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Open AccessOriginalarbeit

Nichtraucherschutz und Tabakentwöhnung

Ein Thema für Mitarbeitende in Einrichtungen der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie?

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000870

Abstract

Zusammenfassung.Fragestellung: Mitarbeitende in kinder- und jugendpsychiatrischen (KJP) Einrichtungen stehen im Spannungsverhältnis zwischen der Durchsetzung von Rauchverboten für Patient_innen und dem eigenen Rauchverhalten. Bisher fehlen Daten, ob und wo Mitarbeitende rauchen und welche Entwöhnungsangebote KJP-Einrichtungen ihnen anbieten. Methodik: In einer Onlinestudie beantworteten n = 78 leitende Mitarbeitende deutscher KJP-Einrichtungen (41.9 % aller Angeschriebenen) Fragen zu stationsübergreifenden sowie stationsspezifischen Nichtraucherschutzmaßnahmen sowie zu Tabakentwöhnungsmaßnahmen. Ergebnisse: Umfassende Rauchverbote werden selten umgesetzt (< 20 % der Einrichtungen). Mitarbeitende dürfen vorrangig im Außengelände rauchen (z. B. in Raucherzonen: 69 bis 78 % je nach Stationstyp). Entwöhnungsangebote für Mitarbeitende bietet nur jede zweite KJP an (47 %). Schlussfolgerungen: Die Daten weisen auf zukünftige Handlungsfelder der Tabakkontrolle in der KJP-Pflege hin: transparente Regeln, Weiterbildungen und Ausbau betrieblicher Entwöhnungsangebote.

Non-smoker protection and tobacco cessation

Abstract.Objective: Whereas, on the one hand, employees in child and adolescent psychiatric institutions (CAP) have to enforce smoking bans among patients, on the other hand, they have a high likelihood of being smokers themselves. Little data are available on the enforcement of smoking regulations and what cessation support is offered by CAP institutions. Method: In an online survey, n = 78 senior staff members or directors of German CAP institutions (41.9 % of all addressed CAP institutions) responded to questions on smoking regulations, exceptions, and cessation support for employees. Results: The enforcement of comprehensive smoking bans is rarely reported (<20 % of CAP institutions). Employees are exempted or allowed to smoke mostly outside of the building (e. g., in designated smoking areas: 69-78 % depending on ward type). Cessation support was offered by less than half of the CAP institutions (47%). Conclusions: The data presented point toward future areas for tobacco control in CAP care, including transparent regulations, staff training, and dissemination of support for occupational smoking cessation.

Einleitung

Tabakkontrolle umfasst Bereiche der Prävention und Intervention. Kerngedanke ist dabei die Vermeidung bzw. Reduktion von gesundheitsschädlichem Verhalten durch Tabakkonsum, um potenzielle Raucher_innen und deren Angehörige bzw. Umstehende zu schützen (Schaller & Mons, 2018). Tabakrauchen ist erwiesenermaßen mit zahlreichen gesundheitlichen Risiken verbunden (Jha, 2020) und weltweit eines der größten einzelnen vermeidbaren Gesundheitsrisiken in fast allen Altersgruppen (Shield & Rehm, 2015). Dazu zählen Gesundheitsschäden (z. B. Entwicklung einer Nikotinabhängigkeit), das erhöhte Risiko für andere Erkrankungen (z. B. Durchblutungsstörungen, Karzinome, Atemwegsinfektionen auch bei Passivrauchen) und Unfälle durch Konsum in Risikosituationen (z. B. im Straßenverkehr) oder Brandgefahr (z. B. durch Waldbrand, Wohnungsbrand; Deutsches Krebsforschungszentrum, 2020; Jha, 2020). Insgesamt verursacht Rauchen ein Absinken der persönlichen Lebenserwartung um ca. 11 Jahre (Jha, 2020) sowie gesellschaftliche Folgekosten von jährlich ca. 97 Milliarden Euro allein in Deutschland (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2020).

