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Open AccessOriginalarbeit

Primärqualifizierende Pflegestudiengänge aus Sicht Studierender

Ergebnisse der Ersterhebung einer bundesweiten Längsschnittstudie

Published Online:https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000886

Abstract

Zusammenfassung.Hintergrund: Das Pflegeberufegesetz schafft erstmals einen konkreten Rahmen für die akademische Pflegeausbildung in Deutschland. Die primärqualifizierenden Pflegestudiengänge starteten 2020 und werden von einer Befragung Studierender begleitet. Fragestellung/Ziel: Der Beitrag stellt Ergebnisse der ersten Befragungswelle (2021) zur Sicht der Studierenden dar. Es werden Herausforderungen und Nachsteuerungsbedarfe der hochschulischen Primärqualifizierung analysiert und Lösungsansätze entwickelt. Methode: Die Online-Erhebung ist als längsschnittliche Kohortenstudie mit drei Messzeitpunkten konzipiert (2021, 2022, 2023). Es erfolgt eine deskriptive Ergebnisdatenanalyse der ersten Befragungswelle mit N = 57 Studierenden. Ergebnisse: Das primärqualifizierende Pflegestudium wird insgesamt gut bewertet (Gesamtnote 2,32), doch kommt ein Drittel (35,85%) zu eher kritischen Gesamteinschätzungen. Anpassungsbedarfe sieht jede/r zweite Studierende bei der Finanzierung des Studiums. Das Lernen in der Praxis entspricht oft nicht den Erwartungen der Studierenden. 86% der Befragten berichten, dass die Einsatzorte unzureichend über die Qualifikation der Studierenden informiert sind. Schlussfolgerungen: Die Studienfinanzierung, dabei insbesondere die Vergütung der Praxiseinsätze, stellen kurzfristig zu lösende Regelungslücken dar. Beim Lernen in der Praxis zeigt sich Bedarf nach einer besser auf die akademische Pflegeausbildung ausgerichteten Praxisanleitung. Damit geht die Notwendigkeit einer genaueren Definition späterer Tätigkeitsfelder und Stellenprofile einher.

German nursing study programs from the students’ perspective: First results of a nationwide longitudinal study

Abstract.Background: The Nursing Professions Act establishes a concrete framework for academic nursing education in Germany for the first time. The primary qualifying nursing courses started in 2020 and will be accompanied by a systematic reporting of students’ experiences over a period of three years. Aims: The article presents the results of the initial survey period (2021) on the students’ point of view. Challenges and the need for further regulation of the primary qualifying nursing studies are analyzed and approaches to solutions are developed. Methods: The online survey is designed as a longitudinal cohort study with three measurement periods (2021, 2022, 2023). A descriptive analysis considers data of N = 57 students in the initial survey period. Results: The primary qualifying nursing study program is rated good overall (overall grade 2.32). However, one third (35.85%) are more critical in their assessments. Every second student perceives a need for adjustment in the financing of students. Learning in clinical placement settings often does not meet students’ expectations. 86% of respondents report that nursing practice sites are insufficiently informed about students’ qualification. Conclusions: Students’ financing, and in particular the payment of assignments in the nursing practice, represents a regulatory gap with need for short-term solutions. For learning in nursing practice, there is a need for an enhanced practical placement guidance that is better geared to academic nursing education. This is accompanied by the need for a more specific definition of later professional fields and job profiles.

Was ist zu dieser Thematik schon bekannt?

Evaluationen bisheriger Pflegestudiengänge belegen den Wert des Pflegestudiums für Kompetenzzuwachs und Versorgungsqualität.

Welchen Erkenntniszugewinn leistet die Studie?

Um den Anteil von Pflegestudierenden zu erhöhen, ist die Schaffung angemessener Rahmenbedingungen notwendig.

Einleitung

Die Notwendigkeit zur Erhöhung des Anteils von Pflegenden mit hochschulischer Qualifizierung lässt sich aus den veränderten Versorgungsanforderungen im Gesundheitswesen ableiten (Wissenschaftsrat, 2012). Mit einem für die Pflegepraxis qualifizierenden Studium werden Pflegepersonen befähigt, hochkomplexe Pflegeprozesse zu bewältigen, evidenzbasiert zu denken und ihr Handeln im Rahmen von Clinical-Reasoning-Prozessen zu planen (Dölken, 2006; Meyer-Kühling, 2019). Der verstärkte Einsatz hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen geht mit einer höheren Patientensicherheit (z.B. durch geringere postoperative Komplikationen), einer effektiveren Versorgung (etwa durch geringere Klinikverweildauer) und letztlich einer sinkenden Mortalitätsrate einher (Darmann-Finck, 2012; Aiken et al., 2017; Darmann-Finck & Reuschenbach, 2018), gleichwohl durch Bildungssystemdivergenzen in den Studien eine eingeschränkte Vergleichbarkeit besteht.

Im Jahr 2020 wurde in Deutschland mit dem neuen Pflegeberufegesetz (PflBG) erstmals ein konkreter Rahmen für die akademische Pflegeausbildung geschaffen. Jenseits der bisherigen Modellstudiengänge ist es nun erstmals möglich, regelhaft ein Studium zu absolvieren, das zu einer Berufszulassung in der Pflege führt (§39 PflBG). Hierfür ist kein separater Ausbildungsvertrag erforderlich. Eine Erhebung der Bundesdekanekonferenz Pflegewissenschaft aus dem WS 2020/21 (Gräske et al., 2021) zeigt ein Spektrum der Curricula, das von 180 bis 240 ECTS sowie Regelstudienzeiten von 6 bis 8 Semestern reicht. Zum betreffenden Zeitpunkt war lediglich etwa die Hälfte der angebotenen Studienplätze belegt (Gräske et al., 2021). Rückmeldungen aus den Hochschulen weisen auf eine wesentliche Anzahl von Studienabbrüchen hin (Eberl et al., 2021).

