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Open AccessOriginalarbeit

1999 – 2020: Die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000547

Abstract

Zusammenfassung. Das Psychotherapeutengesetz von 1998 hat die Stellung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Deutschland gestärkt, jedoch auch dringliche Wünsche offen gelassen. Nach zehnjähriger Diskussion entstanden die ersten Entwürfe für eine grundlegende Novellierung des bestehenden Gesetzes. Das Bundesgesundheitsministerium beteiligte etwa 60 Verbände und Interessenvertretungen an der Vorbereitung eines Reformgesetzes sowie einer neuen Approbationsordnung, darunter die Bundespsychotherapeutenkammer, die Deutsche Gesellschaft für Psychologie und den Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Vorrangig war die Gleichstellung der Psychotherapie mit anderen akademischen Heilberufen durch Einführung einer einheitlichen Approbation für Psychotherapie nach einem B.Sc./M.Sc.-Studiengang. Dabei konkurrierten ein eher multidisziplinäres Studienmodell, das schon ab dem ersten Semester eine Ausbildung in Psychotherapie vermittelt, und ein eher disziplinär ausgerichtetes Modell, das eine Spezialisierung auf Psychotherapie im zweiten Abschnitt des Psychologiestudiums vornimmt.. Anhand von Dokumenten und Druckschriften wird die Vorgeschichte des 2019 erlassenen Reformgesetzes und der 2020 nachfolgenden Approbationsordnung rekonstruiert.

From 1999 to 2020: Amendment of the Psychotherapist Act

Abstract. The psychotherapist act of 1998 strengthened the position of psychotherapists in Germany, but also left some urgent wishes unsatisfied. Following a 10-year discussion, the first drafts of a radical amendment of the existing law emerged. The Federal Ministry of Health involved around 60 associations and advocacy groups in the preparation of a reform bill as well as a new licensure act, including the German Chamber of Psychotherapists, the German Psychological Society, and the German Association of Professional Psychologists. Priority was given to putting psychotherapy on an equal footing with other academic health professions by introducing a uniform licensure for psychotherapy following the MSc degree. For the study course, a multidisciplinary model, which already imparted psychotherapy training from the first semester, competed with a disciplinary model, which involved undertaking a psychotherapy specialization in the second phase of a psychology program. Based on documents and printed materials, the historical background to the reform bill passed in 2019 and that to the subsequent licensure act of 2020 are reconstructed.

Der Weg zur Reform der Psychotherapeuten- und Psychotherapeutinnenausbildung

Das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aus dem Jahre 1998 hat den therapeutisch tätigen Psychologen, Psychologinnen, Pädagoginnen und Pädagogen in Deutschland zum Durchbruch als Berufsstand verholfen (s. Schulte, dieses Heft). Ein Beruf, d. h. eine aufgrund von spezifischer Qualifikation dauerhaft und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit, war die von Psychologinnen, Pädagoginnen, Psychologen und Pädagogen geleistete Psychotherapie schon vorher gewesen (siehe die vorangehenden Beiträge in diesem Heft). Doch nun war Psychotherapie als Heilberuf staatlich anerkannt, in das öffentliche Gesundheitssystem eingegliedert und vor unlauterer Konkurrenz geschützt. Das Gesetz wurde vielfach, doch nicht einhellig begrüßt. Wie groß waren die Chancen und Herausforderungen, die das Gesetz bot (Schulte, 1999)? War es ein „Fortschritt mit Schattenseiten“ (Kleiber, 1997), oder drohte es gar, zum „Grab der Psychologischen Psychotherapie“ (Mücke, 2001) zu werden? Zum ersten „runden Geburtstag“ des Psychotherapeutengesetzes gab Vangermain (2010) eine Zusammenfassung der oft leidenschaftlich geführten Diskussion und stellte zweifelnd die Frage nach der Zukunftssicherheit des Gesetzes.

