Schulische Förderung bei Lese-Rechtschreibschwierigkeiten mit Lautarium
Randomisierte Evaluationsstudie und Lehrkräftebefragung
Abstract
Zusammenfassung.Hintergrund: In Deutschland zeigen etwa 18 Prozent aller Grundschulkinder Defizite im Schriftspracherwerb. Ein möglichst früher Förderbeginn kann negativen Folgen für den Bildungsverlauf und die psychische Gesundheit der Kinder entgegenwirken. Mit Lautarium steht ein computerbasiertes, schriftsprachliches Förderprogramm zur Verfügung, das ein Training der Phonemwahrnehmung, phonologischen Bewusstheit und Graphem-Phonem-Zuordnung mit einem schriftsprachlichen Training kombiniert. Die Wirksamkeit konnte bereits in nicht-randomisierten Studien belegt werden. Methoden: In der randomisierten Studie wurde Lautarium zu Beginn der zweiten Klasse bei Kindern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten eingesetzt. Die Trainingsgruppe (N = 43) trainierte zehn Wochen im schulischen Unterricht (5 x pro Woche für ca. 30 Minuten), während die Kontrollgruppe (N = 43) am regulären Unterricht teilnahm. Ergebnisse: Im Posttest zeigten sich signifikante Trainingserfolge in geringer bis mittlerer Effektstärke für die phonologische Bewusstheit sowie die Lese- und Rechtschreibleistungen. Die Trainingseffekte lassen sich damit in einem randomisierten Design replizieren. Befragte Lehrkräfte berichteten eine motivierte und selbstständige Durchführung und schätzten das Anforderungsniveau der Übungsspiele als adäquat ein. Diskussion: Die Ergebnisse belegen die Wirksamkeit einer grapho-phonologischen Förderung für Kinder, die bereits zu Beginn der schriftsprachlichen Entwicklung Minderleistungen zeigen.
Abstract.Background: In Germany, about 18 percent of primary school children have severe difficulties in the acquisition of literacy skills. An early beginning support can help to avoid negative consequences for the children´s academic achievement and mental health. Lautarium is a computerbased program combining phoneme perception, phonological awareness and systematic phonics with reading and spelling tasks. The effectiveness has already been demonstrated in non-randomized studies. Methods: In the present randomized study, Lautarium is evaluated in a sample of second-grade children with low reading and/or spelling performance. The training group (N = 43) trained for ten weeks with Lautarium (30 minutes per day, five times per week) during school lessons, while the control group (N = 43) participated in regular lessons. Results: The posttest confirmed significant beneficial training effects of small to medium effect size in phonological awareness, reading and spelling performance. Thus, the effectiveness of Lautarium found in prior studies was replicated in a randomized design. Teachers reported that the children performed the training very motivated and independently, and rated the level of difficulty of the exercises as adequate. Discussion: Lautarium proves to be an effective measure for school support of children struggling with literacy acquisition.
Einleitung
Lese- und Rechtschreibfertigkeiten sind eine unerlässliche Kulturtechnik und eine Schlüsselqualifikation für den Bildungserfolg. In Deutschland haben 18 Prozent der Schulkinder erhebliche Schwierigkeiten im Erwerb der Schriftsprache und bei 6 bis 10 Prozent wird eine Lese-Rechtschreibstörung diagnostiziert (z.B. Fischbach et al., 2013). Die Defizite zeigen eine hohe zeitliche Stabilität (Wyschkon et al., 2018) und beeinträchtigen in der Folge sowohl den schulischen Erfolg (Esser, Wyschkon & Schmidt, 2002) als auch sekundär das schulische Selbstkonzept und die psychische Gesundheit (Fischbach, Schuchardt, Mähler & Hasselhorn, 2010). Angesichts dieser gravierenden Auswirkungen ist eine Förderung der betroffenen Kinder von großer Bedeutung. Diese Förderung sollte möglichst sehr früh beginnen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. [AWMF], 2015), um einer Abwärtsspirale aus mangelnden schriftsprachlichen Leistungen und Erfolgen, sinkender Lesemotivation und -freude sowie zunehmenden psycho-emotionalen Belastungen entgegenzuwirken (vgl. Lachmann, Bergström, Huber & Nuerk, 2022). Empirisch ist belegt, dass Fördereffekte zu einem frühen Zeitpunkt größer sind (Ehri et al., 2001; Goodwin & Ahn, 2013). Aus diesen Gründen wird ein Förderbeginn bei Verdacht auf einen beeinträchtigten Schriftspracherwerb bereits in der ersten Schulklasse empfohlen.
Dem steht aber eine Diagnose- und Förderpraxis gegenüber, die einer „Wait-to-Fail“- Logik folgt. Die Kostenübernahme für eine Lerntherapie nach § 35a SGB setzt voraus, dass dem Kind neben der Diagnose „Lese-Rechtschreibstörung“ auch attestiert wird, dass es von einer „seelischen Behinderung“ betroffen oder bedroht ist. Um diese Kriterien zu erfüllen, müssen erst einige Grundschuljahre vergehen, bis sich das anhaltende Versagen im Lesen und/ oder Schreiben negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt. Aufgrund dieser Regelungen erfolgt eine Diagnosestellung und Aufnahme einer lerntherapeutischen Behandlung in der Regel erst in der dritten bis vierten Klasse (Huck & Schmidt, 2017). Einer frühen Diagnosestellung wird entgegen gehalten, dass der Schriftspracherwerb in den ersten Grundschuljahren mit einer großen Varianz verbunden ist (siehe zur Varianz: Landerl & Wimmer, 2008). Dadurch könnte die Gefahr bestehen, dass Kindern mit schriftsprachlichen Minderleistungen zu früh die Diagnose „Lese-Rechtschreibstörung“ zugewiesen wird, obwohl ein spontanes Aufholen der Defizite möglich wäre. Gegen eine zuwartende Haltung spricht aber erstens die Stabilität der Defizite (Wyschkon et al., 2018) und zweitens eine zunehmende Automatisierung suboptimaler schriftsprachlicher Strategien (Lachmann, 2018), was sich erschwerend auf die Intervention auswirkt (vgl. Lachmann et al., 2022).
Empfehlenswert ist daher die frühe Abschätzung eines Risikos für die Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung und – darauf basierend – eine frühzeitige Förderung. Im Rahmen dieser Risikoabschätzung sollten drei Klassen von Indikatoren betrachtet werden. Erstens sollte das Ausmaß der schriftsprachlichen Defizite durch den Einsatz standardisierter und normierter Testverfahren quantifiziert werden. Geeignete Verfahren sind bereits ab Mitte der ersten Klasse verfügbar (zur Übersicht vorhandener Testverfahren in Deutschland siehe: Steinbrink, Konerding & Lachmann, 2018). Zweitens sollte eine qualitative Betrachtung der Lese- und Rechtschreibprobleme erfolgen. Auch wenn es keine spezifische Fehlertypologie bei einer Lese-Rechtschreibstörung gibt, fallen bereits zu Beginn des Leseerwerbs ausgeprägte Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Graphemen zu Phonemen und der Synthese von Lauten zu Wörtern auf. Beim Schreiberwerb gelingt das Segmentieren von Wörtern in Laute nicht und es kommt zu Skelettschreibungen, bei denen nur sehr wenige Grapheme realisiert werden (Schulte-Körne & Galuschka, 2019). Die Symptome zeigen eine Beeinträchtigung in der alphabetischen Phase des Schriftspracherwerbs (vgl. Frith, 1986, Scheerer-Neumann, 2018), in der eine einzelheitlich-segmentale Lese- und Rechtschreibstrategie erworben wird (Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler, 2001).