Ein Pflegestudium war bereits vor der Neuausrichtung durch das PflBG möglich. Die bisherigen Studiengänge wurden in der Regel in Kooperation mit Berufsfachschulen durchgeführt, was den Grad ihrer Akademisierung strukturell limitierte. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK, 2017) forderte daher in einem Positionspapier die Einführung primärqualifizierender Studiengänge. Deren Gesamtverantwortung sollte für die theoretischen und praktischen Phasen gleichermaßen bei den Hochschulen liegen, denn die dualen Studiengänge entsprächen „oft nicht hochschulischen Anforderungen an die wissenschaftliche Qualifikation des Personals, die Wissenschaftsfundierung oder die Strukturierung der Ausbildung“ (HRK, 2017, S.2). Zudem wurde eine „systematische und kontinuierliche Forschungsförderung im Rahmen bestehender und neu einzurichtender Programme“ (HRK, 2017, S.2) gefordert. Ausgehend von der Zulassungszuständigkeit des Bundes für alle ärztlichen und andere Heilberufe (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) wurde der Vorstoß zu den primärqualifizierenden Pflegestudiengängen vom Gesetzgeber aufgegriffen und mit dem PflBG umgesetzt. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wurden in diesem Rahmen weitreichende Aufgaben übertragen (§§53 Abs. 5 Satz 1, 54 PflBG und §90 Abs. 3a BBiG), z.B. die Forschung zur Pflegeausbildung sowie zum Pflegeberuf, welche die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV) regelt. Aus §60 Abs. 4 PflAPrV ergibt sich der Auftrag, dass die berufliche und hochschulische Ausbildung erforscht werden soll. Dazu hat das BIBB ein Forschungsprogramm mit vier Themenbereichen entwickelt: Bildungsarchitektur in der Pflege; Neue Pflegeausbildungen etablieren; Nachhaltige Migration ermöglichen; Den digitalen Wandel gestalten (Peters et al., 2021). Im Themenbereich „Neue Pflegeausbildungen etablieren“ ist die wissenschaftliche Begleitung der Einführung der neuen Pflegeausbildungen verortet, die vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), der Katholischen Stiftungshochschule München und der Hochschule Esslingen umgesetzt wird. Die qualitative Erhebung zu sechs Schwerpunkten an Ausbildungseinrichtungen (z.B. Ausbildungsverbünde, Lernortkooperationen) wird begleitet durch eine systematische Befragung von Auszubildenden und Studierenden mittels längsschnittlicher Panelerhebung.

Ziel und Fragestellung

In diesem Beitrag werden Daten der ersten Befragungswelle dargestellt, die einen Einblick in die Struktur und Wahrnehmung des primärqualifizierenden Pflegestudiums aus Sicht der Studierenden geben. Mit der Analyse der ersten Befragungswelle sollen frühzeitig Herausforderungen im Kontext der hochschulischen Primärqualifizierung identifiziert und Nachsteuerungsbedarfe ermittelt sowie Lösungsansätze entworfen werden.

Die Schwerpunkte ergeben sich aus identifizierten Herausforderungen und systematischen Analysen zum Forschungsstand. Um ein breites Spektrum an Merkmalen darzustellen, wird hier auf folgende Aspekte eingegangen: (A) Studienwahlmotive und berufliche Perspektiven, (B) die Studienbedingungen an den Hochschulen, (C) die Lernsituation in der Praxis, (D) die Finanzierung des Studiums als Rahmenbedingung und (E) die Gesamtbewertung des primärqualifizierenden Pflegestudiums.

Methode

Forschungsdesign

Die Erhebung ist als längsschnittliche Kohortenstudie mit drei Messzeitpunkten (2021, 2022 und 2023) konzipiert. Zielgruppe sind Studierende in primärqualifizierenden Pflegestudiengängen, die das Studium zum Sommersemester 2020 oder Wintersemester 2020/21 aufgenommen haben. Der Umfang der Grundgesamtheit dieser Kohorte kann nur geschätzt werden, da im Gegensatz zur beruflichen Pflegeausbildung bislang keine amtliche Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) vorliegt. Eine Hochrechnung anhand der Daten des BIBB-Pflegepanels kommt auf eine Minimum-Schätzung von bundesweit 379 Studierenden (Meng et al., 2022), sodass wir uns im Folgenden auf diesen Umfang beziehen. Die Erhebung von Gräske et al. (2021) kommt zu ähnlichen Schätzungen. Wir orientieren uns zur Vorstellung der Ergebnisse an den STROBE-Standards (van Elm et al., 2007) und an den CHERRIES-Guidelines (Eysenbach, 2004) für Online-Erhebungen.

