CME Sonografie 107: Sonografische Ellenbogenfälle CME-Fragen
Abstract
Zusammenfassung. In diesem Artikel besprechen wir exemplarische sonografische Beispielpathologien am Ellenbogen anterior, lateral, medial und posterior mit Hervorhebung wichtiger Strukturen, die im Bereich der entsprechenden Ellenbogenregion systematisch untersucht werden sollten.
Abstract. In this article, we discuss exemplary sonographic pathologies at the anterior, lateral, medial, and posterior elbow, highlighting important structures that should be systematically examined in the corresponding elbow region.
Im Artikel verwendete Abkürzungen:
PIN Ramus profundus des N. radialis, posteriorer Interosseusnerv
PRP Plateled-Rich Plasma
SGUM Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin
Im klinischen Alltag begegnen uns häufig Patientinnen und Patienten mit Beschwerden am Ellenbogen. Der moderne statische und dynamische hochauflösende Ultraschall hilft bei der präzisen Diagnostik. Es können sowohl artikuläre (z.B. Gelenkerguss, Gelenkhämatom) wie auch periartikuläre Pathologien (z.B. Sehnenläsionen, ligamentäre Pathologien) verlässlich visualisiert werden. In diesem Artikel besprechen wir exemplarische sonografische Beispielpathologien am Ellenbogen anterior, lateral, medial und posterior mit Hervorhebung wichtiger Strukturen, die im Bereich der entsprechenden Ellenbogenregion systematisch untersucht werden sollten.
Grundlagen der Ellenbogensonografie
Zum einen kann der Ellenbogen fokussiert sonografisch untersucht werden (z.B. mittels Ultraschallbeurteilung einer posterior gelegenen Bursitis olecrani vor einer diagnostischen Punktion zum Ausschluss eines Infekts oder zur gezielten therapeutischen Injektion) oder das Assessment erfolgt standardisiert und umfassend, z.B. nach SGUM-Richtlinien. Wichtig hierbei ist die Unterscheidung zwischen der Untersuchung unter Anwendung von allgemein gebräuchlichen «Standardschnitten» und der modernen dynamischen und multiplanaren Beurteilung mittels hochauflösender Sonden. Die eingangs erwähnten «Standardschnitte» helfen in der groben und vereinfachten Orientierung und sind nur nützlich für die Dokumentation, wohingegen die multiplanare und dynamische moderne Sonografie sich an der Klinik und an den anatomischen Strukturen und nicht an der Sondenlage orientiert, mit dadurch deutlich höherer diagnostischer und interventioneller Präzision [1].
Pathologien am Ellenbogen
Die Liste möglicher Pathologien am Ellenbogen ist lang und umfasst u.a. degenerative, mechanisch induzierte, posttraumatische oder z.B. entzündliche Erkrankungen.
Fallbericht zum anterioren Ellenbogen
Die 78-jährige Patientin beobachtete in der Ellenbeuge rechts eine indolente Schwellung seit ca. fünf Wochen. Sie beschrieb kein sichtbares Hämatom und keinen eigentlichen Auslöser. Die Konsistenz war relativ weich. Im Hausärztenotfall wurde ein Lipom vermutet (Abb. 1). Persönliche Anamnese der Patientin: u.a. arterielle Hypertonie, Status nach Hysterektomie und Adnexektomie bei muzinösem Zystadenom des linken Ovars, chronischer Nikotinabusus und Vitamin-D-Mangel.
Die Ultraschalluntersuchung (Abb. 2 und 3) ergab folgenden Befund: Es zeigte sich eine exsudative (echoarme Flüssigkeit) und proliferative (isoechogene synoviale Verdickungen) bicipitoradiale Bursitis [2]. Im Bereich der Insertion der zwei Bicepssehnenanteile zeigte sich eine Aufhebung des typischen fibrillären Musters («Tendinose»), jedoch keine relevante Ruptur.
Wichtige Strukturen, die systematisch untersucht werden sollten im Bereich des anterioren Ellenbogens: Trochlea humeri, Capitulum humeri, Fossa coronoidea, Radiusköpfchen, Tuberositas und Collum radii, anteriorer Rezessus humero-ulnar, anteriorer Rezessus humero-radial, Rezessus anulare, anteriorer Fettkörper, M. brachioradialis, M. brachialis, M. pronator teres, M. supinator, distaler Ansatz des M. brachialis, distaler Ansatz der langen und kurzen Bicepssehnen, Lacertus fibrosus, A. und V. brachialis, N. medianus, anteriorer Interosseusnerv (vom N. medianus ausgehend), N. radialis, Ramus profundus des N. radialis (später im Verlauf PIN = posteriorer Interosseusnerv), Ligamentum anulare und Bursa bicipitoradialis.