Insbesondere in betreuenden Gesundheitsberufen ist die Rauchendenquote deutlich höher als in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung und stieg zwischen 1999 und 2013 von 39.3 % auf 44.2 %, während sie in akademischen Gesundheitsberufen auf 17.7 % und bei Ärzt_innen auf 11.1 % sank (Kuntz et al., 2018). Da eben diese Berufsgruppe eine wichtige Vorbildfunktion einnimmt (Heger, 2006), hat dieses Verhalten womöglich Auswirkung auf deren Patient_innen, die es grundsätzlich und insbesondere aufgrund ihrer Minderjährigkeit zu schützen gilt. Daher ist das Thema Tabakkontrolle relevant für Mitarbeitende in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP). Während in der Allgemeinbevölkerung die Rate an jugendlichen Rauchenden rückläufig ist (ca. 6 %; Orth & Merkel, 2020), finden sich deutlich erhöhte Anteile rauchender Jugendlicher bei Vorhandensein einer psychischen Störung (38 %; Lawrence, Johnson, Mitrou, Lawn & Sawyer, 2022), bei Behandlung in einer KJP (ca. 63 %; Ribeiro, Jennen-Steinmetz, Schmidt & Becker, 2008) und besonders bei KJP-Behandlung in einer suchtspezifischen Ambulanz (88 %; Wiedmann et al., 2022). Zudem sind Konsum und Erwerb von Tabakwaren für Minderjährige (d. h. KJP-Patient_innen) auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes verboten. Dies stellt KJP-Mitarbeitende vor die Herausforderung, entsprechende Regeln bezüglich des Rauchens bzw. Rauchverbote zu erlassen und durchzusetzen (Heger, 2006). Mitarbeitende müssen diese Verbote durchsetzen, auch wenn sie selbst rauchen. Dabei stellt die eigene Identität als Rauchende_r ein Hindernis in der Tabakentwöhnung dar: Rauchende Mitarbeitende im Gesundheitswesen vertreten eher das „Recht auf Rauchen“, wenn sie bereits erfolglos versucht haben, selbst aufzuhören (Ratier-Cruz, Smith, Firn & Rinaldi, 2020) und sie stehen Tabakkontrollmaßnahmen umso ablehnender gegenüber, je stärker sie sich als Teil einer homogenen „Raucherpopulation“ empfinden (Blondé & Falomir-Pichastor, 2019). Demzufolge sehen sie mehr Schwierigkeiten in der Ansprache rauchender Patient_innen (Manolios et al., 2021). Gleichzeitig finden sich in bestimmten Berufsbildern der psychiatrischen Pflege (z. B. bei Krankenpfleger_innen oder Pflegehelfer_innen) überdurchschnittliche Rauchendenquoten (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2015; Kuntz et al., 2018). Daraus ergibt sich neben einem Rollenkonflikt als Vorbild für die erstrebenswerte Abstinenz (Heger, 2006) auch die Frage, welche Regeln und Verbote für rauchende Mitarbeitende in den KJP-Einrichtungen gelten bzw. praktisch umgesetzt werden.

Welche entsprechenden Regeln und Maßnahmen zu untersuchen wären, lässt sich aus der seit 2005 rechtlich verbindlichen „Rahmenvereinbarung zur Eindämmung des Tabakgebrauchs“ (WHO-Framework Convention on Tobacco Control [FCTC]; Schaller & Mons, 2018) ableiten. Dazu zählen: Einhaltung der Nichtraucherschutzgesetze (Art. 8 des FCTC), Aufklärung der Rauchenden (Art. 12) sowie Angebote zur Tabakentwöhnung (Art. 14). Auch wenn das FCTC primär politische Entscheidungsprozesse adressiert, bestehen für Arbeitgeber wie z. B. psychiatrische Versorgungseinrichtungen zahlreiche Möglichkeiten, Mitarbeitende hinsichtlich Nichtraucherschutz und Tabakentwöhnung zu unterstützen. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen, Regelungen und Angebote für Mitarbeitende im deutschen KJP-Bereich wurde bisher nicht untersucht. Dabei sind insbesondere Maßnahmen wie Rauchverbote an Arbeitsplätzen in geschlossenen Gebäuden nicht nur Teil des Konzepts rauchfreier Krankenhäuser (Cattapan-Ludewig, Batra & Wernz, 2008) und gesetzlich verankert (Bundesebene: Bundesnichtraucherschutzgesetz sowie § 5 Arbeitstättenverordnung [ArbStättV], ergänzt um Nichtraucherschutzgesetze auf Landesebene), sondern auch hilfreich bei der Vermeidung von Passivrauchen (Rashiden, Ahmad Tajuddin, Yee, Zhen & bin Amir Nordin, 2020). Ebenso Teil des Konzepts rauchfreier Krankenhäuser sind Angebote zur Tabakentwöhnung, Aufklärung und strukturelle Maßnahmen (Ratier-Cruz et al., 2020).

