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Open AccessÜbersichtsarbeit

Körperliche Aktivität als Therapieoption bei ADHS?

Aktueller Forschungsstand

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000963

Abstract

Zusammenfassung: Körperliche Aktivität als Präventions- und Therapieoption von psychischen Erkrankungen rückt zunehmend in den Fokus aktueller Forschung. Insbesondere Verbesserungen in kognitiven Funktionen, Aufmerksamkeitsleistungen, Impulsivität und Hyperaktivität könnten Sport zu einer vielversprechenden Behandlungsoption für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) machen. In dem vorliegenden narrativen Übersichtsartikel wird der aktuelle Forschungsstand zu Sporteffekten bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen mit ADHS dargestellt und bewertet. Während Studien zu den kurzfristigen Auswirkungen einer einmaligen körperlichen Aktivität robuste Effekte auf die Aufmerksamkeit und Inhibitionskontrolle zeigen, sind bisherige Ergebnisse zur Wirkung auf weitere Symptombereiche der ADHS sowie bei Erwachsenen gemischt. Randomisierte kontrollierte Studien zu regelmäßiger sportlicher Aktivität sind bislang rar und zeigen eine hohe Heterogenität, ermutigen jedoch zu weiterer Forschung in dem Bereich.

Is Physical Activity a Treatment Option for ADHD?

Abstract: Physical activity as an option for the prevention and treatment of psychiatric disorders is increasingly becoming the focus of research. In particular, because of improvements in cognitive functioning, attentional performance, impulsivity, and hyperactivity, physical exercise could be a promising treatment option for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD). In this narrative review, we present and evaluate the current state of research on exercise effects in children and adolescents as well as in adults with ADHD. While studies of the short-term effects of a single bout of physical activity indicate robust effects on attention and inhibitory control, results on the impact on further symptoms of ADHD as well as in adults are mixed. Randomized controlled trials of longer-term physical activity are scarce and show high heterogeneity. Nevertheless, they are encouraging for further research in this area.

Einleitung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gehört mit einer Prävalenz von 5 % (Faraone et al., 2015) zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Sie ist durch die Kernsymptome der Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet, welche häufig mit Auffälligkeiten in kognitiven, schulischen und sozialen Bereichen einhergehen (American Psychiatric Association, 2013). Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen besteht die ADHS bis in das Erwachsenenalter fort (Faraone et al., 2015). Die ADHS bringt nicht nur erhebliche psychosoziale Einschränkungen für die Betroffenen und ihre Familien mit, sondern ist oftmals auch mit psychiatrischen Komorbiditäten wie affektiven Störungen, Suchterkrankungen und Essstörungen sowie körperlichen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden (Bernardi et al., 2012; Du Rietz et al., 2021).

Die aktuellen Behandlungsleitlinien der ADHS (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde & Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2018; National Institute for Health and Care Excellence, 2018) empfehlen einen multimodalen Therapieansatz. Die Psychoedukation bildet dabei die Grundlage jeder Behandlung. Abhängig von individuellen Faktoren und der Symptomschwere soll pharmakologisch und/oder psychotherapeutisch behandelt werden. Bei der pharmakologischen Behandlung sind Stimulanzien bislang die erste Wahl und führen bei der Mehrheit der Betroffenen zu einer Symptomreduktion (Cortese et al., 2018). Circa 20 bis 50 % der Betroffenen sprechen jedoch nicht auf eine medikamentöse Behandlung an oder zeigen Restsymptome (Torgersen, Gjervan & Rasmussen, 2008). Nebenwirkungen (Kis et al., 2020) oder persönliche Präferenzen (Philipsen, 2012) können zudem alternative oder ergänzende Behandlungsansätze erfordern. Darüber hinaus behandeln die bestehenden Therapieoptionen nicht die möglichen körperlichen Begleiterkrankungen der ADHS (z. B. kardiovaskuläre, muskuloskelettale und metabolische Erkrankungen; Du Rietz et al., 2021).

In den vergangenen Jahren ist Sport als Präventions- und Behandlungsansatz von psychischen Erkrankungen zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt (Ströhle, 2019). Es wurde unter anderem von Verbesserungen der Stimmung, Selbstwahrnehmung und kognitiven Funktionen, reduzierten Stressreaktionen sowie allgemeinen positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden berichtet. Insbesondere die möglichen Verbesserungen der Kognition, motorischen Funktionen sowie der Hyperaktivität und Impulsivität implizieren einen potenziellen Nutzen von Sport in der Therapie der ADHS. In der vorliegenden narrativen Übersichtsarbeit soll der aktuelle Stand der Forschung in Bezug auf Sport als Behandlungsoption der ADHS dargestellt werden.

