adaptation der BStAS psychometrisch zu überprüfen und Zusammenhänge mit anderen Variablen zu replizieren. Die Ergebnisse auf Basis von DFI-Cutoffs deuten darauf hin, dass das postulierte einfaktorielle Modell Missspezifikationen aufwies. Zwar hätte durch das Zulassen von Fehlerkorrelationen zwischen bestimmten Items eine Verbesserung des Fits erreicht werden können, allerdings wurde auf eine Umsetzung dieses Vorgehens verzichtet, da das Zulassen der Fehlerkorrelationen zwischen den entsprechenden Items nicht inhaltlich plausibel begründet werden konnte und lediglich auf Basis von Modifikationsindices stattgefunden hätte (siehe MacCallum, Roznowski & Necowitz, 1992 zu möglichen Problemen dieses Vorgehens).

Abbildung 1 Einfaktorielles Modell mit standardisierten Faktorladungen für die deutschsprachige BStAS.

Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, wiesen Item 1 und Item 3 geringere Faktorladungen auf als die anderen Items. Es könnte vermutet werden, dass diese Items in einer Weise übersetzt wurden, dass sie das intendierte Konstrukt nicht hinreichend repräsentieren. Allerdings zeigte sich auch in der Validierungsstudie zur Originalversion der BStAS, auf der die deutschsprachige Adaptation basiert, dass die Items 1 und 3 (sowie Item 2) Ladungen < .50 aufwiesen (Atroszko et al., 2015). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Atroszko et al. (2015) den Fit ihres Modells in ihren Studien als gut bzw. zufriedenstellend bewerteten, diese Bewertung jedoch auf Grundlage der Kriterien nach Hu und Bentler (1999) vorgenommen haben. Das ist gegebenenfalls problematisch, da diese Kriterien insbesondere nicht ohne Weiteres auf einfaktorielle Modelle angewendet werden sollten (McNeish & Wolf, 2021). In der Stichprobe von polnischen Studierenden lag der CFI bei .94 und der RMSEA bei .07 (Atroszko et al., 2015), was vergleichbar mit den in der vorliegenden Studie berichteten Fit-Indices ist. Insgesamt erscheint es also, als sei die nicht hinreichende Modellpassung in der vorliegenden Untersuchung weniger auf Fehler in der Übersetzung als eher auf grundlegende Probleme mit der BStAS zurückzuführen. So soll Item 1 das Suchtkriterium der Salienz adressieren (Atroszko et al., 2015), bei genauer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass eine Beantwortung mit „oft“ oder „immer“ nicht zwangsläufig dadurch begründet sein muss, dass eine Person nahezu ausschließlich an ihr Studium denkt, ein intensives Verlangen nach dem Studieren hat und das Studium ihr wichtigster Lebensinhalt ist (siehe Griffiths, 2005 zum Kriterium der Salienz; Loscalzo & Giannini., 2018). Es könnte ebenso sein, dass eine Person deshalb oft darüber nachdenkt, wie sie sich mehr Zeit für das Studieren schaffen könnte, da sie zahlreiche außeruniversitäre Verpflichtungen hat (z. B. Familie, Nebenjob) und Schwierigkeiten hat, diese Verpflichtungen mit dem Studium zu vereinbaren. Dies wäre jedoch kein Charakteristikum einer Verhaltenssucht. Item 3 erfragt, wie oft studiert wurde, um negative Gefühle zu reduzieren. Auch hier kann ein hoher Wert unterschiedliche Gründe haben. Es ist möglich, dass das Item bei einigen Personen eher das Ausmaß an Überforderung mit dem Studium oder Aspekte wie Prüfungsängstlichkeit erfasst als den Aspekt der Stimmungsmodifikation. Insgesamt ist also davon auszugehen, dass die (deutschsprachige) BStAS zwar ein Studierverhalten erfasst, das durchaus klinisch relevant sein kann, jedoch keine hinreichende Passung mit den Kriterien der Verhaltenssucht aufweist und somit auch nicht als Instrument zur Erfassung von Studiersucht bezeichnet werden sollte. Ohnehin ist fraglich, ob das Konzept der Arbeitssucht einfach auf Studierverhalten übertragen werden kann. Atroszko et al. (2015) nennen als Argument für die Übertragbarkeit des Konzepts zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Arbeit und Studium (z. B. wird in beiden Fällen viel Aufwand betrieben, um erfolgreich zu sein; es werden Fertigkeiten und Wissen benötigt). Allerdings gibt es auch zentrale Unterschiede, die von den Autoren nicht berücksichtigt werden, für die Messung der Studiersucht aber relevant sein dürften. So ist die Arbeitszeit zumindest bei Angestellten vertraglich festgelegt. Das Studium hingegen besteht zu einem großen Teil aus selbstständigem Lernen, das außerhalb der Universität stattfinden kann und für das es keine vorgeschriebenen Zeiten gibt. Wann Arbeitsstunden überschritten werden, ist im Falle der Studiersucht also kaum festzustellen und demnach ist es auch schwierig einzuordnen, wann das Verhalten exzessiv ist.