Die beschriebenen Symptome deuten auf Defizite in der phonologischen Informationsverarbeitung, die in der Risikoabwägung als dritter Bereich einbezogen werden sollte. Die folgenden Komponenten der phonologischen Verarbeitung haben sich als Prädiktoren eines gelingenden Schriftspracherwerbs erwiesen (z.B. Landerl et al., 2019; Melby-Lervåg, Lyster & Hulme, 2012; Snowling, Lervåg, Nash & Hulme, 2019): Phonemwahrnehmung (Identifikation und Differenzierung von Phonemen), phonologische Bewusstheit (Fähigkeit zur Analyse und Manipulation phonologischer Einheiten unterhalb der Wortebene), phonologisches Arbeitsgedächtnis (Aufrechterhalten von phonologisch-lautsprachlichen Einheiten zur weiteren Verarbeitung) und schnelles Benennen (effizienter Zugriff von visuell präsentierten Einheiten, z.B. einem Bild oder Schriftwort, auf im Langzeitgedächtnis gespeicherte phonologische Repräsentationen). Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung zeigen in allen Bereichen der phonologischen Informationsverarbeitung erhebliche Defizite (Araújo & Faísca, 2019; Klatte, Steinbrink, Bergström & Lachmann, 2013; Melby-Lervåg et al., 2012; Snowling & Melby-Lervåg, 2016). Diese zeigen sich sowohl im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern mit unauffälligem Schriftspracherwerb als auch im Vergleich zu deutlich jüngeren Kindern mit vergleichbaren Lese-Rechtschreibfähigkeiten (z.B. Melby-Lervåg et al., 2012). Daher besteht in der Forschung weitgehender Konsens, dass der Lese-Rechtschreibstörung ein phonologisches Kerndefizit zugrunde liegt (Ramus, 2014). Vorhandene diagnostische Verfahren zur Überprüfung der phonologischen Informationsverarbeitung können damit zur Früherkennung eines Risikos für die Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung beitragen (zur Übersicht deutschsprachiger Verfahren siehe: Steinbrink et al., 2018).
Die Erkennung von Kindern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten und die Förderung liegen in Deutschland im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Schulen. Damit kommt den Lehrkräften die zentrale Rolle zu, Kinder mit schriftsprachlichen Minderleistungen frühzeitig zu identifizieren und eine möglichst sofort einsetzende schulische Unterstützung und Förderung anzubieten. Wirksame Förderprogramme sind mit dem Potential verbunden, sich manifestierenden schriftsprachlichen Defiziten bzw. der Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung entgegenzuwirken.
Zur Förderung haben sich phonologisch orientierte Trainingsprogramme als effektiv und empfehlenswert erwiesen (Galuschka, Ise, Krick & Schulte-Körne, 2014; McArthur et al., 2018). Diese Trainingsprogramme beinhalten in Kombination mit schriftsprachlichen Förderbausteinen Übungen zur phonologischen Bewusstheit und vermitteln systematisch Graphem-Phonem- (Leserichtung) bzw. Phonem-Graphem-Beziehungen (Schreibrichtung). Gefördert wird damit der Erwerb einer phonologisch-orientierten Lese- bzw. Rechtschreibroute. Beim Lesen wird einzelheitlich-segmental jedes Graphem in ein Phonem nach den erworbenen Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln umgewandelt; danach wird die Phonemsequenz zu einem Wort synthetisiert. Beim Schreiben wird das Wort zunächst in Phoneme segmentiert und dann jedem Phonem ein Graphem zugeordnet, das verschriftlicht wird. Auf der Grundlage erworbener Graphem-Phonem- bzw. Phonem-Graphem-Beziehungen kann das Kind neue und unbekannte Wörter selbstständig erlesen bzw. verschriftlichen. Mit zunehmender Lese-Rechtschreibpraxis können in einem Self-Teaching-Mechanismus orthographische Repräsentationen und damit die Grundlage für eine ganzheitlich-lexikalische Lese-Rechtschreibroute aufgebaut werden (vgl. Pritchard, Coltheart, Marinus & Castles, 2018; Share, 1995; Ziegler, Perry & Zorzi, 2014). Übereinstimmend hiermit zeigt eine phonologisch-orientierte Förderung positive Effekte auf komplexere schriftsprachliche Fertigkeiten, wie eine regelorientierte Rechtschreibung und das Leseverständnis (McArthur et al., 2018). In den ersten Grundschuljahren eingesetzt erzeugen phonologisch orientierte Förderprogramme größere Trainingseffekte als in der späten Grundschulzeit (Suggate, 2016). Sie sind daher besonders zur schriftsprachlichen Förderung im Anfangsunterricht geeignet.
Trainingserfolge zeigen sich ebenfalls für computerbasierte Verfahren, die die beschriebenen Förderbausteine enthalten. Wirksamkeitsnachweise liegen für Kinder mit und ohne Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (Macaruso & Rodman, 2011b; Ronimus, Eklund, Pesu & Lyytinen, 2019) und für bilinguale Kinder, die die Schriftsprache in ihrer Zweitsprache erwerben, vor (Konerding, Bergström, Lachmann & Klatte, 2020; Macaruso & Rodman, 2011a). Die Umsetzung eines Trainingsprogramms als Computerspiel ist in der Lernförderung mit den folgenden Potentialen verbunden. (1) Sind die Instruktionen für die Übungsspiele in das Programm implementiert und ggf. sogar interaktiv, kann das Computertraining vom Kind selbstständig durchgeführt werden (Görgen, Huemer, Schulte-Körne & Moll, 2020). Damit ist eine Förderung weitgehend unabhängig von personellen Ressourcen. Im schulischen Kontext ist ein Computertraining beispielsweise in einem zieldifferenzierenden Unterricht oder in Freiarbeitsphasen einsetzbar. (2) Computerbasierte Förderprogramme ermöglichen durch Lernalgorithmen eine Anpassung an das individuelle Leistungsniveau und Lerntempo. Insbesondere bei Kindern mit Lernstörungen können Lernerfolg und -engagement durch ein optimales Anforderungsniveau unterstützt werden (Ronimus et al., 2019). (3) Ein Computertraining kann ein verlässliches und konsequentes Feedback bieten, das dem Lernenden ein stetiges Monitoring seines Lernprozesses ermöglicht (Hattie & Timperley, 2007). (4) In der Regel haben Computertrainings attraktive Token-Programme und/oder sind in interessante Rahmenhandlungen eingebettet. Belohnungssysteme erhöhen nachweislich die Wirksamkeit von Trainingsverfahren bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung (Ise, Engel & Schulte-Körne, 2012).