Wirkmechanismen von sportlicher Aktivität

Mögliche Wirkmechanismen auf neurophysiologischer und molekularer Ebene wurden bislang weitestgehend in Tiermodellen untersucht. Hier wurden unter anderem eine erhöhte Freisetzung von katecholaminergen Neurotransmittern, Serotonin, Endorphinen und einigen Wachstumsfaktoren sowie eine Modulation von Stresshormonen durch Sport beobachtet (Dishman et al., 2006; Lista & Sorrentino, 2010; Meeusen & De Meirleir, 1995; Meeusen, Piacentini & De Meirleir, 2001; Zschucke, Renneberg, Dimeo, Wüstenberg & Ströhle, 2015). Insbesondere eine Hochregulation der Katecholamine Dopamin und Noradrenalin könnte für die ADHS eine Rolle spielen, da diese auch durch Stimulanzien reguliert werden und somit als pathophysiologische Korrelate der ADHS diskutiert werden (Prince, 2008). Sie sind besonders wichtig für kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen, die bei Patient_innen mit ADHS häufig beeinträchtigt sind. Gesteigerte Serotonin- und Endorphinausschüttungen werden wiederum mit positiven Effekten auf die Stimmung und Emotionen in Verbindung gebracht (Meeusen et al., 2001), während Wachstumsfaktoren wie der Brain-derived neurotrophic factor neuronale Plastizität, Lern- und Gedächtnisprozesse unterstützen (Lee, Kermani, Teng & Hempstead, 2001; Lu, Nagappan & Lu, 2014). Bei der ADHS wurden sowohl eine veränderte Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Stresshormonen beobachtet (Liu et al., 2015; Scassellati, Bonvicini, Faraone & Gennarelli, 2012) als auch Auswirkungen auf diese Prozesse durch die Einnahme von Stimulanzien berichtet (Amiri et al., 2013; Scassellati et al., 2012). Auswirkungen von Sport auf die Bildung von Stresshormonen (z. B. Cortisol) könnten mit einer verbesserten Stressresistenz einhergehen (Zschucke et al., 2015).

Bildgebungsstudien mittels PET (Positronen-Emissions-Tomografie), (f)MRT ([funktionelle] Magnetresonanztomografie), fNIRS (funktionelle Nahinfrarot-Spektroskopie) und EEG (Elektroenzephalografie) geben bei menschlichen Proband_innen indirekte Hinweise auf die oben beschriebenen neurophysiologischen Effekte von Sport. So wurden Veränderungen in der Struktur und Funktion von Hirnarealen berichtet, die an der Regulation von Neurotransmittern und Neurotrophinen beteiligt sind und auch in Studien zur ADHS Unterschiede zu gesunden Kontrollpersonen aufweisen (z. B. hippocampale und fronto-parietale Areale; Bento-Torres et al., 2019; Colcombe et al., 2006; Erickson, Leckie & Weinstein, 2014; Yu et al., 2021).

Aktueller Forschungsstand

In der folgenden Übersicht werden die bislang veröffentlichten Studien zu Sporteffekten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer ADHS beschrieben. Es wird unterteilt in Studien, die die kurzfristigen Effekte einer einmaligen körperlichen Aktivität untersucht haben, und jene, die die Auswirkungen von längerfristiger regelmäßiger körperlicher Aktivität getestet haben. Es werden nur Studien einbezogen, die die sportliche Aktivität mit mindestens einer Kontrollbedingung oder Kontrollgruppe mit einer alternativen Aktivität vergleichen. Bei kurzfristigen Sporteffekten sind dies überwiegend sitzende Tätigkeiten (z. B. Lesen oder das Anschauen eines Films). Bei den Langzeitinterventionen werden auch Studien ausgeschlossen, die nur mit einer Wartelistenkontrollgruppe ohne jegliche Intervention vergleichen.

Kurzfristige Effekte von körperlicher Aktivität auf die ADHS

Sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen mit ADHS haben bisherige Studien gezeigt, dass eine einmalige Sporteinheit einige Symptome der ADHS und damit verbundene Funktionsbereiche kurzfristig verbessern kann (siehe Tabelle 1 zur Übersicht). Die Effekte scheinen sich jedoch abhängig von den untersuchten Outcomeparametern zu unterscheiden.