Erhebungsinstrument

Die Befragung wurde als Online-Befragung mit der Plattform SoSciSurvey durchgeführt. Sie bestand aus einem vorgeschalteten Fragebogen für die Registrierung im Panel und dem Hauptfragebogen. Der Registrierungsfragebogen umfasste 13 Items, die zur Prüfung der Zugehörigkeit zur Zielpopulation dienten und erste soziodemographische Merkmale erfragten: Beginn des Studiums (Jahr und Semester), Name und Ort der Hochschule (jeweils als Freitext), Art des Hochschulzugangs (Schulabschluss, alternative Zugangswege, Gesamtnote Schulabschluss), vorherige/s Berufsausbildung oder Studium und ggf. erworbene Abschlüsse. Aus dem Registrierungsfragebogen wird nur zu Hochschulstandort und Studien-/Ausbildungsvorerfahrung berichtet.

Der Zugang zum Hauptfragebogen erfolgte mittels eines nach der Registrierung per E-Mail versendeten Links. Der Link war mit dem Teilnehmendenpseudonym verknüpft. Über das Pseudonym sind die Teilnehmenden später auf Fallebene identifizierbar, bleiben als Personen jedoch anonym. Diese Pseudonymisierung bildet die datentechnische Grundlage, um mit den späteren Befragungswellen längsschnittliche Analysen vornehmen zu können und dient zum Schutz vor mehrmaligem Ausfüllen des Fragebogens. Eine Verknüpfung von Adresse und Pseudonym der Teilnehmenden besteht ausschließlich in der Paneldatenbank des Befragungsservers und ist für die Forschenden nicht einsehbar. Sie wird nach Abschluss der finalen Erhebungswelle gelöscht.

Der Hauptfragebogen umfasste 56 Items, präsentiert auf 14 Fragebogenseiten. Der Hauptfragebogen beinhaltete keine Pflicht-Items. Für die Zusammenstellung der Instrumente wurden Items aus Erhebungen mit ähnlichem Schwerpunkt übernommen oder angepasst (Reiber et al., 2019; Reiber & Winter, 2018; Ebbinghaus & Krewerth, 2010). Die Auswahl der Fragen ergab sich durch die Schwerpunktesetzung des Gesamtprojektes (Analyse der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes). In Abstimmung mit den Forschungsstandorten der Teilprojekte, dem Auftraggeber und aufgrund von Pretests wurden die relevanten Items aus einem Pool an Fragen sukzessive ausgewählt. Da es sich um einen Online-Fragebogen handelt, waren eine hohe Augenscheinvalidität der Items und ein schnelles Antwortverhalten neben den inhaltlichen Kriterien für die Auswahl relevant. Der Fragebogen gliedert sich in fünf Teile:

  • Soziodemografische Angaben: Alter (Geburtsjahr), Geschlecht (3 Kategorien und Ausweichoption), Migrationshintergrund (3 Items: Staatsangehörigkeit, in Deutschland [D] geboren, seit wie vielen Jahren in D).
  • Berufs-/Studienwahlmotiv und berufliche Perspektiven: Bei der Wahl des Studiums war von Interesse, ob es sich um den Wunschberuf, eine Wahl zwischen verschiedenen Berufsinteressen oder eine „Notlösung“ handelte (5 Kategorien nominal, single-choice). Die beruflichen Perspektiven wurden per Multiple-Response-Set erfragt, das zudem ein Freitextfeld für weitere Perspektiven umfasste.
  • Rahmenbedingungen, Struktur und Rahmung des Studiums: Mittels Doppelskala wurden allgemeine Studienbedingungen paarweise hinsichtlich ihrer Bedeutung (6-Punkt Likert-Skala: 1 = „sehr wichtig“ bis 6 = „gar nicht wichtig“) und hinsichtlich der wahrgenommenen Realisierung der Bedingungen (ebenfalls 6-Punkt Likert-Skala: 1 = „sehr stark“ bis 6 = „gar nicht“) erhoben. Als wichtige Rahmenbedingung wurde zudem nach einer studienbegleitenden Erwerbstätigkeit (1 Item, dichotom) und ggf. auch nach der Art der Tätigkeit (1 Item, Freitextfeld) und dem zeitlichen Umfang (1 Item; Zahlenfeld für Wochenstunden) gefragt.
  • Lernsituation in der Praxis: Die Lernsituationen in der Praxis wurden im Rahmen von zwei Fragenkomplexen abgebildet. Zunächst wurden die Studierenden um Angaben zur Art und Dauer ihrer bisherigen Praxiseinsätze gebeten (jeweils per Freitextfeld, 6 mögliche Einsätze). Jeder Praxiseinsatz war zudem auf einer Skala im Hinblick auf die Zufriedenheit mit den gebotenen Lernmöglichkeiten zu bewerten. In einem zweiten Komplex wurden wiederum mit Hilfe von Doppelskalen die Bedingungen des Praxislernens paarweise sowohl hinsichtlich ihrer Bedeutung als auch ihrer Ausgestaltung erfragt. Am Ende des Fragebogens konnten Verbesserungsvorschläge für die Bereiche Hochschule, Praxiseinsätze und Studium frei formuliert werden.
  • Gesamtbewertung des Studiums: Die Gesamteinschätzung zum Studium, zur Hochschule und den Praxiseinsätzen wurde mit einer Schulnotenskala erfragt. Ergänzend wurde nach einer Wiederwahl des Studiums und der Hochschule gefragt (2 Items, dichotom) sowie nach der Erwägungshäufigkeit eines Studienabbruchs (6-Punkt Likert-Skala: 1 = „sehr häufig“ bis 6 = „nie“).