Im deutschsprachigen Raum steht als computerbasiertes, grapho-phonologisches Verfahren das Trainingsprogramm Lautarium (Klatte, Steinbrink, Bergström & Lachmann, 2017) zur Verfügung. Lautarium wurde bereits zur Förderung von Kindern mit unterdurchschnittlichen schriftsprachlichen Leistungen in der Mitte des ersten Schuljahres, von Drittklässlern mit Lese-Rechtschreibstörung (Klatte, Steinbrink, Bergström & Lachmann, 2016; Konerding, Bergström, Lachmann & Klatte, 2021) und von Zweitklässlern mit Migrationshintergrund (Konerding et al., 2020) eingesetzt. In allen Studien zeigten sich kurzfristige und anhaltende Trainingseffekte auf Subtests zur phonologischen Bewusstheit und auf das Rechtschreiben. Leseeffekte konnten nicht in allen Studien nachgewiesen werden.
Diese vorliegenden Studien wurden in Regelschulen oder in Schulen mit speziellen Förderklassen für Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung durchgeführt. Aus schulorganisatorischen Gründen war ein Training nur mit ganzen Klassen möglich, wobei Parallelklassen als Kontrollgruppen fungierten. Obwohl zum Zeitpunkt des Prätests keine Gruppenunterschiede bezüglich Alter, Geschlechterverteilung und Ausgangsleistungen bestanden, können die ermittelten Effekte aufgrund des nicht-randomisierten Designs nicht zweifelsfrei auf das Training zurückgeführt werden (Bortz & Döring, 2016). Unkontrollierte Wirkfaktoren, wie beispielweise der Unterrichtsstil, die individuell eingesetzten Lehrmethoden in der jeweiligen Klasse, die Klassenzusammensetzung oder das Klassenklima können nicht ausgeschlossen werden. Daher sollten Randomisierungstechniken angewandt werden, durch die die Kinder zufällig einer Trainings- oder Kontrollgruppe zugewiesen werden. Bei ausreichender Gruppengröße – empfohlen werden mindestens N = 30 pro Gruppe (vgl. Pospeschill & Siegel, 2018) – wird eine Vergleichbarkeit der Gruppen durch eine zufällige Verteilung von Besonderheiten von Personen gewährleistet (Bortz & Döring, 2016). Der Forderung nach einem solchen Randomized-Controlled-Design als Goldstandard der Wirksamkeitsforschung (Galuschka et al., 2014; Pospeschill & Siegel, 2018) kommen dennoch viele Trainingsstudien nicht nach, da organisatorische Schwierigkeiten und/oder zu geringe Stichprobengrößen dies verhindern. Ein weiterer potentieller Einflussfaktor auf die Wirksamkeit ist das Wissen der Testleiterinnen und Testleiter über die Gruppenzugehörigkeit der Kinder. Optimalerweise sollte daher ein halb-verblindetes Design angestrebt werden, bei dem die testdurchführenden Personen nicht über diese Kenntnisse verfügen und darüber hinaus auch nicht dem Personenkreis des Forschungsprojekts angehören.
Fragestellung
Das grapho-phonologische Trainingsprogramm Lautarium zeigte bereits bei Drittklässlern mit einer Lese-Rechtschreibstörung Trainingseffekte auf die phonologische Bewusstheit und das Rechtschreiben. Bezüglich des Lesens wurden Leistungsverbesserungen im Studienzeitraum nachgewiesen (Konerding et al., 2021). In der vorliegenden Studie wird die Wirksamkeit eines früh einsetzenden, schulischen Trainings mit Lautarium für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, die aber nicht die Kriterien für die Diagnose „Lese-Rechtschreibstörung“ erfüllen, untersucht. Geprüft wird, ob sich das Training auf die phonologische Bewusstheit, die Leseleistungen und das Rechtschreiben auswirkt. Zeigen sich Trainingseffekte, kann ein Förderverfahren empfohlen werden, das noch vor der Manifestation schriftsprachlicher Defizite bzw. vor der Diagnosestellung „Lese-Rechtschreibstörung“ eingesetzt werden kann. Diese Studie wird außerdem in einem randomisierten und halb-verblindeten Design durchgeführt. Es stellt sich also die Frage, ob sich die in nicht-randomisierten Studien nachgewiesenen Trainingsvorteile in einem randomisierten, halb-verblindeten Design replizieren lassen. Zudem soll durch eine Befragung der Lehrkräfte ermittelt werden, ob die Kinder das Training motiviert und selbstständig durchführen können und wie die Lehrkräfte das Anspruchsniveau der Übungen und die Organisation des Trainingseinsatzes beurteilen.
Methoden
Beschreibung des Trainingsprogramms Lautarium (Klatte et al., 2017)
Lautarium ist ein computerbasiertes Trainingsverfahren für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, das ein phonologisches mit einem schriftsprachlichen Training kombiniert. In den fünf Übungsbereichen Phonemwahrnehmung, phonologische Bewusstheit, Graphem-Phonem- und Phonem-Graphem-Zuordnung, lautgetreues Lesen und Schreiben und schnelle Worterkennung (Blitzlesen) beinhaltet Lautarium insgesamt 58 Übungsspiele. Die Instruktionen sind in den Programmablauf integriert und erfolgen interaktiv, so dass durch entsprechendes Feedback das Aufgabenverständnis sichergestellt werden kann. Zur Unterstützung der Motivation erhält das Kind nach jedem Übungsspiel virtuelle Taler, mit denen ein animiertes Aquarium mit Fischen, Pflanzen und Zubehör, wie beispielsweise einer Schatzkiste oder einem versunkenen Schiff, eingerichtet werden kann (Abb. 1f).
Lautarium beinhaltet ca. 500 Bilddateien sowie 8000 Audioaufnahmen von Realwörtern und Pseudowörtern mit unterschiedlichen Silbenstrukturen des Deutschen. Zur Darstellung der Phoneme werden Lautbausteine verwendet, die sukzessive eingeführt werden. Die Phoneme sind durch Bilder symbolisiert, deren initialer oder finaler Laut das Phonem repräsentieren (z.B. Kerze für /k/ oder Buch für /x/ = ch). Die unterschiedlichen Vokallängen des Deutschen werden durch eigene Lautbausteine berücksichtigt (z.B. Affe für das kurze /a/ und Ameise für das lange /ɑ:/). Außerdem wird mit Graphembausteinen gearbeitet, die den Buchstaben jeweils in Groß- und Kleinschreibung zeigen.