Tabelle 1 Studien zu den kurzfristigen Effekten von einmaliger körperlicher Aktivität auf die ADHS

Während sportliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS die Aufmerksamkeit und Inhibitionsfähigkeit robust verbessern konnte (Benzing, Chang & Schmidt, 2018; Chang, Liu, Yu & Lee, 2012; Chuang, Tsai, Chang, Huang & Hung, 2015; Ludyga et al., 2017; Medina et al., 2010; Piepmeier et al., 2015; Pontifex, Saliba, Raine, Picchietti & Hillman, 2013), waren die Auswirkungen auf andere Exekutivfunktionen wie das Arbeitsgedächtnis, die kognitive Flexibilität und Planungs- und Problemlösefähigkeiten gemischt (Benzing et al., 2018; Chang et al., 2012; Hung, Huang, Tsai, Chang & Hung, 2016; Ludyga et al., 2018; Piepmeier et al., 2015). Eine Studie konnte zudem Verbesserungen im Leseverstehen und Rechnen, nicht aber in der Rechtschreibleistung nach einer Ausdauereinheit zeigen (Pontifex et al., 2013).

Während der Großteil der Studien bei Kindern mit ADHS Exekutivfunktionen untersuchte, wurden bei Erwachsenen mit ADHS kurzfristige Sporteffekte auf vielfältige Symptombereiche getestet. Hier sind die Ergebnisse bislang sehr heterogen. Aufmerksamkeit, kognitive Kontrollprozesse, Impulsivität und Hyperaktivität der Betroffenen verbesserten sich in manchen Studien (Dinu et al., 2023; LaCount et al., 2022; Mehren, Özyurt, Lam, et al., 2019), in anderen jedoch nicht (Dinu et al., 2023; Fritz & O’Connor, 2016; Mehren, Özyurt, Thiel, et al., 2019). Des Weiteren wurden Verbesserungen in mit der ADHS verbundenen Symptombereichen wie der Stimmung und depressiver Symptomatik, Motivation und Fatigue durch ein einmaliges Ausdauertraining gefunden (Fritz & O’Connor, 2016; LaCount et al., 2022), jedoch keine Veränderungen der Angstsymptomatik (LaCount et al., 2022).

Einige wenige Studien haben die kurzfristigen Effekte von Sport auf die Funktionsweise des Gehirns mittels Bildgebungsmethoden untersucht. Die Ergebnisse von vier Studien implizieren, dass Sport die im EEG gemessenen ereigniskorrelierten Potenziale während einer kognitiven Kontrollaufgabe bei Kindern mit ADHS verändern kann. Nach dem Sport zeigten die Kinder eine verstärkte Amplitude (Hung et al., 2016; Ludyga et al., 2017; Pontifex et al., 2013) und eine kürzere Latenz (Pontifex et al., 2013) der P300, was auf eine effizientere Bereitstellung von Aufmerksamkeitsressourcen hindeutet. Zudem verringerte sich die Amplitude der Contingent Negative Variation (CNV; Chuang et al., 2015), was als eine verbesserte Vorbereitung auf eine motorische Antwort gedeutet wurde. Des Weiteren konnten wir in unserer eigenen Studie mittels fMRT eine erhöhte Aktivierung in parietalen, temporalen und okzipitalen Hirnarealen während der Ausführung einer Inhibitionsaufgabe (Go/No-go-Aufgabe) nach sportlicher Aktivität bei Erwachsenen mit ADHS beobachten (Mehren, Özyurt, Thiel, et al., 2019). Während der Ausführung einer Flanker-Aufgabe zeigte dieselbe Probandengruppe allerdings keine Veränderungen der Hirnaktivierung (Mehren, Özyurt, Lam, et al., 2019).

Effekte von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die ADHS

Bisherige Studien zu längerfristigen Interventionen mit regelmäßiger sportlicher Betätigung deuten zwar prinzipiell auf positive Auswirkungen auf verschiedene Symptombereiche der ADHS hin, sind aber sehr heterogen bezüglich der verwendeten Outcomeparameter und der durchgeführten sportlichen Aktivitäten (siehe Tabelle 2 zur Übersicht). Bislang wurden Effekte regelmäßiger Sporteinheiten nur bei Kindern und Jugendlichen, nicht aber bei Erwachsenen mit ADHS untersucht. In den meisten Studien wurde keine Kontrollintervention implementiert, das heißt, es wurde entweder nur mit einer Wartelistengruppe oder mit gar keiner Kontrollgruppe verglichen, sodass Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit der sportlichen Aktivität schwierig sind. Im aktuellen Übersichtsartikel werden nur randomisierte kontrollierte Studien einbezogen, die eine Sportintervention mit mindestens einer weiteren aktiven Intervention vergleichen.

