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Published Online:https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000004

Abstract

Zusammenfassung. Dieser Beitrag beschreibt auf Grundlage des Konstrukts von Hopp, Thoma und Tracy (2010) erste Erhebungen der Sprachförderkompetenz von pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichem beruflichem Bildungshintergrund. Da solche Erhebungen in Deutschland bisher noch nicht durchgeführt wurden, liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Entwicklung des Erhebungsinstruments selbst. Es soll Wissen über Sprache als kognitives und kommunikatives System sowie Wissen über Spracherwerb und Mehrsprachigkeit anhand von Multiple-Choice-Fragen überprüfen. In einer Pilotstudie bearbeiteten pädagogische Fachkräfte im Beruf (n = 40) und Frühpädagogik-Studierende (n = 14) die Fragen und Aufgaben. Die Ergebnisse liefern erste Anzeichen dafür, dass (1) das Wissen über Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit mit der Aus- und Weiterbildung der Frühpädagoginnen zusammenhängt, dass (2) das bereichsspezifische Wissen über Sprache innerhalb der Bildungsgruppe der Fachkräfte variiert und dass (3) sich das Wissen von Frühpädagoginnen auf unterschiedlichen Leistungsniveaus gleichmäßig auf die Teilbereiche des Konstrukts der Sprachförderkompetenz verteilt. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Diskussion zukünftiger Arbeitsschwerpunkte bei der Leistungsbeurteilung in der Sprachförderung.

Professionalization in preschool pedagogy: A pilot study on language training competence

Abstract. Based on the model of language training competence proposed by Hopp, Thoma, and Tracy (2010), results of a pilot study are presented. We investigated preschool educators’ competence for language training against the background of their own professional education. The development of a novel measurement instrument is another main focus of the article. It covers knowledge about language as a cognitive and a communicative system as well as knowledge about developmental processes in mono- and multilingual language acquisition and uses multiple-choice questions. Professional preschool educators (n = 40) and students enrolled in preschool education programs (n = 14) took part in the study. Results indicate that (1) knowledge about language, language acquisition, and multilingualism is related to the educators’ initial professional education and their further on-the-job training, that (2) there is considerable variation within the group of professional pre-school educators, and that (3) preschool educators’ knowledge is fairly equally distributed across different areas of knowledge relevant for language-training. On the basis of these findings we discuss future issues in performance assessment in the context of language-training.

Die Notwendigkeit einer möglichst frühen Förderung der sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen von Kindern mit Migrationshintergrund oder Sozialisationsrisiken steht wissenschaftlich und politisch außer Frage. Bundesweit sind zahlreiche Projekte initiiert und umgesetzt worden, um die Sprachkompetenz und damit die Bildungschancen betroffener Kinder im Vorschulalter zu verbessern (Lisker, 2010; Redder et al., 2010).

Wirksamkeitsstudien zur Sprachförderung in Kindertagesstätten konnten bislang allerdings empirisch nicht belegen, dass die allgemeine sprachliche Entwicklung geförderter Kinder statistisch signifikant besser verläuft als die von Kindern in Kontrollgruppen (Gasteiger-­Klicpera, Knapp & Kucharz, 2010; Schöler & Roos, 2010). Differentielle Effekte sind nur in spezifisch geförderten sprachlichen Teilbereichen nachgewiesen, so z. B. in der Pluralmorphologie (Schöler & Roos, 2010) und in der Satzstruktur (Krempin, Mehler & Tracy, 2009). Eine große methodische Schwierigkeit der Wirksamkeitsstudien liegt in der Vielzahl schwer kontrollierbarer Variablen, die auf die Sprachentwicklung einwirken.

Eine entscheidende Variable ist vermutlich, wie im schulischen Kontext auch (Darling-Hammond, 2000), die Qualifikation der mit der Durchführung von Fördermaßnahmen betrauten pädagogischen Fachkräfte. Diese kann in der Frühpädagogik sowohl aufgrund großer Unterschiede in den Inhalten als auch bei den Lernerfolgen der Aus- und Weiterbildung stark variieren. Einerseits lässt die empirische Bildungsforschung noch offen, was wirksame Sprachförderung darstellt (Schmidt, Roßbach & Sechtig, 2010), und einheitliche Standards für die Inhalte von Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Sprache sind nicht etabliert (von Hippel & Grimm, 2010). Andererseits hat sich die grundsätzliche Befähigung zur Förderung kindlicher Sprachentwicklung erst in den letzten Jahren zu einem der Kernbereiche des Qualifikationsprofils von pädagogischen Fachkräften entwickelt (List, 2010). Der Mehrzahl der pädagogischen Fachkräfte wurde das erforder­liche Wissen und die praktischen Fertigkeiten folglich erst in Weiterbildungen vermittelt, die typischerweise nicht mit in der Ausbildung vergleichbaren Lernerfolgskontrollen abgeschlossen werden.