Von mehreren Seiten wurden Nachbesserungen angemahnt. Doch wurde bald klar: Einzelne Korrekturen und Ergänzungen reichten nicht aus; es bedurfte einer umfassenden Novellierung. Nach den Bundestagswahlen im Jahr 2013 nahmen die Regierungsparteien die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes als Ziel in ihren Koalitionsvertrag auf. Doch erst in der folgenden Legislaturperiode, im Februar 2019, veröffentlichte das Gesundheitsministerium den Entwurf eines neuen Gesetzes. Den nach Anhörungen der Verbände beim Ministerium und beim Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages modifizierten Entwurf verabschiedete der Deutsche Bundestag im September 2019. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz im November 2019 zu, nachdem er sich mit dem Bundestag über weitere Modifikationen verständigt hatte.

Die Ausbildung und Prüfung nach dem neuen Gesetz war im Einzelnen vom Gesundheitsministerium zu regeln. Dazu veröffentlichte das Ministerium im Oktober 2019 den Entwurf einer Approbationsordnung. Nach Anhörung der Verbände und durch Beschlussfassung des Bundesrates im Februar 2020 modifiziert, erließ das Ministerium die Approbationsordnung März 2020. Das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung – so sein endgültiger Titel – sowie die neue Approbationsordnung traten am 1. September 2020 in Kraft. Damit traten das Gesetz von 1998 sowie die vorherigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für Psychologische Psychotherapeuten sowie für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten außer Kraft. (Für Personen, die vor Inkrafttreten der neuen Regelungen ihr Studium oder ihre postgraduale Psychotherapieausbildung begonnen haben, gelten die vorherigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen noch bis 2032.)

Warum Novellierung? Neue Entwicklungen und Desiderate

Die Praxis der Psychotherapie hatte durch internationale Standardisierung einen Aufschwung erfahren. Diagnosesysteme wie die International Classification of Diseases – German Modification (ICD-GM) präzisierten Störungsbilder und aktualisierten die Liste zu behandelnder Störungen. Für die Behandlung boten sich immer mehr elaborierte Verfahren mit zertifizierter Aus- und Weiterbildung an (z. B. Linden & Hautzinger, 2015). Untersuchungen zur Bewährungskontrolle (z. B. Grawe, Donati & Bernauer, 1994) schärften trotz kontrovers diskutierter Ergebnisse das Qualitäts- und Selbstbewusstsein des Berufsstandes. Eine unmittelbare Konsequenz war die Forderung nach Kompetenzen, wie sie bisher der Ärzteschaft vorbehalten waren: Verschreibung von Pharmaka, Ausstellung von Berufsunfähigkeitsbescheinigungen, Einweisungen zur stationären Behandlung. Überhaupt erschien die rechtliche Gleichstellung mit andern akademischen Heilberufen als erstrebenswertes Reformziel.

Zudem weitete sich das Berufsbild in der Psychotherapie. Die Tätigkeit sollte sich nicht auf die Intervention im individuellen Krisenfall beschränken. Die aufkommende Gesundheitswissenschaft und -politik verlangten mehr: Prävention und Rehabilitation. Prävention sollte helfen, einerseits gesundheitsfördernde Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, andererseits zu gesundheitsförderndem Verhalten anzuleiten. Rehabilitation sollte Prozesse der Gesundung und Erholung unterstützen. Aufgaben der Therapie, Prävention und Rehabilitation führten oft aus dem Behandlungszimmer der Privatpraxis oder der Klinik hinaus – etwa in die Erziehungsberatung (Hensen & Körner, 2005) oder in die Sozialarbeit der Gemeinden (Pauli & Schmude, 2004). Die Zuwendung zur Prävention versprach einen „gesundheitspolitischen Paradigmenwechsel“ mit „ökologischem Denken und Zukunftsvorsorge“ (Hardt, 2005).

