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Free AccessInstrumente der Arbeits- und Organisationspsychologie

TBS-TK Rezension

MSCEIT–Mayer-Salovey-Caruso Test zur Emotionalen Intelligenz. Deutschsprachige Adaptation des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEITTM)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000188

Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung

Auf die leistungsbasierte Erfassung der Emotionalen Intelligenz (EI) richten sich die insgesamt 141 Items auf acht Subskalen des Mayer-Salovey-Caruso Test zur Emotionalen Intelligenz (MSCEITTM), der hier in seiner deutschsprachigen Adaptation vorliegt. Das Format der Items besteht teils aus Fotografien von Gesichtern, Landschaften oder Kunstwerken, teils aus verbalen Beschreibungen bestimmter Szenarien. Die Lösungen auf Grundlage eines Konsensus-Ratings werden mit Hilfe eines Computer-Programms verrechnet, dessen Auswertungsschlüssel nur die Rechte-Halter des Tests kennen. Der Test ist ab 17 Jahren anwendbar und zielt unter anderem auf pädagogische, klinische und organisationspsychologische Anwendungsbereiche ab. Die Bearbeitung geschieht durch Ankreuzen vorgegebener Antwortoptionen im Testheft. Möglich ist auch eine computerunterstützte Darbietung. Eine Zeitbegrenzung für die Bearbeitung besteht nicht.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Der Theorie gemäß setzt sich das Konstrukt der EI aus den vier Fähigkeiten Wahrnehmung, Nutzung, Wissen und Regulation von Emotionen zusammen (Mayer & Salovey, 1997). Empirische Belege für die hierarchische Anordnung der Facetten sowie die Einbettung des Modells in benachbarte Konstrukte werden nicht erschöpfend dargestellt. Für jede der vier Facetten sind innerhalb des MSCEITTM jeweils zwei Aufgabenformate vorgesehen. Einzelne Facetten werden ausschließlich mit verbalem, andere mit bildlichem Stimulusmaterial abgedeckt. Während die Vorgehensweise bei der deutschen Adaptation hinreichend beschrieben wird, bleibt intransparent, auf welche Weise die Items der Originalversion im Hinblick auf die einzelnen Facetten generiert und im Zuge der Testentwicklung selegiert oder verändert wurden. Die „Richtigkeit” einer Lösung wurde definiert als die relative Häufigkeit, mit der eine Antwort übereinstimmend innerhalb der Normierungsstichprobe genannt wurde (Konsensus-Ratings).

Objektivität

Standardisiertes Testmaterial und computergestützte Auswertung gewährleisten Durchführungs- und Auswertungsobjektivität. Der Interpretationsobjektivität dienen die vom Auswertungsprogramm erzeugten Normwerte (M = 100, SD = 15) nebst Prozenträngen. Infolge dessen sind Wertebereiche eindeutig den Attributen „überdurchschnittlich” etc. zuzuordnen. Für eine weitergehende, inhaltliche Interpretation stehen zwei Fallbeispiele aus klinischem Kontext und Personalentwicklung zur Verfügung. Für weitere, in den Zielsetzungen des Verfahrens suggerierte Anwendungsfelder werden keine Interpretationshinweise gegeben. Interpretationshinweise zur Bedeutung einzelner EI-Facetten für denkbare diagnostische Zielsetzungen sowie zur Interdependenz und hierarchischen Anordnung der Facetten müssen sich Nutzer aus den Darlegungen zu den theoretischen Grundlagen herleiten.

Normierung (Eichung)

Die Normierungsstichprobe besteht aus insgesamt 3653 Probanden im Alter zwischen 17 und 74 Jahren, je zur Hälfte Männer und Frauen. Die Teilnehmer stammen aus 6 Bundesländern und etwa zu gleichen Teilen aus Erhebungen anhand der Papier-und-Bleistift- sowie einer Online-Version (keine Mittelwertsunterschiede). Probanden mit allgemeiner Hochschulreife überwiegen gegenüber solchen anderer Bildungsgruppen (keine Unterschiede). In allen Skalen erzielten die Frauen höhere EI-Werte, doch wurde wegen geringer Effektstärken von geschlechts- (und auch bildungs‐) spezifischen Normen abgesehen. Konkrete Angaben zur Repräsentativität der Normgruppe für spezifische diagnostische Zielgruppen fehlen. Angesichts eines kurvilinearen Verlaufs der EI-Werte über das Alter hinweg wurden drei gesonderte Normen erstellt. Normtabellen fehlen im Handbuch. Der individuelle Testwert wird als Standardwert rückgemeldet und erlaubt somit unter Rückgriff auf die Reliabilitäten die Bestimmung von Konfidenzintervallen.

Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)

Konzeptbedingt liefern Ermittlungen der internen Konsistenz nur Minimalschätzungen. Gleichwohl werden befriedigende Werte erst jenseits des Subtest-Niveaus erreicht, also auf der Ebene der EI-Facetten und insbesondere der Bereiche (Erfahrungsbasierte EI .92; Strategische EI. 80) sowie für den Gesamtwert (.92). Angesichts dieser Werte empfehlen die Testautorinnen die Interpretation auf die letztgenannten, oberen Abstraktionsebenen zu beschränken. Hinweise darauf fehlen, inwiefern die berichteten Werte auf unterschiedliche Subgruppen der Normstichprobe (wie Alter, Geschlecht, Bildung) gleichermaßen anwendbar sind. An einer Teilstichprobe von 50 Studierenden und einem Re-Test-Intervall von vier Monaten wurden Werte für rtt um .80 für die Bereiche und den Gesamtwert gefunden (kritisch dabei der geringe Stichprobenumfang und die hohe Ausfallquote). Da eine (gewiss wünschenswerte) Parallelform fehlt, ist es nicht möglich, entsprechende Koeffizienten zu ermitteln.

Gültigkeit (Validität)

Das Manual räumt den verschiedenen Validitätsaspekten breiten Raum ein (darunter der faktoriellen Struktur gemäß dem Vier-Facetten-Modell). Die hier angeführten, meist um .20 liegenden Korrelationen der MSCEITTM-Punktwerte mit anderen Maßen werden überwiegend als Nachweis diskriminanter Validität interpretiert, ohne dabei die Rolle von Formatunterschieden zwischen den Instrumenten und deren Reliabilität zu diskutieren. Die einzige Studie zur konvergenten Validität (mit dem TEMINT) erbrachte einen höchsten Koeffizienten für Emotionswissen mit r = .34. Zahlreiche Studien sprechen zwar für eine gemeinsame Varianz der EI-Scores mit unterschiedlichsten Kriterien des Berufs- und Lebenserfolgs (Korrelationen meist unter .30), doch sind die den Studien zugrundeliegenden A-Priori-Hypothesen sowie Auswahl und Qualität der Kriterien nicht hinreichend klar dargestellt. Es sei festgestellt, dass sich nicht alle angeführten Befunde auf die aktuelle Version des MSCEITTM beziehen.

Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)

Im Manual findet sich der Hinweis auf eine–die englische Originalversion betreffende–Studie zur Verfälschbarkeit des Tests. Hier ergaben sich in einem Messwiederholungsdesign bei einer Effektstärke von d < 0.10 keine signifikanten Mittelwertsunterschiede zwischen einer Neutral- und einer auf den Personalauswahlkontext bezogenen Faking-Good-Bedingung. Dieser Befund schließt mögliche Verschiebungen in der Rangreihe der Werte, differentielle Verzerrungseffekte sowie Faking-Bad-Reaktionen allerdings nicht aus. Eine gravierende Verfälschbarkeit nach oben ist bei einem Leistungstest wie dem vorliegenden Verfahren unwahrscheinlich. Dennoch wäre zu prüfen, ob der Kontext der Untersuchung im Einzelfall die Herangehensweise eines Probanden im Sinne einer Hypothese, welches das aktuell erwünschte Verhalten darstellt, verändert. Bezüglich der Verrechnungsvorschriften der Itemtestwerte zu Skalenwerten sowie deren Zusammenhang mit realem Verhalten äußert sich das Manual nicht.

