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Open AccessOriginalarbeit

Schlafverhalten und -auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen einer teilstationären kinder- und jugendpsychiatrischen Inanspruchnahmepopulation: Ergebnisse und Anforderungen an eine systematische Diagnostik

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000815

Abstract

Zusammenfassung. Schlafstörungen sind im Erwachsenen- wie auch im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet. Kinder und Jugendliche in kinder- und jugendpsychiatrischer (KJP) Behandlung sind insbesondere davon betroffen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist die Behandlung der ersten Wahl bei Schlafstörungen, der eine standardisierte Schlafdiagnostik vorangehen sollte. Im deutschsprachigen Raum fehlen bislang systematische Untersuchungen zur Schlafdiagnostik im teilstationären (TK) KJP-Setting. Für N = 46 Kinder/Jugendliche in TK-KJP-Behandlung wurde ein Schlafprotokoll (7 Tage), ein Schlafanamneseschema (Eltern & Kind/Jugendlicher) sowie ein klinisches Urteil zum Schlafverhalten (Diagnostiker_in) erhoben. Zudem wurde die Eltern-, Selbst- und klinische Beurteilung der psychischen Störung erfasst. Bei 52 % der Kinder/Jugendlichen wurden Schlafauffälligkeiten (= Schlafstörungssymptome im Rahmen komorbider Störungen) oder Schlafstörungen festgestellt, insbesondere Einschlafstörungen oder Ein- und Durchschlafstörungen (26 %). Zudem berichteten 33 % Albträume. Das Schlafverhalten korrelierte signifikant mit externalen Auffälligkeiten (r = .38 bis .61, p = 02 bis .04), auch beeinflussten Geschlecht (weiblich: p = .01 bis .001, |d| = 1.57 bis 2.50) und Alter (Ältere: p = .05, |d| = 0.78) das Schlafverhalten signifikant. Es scheinen insbesondere externale Auffälligkeiten einen Zusammenhang zu Schlafstörungen in der teilstationären Population aufzuweisen. Für die systematische Diagnostik der im TK-KJP-Setting vielfach vorliegenden Schlafauffälligkeiten, empfiehlt sich zusammenfassend ein Multi-Informant-Multi-Method-Vorgehen mit einer anschließenden individualisierten kognitiven Verhaltenstherapie der Schlafstörungen – gehäuft bei externalen Auffälligkeiten.

Sleep behavior and problems in children and adolescents of a psychiatric day clinic sample: results and requirements for systematic diagnostic

Abstract. Sleep disorders are common in adults as well as children and adolescents. Children and adolescents in psychiatric treatment (CAP) are especially affected by sleep problems. Cognitive behavioral therapy represents the first-line treatment, preceded by a standardized procedure for sleep diagnostics. To date, no study has investigated sleep behavior in CAP day clinics in Germany. In this study, N = 46 children/adolescents receiving CAP treatment in a day clinic completed a sleep diary (7 days) and a sleep anamnesis scheme with the help of their parents, and their sleep behavior was assessed by a clinician. Furthermore, a parent- and a self-report questionnaire plus a clinical assessment of the mental disorders in the children/adolescents were collected. 52 % of the children/ adolescents exhibited sleep disorders or sleep abnormalities (= sleep disorder symptoms in the context of comorbid disorders), in particular problems falling asleep or to falling asleep and sleeping through the night (26 %). In addition, 33 % reported having nightmares. Their sleep behavior correlated significantly with their external behavior problems (r = .38 .61, p = .02-.04); their sex (female: p = .01– .001, |d| = 1.57–2.50) and their age (older: p = .05, |d| = .78) also significantly influenced sleep behavior. Particularly external behavior problems were associated with sleep problems in this day-care population. In summary, a multi-method-multi-informant procedure should be established for the systematic diagnostics of sleep abnormalities, together with individualized cognitive-behavioral therapy of sleep problems, especially in patients with external behavior problems.

Der menschliche Schlaf zeigt seinen Stellenwert für die körperliche und psychische Gesundheit des Einzelnen nicht zuletzt durch seine beachtliche Quantifizierung über die Lebensspanne: So verbringt ein Mensch durchschnittlich etwa 3000 Stunden pro Jahr und 24 Jahre seines Lebens damit, zu schlafen (Marx, 2016).

Schlafschwierigkeiten sind vielfach erforscht, da gesundheitliche Konsequenzen für die Betroffenen weitreichend sein können und Schlafstörungen damit hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursachen (Riemann et al., 2015).

Nach DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) besteht bei Schwierigkeiten beim Einschlafen, Durchschlafen sowie bei morgendlichem Früherwachen mit tagsüber negativen Folgen wie Müdigkeit, Aufmerksamkeitsdefiziten und Stimmungsschwankungen eine chronische Insomnie. Fricke-Oerkermann (2009) beschreibt Insomniemerkmale bei Kindern aus subjektiver Sicht: Sie klagen nur selten über eine schlechte Schlafqualität und fühlen sich tagsüber nicht beeinträchtigt. Jugendliche leiden dagegen häufiger unter der Beeinträchtigung ihrer Alltagsaktivitäten infolge gestörten Schlafs, auch grübeln sie mehr über ihren Schlaf als jüngere Kinder.