Die Weitung des Berufsbildes ging mit einer zunehmenden Offenheit für konkurrierende Therapieansätze einher. Die Psychotherapie war gewachsen mit Therapierichtungen, die – meist einem Schulgründer oder einer Schulgründerin verpflichtet – ihr eigenes Menschenbild, eigene Störungstheorien und eigene Behandlungsmethoden pflegten. Eine neue Generation von Therapeutinnen und Therapeuten wollte sich nicht mehr auf die Exklusivität von Therapieschulen einlassen. Sie bevorzuge das eklektische Vorgehen, die fallweise wechselnde Wahl einer Theorie und Methode oder gar die Kombination von Elementen aus unterschiedlichen Theorien und Methoden – so Krampen (2002). Im Interesse einer derart integrativen Psychotherapie plädierte Kriz (2005) für eine richtungsübergreifende Ausbildung, die mehr auf die „Passungen“ als auf die Grenzen zwischen den herkömmlichen Richtungen achtet.

Die Gesundheitspolitik der Jahre nach 2000 war zunehmend alarmiert durch den steigenden Bedarf an Psychotherapie. Die 12-Monats-Prävalenz von psychischen Störungen in der deutschen Bevölkerung lag bei knapp 30 %, und die dadurch bedingten Ausfallzeiten waren höher als bei körperlichen Krankheiten. Trotz steigender Zahl von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten war eine Unterversorgung der Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen zu beklagen (Jacobi, Höfler, Strehle, Mack, Gerschler et al., 2014; Jacobi, Jungfer, Schuhmann & Thom, 2019).

Wie weit bedurften die beiden Psychotherapieausbildungen einer Reform? Mit dem Verlauf und den Erfolgen der nachuniversitären Psychotherapieausbildung zeigten sich sowohl die Auszubildenden als auch die Ausbildungseinrichtungen überwiegend zufrieden. Das ergab ein vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenes umfangreiches Forschungsgutachten, das Bernd Strauß vom Universitätsklinikum Jena mit zahlreichen Mitautoren 2009 vorlegte. Das Gutachten dokumentierte eine prekäre wirtschaftliche und soziale Lage der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA). Die Ausbildung dauerte mindestens drei Jahre, aus persönlichen Gründen jedoch oft länger. Damals seien Gebühren von 20.000 – 30.000 Euro entstanden. Die PiAs gaben an, ihre Einnahmen aus Ausbildungstherapien würden die Ausbildungskosten nicht decken, erst recht nicht die Kosten der Lebenshaltung (Strauß et al., 2009, S. 225). Dabei seien PiAs nach kurzer Einweisung selbständig therapeutisch tätig und generierten so Einnahmen für ihre Ausbildungsinstitutionen; an diesen Einnahmen seien sie durchschnittlich nur zu 30 % beteiligt. Einer ergänzenden Befragung (Hölzel, 2006) war zu entnehmen: Ein Nebenerwerb sei bei einer Ausbildungszeit von durchschnittlich etwa 30 Wochenstunden nur begrenzt möglich. Nicht die Ausbildungen selbst verlangten also eine Änderung, doch die prekäre und teilweise ungerechte finanzielle Situation der Auszubildenden.

Eine universitäre Direktausbildung und Weiterbildung versprach der Psychotherapie als Heilberuf Qualität und Zukunftssicherheit (Fydrich, Abele-Brehm, Margraf, Rief, Schneider & Schulte, 2013). Die Hochschulen erlebten selbst eine tief greifende Reform. Im selben Jahr 1998, in dem das erste Psychotherapeutengesetz verabschiedet wurde, vereinbarten die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten in Bologna eine Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen. Im Zuge des sogenannten Bologna-Prozesses wichen die bisherigen Diplomstudien zweistufigen (konsekutiven) Studiengängen mit den Abschlüssen „Bachelor (BA, B.Sc.)“ und „Master (MA, M.‍Sc.)“ – so auch in Pädagogik und Psychologie. Die Umstellung vollzog sich an den deutschen Hochschulen von 2003 bis 2009. Das neue, der Vorbereitung auf den Psychotherapieberuf dienende Studium war also sogleich dem BA / MA-Format anzupassen.