Abschlussbewertung/Empfehlung

Um dem selbstgesetzten Anspruch gerecht zu werden, die zu messenden emotionalen Kompetenzen als Form der „Intelligenz” bezeichnen zu können, stehen noch Weiterentwicklungen sowie Nachweise im Sinne einer mit Instrumenten der akademischen Intelligenz vergleichbaren theoretischen und psychometrischen Qualität aus. Davon abgesehen sind die ungeklärten Details der Konstruktion der Originalversion des MSCEITTM sowie die Intransparenz um die Ermittlung der individuellen Testergebnisse definitiv unbefriedigend.

Nachweise für die Zuverlässigkeit des Verfahrens, auch in Hinblick auf die Stabilität über die Zeit und unterschiedliche Kontexte hinweg, sind zu erweitern. Darüber hinaus ist, ungeachtet der unbestrittenen Attraktivität des EI-Konstrukts, der Originalität der MSCEITTM-Itemformate und der bislang ermittelten Reliabilität, letztlich eine Multi-Trait-Multi-Method-Studie unverzichtbar, die Aufschluss darüber liefert, wo im nomologischen Netzwerk der Gültigkeitsbereich des MSCEITTM zu verorten ist. Nur hiermit wäre letztendlich die weiterhin offene Frage zu klären, ob es sich beim MSCEITTM wirklich um einen Leistungstest für Emotionale Intelligenz oder nur um ein semi-projektives Verfahren zur Erfassung von Konformität mit Mehrheitsurteilen handelt. Bezogen auf die Kriteriumsvalidierung bemisst sich der Nutzen eines Tests, zumal dann, wenn mit diesem ein „neues Konstrukt” zu erfassen beansprucht wird, an dem Inkrement an Validität, das er gegenüber bereits bewährten Verfahren aufweist. In Bezug darauf werden im Manual Studien erwähnt, in denen für weitere Prädiktoren wie Persönlichkeit oder Intelligenz kontrolliert wurde; diese mögen jedoch nicht vollständig zu überzeugen, so lange keine spezifischen Hypothesen zu Zusammenhängen zwischen dem MSCEITTM auf der einen und bestimmten Prädiktoren sowie Kriterien auf der anderen Seite formuliert sind, die aus der dem Test zugrunde liegenden Theorie präzise hergeleitet wurden.

All das schließt selbstverständlich nicht aus, dass der Einsatz dieses Instrumentes in Forschungsuntersuchungen nicht aufschlussreiche Einsichten liefern könnte.

Tabelle 1. Testbeurteilungssystem–Testkuratorium der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen. Formalisierte Bewertungsskala zum MSCEITTM, deutschsprachige Adaptation

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testinformationen

Steinmayr, R., Schütz, A., Hertel, J. & Schröder-Abé, M. (2011). Mayer-Salovey-Caruso Test zur Emotionalen Intelligenz (MSCEIT™). Deutschsprachige Adaptation des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT™) von John D. Mayer, Peter Salovey und David R. Caruso. Bern: Verlag Hans Huber.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen.

Test komplett bestehend aus: Manual, 10 Fragenheften, Auswerteprogramm inkl. 10 Auswertungen: 550 Euro.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Burk, C. L. & Amelang, M. (2015). TBS-TK Rezension: MSCEIT–Mayer-Salovey-Caruso Test zur Emotionalen Intelligenz. Deutschsprachige Adaptation des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEITTM). Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 59, 155 – 157.

Verfasser: Dr. Christian Burk, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Institut für Psychologie, Personal- und Organisationspsychologie, Jägerstraße 17 – 19, 52056 Aachen, E-Mail: [email protected] und Prof. em. Dr. Manfred Amelang, Psychologisches Institut, Universität Heidelberg, Hauptstraße 47 – 51, 69117 Heidelberg, E-Mail: [email protected]

Literatur

  • Mayer, J. & Salovey, P. (1997). What is emotional intelligence? In P. Salovey and D. Sluyter (Eds.), Emotional development and emotional intelligence: Implications for educators (pp. 3 – 31). New York, NY: Basic Books. Google Scholar

  • Testkuratorium (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470 – 478. Google Scholar

  • Testkuratorium (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52 – 56. LinkGoogle Scholar