Studienziele

Zur Beschreibung der Ausprägung von Tabakkontrollmaßnahmen für KJP-Mitarbeitende soll deskriptiv beschrieben und mit Befunden bei Mitarbeitenden in der Erwachsenenpsychiatrie (Linhardt, Haider, Rampeltshammer, Kröger & Rüther, 2018) verglichen werden: I) Wie häufig sind absolute Rauchverbote je nach Stationstyp (keine Vergleichsdaten für Erwachsenenpsychiatrie berichtet); II) Welche legitimierten Konsumorte sind am häufigsten (in Erwachsenenpsychiatrie: Raucherzonen im Außenbereich des Klinikgeländes 49 %, Raucherzimmer 23 %, eigenes Büro 1 %); III) Wie häufig und welche Angebote zur Tabakentwöhnung werden berichtet (im Erwachsenenbereich: 32 %, je nach Angebot 13.6 bis 20.3 % außer Akupunktur mit 1.7 %). Ob Zusammenhänge zwischen Zielvariablen und Einrichtungsmerkmalen bestehen, soll aufgrund fehlender Vorbefunde explorativ getestet werden (Studienziel IV).

Methodik

Studiendesign

Das Studiendesign repliziert eine Studie im Erwachsenenbereich (Linhardt et al., 2018). Damit sind die Ergebnisse beider Studien besser vergleichbar, zumal die jeweiligen Erhebungszeiträume nur wenige Jahre auseinanderliegen. Die zur Kontaktaufnahme verwendeten E-Mail-Kontaktadressen waren öffentlich einsehbar über https://www.kinderpsychiater.org/praxen-kliniken-ambulanzen/ sowie http://www.dgkjp.de/kliniken. Unter Auslassung niedergelassener Arztpraxen und doppelter Einträge wurde je Klinik (bei Möglichkeit je Station) ggf. nach telefonischer Rücksprache jeweils ein_e Ansprechpartner_in bzw. der oder die Direktor_in identifiziert. Nach Ankündigung beim bundesweiten Treffen der KJP-Klinikdirektor_innen im Januar 2020 und einer Wartezeit während des ersten COVID-19-bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 fand die Onlinebefragung zwischen Juni und August 2020 statt (letzte verzeichnete Antwort im Juli 2020). Alle identifizierten 186 Direktor_innen bzw. Ansprechpartner_innen deutscher KJP-Einrichtungen wurden per E-Mail und personalisierten Links zur Teilnahme eingeladen bzw. nach 3 Wochen per E-Mail erinnert. Die Datenerhebung erfolgte über die LimeSurvey-Plattform entsprechend den geltenden Datenschutzbestimmungen ohne Ethikvotum, da die erhobenen Daten sich (mit Ausnahme der Frage nach Berufsstand der ausfüllenden Person, deren Beantwortung optional war) nur auf juristische Personen (Einrichtung bzw. Station) bezogen und nur für Forschungszwecke freiwillig und anonym erhoben wurden(vgl. Datenschutz-Grundverordnung [DSGVO] § 26 5,6). Außerdem wurden bei der Datenaufzeichnung im Onlineportal keine Drittdaten (Cookies, IP-Adressen o. Ä.) festgehalten, die eine nachträgliche Verknüpfung des Datensets mit einer der teilnehmenden Einrichtungen hätte ermöglichen können. Für die Studienleitung war lediglich ersichtlich, ob ein versendeter Befragungslink genutzt wurde oder nicht. Im Rahmen dieser Anonymisierungsmaßnahmen war es nicht vorgesehen, relevante Einrichtungsdetails wie Behandlungsangebote (z. B. akutpsychiatrisch oder Rehabilitation), Größe der Einrichtung, Bundesland oder Ähnliches zu erfragen. Die Teilnahme war nicht mit finanziellen oder sonstigen Vor- oder Nachteilen für die teilnehmenden Einrichtungen oder Mitarbeitenden verbunden.