Im Übungsbereich Phonemwahrnehmung wird die Differenzierung und Identifikation von Plosivlauten und Vokallängen trainiert (Vokallängenidentifikation siehe Abb. 1b). Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung haben ausgeprägte Schwierigkeiten bei diesen Phonemen (Groth, Lachmann, Riecker, Muthmann & Steinbrink, 2011; Klatte et al., 2013; Steinbrink, Klatte & Lachmann, 2014), beispielsweise in der Wahrnehmung der Kontraste /p/ versus /b/ oder /ɔ/ versus /o:/. Vokallängenunterschiede sind in der deutschen Sprache bedeutungsunterscheidend (z.B. „Hüte“ und „Hütte“), mit den orthographischen Regeln der Doppelkonsonanz oder Vokallängenmarkierung verbunden und daher bedeutsamer Trainingsinhalt zur Vorbereitung des orthographischen Regelerwerbs. Im Übungsbereich phonologische Bewusstheit wird die Identifikation von Lauten in Wörtern, das Segmentieren von Wörtern in Laute (durch Auswahl der Lautbausteine, siehe Abb. 1c) und die Synthese von Lauten zu Wörtern trainiert. Bei der Lautklassifikation (Abb. 1a) ist ein abweichender An- oder Auslaut aus einer Auswahl von drei vorgegebenen Wörtern bzw. Pseudowörtern (z.B. „grah“ – „kroh“ – „gruh“) zu identifizieren. Bei der Phonem-Graphem-Zuordnung werden anschließend die Graphembausteine einem identifizierten Phonem zugeordnet (Abb. 1c). Das Lesen lautgetreuer Wörter erfolgt beispielsweise durch die Auswahl eines Schriftbildes zu einem gehörten Wort (z.B. „Schwein“, zur Auswahl stehen „Schein“, „Schweiz“, „Schweif“, „Schwein“), das Schreiben lautgetreuer Wörter durch die Auswahl der entsprechenden Graphembausteine (Abb. 1d). Bei jedem Trainingsstart wird die ganzheitliche Worterkennung im Format des Blitzlesens geübt (Abb. 1e). Das Wort wird dabei nur sehr kurzzeitig präsentiert. Danach wechselt der Bildschirm und das Kind wählt das zum Wort passende Bild aus einer Auswahl von drei Bildern. In Abhängigkeit von der Leseleistung verlängert oder verkürzt sich die Darbietungszeit des Wortes (zwischen 50–300 ms).
Die Übungsspiele werden von den Kindern in einer vorgegebenen Reihenfolge absolviert. Ein definiertes Fehlerkriterium steuert das Weiterkommen im Programmablauf. Werden zu viele Fehler gemacht, wird die Übung wiederholt, wobei das Wortmaterial nicht identisch ist, sondern zufällig ausgewählt wird. Bei einem Unterschreiten der Fehleranzahl geht es zum nächsten Übungsspiel weiter (siehe Klatte et al., 2017).
Stichprobe
Um Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten zu ermitteln, wurde zu Beginn des zweiten Schuljahres ein Screening mit allen Kindern der zweiten Klassen aus zehn Schulen Sachsen-Anhalts durchgeführt (N = 303, mittleres Alter 7;9, weiblich N = 143, männlich N = 155, keine Angabe zum Geschlecht = 5, bilingual – Kinder mit Deutsch und anderer Muttersprache sowie Kinder mit Deutsch als Zweitsprache: N = 25). Für die Studienteilnahme wurde definiert, dass der T-Wert im Lesetest (Würzburger Leise-Leseprobe, WLLP-R; Schneider, Blanke, Faust & Küspert, 2011) und/oder Rechtschreibtest (Graphemtreffer der Hamburger Schreib-Probe 1+, HSP1+, Version Ende des ersten Schuljahres; May, 2012a) unterhalb von 40 lag. Dieses Kriterium erfüllten N = 110. Durch Studien-Drop-out (z.B. Erkrankung an den Testtagen, vorzeitiger Trainingsabbruch) konnten die Daten von N = 86 in die Analysen einbezogen werden. Randomisiert wurden je 43 Kinder der Trainings- und Kontrollgruppe zugewiesen (Trainingsgruppe: M = 7;11 Jahre, SD = 0;6, weiblich N = 19, bilingual N = 4, Kontrollgruppe: M = 7;10 Jahre, SD = 0;8, weiblich N = 24, bilingual N = 4).
Design und Durchführung der Studie
Die Studie wurde vom Landesschulamt Sachsen-Anhalt hinsichtlich ethischer und datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte geprüft und genehmigt. Die Einverständniserklärungen der Eltern wurden eingeholt. Das Screening wurde im August 2019, der Prätest im September 2019 und der Posttest im Anschluss an die Trainingsphase im Februar 2020 durchgeführt. Zur Prüfung anhaltender Trainingseffekte war ein Follow-up nach einer trainingsfreien Zeit von drei Monaten im April 2020 vorgesehen. Die Schulschließungen während der ersten Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 verhinderten aber die geplante Erhebung an allen Schulen (siehe dazu Konerding, 2021). Die Testerhebungen wurden von den Schulpsychologinnen des Staatlichen Schulamtes Halle bzw. ihren Testassistentinnen durchgeführt. Diese Personen hatten keine Kenntnisse über die Gruppenzugehörigkeit der Kinder. Nach dem Prätest erfolgte die Zuweisung der Kinder zur Trainings- bzw. Kontrollgruppe zufällig. Die Kinder der Trainingsgruppe absolvierten das Lautarium-Training über insgesamt zehn Wochen täglich für ca. 30 Minuten in der Schule, wobei die Implementierung in den schulischen Alltag durch die Klassenlehrkräfte individuell organisiert wurde. Die Kontrollgruppe nahm am regulären Unterricht teil, konnte das Training aber nach Abschluss der Studie nutzen.
Eingesetzte Messverfahren
Im Screening wurde die Lese-Rechtschreibleistung erhoben. Im Prä- und Posttest wurden phonologische Bewusstheit, Leseverständnis für Wörter, lautes Lesen von Wörtern/Pseudowörtern und Rechtschreiben sowie im Prätest die nonverbale Intelligenz erfasst. Nach der Trainingsphase wurde den Lehrkräften ein Fragebogen zu ihren Erfahrungen mit dem Training ausgehändigt.
Nonverbale Intelligenz
Das Verfahren Grundintelligenztest, Skala 1 – Revision (CFT 1-R; Weiß & Osterland, 2013) erhebt die fluide, sprachunabhängige Intelligenz in insgesamt sechs Subtests, wobei lediglich die Subskala zum figuralen Denken (Subtests 4 bis 6; Bearbeitungszeit jeweils 90 Sekunden) in der Gruppensituation durchgeführt wurde. Beim Subtest 4 Reihen fortsetzen muss aus drei vorgegebenen Figuren eine Regel des Aufbaus abgeleitet und eine entsprechende vierte aus einer Auswahl von fünf Figuren gewählt werden. Beim Subtest 5 Klassifikationen ist aus fünf Zeichnungen diejenige auszuwählen, die nicht merkmalsähnlich ist. Subtest 6 Matrizen erfordert die Ergänzung eines figuralen Musters. Ein altersabhängiger T-Wert wurde für die Subskala ermittelt.
Lesefertigkeiten
Im Screening wurde die Würzburger Leise-Leseprobe (WLLP-R, Schneider et al., 2011) durchgeführt. Innerhalb von fünf Minuten ist zu schriftlich dargebotenen Wörtern ein passendes Bild aus einer Auswahl von vier Bildern anzukreuzen. Laut Manual misst der Test die Dekodier(=Lese-)geschwindigkeit. Im Prätest wurde der Untertest Wortverständnis aus Ein Leseverständnistest für Erst- bis Siebtklässler – Version II (ELFE II; Lenhard, Lenhard & Schneider, 2017) durchgeführt. Innerhalb von drei Minuten unterstreichen die Kinder die zu Bildern passenden Schriftwörter aus einer Auswahl von jeweils vier Schriftwörtern. Außerdem wurde der Ein-Minuten-Leseflüssigkeitstest des Salzburger Lese-Rechtschreibtests II (SLRT-II; Moll & Landerl, 2014) in der Einzelsituation eingesetzt. Die Kinder werden aufgefordert, innerhalb einer Minute Wörter bzw. Pseudowörter schnell und korrekt laut vorzulesen. Aufgrund der hohen Korrelationen der Untertests zum Lesen von Wörtern und Pseudowörtern (zum Prätest r = .88, p < .001, zum Posttest r = .87, p < .001) wurden die ermittelten Rohwerte zu einem Summenscore addiert.