Probleme bereiteten die neuen Abschlüsse zunächst für die Zulassung zur Therapieausbildung. Sofern der Masterabschluss das bisherige, nach fünfjährigem Studium zu erwerbende Diplom ersetzte, war zwar die gesetzliche Zulassungsvoraussetzung für die Therapieausbildung erfüllt. Doch galt nach dem Willen der Kultusminister auch der Bachelorabschluss als berufsqualifizierend. Sollte also auch ein Bachelorgrad zur Ausbildung berechtigen – und das nach einer Studienzeit von drei Jahren? Oder sollte der Bachelorabschluss zwar nicht Voraussetzung für Psychologische Psychotherapie sein, aber doch immerhin für eine Assistenz in derselben (Alpers & Vogel, 2004)? Nun konnte man sich darauf berufen, dass die Zulassung bei Inkrafttreten des Gesetzes ein fünfjähriges Studium voraussetzte und dies nach der Bologna-Reform weiterhin gelten müsse. Der Beruf eines niedriger dotierten Psychotherapie-Assistenten sei dagegen weder im Interesse der Patientinnen und Patienten noch des Berufsstandes (Groeger, 2006). Zudem verwies Groeger bereits 2006 auf ein neues Problem: Die Zulassung zum Psychologiestudium an staatlichen Universitäten war stark begrenzt. Doch neue psychologische Studiengänge waren an Fach- und Privathochschulen entstanden. Tatsächlich waren von den rund 75.000 Studierenden in Deutschland (ohne Fernuniversität Hagen) im Jahre 2016 rund 23.000 an Fachhochschulen eingeschrieben (Antoni, 2019, S. 7 – 8).

Als die Studienpläne für das Fach Psychologie vom Diplom- auf das BA / MA-Format umgestellt wurden, also lange vor der nunmehr beschlossenen Reform, siedelten die meisten Institute Klinische Psychologie vertieft im zweiten, zum Mastergrad führenden Studienabschnitt an, teilweise auch einführend im ersten, mit dem Bachelorgrad abzuschließenden Abschnitt. Sie folgten damit den Interessen und Berufswünschen vieler Studierender. Die Zuwendung der universitären Klinischen Psychologie zur Praxis der Psychotherapie wurde zudem deutlich an der Gründung und dem Ausbau psychotherapeutisch betriebene Hochschulambulanzen, ermächtigt nach § 117, Sozialgesetzbuch V (Fydrich & Unger, 2013).

War es angesichts des erwiesenen gesellschaftlichen Bedarfs nicht überhaupt geboten, das Studium der Psychologie noch konsequenter auf Psychotherapie zu fokussieren? Diese Meinung vertrat 2007 eine Gruppe von vier Hochschulvertretern und einer Hochschulvertreterin in einem als „Standortbestimmung“ deklarierten Aufsatz (Rief, Hautzinger, Rist, Rockstroh & Wittchen, 2007). Sie riefen dazu auf, „auf die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu reagieren“ und eine „Spezialisierung innerhalb des Psychologie-Studiums zu wagen“. Dazu sei Klinische Psychologie auf Psychotherapie auszurichten und davor Psychologie auf Klinische Psychologie. Die genannten Autoren wollten ihre Lehre und Forschung innerhalb der bestehenden psychologischen Institutionen verorten.

Über die disziplinäre Psychologie hinaus ging das Konzept, der Psychotherapie, die sich bereits als Beruf verselbständigt hatte, auch als Wissenschaft einen eigenen Status zu geben – als Psychotherapiewissenschaft. Im Rahmen einer selbständigen Psychotherapiewissenschaft sollten alle, auch anderen Wissenschaften entstammende, Ansätze gesammelt und integriert werden, die der Diagnose und Therapie psychischer Störungen dienen – eine Aufgabe für das 21. Jahrhundert (Gilbert & Kirby, 2019).