Stichprobe

Von den n = 186 angeschriebenen Personen waren n = 27 (14 %) nicht erreichbar/verstorben/abwesend, während n = 21 (11 %) ausgeschlossen wurden, da die Dateneingabe jeweils während des ersten Befragungsabschnitts zu stationsübergreifenden Regelungen abgebrochen wurde. Somit verblieben in dieser Gelegenheitsstichprobe n = 78 auswertbare Datensätze (41.9 % aller Angeschriebenen) für klinikübergreifende Fragen sowie n = 75 für stationsspezifische Fragen. Die n = 75 Einrichtungen verfügen fast ausnahmslos über offene Stationen (97 %), meist auch über tagesklinische Stationen oder Ambulanzen (84 % bzw. 85 %), und etwas seltener über geschlossene Stationen (77 %). Bezogen auf die Selbstauskunft von n = 67 Klinikvertreter_innen ordneten sich 54 % als leitende Ärzt_innen ein, 28 % als Direktor_innen/leitende Verwaltungskräfte, 5 % als leitende Psycholog_innen/Pflegedienstleiter_innen und 11 % Mitarbeiter_innen ohne leitende Funktion.

Instrumente

Von den 51 analog zu Linhardt et al. (2018) gestellten Fragen wurden hier die neun Fragen ausgewertet, die sich auf Mitarbeitende bezogen (siehe Übersicht der Themen und Fragen in Tabelle 1). Die stationsspezifischen Fragen wurden für jeden der vier Stationstypen (offen, geschlossen, Tagesklinik, Ambulanz) gestellt, insofern dieser Stationstyp vorhanden war. Hinzu kommt die Kommentarmöglichkeit für jeden Fragenabschnitt.

Tabelle 1 Übersicht zu den ausgewerteten Themenbereichen mit Bezug zu Mitarbeitenden, basierend auf den 51 von Linhardt et al. (2018) gestellten Fragen.

Statistische Analysen

Vor der Auswertung wurden Freitextangaben nach Möglichkeit in auswertbare Angaben übersetzt bzw. ausgeschlossen. Analyseergebnisse werden deskriptiv dargestellt entsprechend des Bezugsrahmens der Fragen, d. h. als stationsübergreifend oder stationsspezifisch. Mögliche Zusammenhänge zwischen Zielvariablen und Einrichtungsmerkmalen (Teil einer Universitätsklinik = ja/nein, Arbeitskreis zur „Förderung des Nichtrauchens in der KJP-Klinik“ berichtet = ja/nein) werden exploriert über punktbiseriale Korrelationen nach Pearson (für Zusammenhänge mit Rauchverbot je Station = ja/nein) bzw. χ2-Tests (für Zusammenhänge mit Anzahl der Entwöhnungsangebote = 1, 2, 3, 4, 5) bei zweiseitigem p-Wert und α = .05. Korrelationen werden entsprechend gängiger Einteilungen für r als Effektstärkemaß als irrelevant (r < .01), klein (r ≥ .1), mittel (r ≥ .3), oder groß (r ≥ .5) klassifiziert. Diese Berechnungen wurden mit IBM SPSS Statistics for Windows, Version 28.0 (Armonk, NY) durchgeführt.

Ergebnisse

Rauchverbote

Bezogen auf die Gesamteinrichtung (n = 78) wurde angegeben, dass in 10 % der Einrichtungen (n = 8) das Rauchen an allen Orten und Plätzen nicht erlaubt ist. Bezogen auf einzelne Stationstypen (n = 58–73) wurde berichtet, dass in 11 bis 19 % der Stationen Rauchverbote für Mitarbeitende sowohl im Gebäude als auch auf dem Gelände bestehen (geschlossene Stationen 19 % bzw. n = 11/58, Tageskliniken 16 % bzw. n = 10/62, Ambulanzen 17 % bzw. n = 11/64, offene Stationen 11 % bzw. n = 8/73; siehe Abbildung 1a). In den restlichen 81 bis 89 % der Stationen war es den Mitarbeitenden möglich, an bestimmten Konsumorten zu rauchen. Rauchverbote hingen nicht davon ab, ob die übergeordnete Einrichtung einer Universitätsklinik angehört (χ2[df = 1] ≤ 0.53, p ≥ .466, n = 49–57) oder ob die übergeordnete Einrichtung einen Arbeitskreis zur „Förderung des Nichtrauchens in der KJP-Klinik“ berichtete (χ2[df = 1] ≤ 0.45, p ≥. 500, n = 52–66).