Es wurden leitfadengestützte Pretest-Interviews durchgeführt. Von zwei beteiligten Hochschulen wurden dazu zwei Pflegestudierende vermittelt. Es erfolgte keine Zufallsauswahl der Pretest-Personen. Zum Einsatz kamen kognitive Interviewtechniken (Thinking-Aloud-Methode; Willis, 2005), um zu prüfen, wie die Items verstanden wurden. Die Teilnehmenden wurden zudem zur thematischen Vollständigkeit befragt. Aufgrund des Pretests wurden vereinzelt Item-Formulierungen präzisiert sowie zusätzliche Erläuterungstexte angepasst. Das Item zur Studienabbrucherwägung wurde in Formulierung und Skalierung geändert. Ergänzt wurde ein Item zur Bestimmung des Zuzugsjahrs nach Deutschland für eingewanderte Studierende. Der Zeitumfang der Befragung wurde mit ca. 15min veranschlagt. Die Reihenfolge der Items innerhalb der Themenkomplexe wurde randomisiert.

Zugang zur Stichprobe

Für die Auswahl der Studienstandorte wurde eine Datenbank des BIBB genutzt, die aufgrund persönlicher Nachfragen bei den Studienstandorten und Netzrecherchen entstand. Auswahlkriterium war, dass die Standorte im Jahr 2020 (Sommer- oder Wintersemester) ein primärqualifizierendes Pflegestudium nach dem PflBG anboten und Studierende immatrikuliert hatten. So konnten 16 Studienstandorte in die Erhebung aufgenommen werden. Die Kontaktaufnahme für die Befragung erfolgte per E-Mail an den jeweiligen Studienstandorten. Die Verteilung des Registrierungslinks erfolgte über die Studiengangsleitungen, die den Link und ein Informationsschreiben an die Studierenden weiterleiteten. Die erste Befragungswelle der Kohortenstudie erstreckte sich von Juni bis November 2021. Die Feldphase war zeitlich breit angelegt, da in den Sommermonaten nicht alle Studierenden erreichbar waren und/oder sich teilweise in den praktischen Einsätzen befanden. Ein Reminder erfolgte durch die Hochschulen an die Studierenden in den Monaten Oktober–November 2021. Die im Panel bereits Registrierten erhielten im Befragungszeitraum zwei Reminder, soweit sie noch nicht teilgenommen hatten. Es erfolgte eine Incentivierung. Den Teilnehmenden wurden dazu Gutscheine in Höhe von jeweils 10 Euro per Losverfahren in Aussicht gestellt.

Datenanalyse

Das Datenmaterial wurde zunächst auf Vollständigkeit, Plausibilität und Konsistenz geprüft und zur Analyse strukturell aufbereitet. Für die deskriptive Analyse der quantitativen Daten kam die Software SPSS-Statistics Version 26.0 (IBM Corp., 2019) zum Einsatz. Alle quantitativen Rohdaten sind zukünftig über das Datenrepositorium des BIBB abrufbar. Das qualitative Datenmaterial aus Freitextantworten wurde durch zwei Forschende gemeinsam mit Hilfe der Software MAXQDA 2020 aufbereitet und kodiert (VERBI Software, 2019). Hierbei wurde das von Rädiker und Kuckartz (2020) beschriebene Verfahren zur Quantifizierung ursprünglich qualitativer Angaben mit dem Ziel einer fallübergreifenden Datenexploration mit einem datengesteuerten/induktiven Ansatz angewandt. Die häufigsten Worte und Wortkombinationen wurden identifiziert und in Kategorien zusammengefasst sowie exemplarische Zitate selektiert.

Ethische Aspekte

Das Erhebungsinstrument und -setting wurden datenschutzrechtlich geprüft und für die Teilnahme ein informiertes Einverständnis eingeholt. Ethische Bedenken bestanden auch durch die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Pseudonymisierung der Daten sowie des jederzeit möglichen Befragungsabbruchs nicht. Eine Rückführung auf konkrete Einzelpersonen in Verbindung mit deren Hochschule ist durch das Pseudonymisierungsverfahren nur unter erheblichem Aufwand und Mitwirkung des Datentreuhänders möglich. Für weitergehende, auch sekundäre Analysen wurden alle Datenmerkmale entfernt, die Hinweise auf die jeweilige Hochschule geben könnten, um auch deren Interessen zu wahren.

Nach Vorgesprächen mit der zuständigen Ethikkommission wurde von der Einholung eines formalen Ethikvotums abgesehen, da keine Sachverhalte erkennbar waren, die ein Ethikvotum notwendig machen.

Ergebnisse

Soziodemografische Angaben

Während der ersten Befragungswelle haben sich n = 67 Studierende im Panel registriert, von denen n = 62 an der ersten Befragungswelle teilnahmen. Zwei der 62 Fälle mussten ausgeschlossen werden, weil die Studierenden aus einem dualen (mit Ausbildungsvertrag) statt primärqualifizierenden Pflegestudiengang kamen. Die weitere Auswahl gültiger Fälle erfolgte anhand des Responseumfangs, der erreichten Position im Fragebogen (jeweils mind. 50%) sowie der Beantwortungsgeschwindigkeit (Relative Speed Index > 2; Leiner, 2019). Es ergibt sich unter diesen Kriterien eine Nettostichprobe von N = 57 Fällen. Gemessen an der o.g. Schätzung des BIBB-Pflegepanels (Minimum-Schätzung; Meng et al., 2022) spiegelt die erreichte Nettostichprobe damit ca. 15% der bundesweiten Zielpopulation wider.