Tabelle 2 Studien zu den Effekten von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die ADHS

Zwei Studien aus derselben Arbeitsgruppe (Chung-Ang Universität, Seoul, Südkorea) konnten zeigen, dass ein 6-wöchiges gemischtes Sportprogramm kombiniert mit Methylphenidat-Einnahme bei Kindern mit ADHS zu stärkeren Verbesserungen der Unaufmerksamkeits-, Impulsivitäts- und Hyperaktivitätssymptome, der kognitiven Kontrolle und des Sozialverhaltens führen kann im Vergleich zu einer Verhaltenskontrollintervention (informative Schulungen zu ADHS-relevanten Themen im Gruppensetting) und Methylphenidat (Choi, Han, Kang, Jung & Renshaw, 2015; Kang, Choi, Kang & Han, 2011). Eine andere Studie fand hingegen keine Unterschiede in Bezug auf Veränderungen in klinischen Symptomen, des Verhaltens und der schulischen Leistung zwischen einem 10-wöchigen gemischten Sportprogramm, an dem Kinder mit ADHS oder disruptiver Verhaltensstörung nach der Schule teilnahmen, und einem Alternativprogramm, das aus Spielelementen ohne Sport bestand (Bustamante et al., 2016; Ramer et al., 2020). Jensen und Kenny (2004) berichteten außerdem Verbesserungen einiger ADHS-Symptome durch eine Yoga-Intervention; die Kontrollgruppe, die an gemeinsamen Gruppenaktivitäten teilnahm, verbesserte sich jedoch auch in einigen klinisch relevanten Maßen.

In weiteren Studien wurden unterschiedliche Arten von sportlichen Aktivitäten miteinander verglichen. Eine Pilotstudie demonstrierte die Vorteile eines Yogatrainings für Aufmerksamkeit und Hyperaktivitätssymptomatik im Vergleich zu einem gemischten Bewegungstraining (Haffner, Roos, Goldstein, Parzer & Resch, 2006). Ziereis und Jansen (2015) konnten zudem zeigen, dass ein zielgerichtetes Training der Koordination, des Gleichgewichts, des Ballgefühls und des technischen Geschicks das verbale und räumliche Arbeitsgedächtnis von Kindern mit einer ADHS in ähnlichem Maße verbessern kann wie ein unspezifisches Trainingsprogramm bestehend aus Ausdauer- und Spielelementen. Eine weitere Studie impliziert, dass ein hochintensives Intervalltraining einem gemischten Training mit niedrigen bis moderaten Intensitäten überlegen sein könnte bezüglich Verbesserungen von motorischen Fertigkeiten, Selbstwert und sozialen Beziehungen (Messler, Holmberg & Sperlich, 2018). In beiden Interventionen fanden sich allerdings keine Verbesserungen der ADHS-Kernsymptomatik. Ergebnisse von Kadri, Slimani, Bragazzi, Tod und Azaiez (2019) deuten außerdem darauf hin, dass ein Taekwondotraining zu stärkeren Verbesserungen von Aufmerksamkeit und Inhibition bei Jugendlichen mit einer ADHS führen kann im Vergleich zu einem gemischten Ausdauer- und Ballsporttraining. Schließlich zeigten Chang, Shie und Yu (2022), dass ein reales gegenüber einem computersimulierten Tischtennistraining zu stärkeren Verbesserungen der kognitiven Flexibilität führte, beide Programme aber mit verbesserter Aufmerksamkeit und Inhibitionsfähigkeit verbunden waren. Allerdings wurden in dieser Studie in beiden Programmen die Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen gezielt trainiert, sodass es schwierig ist, die Effekte allein auf die sportliche Aktivität zurückzuführen.

Bislang wurden nur in der Studie von Choi et al. (2015) die Auswirkungen von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf das Gehirn der Betroffenen mittels Bildgebungsmethodik untersucht. Nach der 6-wöchigen Sportintervention und Methylphenidat-Einnahme zeigten die Proband_innen eine stärkere Erhöhung der Aktivität im Frontalhirn während der Ausführung einer kognitiven Aufgabe im Vergleich zu der Gruppe, die eine Verhaltenskontrollintervention kombiniert mit Methylphenidat erhielt.