Ein neurobiologisches Entstehungsmodell der chronischen Insomnie beschreiben Riemann et al. (2015): In Familien- und Zwillingsstudien konnte eine genetische Komponente nachgewiesen werden, die mit einer höheren Stressanfälligkeit nach belastenden Lebensereignissen einhergeht. Die Untersuchung von Parametern des autonomen und zentralen Nervensystems zeigte zudem, dass ein Zustand von Hyperarousal der Pathophysiologie zugrunde liegt. Die Autor_innen schlussfolgern eine Dysbalance der Schlaf-Wach-Regulation, die sich aus einer Hyperaktivierung der Erregungssysteme und einer Hypoaktivierung der schlafinduzierenden Systeme zusammensetzt. Allgemein wird bezüglich der nichtorganischen Insomnie ein multifaktorielles Entstehungsmodell angenommen (Abbildung 1): Es bestehen Zusammenhänge zwischen den Faktoren Körper, Kognition, Emotion, Verhalten und Umgebung sowie den Schlafstörungen, welche im Sinne einer Bidirektionalität in beide Richtungen wirken können (Fricke-Oerkermann, Frölich, Lehmkuhl & Wiater, 2007).

Abbildung 1 Modell zum bidirektionalen Zusammenhang der ätiologischen bzw. aufrechterhaltenden Faktoren und der Schlafstörungen.

Eine chronische Insomnie hat diverse gesundheitliche Konsequenzen und eine geringere Lebensqualität zur Folge (Kyle, Morgan & Espie, 2010). Es konnte häufig ein Zusammenhang zu psychischen Störungen nachgewiesen werden – auch für Kinder und Jugendliche (Gregory & Sadeh, 2016).

Evaluierte Behandlungsbausteine der chronischen Insomnie bei Erwachsenen sind nach Riemann et al. (2015) medikamentöse (z. B. Benzodiazepin-Agonisten) sowie psychotherapeutische (kognitive Verhaltenstherapie) Maßnahmen. Die Verhaltenstherapie beinhaltet dabei Techniken wie Psychoedukation, Schlafhygiene-Regeln, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion, Entspannungstraining und die Veränderung negativer Gedanken (Sorgen, Grübeln). Dabei sollte entsprechend der Leitlinie bei Erwachsenen mit nichtorganischer chronischer Insomnie als erster Baustein eine kognitive Verhaltenstherapie erfolgen (Riemann et al., 2017). Für Kinder und Jugendliche zeigte sich ebenso eine kognitive Verhaltenstherapie als wirksam (Review siehe Blake, Sheeber, Youssef, Raniti & Allen, 2017). Neue Behandlungsansätze, wie transkranielle Magnetstimulation bei Erwachsenen und mindfulnessbasierte Psychotherapie für Kinder und Jugendliche, sind Gegenstand aktueller Forschung.

Prävalenzschätzungen von Schlafstörungen im Jugendalter schwanken. Laut Ohayon und Roberts (2001) leiden etwa 30 % der Jugendlichen an einer Schlafstörung. Ungefähr 8 bis 11 % der Jugendlichen erfüllen die diagnostischen Kriterien für Insomnie (Dohnt, Gradisar & Short, 2012). In Erhebungen an gesunden Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigten 20 % unspezifische Schlafschwierigkeiten, 13 % Einschlafschwierigkeiten und 9 % Durchschlafschwierigkeiten (Schlarb, Gulewitsch, Weltzer, Ellert & Enck, 2015). Im kinder- und jugendpsychiatrischen (KJP) Kontext treten Schlafstörungen in etwa 52 % der Fälle gleichzeitig mit psychischen Störungen auf (Stuck, Mauerer, Schlarb, Schredl & Weeß, 2018). Dabei sind Schlafstörungen sowohl mit externalisierenden Störungen wie Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als auch mit internalisierenden Störungen wie Depression assoziiert (Gregory & Sadeh, 2016). So sind Kinder mit einer ADHS-Symptomatik häufig „schlechte Schläfer“ und eine obstruktive Schlafapnoe tritt überzufällig auf (Cortese, Faraone, Konofal & Lecendreux, 2009; Sadeh, Pergamin & Bar-Haim, 2006). Metaanalysen zeigten zudem, dass von ADHS betroffene Kinder im Vergleich zu gesunden Kontrollen eine niedrigere Schlafeffizienz (Anteil der geschlafenen Zeit ohne Wachzeiten an der gesamten im Bett verbrachten Zeit) sowie mehr Wechsel zwischen den Schlafstadien aufweisen (Cortese et al., 2009). Im internalen Störungsspektrum zeigte sich bei Kindern und Jugendlichen, dass mehr depressive Symptomen mit mehr selbstberichteten Schlafschwierigkeiten einhergingen und dass Schlafstörungen ein wichtiger Indikator für die Schwere einer Depression (Liu et al., 2007) und das Berichten suizidaler Gedanken (Urrila et al., 2012) waren. Kinder und Jugendliche in allgemeinpsychiatrischer Behandlung sind dementsprechend vermehrt von Schlafschwierigkeiten betroffen, wenn man sie mit einer Kontrollgruppe aus der Allgemeinbevölkerung vergleicht (Ivarsson & Larsson, 2009).

Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Untersuchung davon ausgegangen, dass eine kinder- und jugendpsychiatrische teilstationäre (TK) Behandlungspopulation von Schlafstörungen betroffen ist. Der in früheren Studien aufgezeigte Zusammenhang zwischen Schlaf- und Schulschwierigkeiten (Hochadel, Frölich, Wiater, Lehmkuhl & Fricke-Oerkermann, 2014) – die nach klinischer Erfahrung vorwiegend TK-KJP-behandelt werden – sollte die Auftretenswahrscheinlichkeit von Schlafstörungen im TK-Setting weiter erhöhen.

Im deutschsprachigen Raum fehlen in (TK-)KJP-Versorgungseinrichtungen bislang systematische Untersuchungen: 1. zur Häufigkeit von Schlafstörungen sowie 2. zur Beschreibung möglicher Diagnosetools, innerhalb derer subjektive (Schlaftagebücher, Fragebögen, Interviews) und objektive Verfahren (Aktigrafen = Bewegungsaufzeichnungen des Schlaf- und Wachzustandes, Polysomnografien = Ableitung elektrophysiologischer Messwerte während des Schlafes im Schlaflabor) unterschieden werden (Tarokh, Saletin & Carskadon, 2016).