Die Diskussion in den Psychotherapieverbänden warf zwei Grundsatzfragen auf: Die Frage nach der Einheit der Psychotherapie und die Frage nach der Eigenständigkeit der Psychotherapieausbildung. Zum einen: Sollte es auch in Zukunft getrennte Berufe für Erwachsenen- sowie für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie geben, die einen mit einem Studium der Psychologie, die anderen mit einem Studium der Pädagogik? Zum anderen: Sollte die Vorbereitung auf den Psychotherapieberuf konsekutiv erfolgen oder „direkt“? Das konsekutive Modell entsprach der bestehenden Regelung, nach der ein universitäres Fachstudium der außeruniversitären Ausbildung in Psychotherapie vorangeht; nach dem Modell der Direktausbildung dient das Studium in seinem gesamten Verlauf der Psychotherapieausbildung – unbeschadet einer fachlichen Weiterbildung nach Studienabschluss (zusammenfassend Strauß et al., 2009, S. 360 – 366).

Die beteiligten Verbände, Vereinigungen, Hochschulen

Als 1990 das Psychotherapeutengesetz in Kraft trat, hatten sich Psychotherapeuten – teilweise schon seit vielen Jahren – zur Pflege spezifischer Richtungen zusammengeschlossen – so zu der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, zur Deutschen Gesellschaft für Analytische Psychologie und zur Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie. Der berufspolitischen Interessenvertretung und dem richtungsübergreifenden Austausch widmeten sich die 1984 gegründete Vereinigung der Kassentherapeuten und der 1992 gegründete Deutsche Psychotherapeutenverband, die sich 2006 zur Deutschen Psychotherapeutenvereinigung fusionierten. Psychotherapeutisch tätige Psychologinnen und Psychologen waren zudem in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) vertreten (seit 1984 mit einer eigenen Fachgruppe „Klinische Psychologie“) sowie innerhalb des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) (ab 1963 mit einer Sektion „Klinische Psychologie“). Innerhalb des Berufsverbandes wurde 1993 der „Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“ zu einer Interessenvertretung mit eigenen Kompetenzen. Maßgeblich war unter den internationalen Vereinigungen die European Association for Psychotherapy, ein Zusammenschluss von 128 europäischen Therapieverbänden.

Alle genannten Vereinigungen und Gesellschaften in Deutschland waren Vereine bürgerlichen Rechts. Nachdem durch das Gesetz von 1998 Psychotherapie in das öffentliche Gesundheitssystem eingegliedert war, wurden in den Bundesländern Psychotherapeutenkammern eingerichtet. Die Kammern waren Körperschaften öffentlichen Rechts; sie nahmen unter staatlicher Aufsicht Aufgaben der Selbstverwaltung wahr. 2003 haben sich die Psychotherapeutenkammern aus neun Ländern zur Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zusammengeschlossen (Kommer & Wittmann, 2002). Bis 2019 gehörten sämtliche zwölf Landeskammern der BPtK an. Für beruflich tätige Psychologische Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und –therapeutinnen ist die Mitgliedschaft in der Kammer ihres Bundeslandes Pflicht; die BPtK vertrat im Jahre 2019 über 50.000 Mitglieder. Delegierte aus allen Bundesländern treffen sich zweimal jährlich zu einem Deutschen Psychotherapeutentag, dessen Beschlüsse für das Präsidium der BPtK maßgebend sind. Die BPtK, die Landespsychotherapeutenkammern und der Deutsche Psychotherapeutentag sind nach dem Vorbild der Bundesärztekammer, der Landesärztekammern und des Deutschen Ärztetages organisiert. Ihre bundesweite Repräsentanz hat ihnen eine gewichtige Rolle in der Gesundheitspolitik verschafft. So wurde ihre zentrale Vertretung, die BPtK, zu einer dominierenden Kraft in der Debatte zur Novellierung des Psychotherapeutengesetzes von 1998.

Zu den Beratungen über die Gesetzesreform hat das Gesundheitsministerium die Bundespsychotherapeutenkammer sowie die psychotherapeutischen Fachverbände, den BDP und die DGPs hinzugezogen, weiterhin Vertreterinnen der Studierenden und der PsychotherapeutInnen (sic!) in Ausbildung. Die Ärzteschaft war vertreten, die kassenärztlichen Vereinigungen, die Krankenkassen sowie potentielle Patientengruppen (u. a. Behinderte, Krebskranke). nsgesamt waren rund 60 Verbände und Interessenvertretungen an den Beratungen beteiligt. 2018 nahm auch der Wissenschaftsrat, das hochschulpolitische Beratungsgremium des Bundes und der Länder, Stellung.