Modulierende Faktoren und Limitationen

Die vorliegenden Studien weisen insgesamt eine hohe Heterogenität bezüglich Designaspekten wie Intensität und Dauer der körperlichen Aktivität und Sportart auf.

In Studien zu den kurzfristigen Effekten von einmaliger körperlicher Aktivität wurden überwiegend Ausdauersportarten mit moderaten Intensitäten untersucht. Hierbei zeigten sich positive Effekte bereits nach 20-minütiger sportlicher Aktivität. Andere Zeitdauern, Belastungsintensitäten oder Sportarten wurden bislang seltener untersucht. Erste Studien deuten jedoch darauf hin, dass auch Koordinationsübungen (Ludyga et al., 2017), eine Yogaeinheit (Dinu et al., 2023) oder ein 10-minütiges hochintensives Intervalltraining (LaCount et al., 2022) zu Verbesserungen in klinischen Symptomen der ADHS sowie Exekutivfunktionen führen können.

In Studien zu den Effekten von regelmäßiger körperlicher Aktivität wurden meist gemischte Sportprogramme bestehend aus Ausdauerkomponenten und Sportspielen oder Ballsportarten implementiert. Einzelne Studien verglichen unterschiedliche Sportarten miteinander, mit gemischten Ergebnissen (Haffner et al., 2006; Kadri et al., 2019; Messler et al., 2018; Ziereis & Jansen, 2015). Während drei der Studien darauf hindeuten, dass ein gezieltes Training wie Taekwondo (Kadri et al., 2019), Yoga (Haffner et al., 2006) oder ein hochintensives Intervalltraining (Messler et al., 2018) Vorteile gegenüber gemischten Sportprogrammen haben könnte, fanden Ziereis und Jansen (2015) ähnliche Effekte des unspezifischen Trainingsprogramms verglichen mit gezielten Übungen von Koordination, Gleichgewicht, Ballgefühl und technischem Geschick. Die Dauer der Interventionen variierte zwischen 3 Wochen (Messler et al., 2018) und 1 ½ Jahren (Kadri et al., 2019), wobei die meisten Interventionen zwischen 6 und 12 Wochen andauerten. Die Frequenz der Interventionen variierte zwischen einer und fünf Trainingseinheiten pro Woche.

Weitere potenzielle modulierende Faktoren wie die Symptomschwere der Betroffenen, der Medikationsstatus, das Ausgangslevel der kardiorespiratorischen Fitness oder das Geschlecht wurden in sehr wenigen Untersuchungen miteinbezogen. Außerdem fehlen bislang insbesondere Langzeitinterventionsstudien bei Erwachsenen mit ADHS. Eine weitere Limitation der vorhandenen Studienlage sind die zum Teil sehr kleinen Stichprobengrößen und die damit einhergehende geringe statistische Power (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2).

Zusammenfassung und Ausblick

Es konnten bereits in einigen Studien bei Kindern mit ADHS robuste Effekte einer einmaligen sportlichen Aktivität, insbesondere einer moderaten Ausdauereinheit, auf die Aufmerksamkeit und Inhibitionskontrolle, beides Kernsymptome der ADHS, gezeigt werden. Bezüglich anderer Funktionsbereiche sind bisherige Ergebnisse gemischt, sodass hier weitere Forschung wichtig ist zur Differenzierung, welche Symptome von Sport profitieren können und welche nicht. Langfristige Sportinterventionen von regelmäßiger sportlicher Betätigung sind zwar insgesamt vielversprechend, die bestehenden Studien sind allerdings sehr heterogen bezüglich der sportlichen Aktivität, der verwendeten Outcomeparameter und den berichteten Ergebnissen. Außerdem erschweren methodische Limitationen wie kleine Stichprobengrößen die Interpretation. Neben gut kontrollierten randomisierten Studien besteht dringender Forschungsbedarf im Bereich der adulten ADHS sowie zu den neurophysiologischen Mechanismen, die Sporteffekten zugrunde liegen. Weitere Einflussfaktoren wie bestimmte klinische Charakteristika oder kombinierte Effekte mit einer Medikation könnten außerdem Gegenstand zukünftiger Forschung sein.

Literatur