Was pädagogische Fachkräfte für erfolgreiche Sprachförderung wissen und können müssen und wie sie im pädagogischen Alltag sprachförderlich handeln sollen, lässt sich angesichts der lückenhaften Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Sprachförderung derzeit nicht generell aus der Empirie ableiten. Hopp, Thoma und Tracy (2010) haben daher aus sprachwissenschaftlicher Perspektive ein Konstrukt der Sprachförderkompetenz konzeptuell begründet. Das Konstrukt basiert auf Erkenntnissen über Prozesse des erfolgreichen natürlichen Erst- und Zweitspracherwerbs sowie der aktuellen Mehrsprachigkeitsforschung. Es wird derzeit im BMBF-Projekt Sprach­liche Kompetenzen Pädagogischer Fachkräfte empirisch validiert. Das Projekt arbeitet an der Entwicklung eines Leistungstests, SprachKoPF, dessen Ergebnisse zur Beurteilung sprachförderrelevanter Teilkompetenzen genutzt werden können.

Auf Grundlage des Konstrukts von Hopp et al. (2010) beschreibt dieser Beitrag eine Studie, in der die Wissenskomponente von Sprachförderkompetenz bei Fachkräften mit unterschiedlichem beruflichem Bildungshintergrund erhoben wurde. Da solche Erhebungen bisher in Deutschland noch nicht durchgeführt wurden, liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Entwicklung des Erhebungsinstruments.

Sprachförderkompetenz aus sprachwissenschaft­licher Perspektive

Nach Hopp et al. (2010) bedeutet Sprachförderkompetenz, dass eine pädagogische Fachkraft eine Sprachfördersituation schafft, die sich dadurch auszeichnet, dass sie die Bedingungen des erfolgreichen natürlichen Spracherwerbs emuliert und auf den Entwicklungsstand des Kindes abgestimmt ist. Um eine fruchtbare Sprachfördersituation schaffen zu können, muss die Fachkraft über bereichsbezogene Kenntnisse (Wissen), Fähigkeiten (Können) und Handlungen (Machen) verfügen.

Das Modell folgt damit dem in der empirischen Bildungsforschung vertretenen Verständnis von Kompetenzen als „prinzipiell erlernbare, mehr oder minder bereichsspezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Strategien“ (Baumert, Stanat & Demmrich, 2001, S. 22). Die Kategorisierung von Teilkompetenzen orientiert sich an Erkenntnissen für Lehrende im schulischen Kontext (Baumert & Kunter, 2006; Shulman, 1986). Sprachförderkräfte „verfügen über Fachwissen zu Sprache und Spracherwerb (content knowledge), besitzen anwendungsbezogenes Wissen in der Schaffung von Sprachfördersituationen (pedagogical content knowledge) und allgemeines pädagogisches Wissen (pedagogical knowledge)“ (Hopp et al. 2010, S. 614). Das Konstrukt beschränkt sich auf fach­liche und fachpädagogische Kompetenzen.

Bereichsbezogenes Wissen umfasst Kenntnisse zu Form und Funktion von Sprache und Sprachen, insbesondere der geförderten Zielsprache, zu Spracherwerbs­prozessen im ein- und mehrsprachigen Kontext, sowie das Wissen über Methoden und Inhalte von Sprachdiagnostik und Förderung. Sind die notwendigen Fähigkeiten erlernt, können Fachkräfte sprachdiagnostische Maßnahmen auswählen, anwenden und auswerten. Sie sind grundsätzlich in der Lage, Sprachförderung durchzuführen und zu reflektieren. In auf Wissen und Können basierenden Handlungen setzen sie Sprachförderung unter den gegebenen Echtzeit- und Randbedingungen in einer Sprachfördersituation um. Die in der Sprachförderkompetenz integrierten Kompetenzbereiche des sprachförderbezogenen Wissens, Könnens und Machens lassen sich unterschiedlichen Gegenstandsbereichen zuordnen (Abb. 1).

Abbildung 1. Sprachförderkompetenz (Hopp­ et al., 2010, S. 614).