Entsprechende Studien sind allerdings Voraussetzung, um die Qualität der Diagnostik als fundierte Grundlage der Behandlung zu sichern. So zielt die vorliegende Arbeit auf die Implementation und Evaluation einer schlafspezifischen Diagnostik für TK-KJP-behandelte Kinder und Jugendliche. Die Fragen nach der Häufigkeit von Schlafstörungen, deren Zusammenhängen mit psychischen Störungen sowie mit weiteren Merkmalen der Patient_innen sollen beantwortet werden.

Methode

Seitens der Ethikkommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wurden keine Einwände gegen die Durchführung der Untersuchung erhoben.

Stichprobe

Die Stichprobe umfasste N = 46 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 11 und 18 Jahren (M = 14.69, SD = 2.09) mit mindestens einem Erziehungsberechtigten, bei denen zwischen November 2015 und Juni 2016 eine TK-Behandlung in der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Erlangen durchgeführt wurde. Darunter waren n = 27 Mädchen (59 %) mit einem Durchschnittsalter von M = 14.92 Jahren (SD = 2.01), welches sich von dem der n = 19 Jungen (41 %) mit M = 14.36 Jahren (SD = 2.20) nicht signifikant unterschied (t[44] = –.89, p = .38). Zwischen den Geschlechtern fand sich eine Gleichverteilung: χ2(1, 46) = 1.39, p = .24. Die psychiatrischen (Haupt-)Diagnosen (jeweils zuerst genannte Diagnose auf Achse I des MAS; Remschmidt, Schmidt & Poustka, 2017) zeigt Tabelle 1.

Tabelle 1 Psychiatrische Diagnosen in der Stichprobe.

Die zusätzliche psychologische Testdiagnostik mittels standardisierter Fragebögen zu den psychischen Auffälligkeiten im Fremd- und Selbsturteil ergab die in Tabelle 2 dargestellten Ergebnisse (T-Werte mit M = 50, SD = 10).

Tabelle 2 Psychische Auffälligkeiten laut Selbst- und Elternurteil.

Vorgehen der Datenerhebung

Abbildung 2 verdeutlicht das Vorgehen der Datenerhebung. Dabei erfolgte die Datenerhebung im Rahmen der KJP-Standarddiagnostik, entsprechend der geltenden Leitlinien.

Abbildung 2 Ablauf der Datenerhebung (CBCL/6-18R und YSR/11-18R; Döpfner et al., 2014).

Erhobene Daten und Erhebungsinstrumente

Im Zuge der KJP-Standarddiagnostik wurden deskriptive Merkmale des Kindes bzw. des Jugendlichen und seines Erziehungsberechtigten strukturiert erfasst. Die psychischen Auffälligkeiten wurden mittels einer Selbst- und Fremdbeurteilung im Fragebogen erhoben (Deutsche Schulalter-Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach: Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen [CBCL/6-18R] und Fragebogen für Jugendliche [YSR/11-18R]; Döpfner, Plück & Kinnen, 2014), die psychiatrische Hauptdiagnose, vergeben durch die Kliniker_innen (s. o.), wurde der Akte entnommen.

Das Schlafverhalten und die -auffälligkeiten/-störungen der Kinder und Jugendlichen wurden mit folgenden Verfahren erhoben:

  • Schlaftagebuch/-protokoll über 7 Tage (je abends vor dem Einschlafen und morgens nach dem Erwachen) bezüglich der Gesamtschlafdauer in Minuten, der Einschlaflatenz in Minuten, der Häufigkeit nächtlichen Erwachens, der Dauer des nächtlichen Wachseins in Minuten, der Schlafeffizienz in Prozent, des Schlafindexes (Mittelwert über die fünf vorab genannten Schlafmaße nach Durchführung eines Mediansplits innerhalb der jeweiligen Variable), der Einschätzung der Erholsamkeit des Schlafes, der Häufigkeit des Tagesschlafes und der Mediennutzung vor dem Schlafen. Die Kinder und Jugendlichen führten selbst das Schlafprotokoll, ihre Eltern wurden entsprechend angeleitet, ihre Kinder zu unterstützen.
  • Anamneseschema in Anlehnung an Fricke und Lehmkuhl (2006) bezüglich der Einschlaflatenz in Minuten, der Gesamtschlafzeit in Minuten, der Schlafeffizienz in Prozent, der Häufigkeit des nächtlichen Erwachens, der Parasomnien, der subjektiven Erholsamkeit des Schlafes sowie der Häufigkeit des Tagesschlafes mittels der Vorgabe von Ja-/Nein-Antworten, Ratingskalen, Stundenangaben sowie Mehrfachwahlformaten. Erhoben durch erfahrene Diagnostiker_innen (klinisch arbeitende Psycholog_innen/Pädagog_innen/Ärztinnen bzw. Ärzten) mit den Kindern/Jugendlichen sowie deren Eltern.
  • Klinische Beurteilung gemäß Diagnostikereinschätzung: Eine Schlafauffälligkeit wurde als klinisch bedeutsam eingeordnet, wenn das Kind/der oder die Jugendliche angab, unter der Beeinträchtigung zu leiden, und diese wiederholt/regelmäßig auftrat.