Abbildung 1 Anteil der Einrichtungen, die (a) stationsspezifisch das Rauchen für Mitarbeitende an bestimmten Orten erlauben/verbieten bzw. die (b) stationsübergreifend bestimmte Hilfsmaßnahmen zur Tabakentwöhnung für Mitarbeitende anbieten. Mehrfachnennungen möglich, n = Anzahl der Einrichtungen, bei (a) wurden die Antwortmöglichkeiten Raucherzimmer/Aufenthaltsraum der Patient_innen/Toiletten/Cafeteria von keiner Person bejaht, bei (b) beinhaltet „Sonstiges“ z. B. Akupunktur.

Mögliche Konsumorte je Stationstyp

Abbildung 1a bildet für verschiedene Stationstypen ab, an welchen Orten Rauchen jeweils möglich war. Mitarbeitende konnten vorrangig im Außengelände rauchen, am häufigsten wurden hierzu Raucherzonen (69–78 % je nach Stationstyp) und Raucherpavillons (23–33 %) angegeben. Gebäudenahe Bereiche wie Balkone (2–7 %) und die Eingangsbereiche von Einrichtungen (2–7 %) wurden am seltensten als Konsumort berichtet, was insbesondere auf offene und geschlossene Stationen im Vergleich zu Tageskliniken zutraf. Eine Besonderheit stellte das Rauchen im eigenen Büro/Aufenthaltsraum für Personal auf jeweils einer offenen und einer geschlossenen Station dar (1 % bzw. 2 %). Das Rauchen in Raucherzimmern, Patientenaufenthaltsräumen, Toiletten oder Cafeterias wurde für keine Station angegeben. Darüber hinaus verließen Mitarbeitende laut Berichten das Gelände zum Rauchen („Gehweg vor der Klinik“, „außerhalb des Klinikgeländes in offiziellen Pausen“, „sollten im Raucherpavillon rauchen […] Letztlich rauchen sie dann aber oft vor Eingangstüren und ‚in Ecken‘“).

Angebote zur Entwöhnung (einrichtungsübergreifend)

Mitarbeitenden wurde stationsübergreifend (n = 64 Einrichtungen mit Angaben zu Entwöhnungsangeboten) in 53 % der Einrichtungen (n = 34) keine unterstützende Maßnahme zur Tabakentwöhnung angeboten im Vergleich zu 47 % (n = 30) mit Angeboten, wie Abbildung 1b zeigt. Im Durchschnitt wurden Angebote aus ein bis fünf Maßnahmenbereichen (M = 2.0, SD = 1.1) berichtet. Die Anzahl an Entwöhnungsangeboten war geringfügig aber nicht signifikant kleiner, wenn die Einrichtung einer Universitätsklinik angehörte (r = .27, p = .154, n = 28) mit M = 1.5, SD = 0.8 vs. M = 2.2, SD = 1.2. Einrichtungen mit Arbeitskreis zur „Förderung des Nichtrauchens in der KJP-Klinik“ berichteten tendenziell mehr Entwöhnungsangebote (r = .35, p = .061, n = 28) als Einrichtungen ohne Arbeitskreise (M = 2.8, SD = 1.4 vs. M = 1.7, SD = 0.9).

Es wurden am häufigsten Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt (n = 23, 36 % bezogen auf n = 64) und Informationsveranstaltungen durchgeführt (n = 16, 25 %), gefolgt von ressourcenintensiveren Angeboten wie Gruppenprogrammen (n = 10, 16 %) und Einzelberatungen (n = 9, 14 %), die eine aktive Beteiligung der Mitarbeitenden voraussetzen. Medikamente oder Nikotinersatzprodukte wurden nicht angeboten bzw. nicht berichtet. Eine Einrichtung gab an, ein selbst entwickeltes Raucherentwöhnungsprogramm anzubieten. Zwei weitere Kliniken berichteten ergänzend „betriebliches Gesundheitsmanagement“ und „Raucherentwöhnungsangebote des Klinikums“. Selbsthilfeprogramme/Bücher/Broschüren (n = 4, 6 %) sowie Akupunktur (n = 1, 2 %) waren die am seltensten berichteten Angebote.