SprachKoPF

SprachKoPF soll zur Beurteilung der Bereiche des Wissens und Könnens innerhalb des Konstrukts der Sprachförderkompetenz (Abb. 1Abbildung 1) eingesetzt werden. Die Handlungskompetenz (Machen) in authentischen Sprachfördersituationen, die aus der Integration der ersten beiden Kompetenzbereiche resultiert, wird in dem Projekt vorerst nicht überprüft.

Der zu entwickelnde SprachKoPF-Wissenstest beinhaltet zum einen Items zu Sprache als kognitivem System und zum anderen Items zu Sprache als kommunikativem System. Wissen über Spracherwerb und Mehrsprachigkeit ist als Teilbereich der Sprachförderkompetenz ein weiterer Bestandteil des Tests. Die Überprüfung des Wissens im Bereich Sprachdiagnostik und Förderung, wird hier jedoch nicht beschrieben.

Das SprachKoPF-Instrument zur Erhebung der Fähigkeit, Sprachförderung durchzuführen (Können), setzt Items mit Videosequenzen von authentischen Sprachfördersituationen ein und besteht aus zwei Komponenten: (a) der Beobachtung der sprachlichen Performanz von Kindern und der Ableitung von angemessenen Fördermaßnahmen sowie (b) der Beobachtung des Sprachförderverhaltens von pädagogischen Fachkräften. Dieser Beitrag stellt erste Ergebnisse aus der empirischen Überprüfung der Fragen und Aufgaben aus den Wissensbereichen Sprache als kognitives und kommunikatives System sowie Spracherwerb und Mehrsprachigkeit vor, die zu Testitems weiterentwickelt werden sollen.

Zielsetzung und Fragestellung

Vor dem Hintergrund des Konstrukts von Sprachförderkompetenz von Hopp et al. 2010 liefert diese Studie Anhaltspunkte für Unterschiede in Sprachförderteilkompetenzen zwischen frühpädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichem beruflichem Bildungshintergrund. Wir gehen dabei drei Fragen nach: Ist das Wissen über Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit abhängig von der Aus- und Weiterbildung, die Fachkräfte durchlaufen? Wie ausgeprägt sind die Wissensunterschiede innerhalb der Bildungsgruppe? Wie verteilt sich das Wissen über Sprache und Spracherwerb auf die unterschiedlichen Ebenen linguistischer Analyse (Phonologie, Lexikon etc.)?

Methode

Stichprobe

Die Pilotierungsstichprobe setzte sich aus einer Gruppe von berufstätigen pädagogischen Fachkräften (n = 40) sowie einer Gruppe von Studierenden eines frühpädagogischen Bachelorstudiengangs an einer Pädagogischen Hochschule (n = 14) zusammen. Alle Teilnehmerinnen waren weiblich.

Die Fachkräfte wurden in Einrichtungen in nordbadischen Städten rekrutiert. Die tatsächliche Stichprobe der pädagogischen Fachkräfte verringerte sich auf 25, weil fünfzehn Probandinnen die Bearbeitung des Fragebogens abbrachen. Die Mehrheit der 25 Fachkräfte (88 %) hatte eine Ausbildung zur Erzieherin an einer Fachschule absolviert, in deren Lehrplänen die Beschäftigung mit Sprache und Sprachentwicklung bisher nur einen geringen Anteil ausmacht bzw. nicht dem aktuellen Stand der Forschung entspricht (List, 2010). Die durchschnittliche Berufserfahrung betrug 16;2 Jahre, wobei die Werte von einem Jahr bis zu über 37 Jahren die typische Altersstruktur des Personals in den frühpädagogischen Einrichtungen repräsentierte. Ungefähr die Hälfte der Befragten hat im Laufe des Berufslebens an durchschnittlich anderthalb ein- bis zweitägigen Weiterbildungen zum Thema Sprache teilgenommen. Die Weiterbildungsinhalte wurden bei der Stichprobenerfassung nicht näher spezifiziert. Bei den Frühpädagogik-Studierenden sieht die Prüfungsordnung im Bereich der Pflichtmodule 180 Leistungspunkte vor, davon thematisieren 20 Sprache. Die Studierenden waren im fünften Semester und hatten die erforderlichen sechs Lehrveranstaltungen absolviert. Alle Proband/innen haben freiwillig an den Erhebungen teilgenommen und erhielten als Anerkennung ein kleines Geschenk.

