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TBS-DTK-Rezension

Cito-Sprachtest (Version 3). Digitale Sprachstandfeststellung im Elementarbereich von Cito Deutschland

    Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000460

    Cito-Sprachtest. Version 3. Digitale Sprachstandfeststellung im Elementarbereich von Cito Deutschland. 3. Auflage

    Beschreibung des Tests und der diagnostischen Zielsetzung

    Der „Cito-Sprachtest“ ist ein standardisiertes, digitales Verfahren zur Erfassung der rezeptiven Sprachkompetenzen bei Kindern im Vorschulalter. Der Test liegt auf Deutsch (DE) und auf Türkisch (TR) vor und kann bei einsprachigen und bei bilingualen Kindern eingesetzt werden. Ziel ist es, noch vor der Einschulung festzustellen, ob ein Kind über ausreichende sprachliche Fähigkeiten verfügt, um dem Unterricht in der Grundschule zu folgen oder ob ein möglicher Sprachförderbedarf vorliegt.

    Der Test umfasst die vier Subskalen „Passiver Wortschatz“ (DE: n = 45 Items; TR: n = 60 Items), „Kognitive Begriffe“ (DE: n = 46 Items; TR: n = 65 Items), „Phonologische Bewusstheit“ (DE: n = 20 Items; TR: n = 30 Items) und „Textverständnis“ (DE: n = 20 Items; TR: n = 20 Items), die aus Multiple Choice- bzw. Richtig-Falsch-Aufgaben bestehen und von einer Frauenstimme gesprochen werden. Eine animierte Identifikationsfigur begleitet die Kinder während der gesamten Testbearbeitung, die im Einzelsetting am Computer erfolgt. Laut Angaben der Autoren sind Einsatzbereiche des Cito-Sprachtests Kindertagesstätten, Grundschulen und logopädische Praxen, aber auch die universitäre Forschung.

    Bewertung des Informationsgehalts der Verfahrenshinweise

    Die Anforderungen an das technische Equipment und das Vorgehen zur Vorbereitung der Testsitzung werden in den Verfahrenshinweisen beschrieben. Für die Durchführung der deutschen Testversion werden etwa 25 Minuten veranschlagt, für die türkische etwa 40 Minuten. Die Testdurchführung, -auswertung und -interpretation erfolgen computergestützt. Das Vorgehen bei der Datenauswertung und -interpretation wird jedoch nicht erläutert, was die Nachvollziehbarkeit erschwert.

    Empirische Studien zur Ermittlung der teststatistischen Kennwerte liegen vor, werden aber nicht ausreichend transparent dargestellt. Dies gilt insbesondere für die Ausführlichkeit der Stichprobenbeschreibung und der Durchführungsbedingungen. Informationen zum Stichprobenplan und zur Teilnahmequote fehlen in den Verfahrenshinweisen.

    Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

    Die Entwicklung des „Cito-Sprachtests“ erfolgte auf Basis des niederländischen Sprachtests „Zweisprachigkeit“, dessen theoretische Grundlagen in den Verfahrenshinweisen allerdings nicht dargestellt werden. Es handelt sich dabei um ein Paper-Pencil-Verfahren, das in den Niederlanden seit 1995 zur Erfassung bilingualer Fähigkeiten von Kindern zwischen vier und sieben Jahren eingesetzt wird und als reliabel und valide gilt. Die deutsche Testadaption als computerbasiertes Verfahren erfolgte im Auftrag der Stadt Duisburg. Die vier rezeptiven Subskalen wurden ausgewählt, da sich die beiden expressiven Subskalen nicht für das computerbasierte Vorgehen eigneten. Eine linguistische oder entwicklungspsychologische Begründung für die ausgewählten Skalen geben die Autoren nicht. Weiterhin bleibt unklar, auf welcher Basis die Auswahl der Zielwörter des Tests erfolgte und weshalb grammatische Kompetenzen nicht berücksichtigt wurden.