Die Stichprobe setzt sich aus Studierenden von 15 Hochschulen in zehn Bundesländern zusammen (siehe Abb. 1). Im Mittel haben pro beteiligter Hochschule 3,5 Studierende (SD = 2,30) teilgenommen. Tabelle 1 zeigt die Verteilung in der Stichprobe nach Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund. Das Durchschnittsalter liegt bei 23,18 Jahren (SD = 4,78; Range: 19–43). Rund 40% der Befragten waren zu Studienbeginn älter als 20 Jahre und verfügten über Erfahrung aus einem vorherigen Studium (29,41%) oder einer Ausbildung (9,80%).

Abbildung 1 Verteilung der Stichprobe auf Bundesländer mit Anzahl der jeweiligen Hochschulen. Daten: Bundesweite Erhebung zur neuen Pflegeausbildung, 1. Befragungswelle Studierende, n = 56, Gesamtstichprobe N = 57. HS = Hochschule / n.
Tabelle 1 Soziodemographische Daten

Studienwahlmotive und berufliche Perspektiven

Rund ein Drittel der Befragten gab jeweils an, dass Pflege ihr Wunschberuf ist (31,58%) oder dass es sich um einen interessanten Beruf unter mehreren handelt, der für sie in Frage kam (36,84%). Rund jede/r Fünfte (21,05%) bezeichnete die Berufswahl als Alternative, an die sie/er zuvor nicht gedacht hatte. Als „Notlösung“ wurde das Pflegestudium von keinem Befragten gewählt.

Befragt nach den beruflichen Plänen nach Abschluss des Pflegestudiums (Multiple-Response-Set) (siehe Tab. 2) gaben 66,67% an, in der direkten pflegerischen Versorgung arbeiten zu wollen. An zweiter Stelle steht ein weiterführender Studiengang (54,90%), gefolgt von leitenden Tätigkeiten bspw. als Stationsleitung (52,92%).

Tabelle 2 Berufliche Pläne

Studienbedingungen an den Hochschulen

Merkmale der Studienbedingungen an der Hochschule sind in Tabelle 3 dargestellt. Ausgehend vom Skalenmittelwert ist den Studierenden am wichtigsten, dass sie eine Ansprechperson für Probleme mit dem Studium haben (M = 1,61; SD = 1,09). Der weitaus größte Teil sieht dies am jeweiligen Studienstandort erfüllt (M = 1,81; SD = 1,13). Im selben Maße ist es den Studierenden wichtig, dass sich die Studierenden gegenseitig unterstützen (M = 1,59; SD = 0,89) und auch dies wird weitgehend als erfüllt eingeschätzt (M = 2,11; SD = 1,08). An zweiter Stelle ist für die Studierenden von Bedeutung, dass mit ihnen regelmäßig besprochen wird, wie sie mit dem Studium zurechtkommen (M = 2,21; SD = 1,25). In ihrem Studienalltag sehen sie diese Bedingungen überwiegend erfüllt, doch zeigt sich auch Anpassungsbedarf (M = 2,37; SD = 1,19).

Tabelle 3 Einschätzungen zu Studienbedingungen an der Hochschule

Rahmenbedingungen

Bei den Rahmenbedingungen ist die Finanzierung des Studiums in den Freitexten das dominierende Thema. Mehr als die Hälfte aller Nennungen (55,56% bei n = 36) beziehen sich hierauf. Sichtbar werden dabei zwei wesentliche Dimensionen: Unter dem Stichwort Leistungsgerechtigkeit lassen sich zum einen Angaben der Befragten zusammenfassen, die eine fehlende Vergütung der Praxiseinsätze und damit fehlende Anerkennung ihrer Arbeit im Gegensatz zu den Auszubildenden thematisieren. Gefordert wird „Eine faire Vergütung für geleistete Arbeit. …“ (CASE 8726). Als zweite Dimension werden in den Wortmeldungen Finanzierungsprobleme deutlich. Demnach wird die Vergütung der Praxiseinsätze dringend für die Finanzierung des Studiums benötigt, weil durch die Abfolge von Studium und Praxiseinsätzen die Zeit und Kraft für anderweitige studienbegleitende Erwerbstätigkeiten fehlen: „Es sollte eine Vergütung geben, da es kaum Möglichkeiten gibt während der Praxiseinsätze zu arbeiten“ (CASE 8770).

Drei Items zur Erwerbssituation illustrieren die Finanzierungsprobleme. Von den Teilnehmenden gaben 64,15% an, dass sie über das Studium hinaus arbeiten. Die neben dem Studium Erwerbstätigen gaben im Mittel eine wöchentliche Arbeitszeit von 13 Stunden an (SD = 7,74; Range: 6–37). Die Mehrheit dieser Studierenden (62,50%) zeigt Nebenerwerbszeitbudgets von bis zu 10 Stunden pro Woche. Allerdings arbeitet fast jede/r Dritte (31,25%) wöchentlich mehr als 15 Stunden neben dem Studium. Die angegebenen Nebentätigkeiten zeigen ein breites Spektrum und lassen sich in rund jedem zweiten Fall (46,87%) als „pflegenah“ bezeichnen. Beispielnennungen für diese Kategorie sind: „Studentische Aushilfe im Krankenhaus“, „Altenpflege“, „Pflegehelfer“, „Pflegehelferin“ sowie „Pflegeassistenz Nachtdienst“.