Soweit die geplante Novellierung das Berufsbild und die nachuniversitäre Ausbildung betraf, waren die Hochschulen nicht unmittelbar betroffen. Doch bei einer Reform, welche eine Approbation sofort nach Studienabschluss ermöglichen sollte, fiel ihnen eine Schlüsselrolle zu. Denn der Gesetzgeber und das Gesundheitsministerium konnten zwar die Anforderungen an eine zur Approbation führende Ausbildung festlegen; die Einrichtung entsprechender Studiengänge lag im Ermessen der Hochschulen. In der DGPs war ein Großteil der akademischen Lehrkräfte organisiert; ihr Anteil an den Mitgliedern betrug 2014 rund 90 % (Margraf, 2015a, S. 16). Die Gesellschaft suchte darüber hinaus, eine Verbindung zwischen den psychologischen Lehreinrichtungen selbst herzustellen (Margraf, 2015a, S. 54). Die DGPs richtete daher eine Fachgruppe ein, der Psychologische Institute und Fachbereiche als Mitglieder beitreten konnten. Diese Fachgruppe wurde 2015 unter dem Namen „Fakultätentag Psychologie“ (FTP) gegründet. Bis 2019 traten 54 universitäre Lehreinrichtungen dem FTP bei. In gemeinsamen Stellungnahmen traten der Vorsitzende des FTP und die Präsidentin der DGPs als Doppelspitze auf.

Besonderen Anteil an dem Reformprozess nahm innerhalb der DGPs die oben erwähnte Fachgruppe „Klinische Psychologie und Psychotherapie“. Ihr gehörten im Jahr 2014 etwa ein Sechstel der Mitglieder der Gesellschaft an (Margraf, 2015b, S. 17). Die Fachgruppe richtete 2007 eine Kommission „Modelle im Kontext von neuen Studiengängen sowie der Abstimmung des Studiums mit der Psychotherapieausbildung“ ein. Die Kommission wurde 2010 durch die Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“ (später oft kurz: „Psychologie und Psychotherapie“) der gesamten DGPs abgelöst (Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2007, 2011).

Hochschulstudium, Ausbildung, Weiterbildung: Konzeptionen und Entwürfe

Den Auftakt zu einer Reihe von Entwürfen für eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes bildete ein gemeinsamer Entwurf der Bundespsychotherapeutenkammer und der Fachgruppe Klinische Psychologie für einen neuen Studienplan der Psychologie, wie ihn Strauß et al. (2009, S. 359) wiedergeben. Darin waren aus einem Studiengang mit 300 Leistungspunkten (LP) 85 für allgemeinpsychologische Kenntnisse vorgesehen (allgemeine und differentielle Psychologie, Entwicklungs- und Sozialpsychologie, Biologie, Pädagogik, Diagnostik, Statistische Methodenlehre), 30 LP für klinisch-psychologische Kenntnisse und 35 LP für eine Masterarbeit und Praktika. Dieser Entwurf sah im Übrigen ein Grundstudium der Psychologie sowie eine spätere Ausbildung in Erwachsenenpsychotherapie voraus, neben einem auf Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie vorbereitenden Pädagogikstudium. In eine andere Richtung wies der Auftrag, den im Jahr 2010 der 16. Deutsche Psychotherapeutentag dem Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer erteilte: Er solle sich für eine einheitliche Approbation für Psychotherapie einsetzen. Zugangsvoraussetzung für die Psychotherapieausbildung solle ein Bachelor / Masterstudium sein. Dieses solle grundlegende Kenntnisse aus Psychologie und Pädagogik, Klinischer Psychologie, wissenschaftlicher Methodik sowie aus benachbarten Fachdisziplinen enthalten. Vier Jahre später forderte der 25. Deutsche Psychotherapeutentag ergänzend „eine Approbation nach wissenschaftlichem Hochschulstudium auf Masterniveau“ (Bundespsychotherapeutenkammer, 2014).