Diskussion

Die vorliegende Analyse liefert erstmals Daten einer bundesweit angeschriebenen Gelegenheitsstichprobe, die zeigen, dass für Mitarbeitende offenbar nur selten generelle Rauchverbote gelten, wobei die Angaben zu möglichen Konsumorten ja nach Stationstyp variieren könnten (11 bis 19 % in dieser Befragung; Studienziel I). Laut Aussage der meist leitenden Mitarbeitenden war es Angestellten fast nie möglich, im Gebäude zu rauchen bzw. werden in keiner Einrichtung Raucherzimmer vorgehalten (Studienziel II). Damit lässt sich eine andere Verteilung von legitimierten Konsumorten vermuten als in der Erwachsenenpsychiatrie-Studie (Linhardt et al., 2018). Gleichzeitig ergaben sich aus den ergänzenden wörtlichen Angaben Hinweise, dass nicht nur die legitimierten Konsumorte genutzt werden. Angebote zur Tabakentwöhnung werden zwar deskriptiv häufiger in KJP-Einrichtungen als in Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie berichtet (47 % vs. 32 % in [Linhardt et al., 2018]; Studienziel III), gleichzeitig bietet jede zweite KJP-Einrichtung keinerlei Maßnahmen an, um Mitarbeitende auf dem Weg zur Rauchfreiheit zu unterstützen. Wenngleich kein statistischer Vergleich zu den Häufigkeiten im erwachsenenpsychiatrischen Bereich möglich war, lässt sich dennoch ableiten, dass es in Bezug auf die Umsetzung von Tabakkontrollmaßnahmen für Mitarbeitende nicht zu vernachlässigende Unterschiede zwischen KJP und Erwachsenenpsychiatrie gibt. Möglicherweise spielen hier verschiedene Faktoren eine Rolle, z. B. das gesetzliche Rauchverbot für Jugendliche, das Mitarbeitenden vor Augen hält, dass Rauchen schädlich sein kann und sie Kindern bzw. Jugendlichen nicht als „schlechtes Vorbild“ oder Verlockung dienen möchten (Heger, 2006). Denkbar wäre auch, dass das überzufällig starke Rauchverhalten von Psychiatriepatient_innen im Allgemeinen die Fehlwahrnehmung auch aufseiten von leitenden Mitarbeitenden fördert, Rauchen sei verbreitet und akzeptabel.

Die deskriptiven Unterschiede zwischen einrichtungsübergreifenden Regeln zum Rauchverbot (in 10 % der Einrichtungen wird Rauchen an irgendeinem Platz gestattet) und stationsspezifischen Regeln zum Rauchverbot (auf 11 bis 19 % der Stationen ist Rauchen an irgendeinem Ort möglich) lassen verschiedene Vermutungen zu. So könnte es sein, dass KJP-Einrichtungen Teil eines größeren Klinikverbundes sind, dessen Hausordnung vor allem Erwachsene im Blick hat und daher Rauchverbote außerhalb der Gebäude nur punktuell oder gar nicht vorsieht. Zumindest in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer Universitätsklinik wurden hier keine solcherart vermuteten Zusammenhänge gefunden, ebenso wenig wie zum Vorhandensein eines Arbeitskreises (Studienziel IV). Hier wäre es bei zukünftigen Untersuchungen wünschenswert, die Nähe etwa zu Erwachsenenpsychiatrien oder den Verbundstatus mit anderen Kliniken zu erfassen, da beides in der vorliegenden Arbeit nicht erfragt wurde.

Es ist nicht auszuschließen, dass Mitarbeitende von Patient_innen und deren Angehörigen beim Konsum beobachtet oder gerochen werden können und dadurch ihre gesundheitsförderliche Vorbildrolle verletzen (Heger, 2006). Möglicherweise lassen die örtlichen Gegebenheiten keine Raucherzonen oder Pavillons zu, etwa wenn es kein gesondertes Klinikgelände gibt. Mitarbeitende rauchen dann laut Einzelberichten außerhalb des Geländes. Offen bleibt dabei die Frage, ob damit der Nichtraucherschutz ausreichend gewahrt bleibt, wenn karzinogener und rauchrückfall-auslösender Zigarettenrauch (Rashiden et al., 2020) durch Fenster wieder ins Gebäude gelangt.

