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Free AccessEditorial

Warum eine neue Zeitschrift?

Published Online:https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000001

Wir freuen uns, Sie als Leser der neuen Fachzeitschrift «Lernen und Lernstörungen» begrüßen zu dürfen. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen kurzen Einblick in die Gründungsgeschichte der Zeitschrift geben und Sie über die Struktur und Ziele der neuen Zeitschrift informieren.

Die Idee eine deutschsprachige Zeitschrift mit dem inhaltlichen Schwerpunkt «Lernen und Lernstörungen» zu gründen, erwuchs aus dem bestehenden und oft beklagten Dilemma eines ungenügenden Transfers zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung. Wissenschaftler müssen, wenn sie auf die an Universitäten sehr verbreitete leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) angewiesen sind, in englischsprachigen Fachzeitschriften publizieren, da diese im Vergleich zu deutschsprachigen im Allgemeinen höher bewertet werden. Ein wesentlicher Vorteil des Publizierens in englischer Sprache ist, dass die internationale Forschungsgemeinschaft hier eine gemeinsame Sprache hat, wodurch der Kommunikationsfluss unter Wissenschaftlern vereinfacht und relevante Ergebnisse besser verbreitet werden können.

Für die Anwendung und Umsetzung von Forschungsergebnissen in die nationale Praxis hat die Fokussierung auf die Fachsprache Englisch jedoch einen gravierenden Nachteil: praxisrelevante Erkenntnisse werden kaum von denen gelesen, für die sie letztendlich gedacht sind, da in der Praxis Tätige zum einen oft nur einen beschränkten Zugang zu englischsprachigen Zeitschriften haben, und weil zum anderen die wissenschaftliche Form der Ergebnisdarstellung nicht selten schwer lesbar und verstehbar ist. Insbesondere diesen beiden Nachteilen wollen die Herausgeber mit der Gründung dieser Zeitschrift entgegen wirken und so zu einem besseren wechselseitigen Wissenstransfer zwischen Forschung und Anwendung beitragen.

Der Fokus der neuen Fachzeitschrift richtet sich, wie der Titel bereits impliziert, auf typische und abweichende Lernprozesse und bezieht über die Kindheit und Jugend hinaus auch das mittlere und hohe Lebensalter ein. Dabei werden neben den unmittelbar bildungsrelevanten kognitiven Funktionen und ihren Störungen (z. B. Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung, Aufmerksamkeitsstörung) ausdrücklich auch die emotionalen und sozialen Entwicklungsfunktionen und hier insbesondere die Entwicklung von Fähigkeiten der Gefühls- und Verhaltensregulation ins Blickfeld genommen. Darüber hinaus will die Zeitschrift sich auch solchen Problemen der Lernentwicklung widmen, die sich als Folge organischer Grunderkrankungen manifestieren (z. B. neurologische Erkrankungen, Schädel-Hirntraumen, Stoffwechselstörungen). Einen weiteren Schwerpunkt der Zeitschrift bildet die Evaluation von Interventionsmethoden zur Förderung, Therapie und Rehabilitation von Lernprozessen und assoziierten kognitiven und sozio-emotionalen Funktionen.

Die Anwender, die die Zeitschrift erreichen will, sind Menschen, die sich in ihrem Berufsalltag mit den Themen des Lernens und der Lernstörungen sowie deren Folgen für die Bildungs- und Persönlichkeitsentwicklung befassen. Hierzu gehören Lehrer, Sonderpädagogen und Lerntherapeuten ebenso wie Psychologen, Mediziner, Psychotherapeuten und Fachtherapeuten unterschiedlicher Ausrichtung (z. B. Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Kreativtherapeuten).

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Kluft zwischen Forschung und Anwendung hat sich die neue Zeitschrift folgende Ziele gesetzt: Sie will erstens relevante, wissenschaftliche Erkenntnisse im deutschen Sprachraum bekannt und so dem Dialog mit Anwendern zugänglich machen. Die Zeitschrift will zweitens diesen Dialog und das interdisziplinäre Verstehen erleichtern, indem Erkenntnisse so dargestellt aufbereitet werden, dass Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler die Botschaften der Texte verstehen und sich nutzbar machen können. Hierzu erhalten die publizierten Beiträge didaktische Info-Boxen, welche die Aspekte «Implikationen für die Praxis» und «Forschungsmethoden» erläuternd hervorheben. Mit kommentierten Beiträgen wird darüber hinaus der Austausch zwischen den Fachdisziplinen angeregt und unterstützt. Dazu werden zu einer empirischen Arbeit oder einem Übersichtsartikel, der das Peer-Review-Verfahren erfolgreich durchlaufen hat, drei bis maximal fünf Experten aus verschiedenen Fachrichtungen (z. B. Pädagogik, Psychologie, Medizin) eingeladen, das Manuskript zu kommentieren. Diese Kommentare werden ebenso wie die Antwort der Autoren auf diese Kommentare in ein und derselben Ausgabe gemeinsam mit dem Originalartikel abgedruckt.

Die Beiträge der ersten Ausgabe von «Lernen und Lernstörungen» betreffen primär kognitive Aspekte der Lese-Rechtschreibstörung und der Rechenstörung. Die beiden empirischen Beiträge widmen sich der Untersuchung von neurokognitiven Merkmalen der Lese-, der Lese-/Rechtschreib- und der Rechtschreibstörung (Moll, Wallner & Landerl, 2012) sowie der schulbegleitenden Förderung von Kindern mit einer Lese-Rechtschreibstörung beim Englischlernen (Dorsch & Dreßler, 2012). Die kommentierte Übersichtsarbeit schließlich widmet sich der Rolle des Fingerrechnens beim Erwerb numerisch-rechnerischer Fertigkeiten (Möller & Nuerk, 2012).

Wir wünschen Ihnen Freude und Anregung beim Lesen dieser ersten Ausgabe und hoffen, dass die Inhalte dieser und der nachfolgenden Ausgaben den fächerübergreifenden Austausch zwischen Forschern und Anwendern nutzbringend befruchten werden. Wir möchten Sie ausdrücklich zur aktiven Mitwirkung einladen (in Form von Beiträgen, Kommentaren, etc.). Fragen zur inhaltlichen Ausrichtung oder formalen Manuskriptgestaltung adressieren Sie bitte an [email protected].

Nicht zuletzt möchten wir uns beim Verlag Hans Huber und den verantwortlichen Mitarbeitern für die kontinuierliche, kompetente und überaus professionelle Unterstützung bedanken. Ohne die Unterstützung und Fürsprache von Dorothee Schneider (Verlagsleiterin) hätte die vorliegende Fachzeitschrift kaum realisiert werden können. Frau Schneider hat von Anfang an die Idee einer interdisziplinären deutschsprachigen Zeitschrift an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendung geglaubt und war und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Verlag und den Herausgebern. Stefan Schüpbach hat als Leiter der Herstellung und der Administration ideenreich das Erscheinungsbild der Zeitschrift geprägt und umgesetzt und ein elektronisches System zur Manuskripteinreichung und -begutachtung (Editorial Manager®) implementiert, das den Herausgebern ihre Arbeit wesentlich erleichtern wird.