Datenauswertung

Bei fehlenden Angaben in den Erhebungsinstrumenten wurden deren Auswertungsrichtlinien beachtet und die Daten soweit möglich in die statistischen Analysen (SPSS für Windows Version 24) einbezogen. Für das Eltern- und das Selbsturteil wurde die zugehörige elektronische Auswertungssoftware verwendet. Die übergeordneten Skalen „Internale Probleme“, „Externale Probleme“ und „Gesamtauffälligkeit“ wurden entsprechend der Software als mittlere Summenwerte berechnet und in alters- und geschlechtsspezifische T-Werte transformiert. Bei fehlendem Item im Schlafprotokoll wurde für den entsprechenden Tag der Mittelwert (des Schlafmaßes) aus den verbleibenden sechs Tagesangaben des Kindes berechnet. Bei fehlendem Item im Anamneseschema wurde die Variable als fehlend kodiert. In folgenden Fällen wurden die Bögen nicht ausgefüllt und als fehlend kodiert: in fünf Fällen ein CBCL, in zwei Fällen ein YSR, in 28 Fällen ein Schlafprotokoll, in einem Fall ein Anamneseschema. Die Stichprobengröße variiert folglich und wird jeweils gesondert angegeben.

Die statistischen Verfahren wurden entsprechend der Testvoraussetzungen gewählt. Für sämtliche Prüfstatistiken wurde eine α-Fehlerwahrscheinlichkeit von 5 % (zweiseitige Testung) festgelegt. Für statistisch bedeutsame Unterschiede bei Gruppenvergleichen (p ≤ .05) wurde je Cohens d als Effektstärke bestimmt.

Dem Schlafprotokoll wurden die Mittelwerte der Gesamtschlafdauer, der Einschlaflatenz, der Häufigkeit nächtlichen Erwachens sowie der Dauer nächtlichen Wachseins entnommen, die Schlafeffizienz wurde aus dem Anteil der geschlafenen Zeit ohne Wachzeiten an der gesamten im Bett verbrachten Zeit berechnet (je höher der Wert, desto besser der Schlaf). Für den Schlafindex erfolgte zunächst ein Mediansplit für die fünf genannten Schlafmaße. In der Folge wurde der Schlafindex als Mittelwert aus den fünf Kategorien der Merkmalsausprägungen für alle fünf Ergebnisgrößen berechnet (Werte 0 bis 1, je höher der Wert, desto besser die Schlafqualität). Als Einschlafstörungen wurden Einschlafzeiten von länger als 30 Minuten definiert (Schlarb, 2016). Als Maß für Durchschlafstörungen wurde der Median der Dauer des nächtlichen Wachseins verwendet.

Für das Anamneseschema erfolgte eine Berechnung der Schlafmaße analog zum Schlafprotokoll (s. o.). Die Häufigkeit nächtlichen Wachseins wurde von erfahrenen Diagnostiker_innen abgefragt und unter Berücksichtigung der individuellen Dauer (Wachphasen > 10 Minuten) als Durchschlafstörung gewertet, wenn das Ereignis regelmäßig jede Nacht auftrat. Auch fragte das Anamneseschema nächtliche Aktivitäten ab (z. B. Toilettengang, Nahrungsaufnahme), die den Diagnostiker_innen weitere Hinweise auf eine Durchschlafstörung geben konnten. Die Einordung des nächtlichen Erwachsens/Wachseins als Durchschlafstörung unterlag dem klinischen Urteil der erfahrenen Diagnostikerin bzw. des erfahrenen Diagnostikers. Eine somatische Erkrankung, die ursächlich für nächtliches Wachsein hätte sein können, lag bei keiner Person vor.

Für die Berechnungen der Zusammenhänge zwischen den wie angeführt ausgewerteten Schlafmaßen und Maßen psychischer Auffälligkeiten wurden Korrelationen nach Pearson (r) berechnet. Für die Berechnungen des Einflusses von Ätiologiefaktoren auf das Schlafverhalten erfolgte für die zu prüfenden Faktoren entweder eine Gruppierung mittels Mediansplit (Alter, Geschlecht, Übergewicht gemessen am Body-Mass-Index [BMI], Mediennutzung) oder anhand der natürlichen Ausprägungen (Geschlecht: männlich/weiblich). Es wurden dann Mittelwertvergleiche der Gruppen mittels t-Tests für unabhängige Stichproben berechnet. Für die Berechnung von multiplen Regressionen wurden als Prädiktorvariablen die Variablen der psychischen Auffälligkeiten und Ätiologiefaktoren eingeschlossen, die einen signifikanten Zusammenhang zum oder entsprechend der Effektgröße von d ≥ 0.50 einen bedeutsamen Einfluss auf die Schlafmaße (abhängige Variablen) des Schlafprotokolls und Anamneseschemas aufwiesen. Im Zuge der Berechnungen von multiplen Regressionen wurde der Determinationskoeffizient R2 (Werte 0 bis 1) als Schätzer des Varianzanteils der abhängigen Variablen angegeben, der durch die unabhängigen Variablen vorhergesagt werden kann.

Ergebnisse

Das Schlafverhalten im TK-KJP-Setting

N = 1 (2 %) Jugendlicher litt unter einer Schlafstörung nach ICD-10 (hier: Nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus), bei n = 45 (98 %) Kindern und Jugendlichen lag keine klinische Schlafstörungsdiagnose vor. N = 23 (50 %) Personen litten jedoch seit mindestens mehreren Wochen unter klinisch relevanten Schlafauffälligkeiten. Die Prävalenz der Schlafauffälligkeiten bzw. der Kombination mehrerer Schlafauffälligkeiten ist in Tabelle 3 zu sehen. Die Bewertungen des Schlafverhaltens sowie die Einschätzung zur Erholsamkeit des Schlafes zeigt Tabelle 4 für Schlafprotokoll und Anamneseschema im Vergleich. Weiter erläutert Tabelle 5 die Häufigkeiten der Parasomnien und nächtlichen außergewöhnlichen Ereignisse, welche die Kinder und Jugendlichen angaben.

