Wissensstände und Einstellungen von Altenpflegeauszubildenden zum Thema Alterssexualität
Eine explorative quantitative Befragung
Abstract
Zusammenfassung.Hintergrund: Alterssexualität wird in der professionellen Altenpflege häufig tabuisiert. Pflegebedürftige Menschen höheren Lebensalters haben jedoch den Wunsch, Sexualität aktiv zu leben, was im Alltag – z. B. in Pflegeheimen – häufig nur eingeschränkt möglich ist. Fragestellung / Ziel: Ziel der vorliegenden Studie ist es, Wissensstände und Einstellungen von Altenpflegeauszubildenden im Querschnitt abzubilden, und mögliche Unterschiede zwischen Ausbildungsjahren zu analysieren. Methoden: Es wurde eine Querschnittstudie mit schriftlicher standardisierter Befragung von 420 teilnehmenden Altenpflegeauszubildenden zu drei Forschungsfragestellungen durchgeführt: (1) Thematisierung von Alterssexualität im Unterricht, (2) sexuelle Aufgeklärtheit (subjektiv vs. objektiv), (3) Wissensstand und Einstellung zu Sexualassistenz. Unterschiede zwischen den Ausbildungsjahren und Subgruppen wurden statistisch analysiert (Kruskal-Wallis- und Chi-Quadrat-Tests). Ergebnisse: Die Thematisierung der Alterssexualität nahm mit ansteigendem Ausbildungsjahr zu. 15,1 % der Teilnehmenden gaben an, sie sei ausschließlich negativ im Unterricht behandelt worden. Bei Fragen zur objektiven Aufgeklärtheit vertraten 15,7 % die Meinung, häufige Masturbation sei psychisch schädlich, 9,3 % definierten Homosexualität als Krankheit. Unterschiede zwischen den Ausbildungsjahren konnten in diesen Variablen nicht festgestellt werden. Die Bekanntheit von Sexualassistenz nahm mit ansteigendem Ausbildungsjahr stetig zu. Schlussfolgerungen: Vor dem Hintergrund der berichteten Ergebnisse erscheint eine verstärkte Thematisierung der Alterssexualität im Rahmen eines angepassten Curriculums in der Altenpflegeausbildung sinnvoll, um eine Tabuisierung abzubauen, und den allgemeinen Wissensstand zu verbessern.
Abstract.Background: In professional geriatric nursing, sexuality in old age is often tabooed – in spite of this demographic group having the desire to live their sexuality. Generally, the possibility to experience sexuality – for example in nursing homes – is limited. Aim: The main objective of this study is to portray the knowledge and attitudes of geriatric nursing trainees towards sexuality in old age in cross section, and to analyze possible differences between training years. Methods: A cross-sectional study was conducted with written standardized surveys of 420 trainees on three research questions: (1) sexuality in old age and its role during class, (2) subjective vs. objective sex education, and (3) sexual assistance and attitudes towards it. Differences between years of education and subgroups were analyzed statistically (Kruskal-Wallis- and chi-square tests). Results: Results showed that addressing sexuality in old age during lessons was perceived to increase with a higher training year. However, 15.1 % experienced it as being exclusively negative. Concerning objective sex education, 15.7 % misjudged frequent masturbation as being psychologically harmful or did not know better. Furthermore, 9.3 % believed homosexuality to be a disease. Differences between years of training could not be found in these variables. The knowledge about sexual assistance increased with higher training years. Conclusions: Regarding these results, we suggest that the subject of sexuality in old age should be intensified as part of the curriculum for geriatric nursing from an early stage on. The aim should be to reduce tabooing and to increase the level of knowledge.
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