Eine Ausweitung allgemeiner Rauchverbote auf alle Gebäude(teile) und Gelände(teile) wird in Expertenkreisen meist befürwortet (Cattapan-Ludewig et al., 2008) und wird von Mitarbeitenden wie auch Patient_innen zahlreicher Einrichtungen toleriert (Robson et al., 2017). Gleichzeitig kann angenommen werden, dass Rauchverbote in Kombination mit Entwöhnungsangeboten die Raucherprävalenz bei Mitarbeitenden nachhaltig reduzieren können (Cattapan-Ludewig et al., 2008; Jha, 2020; Ratschen, 2019). Erfahrungen aus der Erwachsenenpsychiatrie z. B. im Vereinigten Königreich (Ratschen, 2019), in Schweden und Spanien (Freiburghaus, Raffing, Ballbè, Gual & Tönnesen, 2021) zeigen, dass das Konzept der „rauchfreien Psychiatrie“ durchaus realisierbar ist und sich einige Mitarbeitende proaktiv und nachhaltig dafür einsetzen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es sich dabei um einen Organisationswandel bzw. Kulturwandel handelt, der ohne Vorbereitung und Partizipation aller Betroffenen schwerlich gelingen kann (Ratier-Cruz et al., 2020). Insbesondere rauchende Mitarbeitende dürfen hier nicht in die Rolle der passiven Umsetzenden gedrängt werden, sonst droht eine Zunahme der Umsetzungshindernisse (Freiburghaus et al., 2021; Manolios et al., 2021; Ratier-Cruz et al., 2020). Stattdessen kann offen und aktiv die eigene Rolle in der Tabakprävention und -intervention reflektiert werden (Manolios et al., 2021) und in das Stationskonzept einfließen (Ratschen, 2019). Dabei ist es wichtig, die Identität als Teil einer als homogen wahrgenommenen „Raucher“-Gruppenzugehörigkeit ernst zu nehmen und als Kontrast dazu individuelle Motive herauszuarbeiten (Blondé & Falomir-Pichastor, 2019).

Ähnlich wie im Erwachsenenbereich (Linhardt et al., 2018) werden auch im KJP-Bereich Mitarbeitenden seltener Unterstützungsmaßnahmen angeboten als Patient_innen (KJP: 47 % vs. 78 %, vgl. Kuitunen-Paul et al., eingereicht). Dies verwundert nicht, da Gesundheitseinrichtungen für Mitarbeitende als Arbeitgeber ohne primären Versorgungsauftrag auftreten, während sie Patient_innen hinsichtlich der behandlungsrelevanten Störungen versorgen sollen. Als Bindeglied zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden spielt hier das betriebliche Gesundheitsmanagement eine große Rolle und kann durch betriebliche Suchtprävention sowie Vermittlung lokaler Hilfsangebote tätig werden. Obwohl keine Unterschiede zwischen den Arten der angebotenen Maßnahmen zu erwarten waren, bestehen die Angebote für KJP-Mitarbeitende seltener aus den laut S3-Leitlinie (Batra, A., et al., 2021) empfohlenen Gruppenprogrammen und Selbsthilfeprogrammen/Broschüren/Büchern. Für Erwachsene zugelassene medikamentöse Unterstützung, z. B. durch leitliniengestützte Nikotinersatzpräparate, wird für KJP-Mitarbeitende gar nicht angeboten. Nur für einen kleinen Teil der Einrichtungen (14 %) werden Arbeitskreise zur Förderung des Nichtrauchens angegeben, die wiederum die Akzeptanz solcher betrieblicher Entwöhnungsangebote steigern könnten ergänzend zur Einbindung von Wissensinhalten in Ausbildungsprogramme (Bühler et al., 2017). Gleichzeitig ließ sich sogar nachweisen, dass die Anzahl angebotener Maßnahmen größer ist bei Vorhandensein eines solchen Arbeitskreises, nicht aber bei Zugehörigkeit zu einer Universitätsklinik (Studienziel IV).