Erhebung des Wissens: Inhalte und ­Entwicklung des Instruments

Auf Grundlage des Konstrukts der Sprachförderkompetenz Hopp et al. 2010 wurden Fragen und Aufgaben entwickelt, die Wissen über Sprache als kognitives und kommunikatives System auf den unterschiedlichen Ebenen abbilden, sowie Items, die Wissen über Spracherwerb und bei Mehrsprachigkeit überprüfen sollen. Die zur Erhebung des Wissens eingesetzten Items (n = 115) repräsentieren die unterschiedlichen sprachlichen Bereiche und deren Erwerb. Sie umfassen die Subkonstrukte Phonologie, Lexikon, Morphologie, Syntax, Semantik/ Pragmatik. Jede Operationalisierung dieser fünf Subkonstrukte beinhaltet mindestens zehn Items zu seinen wichtigsten Merkmalen und fachsprachlichen Begriffen sowie mindestens fünf Items, die auf den Erwerb dieses sprachlichen Bereichs abzielen. Weiterhin werden Fragen zur allgemeinen Sprachentwicklung und zum Zusammenhang zwischen allgemeiner kognitiver Entwicklung und Sprache sowie Items zu soziolinguistischen Aspekten des Sprachgebrauchs genutzt.

Die formale Gestaltung der Fragen und Aufgaben orientiert sich an gängigen Richtlinien der Testkonstruktion (Moos­brugger & Kelava, 2008). Es handelt sich hauptsächlich um Fragen im Multiple-Choice-Format mit einer korrekten Antwortalternative, einem plausiblen Ablenker und zwei weniger plausiblen Ablenkern. Zudem gibt es dichotome Aufgaben, Zuordnungsaufgaben und Aufgaben, bei denen mehrere Antworten gewählt werden können. Antworten werden als richtig oder falsch bewertet, Auslassungen sind falsche Antworten, Reaktionen auf Ablenker werden als falsch gewertet. Die Gesamtleistung ergibt sich aus der Summe der richtigen Antworten.

Die 115 Items sind das Ergebnis eines strukturierten Testentwicklungsprozesses. Zunächst wurden 235 Items als offene Fragenformate entworfen und mit Experten diskutiert. Zur Weiterentwicklung dieser Aufgaben in geschlossene Antwortformate und zur Überprüfung des Aufgabenverständnisses wurden Linguistik-Studierende und pädagogische Fachkräfte (n = 51) befragt. Die auf diese Weise generierten 235 Fragen wurden in einer quantitativen Erhebung mit 137 Studienanfängern der Linguistik erprobt und auf 115 Items reduziert.

In der vorliegenden Pilotstudie erhielten die Probandinnen die Aufgabensammlung als Ausdruck in Papierform. Sie entschieden selbst, wann und wo sie die Wissensaufgaben bearbeiten wollten. In der Mehrheit der Fälle erfolgte dies zuhause. Die Teilnehmerinnen wurden angewiesen, selbständig, zügig und ohne die Verwendung von Hilfsmitteln zu arbeiten. Die berichtete effektive Bearbeitungszeit lag zwischen einer und drei Stunden.

Ergebnisse

Vorläufige empirische Aufgabenanalyse

Die Items der Wissenskomponente zeigten ein hohes Maß an interner Konsistenz sowohl auf der Ebene aller 115 Items (α = 0.95) als auch auf Ebene der nach Subkonstrukten der Kategorie des Wissens über Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit gemittelten sieben Teilscores (α = 0.90). Die Trennschärfe (korrigierte Item-Total-Korrelation) bewegte sich zwischen – 0.19 und 0.75, wobei 8 % der Items Werte ≤ 0 und 23 % ≤ 0.25 aufwiesen. Die Itemschwierigkeit lag zwischen 0.07 und 1.0, wobei 6 % der Items Werte < 0.30 und 25 % Werte > 0.75 zeigten.

Vergleich nach Bildungsstand der Gruppen und bereichsspezifisches Wissen

Frühpädagogik-Studierende schnitten mit einem durchschnittlich um 18.5 Prozentpunkte höheren Testwert signifikant besser ab als pädagogische Fachkräfte im Beruf, t(33.98) = 5.32, p < 0.001. Die Varianz war zwischen den zwei Gruppen signifikant verschieden, F(37) = 15.25, p < 0.001, was insbesondere auf die hohen Leistungsdifferenzen innerhalb der Gruppe der Fachkräfte zurückzuführen war. Die Fachkräfte beantworteten zwischen 30 – 82 % der Fragen korrekt, während sich die Werte der Frühpädagogik-Studierenden zwischen 71 – 86 % bewegten. Bei den Fachkräften zeigte sich ein signifikant positiver Effekt als Folge der Teilnahme an Weiterbildungen zum Thema Sprache auf die Testleistung, t(23) = 2.39, p < 0.05. Abb. 2 fasst die Gruppenvergleiche zusammen.