Tabelle 3 Häufigkeiten der klinischen Schlafauffälligkeiten.
Tabelle 4 Deskriptive Ergebnisse und Häufigkeiten der Bewertung und der Erholsamkeit des Schlafes im Schlafprotokoll und Anamneseschema.
Tabelle 5 Häufigkeiten der Parasomnien und außergewöhnlichen Ereignisse im Schlaf laut Anamneseschema (N = 43).

Zusammenhänge Schlafverhalten und psychische Auffälligkeiten

Wie in Tabelle 6 verdeutlicht, lag ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen der klinischen Beurteilung des Schlafverhaltens und dem Selbsturteil psychischer Auffälligkeiten vor: Es zeigte sich ein signifikanter mittlerer Zusammenhang zwischen Durchschlafstörungen und internalen (r = .36, p = .02) sowie externalen Problemen (r = .38, p = .015) und der Gesamtauffälligkeit (r = .42, p > .001). Kinder, die Schwierigkeiten beim Durchschlafen hatten, berichteten mehr psychische Auffälligkeiten. Es lagen für das Schlafprotokoll bedeutsame Zusammenhänge zwischen mehreren Schlafmaßen und selbst- bzw. fremdberichteten externalen psychischen Auffälligkeiten vor: So wurden hohe signifikante Zusammenhänge zwischen der Gesamtschlafzeit (r = –.52, p = .026) und den externalen Problemen im Elternurteil sowie jeweils zwischen der Einschlaflatenz (r = .61, p = .016) und dem Schlafindex (r = –.50, p = .043) mit externalen Problemen im Selbsturteil festgestellt. Die Dauer des nächtlichen Wachseins im Anamneseschema war analog zur klinischen Beurteilung des Schlafverhaltens signifikant mit selbstberichteten psychischen Auffälligkeiten verbunden: Es lagen signifikante mittlere Zusammenhänge zu internalen Problemen (r = .38, p = .034), externalen Problemen (r = .40, p = .026) und der Gesamtauffälligkeit (r = .41, p = .021) im Selbsturteil vor. Insgesamt ähneln die Ergebnisse zur Schlafeffizienz des Anamneseschemas den Ergebnissen im Schlafprotokoll mit einem Unterschied: Hier lag ein bedeutsamer mittlerer Zusammenhang zu fremdberichteten externalen psychischen Auffälligkeiten vor (r = –.43, p = .03).

Tabelle 6 Zusammenhänge zwischen Maßen des Schlafverhaltens (klinische Beurteilung, Schlafprotokoll, Anamneseschema) sowie Maßen der psychischen Störung/psychischen Auffälligkeiten (allgemeine psychiatrische Diagnose, Eltern- und Selbsturteil).

Ätiologiefaktoren des Schlafverhaltens

Die Ergebnisse des Einflusses der untersuchten Ätiologiefaktoren auf das Schlafverhalten sind Tabelle 7 und 8 zu entnehmen. Es zeigte sich ein signifikanter Einfluss der Faktoren Geschlecht und Alter: Für die Jungen konnte ein signifikanter Unterschied für den Schlafindex (t[16] = 3.83, p < .001, d = 2.50) und die Schlafeffizienz (t[14] = 2.91, p = .01, d = 1.57) im Schlafprotokoll nachgewiesen werden, für die Gruppe der jüngere Teilnehmer war der Unterschied in der Schlafeffizienz im Anamneseschema signifikant (t[24] = 2.09, p = .05, d = 0.78). Somit schliefen die Gruppe der Jungen sowie der jüngeren Teilnehmer besser.

Tabelle 7 Deskriptive Statistik für die Gesamtgruppe und die Ätiologiefaktoren Geschlecht & Alter mit t-Tests zum Vergleich der gruppierten Ätiologiefaktoren hinsichtlich der Schlafmaße laut Schlafprotokoll und Anamneseschema.
Tabelle 8 Deskriptive Statistik für die Gesamtgruppe und die Ätiologiefaktoren Übergewicht & Mediennutzung mit t-Tests zum Vergleich der gruppierten Ätiologiefaktoren hinsichtlich der Schlafmaße laut Schlafprotokoll und Anamneseschema.

Multiples Vorhersagemodell für das Schlafverhalten

Im Weiteren wurden multiple Regressionen berechnet, um die Frage zu beantworten, welche der Variablen der psychischen Auffälligkeiten und allgemeinen Ätiologiefaktoren einen signifikanten Vorhersagewert für das Schlafverhalten besitzen. Alle Ergebnisse stellt Tabelle 9 dar. Als bedeutsam in der Vorhersage von Schlafverhalten im Schlafprotokoll stellte sich insbesondere das Ausmaß externaler Probleme im Selbst- wie Fremdurteil heraus (standardisiertes β = –.41 bis .81).

Tabelle 9 Vorhersage der Schlafmaße anhand ausgewählter Prädiktoren.

Diskussion

Schlafstörungen im Sinne einer chronischen Insomnie sind ein weitverbreitetes Phänomen (Überblick bei Riemann et al., 2015). Sie haben Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit. Zusammenhänge zwischen Schlafstörungen und psychischen Störungen sind vielfach nachgewiesen (Gregory & Sadeh, 2016). Dennoch wird die Bedeutung von im Kindes- und Jugendalter auftretenden Schlafstörungen (Fricke-Oerkermann, Plück et al., 2007; Schlarb et al., 2015) häufig unterschätzt, sodass eine adäquate Diagnostik als Behandlungsgrundlage oft ausbleibt und Chronifizierungstendenzen dieser Störungen nicht entgegengewirkt wird (Wyatt, Stepanski & Kirkby, 2006). Innerhalb einer KJP-Population scheint eine teilstationäre Population besonders häufig unter Schlafauffälligkeiten/-störungen zu leiden, da auch eine Korrelation zwischen Schlafauffälligkeiten/-störungen und schulvermeidendem Verhalten besteht (Hochadel et al., 2014), welches nach Empfehlung von Borchardt, Giesler, Bernstein und Crosby (1994) mindestens teilstationär behandelt werden sollte. Zudem sollte für eine Behandlung von Schlafauffälligkeiten/-störungen eher ein teilstationäres und damit naturalistisches Setting angestrebt werden. Folglich steht die teilstationäre KJP-Population im Fokus dieser Arbeit, es werden Prävalenzen in dieser Population sowie Zusammenhänge zwischen Schlafstörungen und weiteren psychischen Störungen untersucht.