Lernsituation in der Praxis

Es liegen hier für insgesamt drei Praxiseinsätze verwertbare Angaben vor, dabei allerdings nur für den ersten Einsatz in annähernd vollem Stichprobenumfang (P1: n = 50; P2: n = 37; P3: n = 29). Auf der 6-Punkt-Skala von 1 = „sehr zufrieden“ bis 6 = „sehr unzufrieden“ kommen die Befragten im Mittel der drei Praxiseinsätze auf 2,62, sind also insgesamt eher zufrieden mit den Lernmöglichkeiten.

Die Lernsituation in der Praxis wurde durch 11 Einzelmerkmale abgebildet (siehe Tab. 4). Zu jedem Merkmal wurde per Doppelskala erhoben, wie wichtig es für die Befragten ist und in welchem Maße es in ihrem Studium zutrifft. Von höchster Bedeutung ist für die Befragten, dass sie respektvoll behandelt werden (M = 1,08; SD = 0,34) und sie im Praxisteam integriert sind (M = 1,12; SD = 0,38), sie eine faire und nachvollziehbare Bewertung der Praxiseinsätze erhalten (M = 1,24; SD = 0,55), in den Praxiseinsätzen regelmäßig Praxisanleitungen stattfinden (M = 1,37; SD = 0,72), ihnen Ansprechpersonen für fachliche Fragen zur Verfügung stehen (M = 1,41; SD = 0,67), sich die Praxisanleitung genügend Zeit für Nachbesprechungen zu den Arbeitsaufgaben nimmt (M = 1,45; SD = 0,94) sowie dass der Einsatzort umfassend über ihren Wissens- und Ausbildungsstand informiert ist (M = 1,46; SD = 0,97). Werden diese Bedeutsamkeitseinschätzungen mit der Einschätzung zur Realisierung kontrastiert, so fallen einige erhebliche Diskrepanzen auf (im Folgenden als M-Diff, Differenzbetrag zwischen den Mittelwerten der jeweiligen Doppelskala angegeben). Besonders sticht die mehrheitliche Einschätzung hervor, dass der Einsatzort nicht ausreichend über den aktuellen Wissens- und Ausbildungsstand der Studierenden informiert ist (M = 4,64; SD = 1,08; M-Diff = 3,18). Deutliche Diskrepanzen zwischen Relevanz und Realisierung zeigen sich bei den Einschätzungen dazu, ob sich die Praxisanleitenden genügend Zeit zur Besprechung der erledigten Arbeitsaufgaben nehmen (M = 3,22; SD = 1,45; M-Diff = 1,77), die Patientinnen bzw. Bewohner entsprechend dem an der Hochschule Gelernten versorgt werden können (M = 3,06; SD = 1,02; M-Diff = 1,55), regelmäßig Praxisanleitungen in den Praxiseinsätzen stattfinden (M = 2,90; SD = 1,18; M-Diff = 1,53), die Studierenden im Praxisteam integriert sind (M = 2,67; SD = 1,28; M-Diff = 1,56) und sie sich im Kollegium respektvoll behandelt fühlen (M = 2,64; SD = 1,16; M-Diff = 1,56).

Tabelle 4 Einschätzungen zum Lernen in der Praxis

Gesamtbewertung

In der Gesamtbewertung wird das primärqualifizierende Pflegestudium überwiegend positiv eingeschätzt (siehe Tab. 5). Auf einer Schulnotenskala wurde im Mittel eine 2,32 vergeben (SD = 0,89). Differenziert nach Lernbereichen sind für das Studium an der Hochschule bessere Bewertungen erkennbar (M = 2,21; SD = 0,84) als für das Lernen in den Praxiseinsätzen (M = 2,73; SD = 1,21).

Tabelle 5 Gesamtbewertung Pflegestudium

Rund acht von zehn Studierenden würden das Studium aus heutiger Sicht noch einmal wählen (81,13%). Eine insgesamt positive Einstellung zum Studium wird auch in den Freitextangaben sichtbar. So geben bei den sonstigen Eindrücken 36,36% der Studierenden dem primärqualifizierenden Pflegestudium ein positives Gesamtfeedback (n = 22 Nennungen). Eine exemplarische Ausführung lautet: „Ich glaube, dass das Studium an sich großes Potential hat, …“ (CASE 3169). Für die gewählte Hochschule würden sich rund neun von zehn Studierenden (90,56%) wieder entscheiden. Dennoch dachte etwa jede/r Vierte (25,49%) in den drei Monaten vor dem Befragungszeitpunkt „eher häufig“ bis „sehr häufig“ über einen Abbruch des Studiums nach.

Diskussion

Die Befragung ermöglicht erste Einblicke in die Bewertung des primärqualifizierenden Pflegestudiums nach dem PflBG aus Studierendenperspektive. Die übergreifenden Einschätzungen der Studierenden zum primärqualifizierenden Pflegestudium vermitteln nach einjähriger Studienerfahrung ein überwiegend optimistisches Bild. Die Studierenden geben ihrem Studiengang mehrheitlich gute Noten. Acht von zehn Studierenden würden das Studium erneut wählen. Auch in den offenen Antworten zeigt sich, dass die Studierenden vom primärqualifizierenden Studienkonzept grundsätzlich überzeugt sind, gleichwohl sie sich einen größeren Bekanntheitsgrad des Studiums und seiner Inhalte in der Gesellschaft allgemein und vor allem in der Pflegepraxis wünschen.