    Objektivität

    Die Durchführungsobjektivität kann aufgrund der vollständig computergestützten Administration als gegeben vorausgesetzt werden. Der Umgang mit der Computermaus wird zu Beginn der Testsitzung geübt. Alle Instruktionen sowie die Beispiel- und Testitems werden den Kindern in stets derselben Abfolge und in leicht verständlicher und kindgerechter Sprache vorgetragen. Einmal gegebene Antworten können nicht korrigiert werden. Die Testsitzung kann jederzeit unterbrochen und später fortgesetzt werden. Auch die Auswertung und Interpretation erfolgen automatisiert. Die Antworten der Kinder können eindeutig als richtig oder falsch eingeordnet werden. Für jedes richtig gelöste Item wird ein Punkt vergeben, die Skalenrohpunktwerte werden anschließend aufsummiert und mit den Normwerten für jede Skala verglichen. Unvollständig bearbeitete Subskalen werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Das Auftreten und die Bedeutung von Messfehlern für die Interpretation von Testergebnissen werden nicht den üblichen Konventionen entsprechend (das heißt unter Berücksichtigung von Konfidenzintervallen) thematisiert, wodurch die Interpretationsobjektivität eingeschränkt ist. Da der Test in der Praxis vorrangig von Personen ohne teststatistische Vorkenntnisse durchgeführt werden dürfte, wären entsprechende Hinweise jedoch besonders wichtig gewesen, um eine verantwortungsvolle Interpretation der Testergebnisse zu ermöglichen.

    Normierung

    Die Normierung erfolgte auf Basis von Fachliteratur und Expertinnen- bzw. Expertenmeinungen sowie unter Berücksichtigung der Testergebnisse von mehreren tausend Kindern, jedoch ohne dass das Vorgehen oder die Stichprobe näher beschrieben werden. Die Normierungstabelle der deutschsprachigen Version ist in drei Altersgruppen unterteilt (4;3 bis 4;9 Jahre, 4;10 bis 5;9 Jahre und 5;10 bis 6;11 Jahre). Für die türkischsprachige Version liegen nur Normen für eine Altersstufe (5;0 bis 6;6 Jahre) vor. Zur Einschätzung der sprachlichen Leistungen werden die Summenwerte eines Kindes einer von drei vorab definierten Kategorien („förderbedürftig“, „nicht förderbedürftig“, „gut“) zugeordnet. Da die Einstufung für alle vier Skalen getrennt erfolgt, können die individuellen Leistungsprofile in der Förderung entsprechend berücksichtigt werden. Ein Vergleich individueller Testleistungen mit den Testleistungen einer in relevanten Merkmalen vergleichbaren Normstichprobe (zum Beispiel auf Basis von Prozenträngen oder T-Werten) ist nicht möglich.

    Zuverlässigkeit

    Die Reliabilität der vier Skalen wurde über die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) ermittelt und liegt für die Skalen „Passiver Wortschatz“ und „Kognitive Begriffe“ im hohen Bereich (α = .91 und α = .88 für die deutschsprachige sowie α = .85 bzw. α = .84 für die türkischsprachige Version). Für die Skalen „Phonologische Bewusstheit“ und „Textverständnis“ werden in der deutschsprachigen Version akzeptable Werte erreicht (α = .79 bzw. α = .76); für die türkischsprachige Version fallen sie für die „Phonologische Bewusstheit“ gut (α = .84), für das „Textverständnis“ noch akzeptabel (α = .69) aus.

    Gültigkeit

    In beiden Testversionen bestehen positive Korrelationen zwischen allen Subtests. Die Autoren interpretieren dies als Hinweis auf Eindimensionalität, die allerdings weder theoretisch vorgeschlagen noch bei der Auswertung berücksichtigt wird. Zudem bleiben die tendenziell geringeren Interkorrelationen in der türkischen Testversion unberücksichtigt. Angaben zur Kulturunabhängigkeit basieren auf einem rein deskriptiven Vergleich der Testleistungen von Kindern aus Deutschland, den Niederlanden und der Türkei und sind aufgrund der Datenbasis und der fehlenden Überprüfung der Messinvarianz als wenig belastbar einzustufen.