Rechtschreibfertigkeiten
Mit der Hamburger Schreib-Probe 2 (HSP 2; May, 2012b) wurden die Fähigkeiten im Rechtschreiben ermittelt. Dazu werden Wörter und Sätze diktiert. Die Auswertung erfolgte hinsichtlich der Anzahl der korrekten Grapheme (Graphemtreffer), der Fähigkeiten des lautorientierten (Alphabetische Strategie) und des regelorientierten Schreibens (Orthographische Strategie). Die Normdaten beziehen sich auf die Hamburger Schreib-Probe 1 + (HSP1+; May, 2012a), die im Screening in der Version zum Ende des ersten Schuljahres und im Posttest in der Version zur Mitte des zweiten Schuljahres verwendet wurde.
Phonologische Bewusstheit
Die phonologische Bewusstheit wird mit zwei Untertests aus dem Potsdam-Illinois Test für Psycholinguistische Fähigkeiten (P-ITPA; Esser & Wyschkon, 2010) erhoben. Beim Vokale ersetzen nennt das Kind das Wort, das nach Austausch eines vorgegebenen Vokals entsteht (z.B. „e“ in „Beet“ wird mit „o“ getauscht). Beim Konsonanten auslassen nennt das Kind das Wort, das nach der Löschung eines vorgegebenen Lautes entsteht (z.B. „Bein“ ohne „b“ wird zu „ein“). In beiden Untertests werden erst reale Wörter und dann Pseudowörter eingesetzt. Die Untertests haben ein Abbruchkriterium und enden nach vier Fehlern in Folge. Für den Gesamt-T-Wert in der phonologischen Bewusstheit werden die Rohwerte der zwei durchgeführten Untertests und die maximalen Rohwerte eines dritten Untertests Reimen addiert. Reimen (z.B. Reimt sich „Kopf“ auf „Rock“, „Kuh“ oder „Topf“?) ist im Schulalter nur durchzuführen, wenn beim Vokale ersetzen weniger als fünf richtige Antworten gegeben werden (in dieser Stichprobe bei N = 25 im Prätest und N = 4 im Posttest). Der Gesamt-Rohwert bildet sich dann aus der Summe der drei durchgeführten Untertests (siehe Esser & Wyschkon, 2010).
Fragebogen für die Lehrkräfte
Anhand einer vierstufigen Ratingskala sollten die Lehrkräfte die Motivation der Kinder, die Lernfreude, die selbstständige Durchführbarkeit, das Anspruchsniveau der enthaltenen Übungsspiele, den organisatorischen Aufwand und die Bereitschaft, Lautarium weiterhin zur Förderung im Unterricht einzusetzen, beurteilen. Erfragt wurden außerdem Gründe für einen möglichen Trainingsausfall und positive bzw. negative Trainingsaspekte.
Statistische Analysen
Zunächst wurde durch eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung (MANOVA) geprüft, ob zum Posttest ein signifikanter Trainingseffekt, d.h. ein Gruppenunterschied in der Leistungsentwicklung zwischen Prä- und Posttest, nachweisbar war. Bei signifikantem Trainingseffekt wurden anschließend die Wirkungen auf die einzelnen Variablen zu den phonologischen und schriftsprachlichen Leistungen geprüft. Hierfür wurden Kovarianzanalysen (ANCOVA) berechnet, bei denen das Prätestergebnis der jeweiligen Outcome-Variable als Kovariate eingesetzt wurde. Zur Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung einer ANCOVA wurden für jede Variable die Gruppenvergleichbarkeit im Prätest sowie die Homogenität der Regressionssteigung analysiert (O›Connell et al., 2017). Im Falle einer Voraussetzungsverletzung wurde eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung berechnet. Bei signifikanten Gruppenunterschieden im Mittelwert wurden die um Prätestleistungen korrigierten Effektstärken nach Klauer (1989) berechnet. Zur Analyse der Entwicklung der T-Werte im Studienzeitraum (Prätest zu Posttest) wurden t-Tests für verbundene Stichproben getrennt für beide Gruppen berechnet. Für alle Analysen wurde ein Signifikanzniveau von 5% zugrunde gelegt.
Ergebnisse
Ergebnisse im Screening und im Prätest
In Tabelle 1 sind die standardisierten Werte der Testergebnisse im Screening und im Prätest (sowie im Posttest) dargestellt. In der Trainings- und Kontrollgruppe lagen die mittleren T-Werte für die Lesegeschwindigkeit und -genauigkeit sowohl im Screening (WLLP-R, Schneider et al., 2011) als auch im Prätest (SLRT-II, Moll & Landerl, 2014) ca 1.5 bis 2 Standardabweichungen (SD) unter der Norm. Im Leseverständnis für Wörter (ELFE II; Lenhard et al., 2017) dagegen betrug die Diskrepanz lediglich ca. 1 SD. Im Rechtschreiben (HSP 1+, May 2012a) wurden bezogen auf die Graphemtreffer und die alphabetische Strategie ebenfalls Abweichungen von ca. 1 SD unter der Norm ermittelt. In der orthographisch-morphematischen Strategie (bis zur Mitte der zweiten Klasse werden in der HSP1 + diese Strategien noch nicht getrennt analysiert) lag der mittlere T-Wert 0.6 SD (Trainingsgruppe) bzw. 0.8 SD (Kontrollgruppe) unterhalb von 50. Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass die an der Studie teilnehmenden Kinder über die Ergebnisse im Screening mit dem Kriterium T-Wert < 40 im Lese- und/oder Rechtschreibtest ausgewählt wurden. Nicht alle teilnehmenden Kinder waren also im Lesen und Schreiben beeinträchtigt. Es handelt sich auch nicht durchgängig um Kinder, die die geforderten Diskrepanzkriterien (siehe z.B. Steinbrink et al., 2018) für die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung erfüllen. Auch die T-Werte in der nonverbalen Intelligenz und der phonologischen Bewusstheit lagen unterhalb des Durchschnittswertes von 50.
