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Übersichtsarbeit

Übertherapie am Lebensende in der Onkologie

Published Online:https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001328

Zusammenfassung. Der Begriff der «Übertherapie» bezeichnet Situationen, in denen der Einsatz von diagnostischen oder therapeutischen Massnahmen negativ bewertet wird. Die negativen Bewertungen können sich zum einen auf die wissenschaftliche Fundierung der jeweils eingesetzten Massnahmen beziehen. Zum anderen werden im Kontext von «Übertherapie» häufig Fragen hinsichtlich der Angemessenheit des Einsatzes von medizinischen Massnahmen mit Blick auf die Förderung des Patientenwohls formuliert. Eine medizinisch wie ethisch reflektierte Indikationsstellung bildet einen möglichen Ausgangspunkt zur Vermeidung von «Übertherapie». Dem Thema medikamentöse Übertherapie von Patienten am Lebensende mit weit fortgeschrittenen, unheilbaren Krebserkrankungen haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche Untersuchungen, besonders in den USA und Europa, gewidmet. Hingewiesen wurde dabei insbesondere auf das Problem der Überversorgung in den letzten Tagen beziehungsweise Monaten vor dem Tod durch Applikation von Chemotherapie, sogenannter zielgerichteter Arzneimittel und / oder Strahlentherapie, die assoziiert sind mit einem erhöhten Risiko für kardiopulmonale Wiederbelebung und / oder mechanische Beatmung sowie einem Versterben auf der Intensivstation. Der Nutzen einer frühzeitigen Einbeziehung palliativmedizinischer Massnahmen bei Patienten mit weit fortgeschrittenen Krebserkrankungen hat inzwischen verstärkte Aufmerksamkeit gefunden, da hierdurch die Lebensqualität am Lebensende verbessert werden kann. Elementar für die Vermeidung von Übertherapie ist deshalb das Arzt-Patienten-Gespräch, in dem nicht nur die Wünsche und Prioritäten des Patienten, sondern auch das Verständnis des Patienten über das nahende Lebensende geklärt werden sollte. Beides ist im klinischen Alltag nicht selbstverständlich, wobei die Gründe hierfür zu suchen sind in fehlender Ausbildung, strukturellen Hemmnissen, aber auch Projektionen und Vorannahmen auf beiden Seiten sind. Frühzeitiges und strukturiertes Vorgehen, gegebenenfalls mit Hilfe der Palliativmedizin, kann diese Mängel reduzieren.


Overtreatment at the End of Life in Oncology

Abstract. The term overtreatment refers to situations, in which we evaluate the use of diagnostic or therapeutic measures negatively. On the one hand, these negative judgments refer to questionable scientific foundations of using respective measures. On the other hand, we challenge the adequacy of using medical measures in the context of overtreatment with reference to principle of beneficence. To determine the indication of medical measurements in a medically and ethically reflected way may serve as one starting point for avoiding overtreatment. Over the last two decades numerous studies, mainly in the United States of America and Europe, have shown that the use of anticancer treatments at the end of life has increased considerably. Moreover, the overuse of chemotherapy or targeted therapeutic agents as well as radiotherapy in terminally ill cancer patients in the last months of life was associated with an increased risk of undergoing cardiopulmonary resuscitation, mechanical ventilation or both and of dying in an intensive care unit. More recently, early provision of palliative care for patients with incurable cancer has gained increased attention as a feasible and efficacious approach for improving quality of life. Therefore, the doctor-patient communication is central for the avoidance of overtreatment. It should clarify not only the patient’s wishes and priorities, but also his or her understanding of the approaching end of life. In spite of this, both is not the norm in everyday clinical practice; the reasons are to be found in a lack of training, structural obstacles, but also projections and assumptions on both sides. An early and structured approach, if necessary with the help of palliative medicine, can reduce these deficiencies.