Prävalenz

Bei 50 % der untersuchten Kinder und Jugendlichen fanden sich klinisch relevante Schlafauffälligkeiten. Das lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Zum einen fungiert bei der Hälfte der Kinder und Jugendlichen gestörter Schlaf als Risikofaktor und erhöht die Wahrscheinlichkeit psychischer Symptome (Seo, 2009). Zum anderen fungiert bei der anderen Hälfte der Kinder und Jugendlichen ein unbeeinträchtigter Schlaf als Schutzfaktor und kann Auswirkungen psychischer Symptome abpuffern (You & Lee, 2014). Die Bedeutung des Schlafverhaltens in der Kinder- und Jugendpsychiatrie liegt damit in beiderlei Hinsicht auf der Hand.

Die häufigsten klinischen Schlafauffälligkeiten in der vorliegenden Stichprobe waren Ein- und Durchschlafstörungen. Die Ergebnisse zu bedeutsamen Schlafauffälligkeiten aus den beiden Erhebungsinstrumenten – Schlafprotokoll und Anamneseschema – deckten sich weitgehend: So lag die mittlere Gesamtschlafzeit unter dem empfohlenen Wert nach Meltzer und Mindell (2006), die mittlere Einschlaflatenz überstieg die bei Schlarb (2016) genannte Grenze von 30 Minuten und die mittlere Schlafeffizienz war geringer als die gesunder Personen, die etwa zwischen 85 und 90 % liegen sollte (Stuck et al., 2018). Parasomnien in Form von Albträumen gaben laut dem Anamneseschema etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen an. Die Erholsamkeit des Schlafes wurde mehrheitlich als „mittelmäßig“ bewertet. Bezüglich des Tagesschlafes gaben die meisten Personen an, fast täglich tagsüber zu schlafen. Es fällt jedoch im Vergleich der Erhebungsinstrumente auf, dass Gesamtschlafzeit und Schlafeffizienz im Anamneseschema höher sowie die Einschlaflatenz niedriger angegeben wurde als im Schlafprotokoll. Dies kann auf methodische Unterschiede zwischen den Instrumenten und somit unterschiedliche Beurteilerperspektiven zurückgeführt werden (Schlafprotokoll von Kind/Jugendlichem ausgefüllt vs. Anamneseschema von Kind und Eltern im Gespräch mit der Diagnostikerin oder dem Diagnostiker). Dabei stellt sich die Frage, welches Messinstrument zuverlässigere Ergebnisse liefert: Eltern könnten im Anamneseschema die Schlafauffälligkeiten ihrer Kinder unterschätzen, auch könnte das Schlafprotokoll durch einen zeitnahen Report der Daten verlässlichere Ergebnisse liefern als das Anamneseschema, wie es auch bei Margraf, Taylor, Ehlers, Roth und Agras (1987) sowie De Beurs, Lange und Van Dyck (1992) für Angstsymptome beschrieben ist. Da in der vorliegenden Arbeit beide Schlafmessinstrumente weitgehend ähnliche Ergebnisse lieferten, kann aufgrund der genannten Verzerrungstendenzen in der Anamneseerhebung ein von Kindern/Jugendlichen im Alltag selbstständig geführtes und damit zugleich für die Therapeutin bzw. den Therapeuten zeitlich ökonomischeres Schlafprotokoll als geeigneter für ein Screening von Schlafauffälligkeiten bewertet und einem Anamneseschema vorgezogen werden.

Zudem konnten statistisch bedeutsame Zusammenhänge zwischen externalen psychischen Störungen/externale Probleme im Selbst- und Elternurteil mit Schlafauffälligkeiten nachgewiesen werden. Für internale Probleme konnte dagegen nur im Selbsturteil ein Zusammenhang zu Schlafauffälligkeiten/Schlafverhalten festgestellt werden, nicht aber im Elternurteil. Die Zusammenhänge zwischen dem Schlafverhalten nach klinischer Beurteilung und insbesondere externalen psychischen Auffälligkeiten im Selbst- und Elternurteil/externalen Störungen als allgemeine psychiatrische Diagnosen wird durch die Forschungsliteratur gestützt (Dahl & Lewin, 2002; Sadeh, Tikotzky & Kahn, 2014). Studien von Aronen, Paavonen, Fjällberg, Soininen und Törrönen (2000) sowie Gregory und O’Connor (2002) stellten zudem heraus, dass Schlafauffälligkeiten (wie eine geringe Gesamtschlafzeit) mit externalen Problemen verbunden sind und dass externale Probleme auch Schlafprobleme vorhersagen konnten. Jedoch sollte auch bedacht werden, dass Kinder sowie Eltern „sichtbare“ externale Probleme generell häufiger wahrnehmen als internale Probleme, da sich auch ein erhöhter Leidensdruck ergibt. Dies deckt sich damit, dass ein Zusammenhang zwischen internalen Problemen und dem Schlafverhalten seltener sowie nur für das Selbsturteil nachgewiesen werden konnte, jedoch nicht für das Elternurteil, was dazu passt, dass internale Störungen von den Betroffenen oft als höhere Belastung erlebt werden als vom Umfeld (Angold et al., 1987). Damit zusammenhängende Schlafauffälligkeiten werden dementsprechend vom Umfeld möglicherweise als weniger schwerwiegend oder bedeutsam eingeschätzt und damit insgesamt unterschätzt, insbesondere bei älteren Kindern und Jugendlichen, deren Eltern weniger Einblick in das Schlafverhalten sowie das emotionale Erleben und Verhalten dieser haben. Da Schlarb (2016) darauf hinweist, dass bereits Kinder ab dem Alter von 5 Jahren recht zuverlässig Auskunft über ihr Schlafverhalten geben können, erscheinen die Informationen des selbstständig ausgefüllten Schlafprotokolls und dessen Zusammenhänge mit dem Selbsturteil als sehr relevant.