Im Folgenden haben wir die Bursa ultraschallgesteuert punktiert (Abb. 3, unten rechts) und die Synovialflüssigkeit mikroskopisch untersucht. Die Analyse der Synovialflüssigkeit ergab 0,7 × 1000/mm3 Leukozyten im Punktat, Kristalle konnten in der Polarisationsmikroskopie nicht dargestellt werden. Somit stellten wir die Diagnose einer mechanisch induzierten (Auslöser: vermehrte monotone Gartenarbeit im Herbst) Bursitis mit Tendinose der distalen Bizepssehnen. Mittels Bandage und Physiotherapie ging es im weiteren Verlauf deutlich besser.
Fallbericht zum lateralen Ellenbogen
Der 40-jährige Patient beklagt laterale Ellenbogenschmerzen bei forcierten Rotationsbewegungen. Gelegentlich treten Dysästhesien auf und eine leichte Schwäche in der Streckung des Handgelenks und in der Streckung einzelner Finger. Eine Behandlung mittels Handgelenkmanschette, Ellenbogenspange, regelmässiges Dehnen und Faszientherapien inklusive Dry Needling der Extensoren durch die Physiotherapeutin hätten keine Linderung gebracht. Die Zuweisung erfolgt zur hochauflösenden Sonografie und zur Durchführung einer Plateled-Rich-Plasma-Therapie (PRP-Therapie) bei vermuteter chronifizierter lateraler Epikondylopathie. Unter Berücksichtigung der Differenzialdiagnosen lateraler Ellenbogenschmerzen (Tabelle 1) erfolgte eine umfassende statische und dynamische Untersuchung der lateralen Ellenbogenregion.
In der Beurteilung des lateralen Ellenbogens müssen alle Sehnen und Ligamente einzeln betrachtet werden (Abb. 4, 5, 6, 7) [3].
Wichtige Strukturen, die im Bereich des lateralen Ellenbogens systematisch untersucht werden sollten: Trochlea humeri, Capitulum humeri, Epicondylus lateralis, Radiusköpfchen, Tuberositas und Collum radii, anteriorer Rezessus humero-radial, anteriorer Fettkörper, M. brachioradialis, M. supinator, N. radialis, Ramus profundus des N. radialis (später im Verlauf PIN = posteriorer Interosseusnerv), Ligamentum anulare, Rezessus anulare, Ligamentum collaterale radiale, Ligamentum collaterale ulnare laterale, Enthesen am Ursprung z.B. des M. extensor carpi radialis brevis, M. extensor digitorum communis, M. extensor carpi ulnaris.
Beim vorgestellten Fall waren die Sehnen und Ligamente lateral strukturell unauffällig. In der Doppleruntersuchung zeigten sich keine pathologischen Vaskularisationen. Auffallend war eine Raumforderung mit Verlagerung des motorischen Astes des N. radialis auf Höhe des Eintritts des Nervs in den Supinatormuskel (Abb. 8).
Somit stellten wir die Diagnose eines Supinatortunnelsyndroms mit Kompression des Ramus profundus nervi radialis kurz vor Eintritt in den Supinatormuskel durch ein Ganglion in Kommunikation mit dem humero-radialen Gelenk bei gleichzeitiger kleiner Läsion im Ligamentum anulare. Die Frohse-Arkade, nach dem Anatomen Fritz Frohse (1871–1916) benannt, ist der fibröse Eingangsbereich des Ramus profundus nervi radialis in den Musculus supinator. Distal davon verläuft der Nerv zwischen der Pars superficialis und Pars profundus des Musculus supinator.
Im Folgenden wurde das Ganglion ultraschallgesteuert mittels In-plane-Technik (= die Nadel liegt parallel zur Ultraschallsonde) punktiert und entleert (Abb. 9) mit anhaltender Schmerzfreiheit.
