Suchtkranke im SGB II: Vermittlungen an die Suchthilfe durch Jobcenter und Integration in Arbeit – eine kritische Bilanz
Abstract
Fragestellung: Im Sozialgesetzbuch II (SGB II) ist im § 16a festgelegt, dass eine Suchtberatung erbracht werden kann, wenn dies für die Integration in Arbeit erforderlich ist. Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie viele der suchtkranken Arbeitslosengeld II-Beziehenden über den § 16a von einem Jobcenter an eine Einrichtung der Suchthilfe vermittelt werden, und wie viele die Überwindung der SGB II-Hilfebedürftigkeit durch Integration in existenzsichernde Erwerbstätigkeit schaffen. Methodik: Die Untersuchung erfolgt überwiegend anhand von Daten der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS). Ergebnisse: In Relation zur hohen Prävalenz von Suchtproblemen in der Gruppe der ALG II-Beziehenden ist die Zahl der Vermittlungen sehr klein und zudem seit 2010 rückläufig. Darüber hinaus erfolgen die Vermittlungen suchtdiagnostisch selektiv mit einer Bevorzugung von Personen mit Alkoholproblemen und einer Benachteiligung von Opiatabhängigen. DSHS-Daten und weitere Datenquellen zeigen, dass die Integration in existenzsichernde Arbeit nur in Ausnahmefällen gelingt. Schlussfolgerungen: Es werden Schlussfolgerungen gezogen zur Erhöhung der Quote der Vermittlungen durch Screening-Verfahren in den Jobcentern und Bedingungen genannt, die bei einem Screening gewährleistet sein müssten. Abschließend werden Empfehlungen für die Umsetzung guter Praxis in der Kooperation zwischen Jobcentern und Suchthilfe gegeben.
Aims: According to the German Social Code SGB II (§ 16a) addiction treatment can be provided for welfare recipients if it is necessary for their successful job integration. The current article examines how many of the addicts who receive unemployment benefits are referred to addiction treatment facilities by their job centers, and how many of these no longer rely on SGB II benefits by integration into a job. Method: The investigation is mainly based on data of the German Addiction Treatment Statistics (DSHS). Results: In terms of the high prevalence of substance use disorders among welfare recipients the current estimates suggests that only a small number of these are referred to addiction treatment facilities, with their numbers declining since 2010. Moreover, these referrals are often made selectively. The selection depends on the type of substance use disorder, with a clear preference given to individuals with alcohol disorders and with a disadvantage to those with opioid-related disorders. Different data sources provide evidence that the rate of successful job integration of addicted welfare recipients continues to be very low. Conclusions: The authors make a number of recommendations how the current referral rate could be increased by establishing a screening procedure in the job centers. They also describe several conditions that have to be met for this screening procedure to succeed. Furthermore, special emphasis is given to the establishment of best practice conditions in the job centers.
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