Abbildung 2. Gruppenunterschiede „Wissen“.

Differenziert nach linguistischen Teilbereichen sprachförderrelevanten Wissens, deutet die Verteilung der Daten an, dass sich das Wissen um die Teilbereiche innerhalb der beiden Bildungsgruppen nicht signifikant unterschied. Es gibt lediglich Tendenzen dahingehend, dass Fachkräfte Fragen zum Bereich der Phonologie und Frühpädagogik-Studierende Fragen zur Soziolinguistik etwas besser beantworten konnten (s. Abb. 3 ).

Abbildung 3. Bereichsspezifisches Wissen.

Diskussion

Vorbehaltlich der methodischen Einschränkungen dieser Pilotstudie, zeichnen sich hinsichtlich der drei Kernfragen der Untersuchung drei Tendenzen ab.

Erstens zeichnet sich ab, dass es Zusammenhänge zwischen Wissen über Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit und der Aus- und Weiterbildung der Frühpädagoginnen gibt. Der Mittelwert der korrekt gelösten Aufgaben lag bei den Frühpädagogik-Studierenden an einer PH um etwa zwanzig Prozent über dem der im Beruf tätigen Fachkräfte. Die Daten zeigen ferner, dass innerhalb der Gruppe der pädagogischen Fachkräfte diejenigen, die an nicht weiter spezifizierten Weiterbildungsmaßnahmen zum Thema Sprache teilgenommen hatten, besser als ihre Kolleginnen waren. Die Ergebnisse erscheinen insofern plausibel, als dass sie die allgemeine Annahme stützen, dass Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die letztlich eine Qualifizierung zur Sprachförderung zum Ziel haben, das bereichsspezifische Wissen pä­dagogischer Fachkräfte erweitern können.

Nach weiteren Entwicklungsschritten könnte ein SprachKoPF-Wissenstest – ergänzt um eine Komponente, die relevante Fähigkeiten prüft – ein Instrument zur zentralen Lernerfolgskontrolle in Aus- und Weiterbildungskontexten werden, das neben einer Programm­evaluation (Fröhlich-Gildhoff & Ziesemer, 2010) und im Sinne einer generell stärkeren empirischen Fundierung der Frühpädagogik (Schmidt et al., 2010) Einsatz findet. Die forcierte Professionalisierung der Frühpädagogik (Fried, 2008; List, 2010) kann so unterstützt werden.

Zweitens legen die Ergebnisse nahe, dass sprachförderrelevantes Wissen innerhalb der Bildungsgruppe der pädagogischen Fachkräfte variiert. Während einige Fachkräfte den Wissenstand von Frühpädagogik-Studierenden aufweisen, konnten andere nur ein Drittel der Fragen korrekt beantworten. Sollten sich diese Unterschiede in den anstehenden standardisierten Erhebungen erneut zeigen, könnten sie ein wichtiger Kontrollfaktor bei der Beurteilung des Erfolgs von Sprachförderprogrammen sein. Die Sprachförderkompetenz der Fachkräfte in der Frühpädagogik könnte folglich auch Evaluationen von Sprachfördermaßnahmen beeinflussen.

Drittens deutet sich an, dass sich das Wissen sowohl von pädagogischen Fachkräften als auch von Frühpä­dagogik-Studierenden auf unterschiedlichen Leistungsniveaus gleichmäßig auf die Teilbereiche Sprache sowie Spracherwerb und Mehrsprachigkeit des Konstrukts der Sprachförderkompetenz (Hopp et al. 2010) verteilt.

Insgesamt zeigt sich, dass die vorliegende Pilotversion der Wissenskomponente des SprachKoPF-Instruments auf relevante Bereiche von Sprachförderkompetenz abzielt. Allerdings müssen die vorliegenden Ergebnisse unter methodischen Gesichtspunkten aber aus zwei Gründen relativiert werden, die dem Entwicklungsstadium des Instruments geschuldet sind: (1) die große Anzahl von Fragen und Aufgaben, (2) Selektionseffekte bei der Probandengewinnung.