Fallbericht zum medialenEllenbogen
Der 63-jährige Patient wird drei Monate nach stattgehabter Implantation einer Ellbogentotalprothese (bei postinfektiöser sekundärer Cubitalarthrose) sowie Osteosuture am medialen Kondylus zur Sonografie des Ellenbogens zugewiesen. Nachdem ein Freund des Patienten ihm ein Stück Holz an seinen Ellbogen geworfen habe, verspürte der Patient Schmerzen am Olecranon und medial am Epikondylus mit palpierbarer Lücke in der Trizepssehne von ca. 1,5cm. Als Vorgeschichte erwähnenswert: St. n. mehrfacher Bursektomie posterior am Olecranon, St. n. arthroskopischer Spülung und Synovektomie, St. n. Transposition des Nervus ulnaris. Zudem wurde eine erosive, rheumatoide «seronegative» Arthritis ohne spezifisches Antikörperprofil beschrieben mit fehlendem Ansprechen auf diverse Immunsuppressiva, eine chronisch obstruktive Pneumopathie, eine latente Tuberkulose unter Isoniazid-Prophylaxe und ein St. n. Alkholkrankheit. Die Sonografie des posterioren Ellenbogens bestätigte die klinisch vermutete Trizepssehnenruptur (Abb. 10).
Bei dominierenden Schmerzen medial mit palpabler Schwellung erfolgte eine Beurteilung der medialen Strukturen (Abb. 11).
Wichtige Strukturen, die im Bereich des medialen Ellenbogens systematisch untersucht werden sollten: Trochlea humeri, Epicondylus medialis, Processus coronoideus ulnae, anteriorer Rezessus humero-ulnar, anteriorer Fettkörper, M. pronator teres, M. anconeus, Fascia brachialis, Osborne-Ligament bzw. Retinaculum, N. ulnaris, Ligamentum collaterale ulnare, Enthesen am Urspung z. B. des M. flexor carpi ulnaris (Abb. 12).
Die echofreie Flüssigkeit wurde aspiriert, die Analyse der Flüssigkeit zeigte keine Mikroorganismen, jedoch Uratkristalle (Abb. 13).
Somit interpretierten wir die echoreichen Einschlüsse innerhalb der Flexoren als Tophi bei chronischer Gicht und revidierten die Diagnose einer erosiven «rheumatoiden Arthritis» (ohne Anti-CCP-Antikörper!) in eine generalisierte erosive Uratarthropathie. Bei der chronischen Gicht finden wir sehr häufig Tophi und Uratablagerungen in Sehnen und Enthesen insbesondere im Fuss-, Knie- und Ellenbogenbereich und nicht nur in Gelenken (peripher und axial) oder in Weichteilen.
Fallbericht zum posterioren Ellenbogen
Der 73-jährige Patient war in der Südschweiz im Urlaub und verspürte beim Schwimmen ein «komisches Gefühl» im Oberarm. Im Verlauf nahmen die Schmerzen täglich zu und der Patient wurde im regionalen Spital auf der Notfallstation vorstellig. Die Abklärung ergab den Verdacht einer Muskelzerrung des M. triceps brachii und der Patient wurde mit lokalen und systemischen nichtsteroidalen Medikamenten wieder nach Hause entlassen. Zurück aus den Ferien wird der Patient zur sonografischen Abklärung bei Therapieresistenz zugewiesen.
Wichtige Strukturen, die systematisch untersucht werden sollten im Bereich des posterioren Ellenbogens: Fossa olecrani, Humerus, Olecranon, Trizepsmuskel und Trizepssehne, posteriorer Rezessus, posteriorer Fettkörper, Bursa olecrani. Die hochauflösende sonografische Untersuchung zeigte eine intakte Trizepssehne, keine Bursitis und keine Synovitis im posterioren Rezessus. Auffallend waren eine kortikale Unterbrechung des Humerus und eine Läsion im Muskel (Abb. 14).
Die Doppleruntersuchungen zeigten innerhalb des Befunds eine pathologische Vaskularisation (Abb. 15).
Wir interpretierten den Befund als «Tumor» und veranlassten eine Magnetresonanztomografie (MRT), welche den Ultraschallbefund bestätigte (Abb. 16).
Bei breiter Differenzialdiagnose erfolgte eine Vorstellung am Knochen- und Weichteil-Tumorzentrum. Die Biopsie ergab die Diagnose eines diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms des Knochens. Beim Patienten mit neu diagnostiziertem, diffusem, grosszelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) wurde im Zentrum eine Therapie mit R-CHOP (Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison) eingeleitet.
CME-Fragen
Teil 1: «CME Sonografie 107: Sonografische Ellenbogenfälle», S. 260
Seit 2022 vergibt die SGAIM 1 Creditpunkt für die korrekte Bearbeitung (60%) von zwei CME-Beiträgen pro «Praxis»-Ausgabe. Den zweiten CME-Beitrag finden Sie auf S. 271, den Antworttalon auf S. 281.