Die Angaben der Studierenden verweisen im Detail auf einige Schwächen des primärqualifizierenden Pflegestudiums und damit auf Nachsteuerungsbedarf. Ein erster Komplex betrifft das Lernen in der Praxis. Hier kritisieren die Studierenden insbesondere, dass in der Pflegepraxis zu wenig über den Stand ihres pflegerischen Wissens und Könnens bekannt sei und man deshalb oft wenig mit ihnen anzufangen wisse. Die Studierenden thematisieren hier einen Bedarf für eine bessere Abstimmung und Kommunikation zwischen Hochschule und Praxisorten. Dies steht in Einklang mit der Empfehlung, dass Hochschule und Praxis wechselseitig abgestimmte Entwicklungsaufgaben bewältigen müssen, um eine fachliche Handlungskompetenz zu fördern (Korporal et al., 2020).

Dies steht auch in Einklang mit den Befunden von Dieterich et al. (2019), die zeigen, dass für eine qualifikationsadäquate Umsetzung hochschulisch erworbener Kompetenzen eine starke Eigeninitiative der Absolventinnen und Absolventen bei der Tätigkeitsauswahl notwendig ist. Genaue Vorstellungen über die späteren Berufsfelder und Tätigkeiten der hochschulisch qualifizierten Pflegenden können dazu beitragen, Vorbehalte, Konkurrenzerleben und Entwertung der beruflichen Pflege zu minimieren (Stephanow, 2019). Es besteht die Gefahr, dass fehlende Anerkennung und Integration in der pflegerischen Versorgungspraxis von den Studierenden als Ausgrenzung erlebt werden und zu Ausstiegen führen. Der Abbau solcher Vorbehalte ist daher gleichermaßen für den Studienerfolg im primärqualifizierenden Pflegestudium wie für das Arbeitsklima und die Versorgungsqualität in der Pflegepraxis wichtig. Gleichzeitig unterstützt eine zielgerichtete und konkrete Formulierung von Berufsfeldern die Berufs- und Studienwahl (Bergjan et al., 2021).

Die Finanzierung des Studiums stellt sich in der ersten Befragung ebenfalls als wichtiges Thema mit klarem Anpassungsbedarf dar. Dies betrifft insbesondere die Forderung nach einer fairen Bezahlung der Praxiseinsätze. Die Studierenden erwarten für ihre Arbeit in den Praxiseinsätzen eine Bezahlung auf ähnlichem Niveau wie die beruflich Auszubildenden. Dabei geht es im Kern um die Anerkennung, dass die Studierenden, gleichwohl sie Lernende sind, mit ihrer Arbeit in den Praxiseinsätzen substanziell zur pflegerischen Versorgung beitragen – so wie man es den beruflich Auszubildenden inzwischen fraglos zugesteht. Die Vergütung und damit Anerkennung der geleisteten Arbeit ist nicht nur eine Frage des Gerechtigkeitsempfindens, sondern hat möglicherweise auch begünstigende Wirkungen auf die Integration der Pflegestudierenden in den Praxisteams.

Über die Frage der leistungsgerechten Anerkennung hinaus könnte eine Vergütung der Praxiseinsätze den Studierenden eine Entlastung bei der Finanzierung des Studiums schaffen, weil dadurch der Bedarf an finanziellen Einnahmen aus anderweitigen studienbegleitenden Erwerbstätigkeiten sinkt. Ob eine Nebentätigkeit negative Auswirkungen auf den Studienverlauf und -erfolg hat, ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben den Motiven stellt dabei vor allem der zeitliche Umfang eine wichtige Größe dar, denn dieser steht in Konkurrenz zur verfügbaren Zeit für das Studium (Großmann & Engel, 2020). Größere Erwerbszeitbudgets sind insbesondere dann zu erwarten, wenn das Studium vorwiegend aus dieser Quelle finanziert wird (Apolinarski & Gwosć, 2020). Wie die Erhebung zeigt, arbeiten etwa zwei von drei Pflegestudierenden neben dem Studium und rund jeder Dritte davon mehr als 15 Stunden pro Woche. Der Anteil der zusätzlich erwerbstätigen Studierenden entspricht zwar insgesamt dem bundesweit im Studium an Fachhochschulen anzutreffenden Niveau (Middendorf et al., 2017), jedoch liegt unter den Pflegestudierenden der Stichprobe der Anteil Erwerbstätiger mit mehr als 15 Wochenstunden auf rund dreimal höherem Niveau (Middendorf et al., 2017). Die Vergütung der Praxiseinsätze könnte deshalb vor allem für Studierende Entlastung schaffen, die zur Finanzierung ihres Studiums nicht oder nur in geringem Maße auf Transfers aus der Familie oder dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) zurückgreifen können.

Mit Blick auf die derzeit parallel laufenden und mitunter als konkurrierende Programme wahrgenommenen dualen Studiengänge verdeutlicht die Erhebung, dass die ungeklärte Finanzierung des Studiums und die Anleitungssituation bei den Praxiseinsätzen die primärqualifizierenden Studiengänge benachteiligen. Die derzeit noch als Zwischenlösung formulierten Studiengangsmodelle, die bis 2030 fortgeführt werden können, sind in früheren Evaluationen als nachteilig für den Kompetenzerwerb, die Professionsentwicklung und die hochschulische Sozialisation beschrieben worden (Darmann-Finck et al., 2014). Es erscheint daher ratsam, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das regelhaft ermöglichte primärqualifizierende Studium erfolgreich wird und die vom Wissenschaftsrat bereits 2012 geforderte Quote von 10–20% hochschulisch qualifizierter Gesundheitsfachberufe langfristig erreicht werden kann (Wissenschaftsrat, 2012).