Wir fassen zusammen, dass in der TK-KJP-Population – wie bereits für andere psychiatrische Populationen gezeigt – Schlafstörungen häufig auftreten und diese mit weiteren psychischen Symptomen zusammenhängen. Die deutlichsten Zusammenhänge waren im Bereich externaler Symptome zu finden, was die Wichtigkeit einer systematischen Schlafdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit externalen Störungen wie ADHS besonders unterstreicht. Frühzeitige sowie schlafspezifische Behandlungsinterventionen scheinen aussichtsreich, um sowohl bezüglich der Schlafstörung als auch bezüglich der psychiatrischen Primärdiagnose eine Wirkung zu erzielen. Darauf weist auch eine Studie von Kallestad et al. (2012) hin, die Erwachsene in psychiatrischer Behandlung untersuchte und feststellte, dass ein höheres Maß an Schlafstörungen mit höherem Leidensdruck und funktioneller Beeinträchtigungen sowie einem geringerem Behandlungsoutcome verbunden war, unabhängig von der psychiatrischen Primärdiagnose. Eine Schlafstörung kann somit eine psychiatrische Behandlung anderer Störungen negativ beeinflussen und sollte daher eine spezielle schlafspezifische Behandlung (und vorausgehende Diagnostik) beinhalten. Frühzeitige und individualisierte Interventionen scheinen für eine erfolgreiche Schlafbehandlung bei Kindern und Jugendlichen am aussichtsreichsten (Blake et al., 2017; 2018).

Ätiologiefaktoren und multiples Vorhersagemodell

Von den untersuchten Ätiologiefaktoren beeinflussten die Faktoren Geschlecht und Alter das Schlafverhalten der Kinder und Jugendlichen bedeutsam, nicht jedoch die Faktoren BMI und Mediennutzung. Im Einzelnen zeigten in Hinblick auf den Faktor Geschlecht Mädchen geringere Werte von Schlafindex und Schlafeffizienz laut Schlafprotokoll als Jungen und damit mehr Schlafauffälligkeiten. Der Faktor Alter nahm einen Einfluss auf die Schlafeffizienz laut Anamneseschema, nicht jedoch auf die Schlafmaße laut Schlafprotokoll. Es wiesen ältere Jugendliche eine geringere Schlafeffizienz auf als jüngere Kinder. Die geschlechts- und altersspezifischen Ergebnisse stehen in einer Linie mit Befunden der Forschungsliteratur (z. B. Walsemann, Ailshire, Fisk & Brown, 2017). Das häufiger beeinträchtigte Schlafverhalten von Mädchen könnte dabei mit hormonellen Veränderungen in Verbindung stehen, wie sie mit der Menarche auftreten (Takeuchi, Oishi & Harada, 2003). Zudem wurde in der Literatur oft auf einen altersspezifischen Unterschied im Schlafverhalten hingewiesen (Laberge et al., 2001; Seo et al., 2010). Dies wird in Zusammenhang mit einem zeitlich nach hinten verschobenen circadianem Rhythmus gebracht, welcher sich im Verlauf der Pubertät ausbildet.

Es widerspricht jedoch der fehlende Einfluss der Faktoren BMI und Mediennutzung den meisten Befunden: So weisen Owens (2014) sowie Tarokh et al. (2016) auf einen Zusammenhang von reduzierter Schlafdauer und einem erhöhten Risiko für Adipositas hin. Dieser Zusammenhang konnte im untersuchten Kollektiv nicht beobachtet werden. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass die Mehrheit der untersuchten Kinder und Jugendlichen einen BMI im Normalbereich aufwies und lediglich 6 von 46 Personen einen grenzwertigen BMI zum Bereich des Übergewichtes hatten. Damit könnte der statistische Zusammenhang aufgrund der geringen Anzahl an Personen mit Übergewicht in der Stichprobe nicht bedeutsam geworden sein. Auch weicht der Befund, dass eine höhere Mediennutzung vor dem Schlafen hier keinen Effekt auf das Schlafverhalten nahm, von anderen Forschungsarbeiten ab (siehe Owens, 2014; Van den Bulck, 2004). Ein möglicher Grund könnte sein, dass aufgrund weiterer Einflussvariablen auf die Mediennutzung, wie z. B. gemäß Hale und Guan (2015) die Art des genutzten Mediums, welche in der vorliegenden explorativen Arbeit nicht erhoben wurde, der Einfluss einer stärkeren Mediennutzung auf das Schlafverhalten statistisch unterschätzt wurde.

Weiter wiesen multiple Vorhersagemodelle für das Schlafverhalten auf die Faktoren Geschlecht, Alter sowie externale Probleme im Selbsturteil als bedeutsame Prädiktoren hin: Mädchen sowie Ältere zeigten geringere Werte von Schlafindex und Schlafeffizienz, welche zudem negativ mit externalen Problemen im Selbsturteil korrelierten. Dies sichert die vorab beschriebenen Ergebnisse zu Prävalenz und Ätiologiefaktoren erneut ab und weist auf die zentrale Rolle von externalen Problemen in der Varianzaufklärung von Schlafauffälligkeiten für die untersuchte Stichprobe hin. Als Grund kann eine validere (Selbst-)Wahrnehmung von externalen Problemen für Kinder und Jugendliche angeführt werden im Vergleich zu internalen Problemen (s. o.).

Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie kann allerdings nicht auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und externalen psychischen Störungen sowie dessen Richtung geschlossen werden, da es sich um korrelative Auswertungen handelt. Dennoch scheint es plausibel, dass Schlafstörungen in dieser Population insbesondere externale Störungen vorausgehen und damit als Risikofaktor gesehen werden können, der eine frühzeitige spezifische Schlafbehandlung indiziert. Ein solcher Mechanismus wurde bereits von Lovato und Gradisar (2014) sowie von McMakin und Alfano (2015) für internale Störungen angenommen (Blake et al., 2017).

Die zentrale Rolle der externalen Probleme im Zusammenhang mit Schlafstörungen scheint eine Besonderheit der TK-KJP-Population zu sein. Dahingehend sollte ein Diagnostik- und Behandlungskonzept dies berücksichtigen und Kinder mit externalen Störungen routinemäßig hinsichtlich Schlafstörungen anhand eines Schlafprotokolls und der Erhebung eines Anamneseschemas screenen sowie ggf. frühzeitig eine schlafspezifische Intervention einleiten. Eine kognitive Verhaltenstherapie stellt die Behandlung der ersten Wahl dar (Riemann et al., 2015). Aufgrund der externalen Störungen (wie z. B. ADHS) könnte es bei dieser speziellen Population jedoch zu möglichen Schwierigkeiten in der schlafspezifischen kognitiven Verhaltenstherapie kommen (z. B. durch geringe Motivation in der Mitarbeit bei Protokollen und Hausaufgaben). Dem könnte durch zusätzliche Unterstützung der Betroffenen von Bezugspfleger_in sowie Bezugstherapeut_in in motivierenden Einzelgesprächen begegnet werden.

Methodische Einschränkungen

Die vorliegende Arbeit wurde mit einer klinischen Stichprobe und den Ressourcen einer KJP-Versorgungseinrichtung durchgeführt. Damit ergeben sich für diese Arbeit alle methodischen Einschränkungen von Feldstudien. Auch wurden in die Auswertung Ausreißerwerte eingeschlossen, da diese das klinische Bild darstellen. Dadurch könnten jedoch Ergebnisse verzerrt und statistische Zusammenhänge unterschätzt worden sein.

Aufgrund des eigenen Zeitmanagements als auch der zeitlichen Ressourcen in der Institution belief sich die Stichprobengröße auf N = 46. Dies ermöglichte die Anwendung parametrischer Verfahren bei gleichzeitiger Erfassung einer repräsentativen Stichprobe teilstationär KJP-behandelter Kinder und Jugendlicher.

Zudem wurde im Auswertungsvorgehen ein klinischer Ansatz (Dichotomisierung entsprechend Cut-off-Werten oder Störungskategorien) einem statistischen Ansatz (Betrachtung eines kontinuierlichen Merkmals mit allen Ausprägungen) vorgezogen, da dies für die klinische Stichprobe praktisch relevanter erschien. Weiter wurden die Erhebungsinstrumente aus Gründen der Ökonomie und Verfügbarkeit in der Alltagsroutine der Einrichtung ausgewählt oder adaptiert. Zusätzliche Erhebungsinstrumente wie objektive Schlafmessinstrumente hätten jedoch weitere Fragen beantworten können.

Folgende Einschränkung betrifft die nichtkontrollierten Störvariablen: So litten die Kinder und Jugendlichen meist unter mehreren, zum Teil schweren psychischen Störungen, deren Einfluss nicht systematisch kontrolliert werden konnte.

Trotz der geschilderten methodischen Einschränkungen können die Ergebnisse der Arbeit Hinweise auf klinische sowie praxisrelevante Zusammenhänge geben, die in weiterführenden randomisierten kontrollierten Studien genauer untersucht werden sollten.

Praktische Implikationen und Ausblick

Die Ergebnisse der Arbeit weisen darauf hin, dass für eine TK-KJP-Population häufige klinisch bedeutsame Schlafauffälligkeiten/-störungen vorliegen, externale Auffälligkeiten mit Schlafauffälligkeiten zusammenhängen und Alter sowie Geschlecht mögliche Ätiologiefaktoren darstellen. Diese Ergebnisse können sehr nützlich für die Etablierung einer systematischen Schlafdiagnostik von Kindern und Jugendlichen als fundierte Grundlage ihrer TK-KJP-Behandlung sein. Damit könnten wirksame Interventionen für spezielle Personengruppen frühzeitiger eingeleitet und angeboten werden, was die Behandlungsqualität steigern und das Behandlungsoutcome verbessern könnte.

In Hinblick auf weiterführende Forschungsarbeiten sollten oben genannte methodische Einschränkungen dieser Arbeit in neuen Untersuchungen reduziert werden, z. B. durch den Einsatz zusätzlicher Erhebungsinstrumente (wie Aktometer), um die subjektiven Ergebnisse der verwendeten Schlafmessinstrumente zu objektivieren (Sind die Beeinträchtigungen des Schlafverhaltens auch objektiv nachweisbar oder durch die subjektive Wahrnehmung der KJP-behandelten Kinder und Jugendlichen geprägt?).

Die Investition in weitere Untersuchungen zum Thema Schlafauffälligkeiten in KJP-Populationen scheint aussichtsreich und ist v. a. für die Betroffenen sehr bedeutsam, um langfristig deren Lebensqualität und Wohlbefinden zu verbessern.

Bemerkung

Die vorliegende Originalarbeit entstammt der Dissertation von Dr. rer. biol. hum. Saskia Hader am Universitätsklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Literatur