Ergebnisse zur Prüfung der Trainingseffekte
Die Rohwerte folgender Variablen wurden in eine MANOVA einbezogen: Leseverständnis für Wörter, lautes Lesen (Summenscore der Rohwerte aus den Untertests Lesen von Wörtern und Pseudowörtern), Anzahl korrekt geschriebener Grapheme (Graphemtreffer), alphabetische Rechtschreibstrategie, orthographische Rechtschreibstrategie, phonologische Bewusstheit (Summenscore der Rohwerte aus den Untertests Vokale ersetzen und Konsonanten auslassen). Es zeigte sich ein signifikanter Haupteffekt Zeit (Prätest vs. Posttest) mit F (1,76) = 94.03, p < .001 und ein nicht signifikanter Haupteffekt Gruppe mit F (1, 76) = 0.49, p = .811. Die für die Ermittlung eines Trainingseffekts bedeutsame Interaktion Zeit × Gruppe erwies sich als signifikant (F (1,76) = 3.39, p = .005). Ein Training mit Lautarium zeigte sich damit wirksam. Um eine Aussage über die differentielle Wirksamkeit des Trainings in Bezug auf jede einbezogene Variable treffen zu können, werden zusätzlich die durch ANCOVAs ermittelten Trainingseffekte berichtet. Als Voraussetzung ist eine Gruppenvergleichbarkeit zum Prätest gegeben. Für alle leistungsbezogenen Variablen sowie das Alter in Monaten gilt: .250 ≤ p ≤ .956 (siehe Tab. 2). Die Homogenität der Regressionssteigung war ebenfalls gegeben (.066 ≤ p ≤ .972), mit Ausnahme der Variable Graphemtreffer (p < .001). Für die Graphemtreffer wird daher eine ANOVA angewandt.
Eine Übersicht der Rohwerte, Standardabweichungen, Trainingseffekte und Effektstärken ist in Tabelle 2 dargestellt. In der phonologischen Bewusstheit konnte im Posttest ein signifikanter Trainingseffekt in geringer Effektstärke (dkorr = 0.38) ermittelt werden. Beim Lesen zeigten sich signifikante Trainingsvorteile in geringer Effektstärke sowohl für das Leseverständnis für Wörter (dkorr = 0.34) als auch für das laute Lesen (Summenscore der Rohwerte Wörter- und Pseudowörterlesen, dkorr = 0.23). Im Rechtschreiben konnten signifikante Trainingseffekte in mittlerer Effektstärke für die drei analysierten Kennwerte Graphemtreffer (dkorr = 0.51), Alphabetische Strategie (dkorr = 0.44) und Orthographische Strategie (dkorr = 0.68) nachgewiesen werden.
Leistungsfortschritte im Studienzeitraum bezogen auf die standardisierten Werte
Betrachtet man den schriftsprachlichen Leistungszuwachs in den T-Werten im Studienzeitraum (siehe Tab. 1) konnte sich die Trainingsgruppe im Leseverständnis für Wörter signifikant um 6.1, die Kontrollgruppe ebenfalls signifikant um 3.5 T-Wertpunkte verbessern. In der Rechtschreibung bezogen auf die Graphemtreffer betragen die signifikanten Verbesserungen der Trainingsgruppe 7.0 und der Kontrollgruppe 3.8 T-Wertpunkte. Bezogen auf die alphabetische Strategie erzielte lediglich die Trainingsgruppe einen signifikanten Fortschritt in Höhe von 5.9 T-Wertpunkten (Kontrollgruppe 2.3 T-Wertpunkte, p = .059). In der orthographisch-morphematischen Strategie zeigte sich bei beiden Gruppen kein signifikanter Leistungszuwachs.
Die Trainingsintensität lässt sich durch eine Analyse der individuellen Trainingsdaten ermitteln. Von 50 möglichen Tagen wurde an durchschnittlich 27.7 Tagen trainiert (SD = 6.7, min = 17, max = 41). Nach Angabe der Lehrkräfte war der Trainingsausfall durch Krankheit seitens der Kinder oder Lehrkräfte, besondere schulische Veranstaltungen oder organisatorische Probleme begründet. Im Mittelwert wurden 44.3 (SD = 14.7) von 57 Übungsspielen (Blitzlesen ausgenommen), also 77.7% des Trainings absolviert. 22 Kinder (51.2%) konnten das Training mit Lautarium beenden. Die Lehrkräfte (N = 15) wurden mit einer vierstufigen Ratingskala zu ihren Erfahrungen mit dem Training im schulischen Alltag befragt. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse, wobei zu beachten ist, dass die Lehrkräfte nicht immer alle Fragen beantworteten.
Auch die Kinder wurden gefragt, wie ihnen das Training gefallen hat. Im Mittel wurde die Note 1.6 (SD = 0.9) vergeben, bei Transformation von fünf möglichen Bewertungskategorien in die Noten 1 (super, toll) bis 5 (überhaupt nicht gut).
Diskussion
Mit dieser Studie wurde die Wirksamkeit des grapho-phonologischen Trainingsprogramms Lautarium im schulischen Einsatz für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten zu Beginn der zweiten Klasse geprüft. Realisiert wurde die Studie in einem randomisierten und halb-verblindeten Design. Es zeigten sich statistisch signifikante Trainingseffekte in der phonologischen Bewusstheit und den Lese-Rechtschreibleistungen.
Die phonologische Bewusstheit konnte durch das Training erfolgreich verbessert werden. Die eingesetzten Testaufgaben im Prä- und Posttest erfordern von den Kindern eine Phonemmanipulation, bei der entweder Laute in Wörtern ersetzt oder Laute aus Wörtern gelöscht werden. In Lautarium dagegen werden grundlegende Fähigkeiten in der Lautanalyse, im Segmentieren von Wörtern in Laute und in der Synthese von Lauten zu Wörtern intensiv trainiert. Diese Fähigkeiten sind voraussetzend für die Phonemmanipulation. Beispielsweise muss beim Konsonanten auslassen zunächst ein Wort in Laute segmentiert werden, der kritische Laut muss identifiziert und dann entfernt werden. Die Restlaute müssen nach Löschung zu einem Wort synthetisiert werden (vgl. Yopp, 1988). Insofern führt das Training mit leichteren Aufgaben zu einem Transfereffekt auf die komplexeren und später erworbenen Fähigkeiten der Phonemmanipulation (vgl. das zweidimensionale Konstrukt der phonologischen Bewusstheit; Schnitzler, 2008). Im Rahmen der Befragung gaben 87% der Lehrkräfte an, dass Übungen zur phonologischen Bewusstheit zur Unterstützung des Schriftspracherwerbs durchgeführt wurden. Lautarium kann über diese Förderung aller Kinder im Schulunterricht hinaus Lernfortschritte erzielen.
Die Leseleistungen konnten signifikant verbessert werden, jedoch in geringer Effektstärke. Die Trainingsvorteile im Lesen können auf das phonologisch-basierte Training in Kombination mit einem Training der Graphem-Phonem-Zuordnungen und des lautgetreuen Lesens (Lesegenauigkeit) zurückgeführt werden. Darüber hinaus wird auch die schnelle Worterkennung intensiv – bei jedem Trainingsstart – trainiert. Insofern wird einerseits an der phonologisch-orientierten Dekodierfähigkeit und andererseits an der lexikalisch- ganzheitlichen Leseroute angesetzt (vgl. Coltheart et al., 2001). Außerdem führt eine verbesserte phonologische Leseroute zu einem zunehmenden Aufbau orthographischer Repräsentationen (Ziegler et al., 2014). In der Folge kann über die ganzheitliche Leseroute effizienter und schneller gelesen werden.
