Arbeitslosigkeit und Sucht – Epidemiologische und soziodemographische Daten aus der Deutschen Suchthilfestatistik 2007 – 2011
Abstract
Ziel: Zum einen werden Veränderungen des Erwerbsstatus der Klienten in ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen von 2007 bis 2011 beschrieben sowie ausgewählte Hauptdiagnosen (HD) miteinander verglichen. Zum anderen erfolgt für das Datenjahr 2009 eine Gegenüberstellung von soziodemographischen und epidemiologischen Parametern von Klienten, die arbeitslos nach SGB II oder SGB III waren (ALO), mit Klienten, die erwerbstätig waren. Methodik: Es handelt sich um eine Reanalyse der Daten von Klienten aus der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS). Im ambulanten Bereich lag die Zahl der betrachteten Fälle mit dokumentierter HD pro Jahr zwischen 107.041 aus 720 Einrichtungen (2007) und 155.276 aus 779 Einrichtungen (2009); im stationären Setting zwischen 24.586 aus 147 Einrichtungen (2007) und 39.329 aus 189 Einrichtungen (2010). Eine Sonderauswertung des Jahres 2009, die ausschließlich Klienten beinhaltet, die in den letzten sechs Monaten vor Betreuungsbeginn arbeitslos waren, enthält 55.479 Fälle aus 779 ambulanten sowie 13.792 Fälle aus 157 stationären Einrichtungen. Ergebnisse: Zwischen 2007 und 2011 ist der Anteil der arbeitslosen Klienten im ambulanten Setting um ca. einen Prozentpunkt gesunken (2011: 39,1 %) und im stationären Bereich um ca. einen Prozentpunkt gestiegen (2011: 48,5 %). Am höchsten liegt der Anteil der Arbeitslosen bei Klienten mit HD Opioide (ambulant: 59,9 %; stationär: 64,7 %). In allen untersuchten HD übersteigt der Anteil der SGB-II-Arbeitslosen diejenigen der SGB-III-Arbeitslosen mit mindestens 80 % zu 20 % bei weitem. Die stärkste Veränderung lässt sich bei Klienten mit HD Stimulanzien in stationären Suchthilfeeinrichtungen beobachten (+13,7 Prozentpunkte). In den DSHS-Daten aus dem Jahr 2009 waren die Anteile arbeitsloser Klienten bei folgenden Variablen höher als die der erwerbstätigen Klienten: alleinlebende Klienten und Klienten in prekärer Wohnsituation (ohne Wohnung, Notunterkünfte), Klienten ohne abgeschlossene Hochschul- oder Berufsausbildung, mit problematischen Schulden, sowie wiederbehandelte Klienten. Der Anteil der regulären Beendigungen dagegen liegt bei arbeitslosen Klienten 13,3 Prozentpunkte (ambulant) und 10,9 Prozentpunkte (stationär) niedriger als bei erwerbstätigen Klienten. Schlussfolgerungen: Die vorliegenden Daten zeigen, dass soziale Ressourcen unter den arbeitslosen Klienten stärker eingeschränkt sind als bei der erwerbstätigen Suchthilfeklientel. Die Indikatoren für Rückfallquoten deuten auf eine schlechtere Prognose für diese Klienten hin. Daher sollten zum einen Angebote zur (Re‐) Integration in den Arbeitsmarkt im Sinne von Ausbildungen und suchtpräventiven Maßnahmen beibehalten und ggf. verfeinert werden. Zum anderen scheinen für Klienten ohne berufliche Perspektive spezielle rückfallpräventive Maßnahmen angezeigt, die ohne den Faktor berufliche (Re‐) Integration auskommen. Wertvoll könnten sich in diesem Zusammenhang noch intensivere Kooperationen zwischen Suchthilfeeinrichtungen, (Berufs‐) Schulen, Arbeitsagenturen, Jobcenter, Schuldnerberatungen sowie Jugend- und Sozialämtern erweisen.
Aim: Changes in the employment status of clients in inpatient and outpatient treatment from the years 2007 – 2011 are described and unemployment rates of selected main diagnosis (MD) are compared to each other. Furthermore, for the year 2009, we compared the sociodemographic and epidemiological data of clients receiving unemployment benefits in accordance with SGB II or SGB III (ALO), with those of clients not receiving ALO benefits. Methods: This contribution represents a reanalysis on data of clients taken from the annual German addiction treatment statistics (Deutsche Suchthilfestatistik, DSHS). The number of observed cases per annum ranges from 107,041 from 720 (2007) to 155,276 from 779 (2009) outpatient centers, and from 24,586 from 147 (2007) to 39,329 from 189 (2010) inpatient centers. An additional dataset from the year 2009, which includes only those clients who had received ALO in the 6 months previous to treatment, consists of 55,479 cases from 779 outpatient centers and 14,990 cases from 157 inpatient centers. Results: The unemployment rate among clients in outpatient settings decreased by 1 % between 2007 and 2011 (2011: 39.1 %) and increased by 1 % in inpatient settings (2011: 48.5 %). The highest proportion of unemployment was found among clients with MD opioids (outpatient: 59.9 %, inpatient: 64.7 %). In all MD analyzed the percentage of clients receiving unemployment benefits in accordance with SGB II far exceeds that of clients receiving benefits in accordance with SGB III (for at least 80 % to 20 %). The largest change was found among clients with MD stimulants from inpatient services (+13.7 %). A comparison between clients with and without ALO benefits, based on the DSHS data from 2009, revealed that clients with ALO benefits show higher rates considering the following variables as compared to clients without ALO benefits: living alone and in precarious living situations, having a problematic debt history, and having no vocational or higher education. Additionally, the rate of previously treated clients was higher among clients with ALO benefits, whereas the proportion of regular terminated treatments was lower. Conclusion: The unemployment rate increased considerably in particular among clients with MD stimulants from inpatient centers. The present data show that social problems seem to be more pronounced among unemployed clients than among clients without ALO benefits. Indicators for relapse rates (retreatment) also seem to indicate a poorer prognosis for these clients. Therefore, on the one hand, programs for (re)integration into the labor market, such as trainings or addiction-prevention interventions, should be maintained or adapted. On the other hand, special relapse-prevention interventions could be fitting for clients without any career prospects. A more intensive cooperation between treatment centers, (vocational) schools, employment centers, job centers, debt counseling as well as youth and social welfare offices could prove to be valuable.
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