    Analysen zur konvergenten und divergenten Validität fehlen ebenso wie Hinweise, die zur Einschätzung der Konstruktvalidität dienen können. Angesichts der Ziele des „Cito-Sprachtests“ wären insbesondere eine nachvollziehbare Darstellung der Sensitivität und Spezifität der Cutoff-Werte sowie Analysen zur prognostischen Validität für die schulischen Leistungen in der Grundschule von Interesse.

    Weitere Gütekriterien

    Da der „Cito-Sprachtest“ ein Fähigkeitstest ist, kann eine Verfälschbarkeit im Sinne des Faking-Good ausgeschlossen werden. Das Risiko von Faking-Bad ist angesichts des Alters der Zielgruppe und der diagnostischen Zielsetzung des Verfahrens als äußerst gering einzuschätzen. Es liegen geeignete Hinweise zur Testvorbereitung und -durchführung vor, um Störungen zu vermeiden und auf Bedürfnisse der Testpersonen zu reagieren (zum Beisoiel zum Technik-Check und zur Herstellung einer kindgerechten Atmosphäre). Das Ausmaß der Störanfälligkeit gegenüber aktuellen Zuständen und situativen Faktoren ist somit als gering einzuschätzen. Auch das Nebengütekriterium der Zumutbarkeit kann als erfüllt betrachtet werden: nur wenige Kinder verweigern den Test (0,5 Prozent) oder brechen die Durchführung ab (4,0 Prozent). Konzentrationsprobleme aufgrund der Testlänge werden für 2,0 Prozent der Kinder berichtet (Hochstein, 2014). Eine Skalierung nach dem Rasch-Modell wurde nicht vorgenommen. Inwieweit die numerischen Testwerte die empirischen Leistungsrelationen adäquat widerspiegeln, wird nicht diskutiert.

    Abschlussbewertung

    Durch die computerbasierte Durchführung ermöglicht der „Cito-Sprachtest“ eine standardisierte, objektive und ökonomische Erfassung des Sprachverständnisses im Deutschen und im Türkischen bei Kindern im Vorschulalter. Gegenüber Verfahren mit vergleichbarer Zielsetzung zeichnet er sich vor allem durch die sehr einfache Handhabung sowie die automatisierte Ergebnisauswertung und -interpretation aus. Positiv hervorzuheben ist zudem die motivierende und kindgerechte Gestaltung des Testverfahrens.

    Die Eignung des Verfahrens zur Sprachstandsbestimmung und zur Feststellung eines eventuellen Förderbedarfs lässt sich anhand der verfügbaren Informationen nur eingeschränkt beurteilen. Dies ist neben den fehlenden Analysen zur Validität vor allem der geringen Transparenz im Hinblick auf die theoretischen Grundlagen und die Testauswertung und -interpretation geschuldet. Die Nutzerfreundlichkeit und Lesbarkeit der Verfahrenshinweise könnten durch die Integration der verschiedenen Dokumente (wissenschaftlicher Bericht, Begleitbroschüre, Datenblatt) sowie die Korrektur von sprachlichen und formalen Fehlern erhöht werden.

    Formalisierte Bewertung

    Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß TBS-DTK (Diagnostik- und Testkuratorium, 2018) erstellt.

    Diagnostik- und Testkuratorium (2018). TBS-DTK. Testbeurteilungssystem des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 3. Januar 2018. Report Psychologie, 43, 106 – 113.

    Diagnostik- und Testkuratorium (2018). TBS-DTK. Testbeurteilungssystem des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 3. Januar 2018. Psychologische Rundschau, 69, 109 – 116.

    Testinformationen

    Kamphuis, F., Konak, Ö. A. & Duindam, T. (2014). Cito-Sprachtest. Version 3. Digitale Sprachfeststellung im Elementarbereich. Cito Deutschland. PC DVD ROM.

    Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Straße 4, 37079 Göttingen. Pro-Version, netzwerkfähig (Einzelplatz), 329,00 Euro.

    Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Heppt, B. & Jungmann, T. (2020). TBS-DTK-Rezension: “Cito-Sprachtest (Version 3). Digitale Sprachfeststellung im Elementarbereich“. Psychologische Rundschau, 71, 80 – 82.

    Literatur