Im Rechtschreiben zeigten sich Trainingsvorteile in mittlerer Effektstärke. Für die Anzahl korrekter Grapheme und das lautgetreue Schreiben sind die Effekte als direkte Trainingserfolge zu bewerten, da Lautarium auf der Grundlage des phonologischen Trainings das Schreiben lautgetreuer Wörter intensiv fördert. Der Effekt auf das regelorientierte Schreiben dagegen ist weniger naheliegend, da das Training keine Rechtschreibregeln vermittelt oder das Schreiben orthographisch-markierter Wörter übt. Dennoch zeigt die vorliegende Studie übereinstimmend mit weiteren durchgeführten Lautarium-Wirksamkeitsstudien (Konerding et al., 2021, Konerding et al., 2020) Trainingseffekte auf die orthographische Rechtschreibstrategie. Verschiedene Erklärungsansätze werden folgend dargestellt. (1) Betrachtet man die 15 erhobenen orthographischen Lupenstellen in der Hamburger Schreib-Probe 2 (May, 2012b), so beziehen sich drei Lupenstellen auf die Schreibung von <st> und <sp>, fünf auf die Vokallängenmarkierung, sechs auf die Doppelkonsonanz nach kurzem Vokal und eine auf die Schreibung von <v> bei dem Wort „vor“. Die korrekte Verschriftlichung von <st> und <sp> (= 20% der geprüften orthographischen Lupenstellen) wird in Lautarium durch die Graphembausteine, die eine Schreibung von <sch> und <p> bzw. <t> verhindern, direkt trainiert. (2) Fortschritte in der korrekten Verschriftlichung der Doppelkonsonanz und der Vokallängenmarkierung können sich auf das Training der Vokallängendifferenzierung und -identifikation zurückführen lassen, die eine Grundlage für den Erwerb dieser orthographischen Regeln schaffen. Die Regeln werden dann nicht in Lautarium direkt vermittelt, aber möglicherweise in dem im Trainingszeitraum stattfinden Deutschunterricht, von dem die Kinder durch das Training zur Wahrnehmung der Vokallängen besser profitieren können. (3) Wie bereits bei den Leseeffekten angemerkt, können die zunehmenden Kompetenzen in der alphabetischen Rechtschreibstrategie in einem Selbstlernprozess zum Aufbau orthographischer Repräsentationen beigetragen haben (Conrad, Kennedy, Saoud, Scallion & Hanusiak, 2019). (4) Orthographisch-markierte Wörter sind in der Übung zur schnellen Worterkennung enthalten. Dadurch könnte der Erwerb orthographischer Repräsentationen für diese Wörter und darüber hinaus für neue Wörter mit orthographischen Ähnlichkeiten (Pacton et al., 2018) gefördert worden sein. Diese Erklärung setzt zwei kontrovers diskutierte Annahmen voraus: Erstens kann ein Lesetraining sich förderlich auf die Rechtschreibung auswirken, was Graham et al. (2017) in ihrer Metaanalyse zeigen konnten. Siekmann (2011) dagegen geht davon aus, dass Lesen und Schreiben unabhängige Prozesse sind. In ihrer Studie zeigte sich kein Einfluss der Lesepraxis auf die Rechtschreibung. Zweitens liegen den Verarbeitungsprozessen im Lesen und Schreiben gemeinsame orthographische und phonologische Lexika oder aber zwei getrennte, miteinander interagierende Lexika zugrunde, nicht aber zwei separate Lexika (siehe zur Übersicht Jones & Rawson, 2016). Jones & Rawson (2016) belegen separate-but-shared-lexica und stellen anhand ihrer Studienergebnisse fest, dass Leseinterventionen zu einer Verbesserung des Schreibens (bzw. vice-versa) führen. Sie ergänzen aber, dass für einen differenzierten Aufbau der orthographischen Lexika eine Förderung sowohl an Lese- als auch an Schreibprozessen ansetzen sollte. Dem positiven Trainingseffekt auf die orthographische Rechtschreibstrategie können somit verschiedene Mechanismen zugrunde liegen. Grundsätzlich lassen sich bei einem kombinierten Training, wie Lautarium, Effekte aber nicht auf einzelne Förderinhalte oder einzelne Übungsspiele, sondern immer nur auf die Gesamtheit des Trainings zurückführen (vgl. McArthur, 2018).
In dieser Studie wurde im Gegensatz zu den bereits vorliegenden Lautarium-Wirksamkeitsstudien ein randomisiertes Design umgesetzt. Darüber hinaus waren die testdurchführenden Personen nicht über die Gruppenzugehörigkeit der Kinder informiert und keine Angehörigen des Forschungsprojekts. Durch dieses Design sollten mögliche Störvariablen, die die Interpretation der Trainingseffekte erschweren könnten, ausgeschlossen werden. Im Ergebnis zeigten sich Trainingseffekte in allen geprüften Bereichen. Die nachgewiesenen Trainingsvorteile sind in Übereinstimmung mit einer weiteren Wirksamkeitsstudie, bei der Lautarium zum Ende der ersten Klasse bei Kindern mit schwachen Leseleistungen (Prozentrang im Lesen < 22) eingesetzt wurde (Klatte et al., 2016). Auch in dieser nicht-randomisierten Studie konnten signifikante Trainingseffekte auf das Lesen (lautes Lesen, Leseverständnis für Wörter) und Rechtschreiben sowie auf die phonologischen Bewusstheit ermittelt werden. Die Effektstärken bewegten sich im hohen Bereich, in der hier vorliegenden randomisierten Studie dagegen im geringen bis mittleren Bereich. Folgende Erklärungsansätze sind für die unterschiedlichen Effektstärken möglich: Erstens könnten in der nicht-randomisierten Studie unsystematische Wirkfaktoren zu höheren Effektstärken geführt haben. Zweitens könnte die in dieser Studie realisierte halb-verblindete Erhebung Effektstärken reduziert haben. Drittens könnte der Zeitpunkt des Trainings – einmal in der Mitte des ersten, einmal zu Beginn des zweiten Schuljahrs – sich auf die Effektstärken ausgewirkt haben. Viertens ist das Auswahlkriterium für die Ermittlung der Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten nicht identisch: An der nicht-randomisierte Studie nahmen Kinder mit einem Prozentrang < 22 im Lesetest, an der randomisierte Studie mit einem T-Wert < 40 (entspricht einem Prozentrang von 15.9) in einem Lese- und/oder Rechtschreibtest teil. Es wäre also möglich, dass ein graduell unterschiedliches Leistungsvermögen die Effektstärken beeinflusst hat. Grundsätzlich bleibt aber festzustellen, dass die randomisierte und halb-verblindete Studie die Trainingseffekte der nicht-randomisierten Studien repliziert.