Was den ersten Grund angeht, so ist die Generierung von Aufgabenstellungen zu den verschieden Bereichen sprachförderrelevanten Wissens, die für die Zielpopulation von (früh)pädagogischen Fachkräften in ihrer Wortwahl, Komplexität und im formalen Lösungsweg eine bestmögliche Leistung gewährleisten, schwierig. Aufgrund der heterogenen Zugangsvoraussetzungen für Beschäftigungsverhältnisse in frühpädagogischen Einrichtungen und vermutlich großen Unterschieden in der beruflichen Praxis, sind die allgemeinen kognitiven, sprachlichen und motivationalen Kompetenzen der Zielpopulation nur schwer prognostizierbar. In qualitativen Kommentaren beurteilten einige Fachkräfte die Schwierigkeit und Relevanz der Aufgaben unterschiedlich. Einige Teilnehmerinnen empfanden die Aufgaben als schwierig und komplex und meinten, dass das abgefragte Wissen nur bei speziell geschulten Personen (z. B. „Germanisten“) vorhanden sein könne. Andere Kommentare deuten darauf hin, dass das Verständnis für die Relevanz des abgefragten Wissens für den Alltag in der Kita nicht generell vorhanden ist: „Ich kann doch dem Kind nicht sagen: Du sollst doch den Dativ verwenden und nicht den Akkusativ!“ Dies lässt erkennen, dass es manchen Fachkräften schwer fällt, zwischen der Einschätzung des sprachlichen Entwicklungsstands eines Kindes und der Art und Weise zu unterscheiden, wie man Kinder dabei unterstützen könnte, den Dativ zu erwerben. Andere Reaktionen belegen jedoch, dass viele Fachkräfte ein Bewusstsein dafür haben, dass metasprachliches Wissen notwendig ist (siehe auch Fried, 2007): Einerseits, um den Sprachstand von Kindern professionell mithilfe von Sprachstandsverfahren zu erfassen und angemessene Interventionen ableiten zu können. Andererseits, um sich professionell mit Kinderärzten, Logopäden, und anderem Fachpersonal austauschen zu können und um von diesem Personenkreis als qualifizierte Fachkraft anerkannt zu werden. Das im Rahmen des Projekts SprachKoPF entwickelte Erhebungsinstrument nutzt Analyseaufgaben, in denen sprachliche Strukturen mehr oder weniger dekontextualisiert präsentiert werden müssen. Die Angemessenheit und Eignung von Items ist in vielen Fällen nur in mehrstufigen Verfahren empirisch in Zusammenarbeit mit Vertretern der Zielgruppe festzustellen. Unser Ansatz besteht darin, zunächst sehr viele Items zu generieren und den Itempool durch Adaption und Ausschluss zu optimieren.

Dies führt zum zweiten Grund für die Relativierung der Ergebnisse dieser Studie: Selektionseffekte in der Pilotstichprobe der Frühpädagoginnen lassen sich nicht ausschließen. Päda­gogische Fachkräfte sind schwer zu rekrutieren, da sich Kindergärten und Kindertagesstätten in Deutschland in heterogener Trägerschaft befinden. Sämtliche Probandinnen nahmen freiwillig nach individueller Ansprache, für ein geringes Entgelt und in einem selbstbestimmten Setting an unserer Studie teil. Warum von den 40 getesteten Fachkräften 15 die Bearbeitung der Fragen abbrachen, bleibt letztlich unklar. Dies mag an der Menge der Aufgaben, an nach Antritt schwindender Motivation, fehlender Routine mit formalen Erhebungsinstrumenten, enttäuschten Erwartungen oder an anderen Zufälligkeiten gelegen haben.

Künftige Versionen des SprachKoPF-Wissenstests werden daher etwa nur noch ein Drittel der Items enthalten, sollen aber dennoch alle relevanten Teilbereiche des Konstrukts Sprachförderkompetenz (Hopp et al. 2010) abbilden. In der geplanten Haupterhebung werden Gruppen von 15 – 20 pädagogischen Fachkräften an verschiedenen Standorten in kontrollierter Umgebung die Fragen und Aufgaben bearbeiten und erhalten dafür eine angemessene Aufwandsentschädigung. Die Wissenskomponenten werden um stärker anwendungsbezogene Bestandteile ergänzt, um herauszufinden, wie pädagogische Fachkräfte ihr theoretisches Wissen bei der Analyse von authentischen Kinderäußerungen sowie von Sprachförderverhalten einsetzen können.

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Dr. Dieter Thoma, Daniela Ofner, M. A., Carolyn Seybel, M. A. und Prof. Dr. Rosemarie Tracy, Lehrstuhl für Anglistische Linguistik, Universität Mannheim, Schloss, EW 266, 68131 Mannheim,