Es wurde auf Grundlage früherer Studienergebnisse (z. B. Atroszko et al., 2015) die Hypothese aufgestellt, dass der BStAS-Score positiv mit Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit zusammenhängt. Wie erwartet zeigte sich mit Neurotizismus ein signifikanter positiver Zusammenhang. Die Hypothese konnte in Bezug auf Gewissenhaftigkeit allerdings nicht bestätigt werden. Dies ist überraschend, da davon auszugehen wäre, dass Facetten der Gewissenhaftigkeit wie Pflichtbewusstsein, Disziplin und Leistungsstreben (Roberts, Lejuez, Krueger, Richards & Hill, 2014) sich begünstigend auf die Ausdauer auswirken, die erforderlich ist, um über einen längeren Zeitraum viel Energie in das Studieren zu investieren. Laut Griffiths et al. (2018) ist die Befundlage zum Zusammenhang von Arbeits- bzw. Studiersucht und Gewissenhaftigkeit insgesamt inkonsistent. Die Autoren vermuten, dass Arbeits- bzw. Studiersüchtige zu Beginn ihrer Sucht sehr gewissenhaft arbeiten, im Laufe der Zeit von dem hohen Arbeits- bzw. Lernpensum jedoch so überfordert sind, dass es ihnen nicht mehr gelingt, organisiert und strukturiert zu arbeiten.

In einer Metaanalyse von Clark, Michel, Zhdanova, Pui und Baltes (2016) hing Arbeitssucht deutlich höher mit Perfektionismus als mit Gewissenhaftigkeit zusammen. Laut Wojdylo, Baumann, Buczny und Kuhl (2013) ist eine neurotische Art des Perfektionismus eine essentielle Komponente der Arbeitssucht, die mit pathologisch hohen Standards einhergeht. Die Rolle von Perfektionismus im Kontext exzessiven Studierverhaltens zu untersuchen wäre insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen wichtig. Grundsätzlich ist es erforderlich, in zukünftigen Studien mehr über die Mechanismen zu erfahren, die exzessivem Studierverhalten zugrunde liegen. Beispielsweise konnte in einer vergangenen Untersuchung gezeigt werden, dass maladaptive Rumination den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit (geringer Selbstwert, hoher Perfektionismus) und Arbeitssucht mediiert (Kun, Urbán, Bothe, Griffiths, Demetrovics & Kökönyei, 2020). Bislang ist nicht klar, ob ein ähnlicher Mechanismus in Bezug auf exzessives Studierverhalten existiert.

Neben Persönlichkeitsvariablen wurden in der vorliegenden Studie Zusammenhänge von Studiersucht mit studien- und gesundheitsbezogenen Aspekten untersucht. Es zeigte sich wie erwartet ein positiver Zusammenhang mit der Anzahl wöchentlich aufgebrachter Lernstunden sowie mit wahrgenommenem Stress, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen. Mit Lebenszufriedenheit zeigte sich ein negativer Zusammenhang. Hierarchische Regressionsanalysen ergaben außerdem, dass die BStAS inkrementelle Validität in der Vorhersage dieser Outcomes aufwies. Der Anteil zusätzlich aufgeklärter Varianz lag zwischen 2 % für Lebenszufriedenheit und 7 % für wahrgenommenen Stress. Unter der Annahme, dass das mit der BStAS erfasste Studierverhalten ein Prädiktor und nicht nur ein Korrelat oder eine Konsequenz von wahrgenommenem Stress, mangelnder Lebenszufriedenheit, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen ist, kann auf Basis der hierarchischen Regressionsanalysen angenommen werden, dass die BStAS insbesondere im Rahmen der Stress- und Krankheitsprävention eine sinnvolle Ergänzung der Diagnostik darstellen könnte. Möglicherweise erlaubt die Diagnostik des mit der BStAS erfassten Studierverhaltens präzisere Prognosen darüber, welche Studierenden auf lange Sicht gefährdet sind, ein hohes Stresslevel und gesundheitliche Probleme zu entwickeln.