Limitationen

Die Rücklaufquote von 41.9 % legt nahe, dass die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf einzelne Einrichtungen in Deutschland übertragbar sind. Bei offenen Befragungen leitender Mitarbeitenden ist Antwortverzerrung hin zu sozialer Erwünschtheit nicht auszuschließen. Tatsächlich haben nur wenige nichtleitende Mitarbeitende für ihre Einrichtung geantwortet, weshalb eine erneute Befragung oder teilnehmende Beobachtungsstudie mit diesen Mitarbeitenden sinnvoll erscheint. Es kann davon ausgegangen werden, dass Vertreter_innen von Einrichtungen ohne entsprechende Regelungen (d. h. Rauchverbote) nicht oder nicht vollständig an der Befragung teilgenommen haben. Somit stellen die Ergebnisse mutmaßlich eine Überschätzung des Anteils an Einrichtungen dar, die diese Regelungen haben oder umsetzen. Aus Kapazitätsgründen (Befragung vorrangig zur Situation rauchender Patient_innen) vernachlässigte Aspekte wie die tatsächliche Rauchendenquote unter Mitarbeitenden und betriebsspezifische Präventionsangebote sollten zukünftig miterhoben werden. Leider wurden trotz Kommentarmöglichkeit keine Angaben gemacht zu etwaig abweichenden Regeln bezogen auf rauchfreie nikotinhaltige Produkte wie Verdampfer. Da aus Anonymitätsgründen keine weiteren Angaben zur Einrichtung erhoben wurden, bleibt unklar, ob verschiedene Spezifika der Einrichtungen (Akut vs. Reha, eine Station vs. mehrere unterschiedliche Stationen, teils spezielle Patientengruppen) mit den Regeln und Angeboten in Verbindung stehen. Aussagen zu Verboten sind nicht gleichbedeutend mit deren Einhaltung. Ein möglicher Einfluss durch die COVID-19-Pandemie auf Pflegealltag und Rauchverhalten während der Erhebung wurde nicht erfragt. Zuletzt muss bedacht werden, dass es sich um eine Gelegenheitsstichprobe handelt, weshalb die Angaben bei erneuter Befragung abweichen können.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Aus den vorgefundenen Ergebnissen, insbesondere aus den zahlreichen Möglichkeiten zum Rauchen möglicherweise in Sichtweite und der geringen Verbreitung multimodaler Entwöhnungsangebote, lassen sich drei konkrete, miteinander zusammenhängende Maßnahmen ableiten, um die Tabakkontrolle zu fördern und um Mitarbeitende bei ihren Bemühungen um rauchfreie Gesundheitseinrichtungen zu unterstützen:

Bereich Rauchverbote umsetzen: Durch eine transparente Vermittlung „rauchfreier“ Hausregeln und ein konsequentes Vorleben dieser Regeln für Patient_innen, Besucher_innen und Kolleg_innen kann ein Normenwandel hin zur „rauchfreien Psychiatrie“ insbesondere durch Führungskräfte aktiv unterstützt werden (Freiburghaus et al., 2021; Heger, 2006; Ratschen, 2019).

Bereich eigenes Rauchverhalten: Die zu einer Einstellungsänderung hinführenden allgemeinen und rauchspezifischen Gesundheitskompetenzen müssen vermittelt werden, da weiterhin Vorbehalte bestehen (Robson et al., 2017), die sich womöglich in den mancherorts mangelnden Entwöhnungsangeboten widerspiegeln. So könnte es sein, dass Kliniken keine Angebote mehr machen, da diese in der Vergangenheit zu selten besucht wurden. Ein beispielhaftes Vorgehen zur Prävention wäre die Integration eines Weiterbildungsmoduls zur Tabakentwöhnung in die Ausbildung von Pflegenden (Bühler et al., 2017). Damit wird es Mitarbeitenden ermöglicht, eigenes Verhalten zu reflektieren und dem Rauchverhalten der Patient_innen begegnen zu können (Heger, 2006).

Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement: Offensichtlich fehlen in einigen Kliniken evidenzbasierte Angebote zur Tabakentwöhnung, trotz der vergleichsweise hohen Verbreitung des Rauchverhaltens besonders bei weiblichen Mitarbeitenden in helfenden Gesundheitsberufen (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2015). Diese sollten aus unserer Sicht klinikseitig ausgebaut werden (Batra, A., et al., 2021; Jha, 2020), auch um niedrigschwellig darauf verweisen zu können. Vorbehalten gegenüber den Angeboten (Ratier-Cruz et al., 2020) kann durch Aufklärung und Normenwandel sowie durch Schaffung einer gemeinsame Identität als „rauchfreie KJP“ begegnet werden (Heger, 2006; Ratschen, 2019). Die Einrichtung eines interdisziplinären Arbeitskreises wäre eine Umsetzungsmöglichkeit, zumal in den betreffenden Kliniken auch häufiger Entwöhnungsangebote präsent waren.

Diese Maßnahmen bilden sowohl zentrale Forderungen der, vom Deutschen Krebsforschungszentrum mitgetragenen, „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ (Hanewinkel, Morgenstern, Isensee & Wiebel, 2020) ab als auch evidenzbasierte Empfehlungen der aktuell gültigen S3-Leitlinie (Batra, A., et al., 2021), hinter denen zahlreiche Interessenvertreter_innen und Fachverbände stehen.

Literatur