Limitationen

Die Ansprache der Studierenden erfolgte über die Hochschulen, dadurch können systematische Verzerrungen nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb der Stichprobe wurde eine starke Heterogenität hinsichtlich Anzahl pro Hochschule sowie der beteiligten Standorte festgestellt (siehe Abb. 1). Studierende von Hochschulen aus Bremen und Hamburg sind im Verhältnis zur Anzahl der teilnehmenden Hochschulen in der Stichprobe überrepräsentiert.

Die Einschätzungen der Teilnehmenden sind möglicherweise durch Restriktionen der COVID-19-Pandemie überlagert, die das Theorie- und Praxislernen einschränkten. Das schließt auch die Vorbereitungen zur Implementierung des primärqualifizierenden Studiums im Jahr 2020 ein, die durch die Hochschulen zu leisten waren und durch die Pandemie erschwert wurden. Vereinzelte Wortmeldungen bei den offenen Angabemöglichkeiten deuten ebenso darauf hin wie zahlreiche Rückmeldungen von Studierenden und Hochschulen parallel zur Befragung.

Eine Limitation stellt auch der fehlende Zugang zu Studierenden dar, die das Pflegestudium vor dem Befragungszeitraum aufgegeben haben, was zu einem potenziellen Bias in der Interpretation der Ergebnisse führen könnte. Der theoretische Rücklauf ist zudem mit knapp 15% als eher gering einzuschätzen. Dies begründet sich zum einen durch den zu Pandemie-Zeiten starken Anstieg an Online-Erhebungen. Zum anderen gehört gerade die Gruppe der Studierenden in pflegebezogenen Studiengängen zu einer intensiv beforschten Gruppe. Im Jahr 2021 fanden mindestens zwei ähnliche Befragungen (Bundesdekanekonferenz, VER.DI) statt. Selbst die Incentivierung der Teilnehmenden konnte nicht zu einer höheren Response beitragen. Mit dem Ziel einer substanziellen Fallzahlerhöhung wird die Studie mit der zweiten Erhebungswelle (2022) auch für die Startkohorte 2021 geöffnet, auch ist ein nachträglicher Einstieg für Studierende der Startkohorte 2020 möglich.

Der tatsächliche Rücklauf kann nur schwer beziffert werden, da die Anzahl der Studierenden in den primärqualifizierenden Pflegestudiengängen bislang nicht spezifisch in einer amtlichen Statistik erfasst wird. Anders als Ausbildungsbetriebe sind die Hochschulen nicht zur detaillierten Nennung der Pflege-Studierendenzahlen an die statistischen Landesämter verpflichtet. Es erscheint daher ratsam, mit einer Novellierung der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) nicht nur die Finanzierung des Studiums, sondern die Meldepflicht regelhaft auch für die primärqualifizierenden Studiengänge einzuführen. Um die Situation und Entwicklung des Pflegestudiums insgesamt und insbesondere der Primärqualifizierung überblicken sowie eine sachgerechte Bedarfsplanung vornehmen zu können, sind ausreichend detaillierte und verlässliche Prozessdaten zu Populationsgröße, Studienverlauf und ‑erfolg unverzichtbar.

Schlussfolgerungen

Der Blick auf die Ergebnisse der ersten Befragungswelle des Begleitforschungsprojektes zu den neuen Pflegeausbildungen zeigt, dass das primärqualifizierende Pflegestudium von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden (64,15%) positiv wahrgenommen wird. Bei einigen Aspekten wird ein Nachbesserungsbedarf deutlich. Die dabei angesprochenen Probleme insbesondere beim Lernen in der Praxis und bei der Vergütung der Praxiseinsätze sind Regelungslücken im primärqualifizierenden Studienprogramm, die bereits im aktuellen Koalitionsvertrag benannt und anzugehen sind. Die vorliegenden Ergebnisse sind der erste Teil einer längsschnittlich angelegten Begleitforschung. Es bestand der Anspruch, frühzeitige Nachbesserungsbedarfe auf der Grundlage empirischer Fakten zu liefern. Möglicherweise werden nachfolgende Erhebungen und die parallel stattfindenden qualitativen Erhebungen weitere Förder- und Hemmfaktoren für die hochschulische Qualifizierung der Pflegenden und deren berufliche Einmündung aufdecken. Mit dem Aufbau als Panelerhebung wird es erstmalig auch möglich sein, Motive und den weiteren Bildungsverlauf von Studienabbrecherinnen und -abbrechern in der Erhebung zu berücksichtigen.

Was war die größte Herausforderung bei Ihrer Studie?

Eine ausreichende Anzahl Studierender zu gewinnen, die am Befragungspanel teilnehmen.

Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft?

Eine umfassende und verbindliche Pflegendenstatistik, die auch die Studierenden sowie Absolventinnen und Absolventen der Pflegestudiengänge erfasst.

Was empfehlen Sie zum Weiterlesen/Vertiefen?

Darmann-Finck (2012); Stephanow (2019); Dieterich et al. (2019); Bergjan et al. (2021) (siehe Literatur).

Literatur