Im Sinne diskriminanter Validität zeigte Lernengagement Zusammenhänge mit wahrgenommenem Stress, Lebenszufriedenheit, psychosomatischen Beschwerden und Schlafproblemen, die sich im Vorzeichen von den Zusammenhängen zwischen exzessivem Studierverhalten und den Outcomes unterschieden. Lernengagement und das mit der BStAS erfasste Studierverhalten hingen nicht signifikant zusammen, was zunächst plausibel erscheint, da es sich um unterschiedliche Konstrukte handelt. Allerdings ist dieses Ergebnis unter Hinzunahme früherer Studienergebnisse, in denen moderate bis hohe Zusammenhänge zwischen beiden Konstrukten gefunden wurden (z. B. r = .48 bei Atroszko et al., 2015 und Lawendowski et al., 2020, r = .42 bei Czerwiński et al., 2022), überraschend. Diese Unterschiede könnten zum Teil dadurch zu erklären sein, dass in der vorliegenden Studie eine differenziertere Messung von Arbeitsengagement erfolgte als in anderen Arbeiten. Atroszko et al. (2015), Lawendowski et al. (2020) und Czerwiński et al. (2022) haben ein Item zur Erfassung von Lernengagement verwendet („How engaged in learning are you?“; Lawendowski et al., 2020, S. 456). In der vorliegenden Studie wurde jedoch ein Instrument, die UWES-SF, verwendet, welches Lernengagement differenzierter erfasst, indem es die Komponenten der Vitalität, Hingabe und Vereinnahmung adressiert (Gusy et al., 2019). In Bezug auf die Arbeitssucht erläutern Di Stefano und Gaudiino (2019), dass beide Konzepte hinsichtlich der Dimension der Vereinnahmung Gemeinsamkeiten aufweisen. Zusatzanalysen für die vorliegende Untersuchung ergaben, dass Vereinnahmung die einzige Subskala der UWES-SF war, mit der exzessives Studierverhalten statistisch signifikant zusammenhing. Die gemeinsame Varianz betrug allerdings etwas weniger als 3 %.

Limitationen

Bei der hier durchgeführten Untersuchung handelt es sich um die erste Studie, in der die BStAS ins Deutsche übersetzt und psychometrisch überprüft wurde. Wie bereits im Theorieteil dieser Arbeit aufgeführt, darf bezweifelt werden, dass die BStAS tatsächlich Studiersucht erfasst. Jedoch zeigen die Ergebnisse, dass das mit der BStAS erfasste Studierverhalten insofern problematisch ist, als es mit schlechterer Lebenszufriedenheit und Gesundheit und mehr wahrgenommenem Stress einhergeht.

Es wurde eine in Bezug auf die Studiengänge heterogene Stichprobe untersucht, allerdings ist zu berücksichtigen, dass sie deutlich mehr Frauen als Männer umfasste. Bei der Interpretation der Ergebnisse darf außerdem nicht vernachlässigt werden, dass die Daten während der Phase der Corona-Pandemie erhoben wurden, in der an den meisten Universitäten Online-Lehre stattfand. Der Anteil Studierender, die mindestens vier der sieben Items mit „oft“ oder „immer“ beantwortet haben und somit laut Atroszko et al. (2021) als „studiersüchtig“ klassifiziert werden können, lag in der vorliegenden Studie mit 27 % deutlich höher als in früheren Untersuchungen (vgl. Atroszko et al., 2019). Es ist notwendig, zu untersuchen, ob sich dieser Anteil in Stichproben unterscheidet, die das Angebot der Präsenzlehre in Anspruch nehmen können.