Eine Befragung der Lehrkräfte zeigte, dass die Kinder Lautarium gerne und selbstständig durchführten. Die Kinder arbeiteten eigenmotiviert, was nach Ansicht der Lehrkräfte durch das implementierte Belohnungssystem (Aquarium) erreicht wurde. Lautarium verzichtet auf eine motivierende Rahmengeschichte, die in computerbasierten Lernspielen einerseits eine hohe Motivation erzeugt, andererseits aber auch viel Übungszeit erfordert und kognitive Kapazität bindet (vgl. dazu Wouters, van Nimwegen, van Oostendorp & van der Spek, 2013). Die Erfahrungen der Lehrkräfte und die Einschätzung der Kinder zeigen also, dass die bewusst einfach gehaltene, dafür aufmerksamkeitsfokussierende Gestaltung der Übungsspiele in Kombination mit einem für die Kinder attraktiven Belohnungssystem ausreichend motivierend sind. Damit sind in Lautarium effektive Übungszeit und motivierende Aspekte gut ausbalanciert. Das Anforderungsniveau sollte von den Lehrkräften, die die Kinder während des Trainings betreuten, als „viel zu hoch“, „eher zu hoch“, „eher zu niedrig“ oder „viel zu niedrig“ beurteilt werden. Jeweils drei Lehrkräfte gaben „eher zu hoch“ oder „eher zu niedrig“ an. Vier Lehrkräfte dagegen entschieden sich nicht für eine der Antwortoptionen, sondern notierten in die Skala „genau passend“. Methodisch ist zu kritisieren, dass die Option „genau passend“ nicht im Fragebogen enthalten war und die Lehrkräfte dadurch aufgefordert wurden, sich für eine Tendenz zu entscheiden. Festzustellen bleibt aber, dass niemand die Optionen viel zu hoch oder viel zu niedrig wählte. Ein angemessenes Schwierigkeitsniveau ist bei der Auswahl eines Trainings für Kinder mit Lernschwierigkeiten anzustreben, da so Lernerfolge, erhöhtes Lernengagement und eine größere Motivation erzielt werden können (Ronimus et al., 2019). In der frühen Förderung von Kindern mit schriftsprachlichen Minderleistungen kann Lautarium also ein adäquates Anforderungsniveau abbilden, auch wenn individuell stets beobachtet werden sollte, ob das Training eine Über- oder auch Unterforderung darstellt. Der organisatorische Aufwand wurde von den Lehrkräften als belastend eingeschätzt. Erschwerend wirkte ein Stundenplan, der wenig Freiräume für individuelle oder zieldifferenzierende Förderung ließ. So musste das Training u.a. in Unterrichtsstunden durchgeführt werden, die eigentlich für die Erarbeitung neuer Unterrichtsinhalte genutzt werden sollten. Dennoch möchten die Mehrheit der Lehrkräfte Lautarium weiterhin in ihrem Unterricht einsetzen.
Limitationen
Die teilnehmenden Kinder wurden über ein Screening ausgewählt und mussten das Kriterium T-Wert < 40 im durchgeführten Lese- und/oder Rechtschreibtest erfüllen. Daher ist nicht auszuschließen, dass auch Kinder mit durchschnittlichen Lese- oder Rechtschreibleistungen zu den ermittelten Trainingseffekten beigetragen haben. Ebenfalls ist nicht auszuschließen, dass durchschnittliche Leistungen Trainingseffekte reduziert haben könnten.
In dieser Studie konnten kurzfristige Effekte zum Posttest ermittelt werden. Das geplante Follow-up zur Ermittlung anhaltender Effekte nach einer trainingsfreien Zeit konnte durch die Schulschließungen in der ersten Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 nicht wie geplant in allen beteiligten Schulen durchgeführt werden. Der Nachweis anhaltender Wirksamkeit des Trainingsprogramms in einem randomisierten Design steht damit noch aus.
Eine weitere Limitation ist eine fehlende aktive Kontrollgruppe. Um auszuschließen, dass die Effekte nicht durch die Besonderheit eines Trainings an sich und den damit verbundenen Zuwendungen oder durch die Attraktivität eines Computertrainings – ungeachtet der trainierten Inhalte – entstehen, sollten die Kinder der Kontrollgruppe ebenfalls ein computerbasiertes Training durchführen. Eine aktive Kontrollgruppe konnte aber seitens der partizipierenden Schulen nicht organisiert werden.
Limitierend bezüglich der Höhe der erzielten Effektstärken kann der plötzliche Abbruch des Trainings sein. Im Mittel wurden 77.7% der Übungsspiele absolviert und nur 52% der Kinder konnten das Training in der vorgesehenen Trainingszeit beenden. Möglicherweise werden dadurch die Trainingseffekte unterschätzt und höhere Effektstärken wären bei vollständiger Bearbeitung der Trainingsspiele möglich.
Zusammenfassung
Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass Lautarium effektiv zur früh einsetzenden Förderung des Schriftspracherwerbs bei Kindern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten eingesetzt werden kann. Im schulischen Alltag führten die Kinder das Training selbstständig und motiviert durch. Das Anforderungsniveau der Übungsspiele zeigte sich für diese Kinder zu Beginn der zweiten Grundschulklasse als adäquat.
Relevanz für die Praxis
Für Kinder, die bereits zu Beginn der schriftsprachlichen Entwicklung Minderleistungen im Lesen und Schreiben zeigen, besteht im weiteren Verlauf die Gefährdung, dass sich diese Rückstände in einer Lese-Rechtschreibstörung manifestieren. Eine früh einsetzende Förderung kann dieser Entwicklung und den damit verbundenen sekundären Folgen, wie Beeinträchtigungen des schulischen Selbstkonzepts und der psychischen Gesundheit entgegenwirken (Fischbach et al., 2013). Erforderlich sind wissenschaftlich fundierte und bezüglich ihrer Wirksamkeit geprüfte Trainingsverfahren. Phonologisch-orientierte und mit schriftsprachlichen Übungen kombinierte Verfahren haben sich als wirksam erwiesen (Galuschka et al., 2014). Als Computerprogramm umgesetzt können sie weitgehend selbstständig von den Kindern durchgeführt werden. Computerbasierte Verfahren eignen sich für den Einsatz im schulischen Kontext (z.B. in Freiarbeitsphasen oder im zieldifferenzierenden Unterricht), im häuslichen Umfeld oder auch begleitend zu einer lerntherapeutischen Maßnahme. Mit Lautarium steht ein grapho-phonologisches Trainingsprogramm zur Verfügung, das sich bereits in Studien mit Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung, schwachen Lese-Rechtschreibleistungen oder einem Migrationshintergrund als wirksam in der Förderung phonologischer und schriftsprachlicher Leistungen erwiesen hat (Klatte et al., 2016, Konerding et al., 2021, Konerding et al., 2020). Die hier vorliegende Studie repliziert die Ergebnisse in einem randomisierten Design und unterstreicht damit die Aussage, dass Lautarium ein wirksames und empfehlenswertes Förderinstrument ist. Da Lautarium an der alphabetischen Phase des Schriftspracherwerbs (vgl. Frith, 1986, Scheerer-Neumann, 2018) ansetzt und eine segmental-orientierte Lese-Rechtschreibroute fördert, ist es insbesondere in der frühen Förderung des Schriftspracherwerbs empfehlenswert.
Wir bedanken uns bei den Schulleitungen, Lehrkräften, Kindern und Eltern der partizipierenden Schulen in Sachsen-Anhalt sowie den Schulpsychologinnen und Schulreferentinnen des Staatlichen Schulamtes Halle für Ihre Teilnahme, Unterstützung, die gute Zusammenarbeit und das entgegengebrachte Vertrauen.
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