Frage 1: Welche Bursen können im Ellenbogenbereich angetroffen werden? (Mehrfachauswahl)
- a)Bursa subcoracoidea
- b)Bursa bicipitoradialis
- c)Bursa subtendinea anserina
- d)Bursa olecrani
- e)Bursa subtendinea subscapularis
Frage 2: Was sind typische Ursachen einer Bursitis? (Mehrfachauswahl)
- a)Infekt
- b)Kristallarthropathie
- c)Mechanische Überlastung
- d)Rheumatoide Arthritis
- e)Akutes rheumatisches Fieber
Frage 3: Welche Aussage zurAbbildung 17 stimmt? (Einfachauswahl)
- a)Wir sehen eine Bursitis bicipitoradialis.
- b)Das positive Powerdoppler-Signal beweist eine infektiöse Arthritis.
- c)Eine Punktion zum Ausschluss einer septischen Bursitis ist nicht nötig.
- d)Wir sehen eine Ellenbogenarthritis.
- e)Die dargestellte Bursitis olecrani weist echoarme Flüssigkeit und isoechogene synoviale Verdickungen auf.
Frage 4: Welche Struktur kann im Bereich des anterioren Ellenbogens nicht beurteilt werden? (Einfachauswahl)
- a)Trochlea humeri
- b)Anteriorer Rezessus humero-ulnar
- c)M. brachioradialis
- d)Distaler Ansatz der langen Bicepssehnen
- e)Trizepssehne
Frage 5: Welche Ligamente oder Sehnen weisen bei lateraler Epikondylopathie häufig eine strukturelle Läsion auf? (Mehrfachauswahl)
- a)Sehne des M. extensor carpi radialis longus
- b)Sehne des M. extensor carpi radialis brevis
- c)Sehne des M. extensor digiti communis
- d)Laterales ulnares kollaterales Ligament
- e)Ligamentum anulare
Frage 6: Welche Aussage zur distalen Bizepssehne ist falsch? (Einfachauswahl)
- a)Die Ultraschall-Untersuchung erfolgt am besten durch einen medialen Zugang (Pronator-Fenster).
- b)Der Ansatz befindet sich an der Tuberositas radialis und ein Teil an der Fascia antebrachii (Lacertus fibrosus).
- c)Eine distale Unterteilung der zwei Bizepssehnenanteile ist sonografisch nicht möglich.
- d)Der Lacertus fibrosus ist ein Teil der Aponeurose, der sich normalerweise auf der Höhe der myotendinösen Übergangsstelle ausbildet und in Richtung der Fascia antebrachii zieht.
- e)Rupturen lassen sich am besten in der longitudinalen Richtung darstellen und erscheinen als echofreie oder hypoechogene Diskontinuität der Sehnenfasern mit oder ohne Retraktion und umgebender hypoechogener Flüssigkeit.
Frage 7: Die Pfeile markieren in derAbbildung 18welche Struktur? (Einfachauswahl)
- a)N. ulnaris
- b)Tophus
- c)Synovitis
- d)Lipom
- e)Osteophyt
Frage 8: Der motorische Ramus profundus des Nervus radialis zieht auf der lateralen/anterioren Seite des Unterarms durch welchen Muskel? (Einfachauswahl)
- a)M. pronator teres
- b)M. brachioradialis
- c)M. brachialis
- d)M. supinator
- e)M. biceps brachii
Die Abbildungen der anatomischen Präparate wurden mit Genehmigung des Instituts für Anatomie der 1. Medizinischen Fakultät der Karls-Universität Prag aus gespendeten Körpern angefertigt. Die Autoren danken denjenigen aufrichtig, die ihre Körper der Wissenschaft gespendet haben, damit anatomische Forschungen durchgeführt werden konnten. Die Ergebnisse dieser Forschungen können den Wissensstand der Menschheit insgesamt erhöhen, was die Patientenversorgung verbessern wird. Daher gebührt diesen Spendenden und ihren Familien unsere grösste Dankbarkeit.
Bibliografie
Ultraschall des Ellenbogens (adaptiert nach SGUM-Richtlinien) [Ultrasound of the Elbow (Adapted According to SGUM Guidelines)]. Praxis (Bern 1994) . 2020; 109 (8): 641–651. German. DOI: 10.1024/1661-8157/a003496.
.Ultrasound of the elbow with emphasis on the sonoanatomy of the distal biceps tendon and its importance for the surgical treatment of tendon lesions. J Ultrason . 2020; 20 (81):e129–e134. DOI: 10.15557/JoU.2020.0021.
.Anatomy and Sonographic Examination for Lateral Epicondylitis: EURO-MUSCULUS/USPRM* Approach. Am J Phys Med Rehabil . 2022. DOI: 10.1097/PHM.0000000000002090.
,