Außerdem ist aufgrund des Querschnittsdesigns nicht klar, ob exzessives Studierverhalten schlechtere Gesundheit vorhersagt oder ob nicht doch schlechtere Gesundheit ein Prädiktor des exzessiven Studierverhaltens ist. Zwar konnten Shimazu et al. (2015) auf Basis von Längsschnittdaten zeigen, dass Arbeitssucht zu einem Anstieg schlechterer Gesundheit und einer Abnahme von Lebenszufriedenheit führt, allerdings darf nicht davon ausgegangen werden, dass diese Befunde auf Studierverhalten übertragbar sind. In Längsschnittstudien sollte untersucht werden, ob das mit der BStAS erfasste Verhalten ein Antezedens oder eine Konsequenz schlechterer Gesundheit ist.

Zukünftige Forschung

Neben der Diagnostik der Studiersucht sollte die zukünftige Forschung insbesondere darauf ausgerichtet sein, herauszufinden, welche Interventionsmaßnahmen im Bereich des exzessiven Studierverhaltens wirkungsvoll sein könnten. Zur Behandlung der Arbeitssucht wurden in der Vergangenheit kognitiv-behaviorale Ansätze vorgeschlagen, darunter die Rational-Emotive Verhaltenstherapie nach Ellis (1957; siehe Andreassen, 2014). Einen wesentlichen Bestandteil der Therapie stellt dabei im Rahmen der Disputation das Infragestellen irrationaler Annahmen dar (Chen, 2006). Es ist anzunehmen, dass auch bei Personen, die ein exzessives Studierverhalten aufweisen, irrationale Annahmen bestehen (z. B. „Wenn ich die Regelstudienzeit überschreite, bin ich für den Arbeitsmarkt unattraktiv und werde niemals einen Job bekommen.“), die im Rahmen von Interventionen adressiert werden sollten.

Hinsichtlich der Behandlung ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich Betroffene ihres Problems möglicherweise gar nicht bewusst sind. Porter (1996) hat in Bezug auf Arbeitssucht berichtet, dass Betroffene häufig leugnen, ein Problem zu haben und daher keine Hilfe in Anspruch nehmen. Sollte dies auch bei Personen der Fall sein, die exzessiv studieren, müsste man davon ausgehen, dass sie die psychosozialen Beratungsangebote, die von Hochschulen und Universitäten zur Verfügung gestellt werden, nicht aktiv aufsuchen. Zukünftige Arbeiten sollte sich also zum einen der Frage widmen, ob diese Studierenden ihr Problem kennen und bereit sind, Angebote in Anspruch zu nehmen, und zum anderen Strategien entwickeln, um Betroffene zu erreichen.

Resümee

Auch wenn nicht davon ausgegangen werden darf, dass mit der BStAS tatsächlich eine Verhaltenssucht erfasst wird, so legen die Ergebnisse dieser und früherer Untersuchungen doch nahe, dass die Skala Studierverhalten erfasst, das in Bezug auf die Vorhersage von gesundheitsrelevanten Variablen wie Stress, psychosomatischen Beschwerden und Schlaf von Bedeutung sein kann. Insgesamt sind jedoch noch zahlreiche Fragen offen, zum Beispiel, ob das Konstrukt der Arbeitssucht wirklich auf Studierverhalten übertragbar ist und auch, wie exzessives Studierverhalten reduziert und verhindert werden kann.

Die Autorinnen bedanken sich bei Maike Garbade, Anna-Lena Jesussek und Daniel Sepp für ihre Unterstützung bei der Entwicklung der deutschsprachigen BStAS. Zusätzlich sei ein besonderer Dank an Daniel Sepp für seine Unterstützung bei der Proband_innen-Akquise gerichtet.

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Anhang

Deutsche Version der Bergen Study Addiction Scale (BStAS)

Im Folgenden finden Sie sieben Fragen, die sich auf das Studieren beziehen. Bitte wählen Sie für jede einzelne der sieben Fragen die Antwortoption (von „nie“ bis „immer“), die Sie am besten beschreibt.

Wie häufig haben Sie während des letzten Jahres