Nach dieser Systematik legte der Vorstand der BPtK den Entwurf eines Studienplans vor, der zur Psychotherapeutenausbildung ein Bachelor- / Masterstudium im Umfang von mindestens 260 der 300 zu vergebenden Leistungspunkte vorsah (Bundespsychotherapeutenkammer, 2010). Dies bedeutete den Abschied vom streng disziplinären, psychologischen oder pädagogischen Hochschulstudium als Voraussetzung für Psychotherapie und die Einführung eines disziplinübergreifenden psychotherapiespezifischen Studiums. Die Begriffe „Psychotherapiestudium“ und „Direktstudium Psychotherapie“ sind in den Beschlusstexten von 2010 nicht enthalten, doch wird seitdem die neue Konzeption unter diesen Bezeichnungen diskutiert.

Die Initiative der deutschen Therapeuten konnte sich auf europäischen Konsens berufen. Schon 1990 hatte die European Association for Psychotherapy erklärt: „Psychotherapy is an independent scientific science“. Die Initiative eröffnete auch die Möglichkeit einer Approbation unmittelbar nach Studienabschluss. Übernahm das Studium die Funktion der Ausbildung, wurde die bisherige Ausbildung nach dem Studium zur Weiterbildung. Als Approbierte in Weiterbildung waren dann Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu selbständiger Tätigkeit berechtigt und konnten entsprechend honoriert werden; dies wiederum versprach, ihre – wie oben dargestellt – oft als prekär beklagte Lage zu bessern.

Für ein neu konzipiertes Psychotherapiestudium waren völlig neu eingerichtete Studiengänge denkbar. Doch wer hatte die Mittel für neue Institute mit neuem Lehrkörper, Räumen usw.? In der Regel kam es darauf an, bestehende Ressourcen umzuplanen. Fach- und Privathochschulen, die sich ohnehin schon auf den Gesundheitsbereich spezialisiert hatten, mochte das leicht fallen. Die Psychologischen Instituten und Fachbereiche an staatlichen Universitäten hatten traditionell ein breiteres Fächerspektrum bedient; sie mussten auf eine Lösung bedacht sein, welche ermöglicht, bestehenden Strukturen in die neue Psychotherapieausbildung einzubringen. In dieser Absicht legte 2012 namens der DGPs deren Präsident Peter Frensch dem Bundesgesundheitsministerium und den Bundesländern einen von der Kommission „Psychologie und Psychotherapie“ vorbereiteten „Modellvorschlag Direktausbildung Psychotherapie“ vor. Im Anschluss an den Beschluss des 16. Psychotherapeutentages wurde – möglicherweise als vorab zu evaluierender Modellversuch in Universitäten mit ermächtigter Hochschulambulanz – ein Bachelor / Masterstudium der Psychologie vorgeschlagen, dessen Wahlanteile in Klinischer Psychologie und Psychotherapie für eine Approbation unmittelbar nach Studienabschluss qualifizieren sollten. Die Integration der psychotherapeutischen Ausbildung solle in der Masterphase erfolgen. Der vorgeschlagene Modellversuch wurde freilich nicht realisiert.

Einen Studienplan zur Ausbildung in einem M.Sc. Studium legten im Jahre 2016 die Präsidentin der DGPs und der Vorsitzende der Kommission „Psychologie und Psychotherapie“ in ihren „Standpunkte‍[n] der DGPs zum Studium zur Approbation in Psychotherapie“ vor (Abele-Brehm & Rief, 2016). Der Plan sah eine Vertiefung in Grundlagen, Methodik und Diagnostik vor, mehrfache klinische Anwendungen sowie Praktika. Das vorangehende Bachelorstudium sollte polyvalent sein, so dass „mit diesem Abschluss vielfältige Spezialisierungsmöglichkeiten gewählt werden können“. Zugleich sollte auf allen Qualifikationsebenen – von Bachelorarbeiten bis zu Habilitationsschriften – die empirische Forschung in Klinischer Psychologie gestärkt werden. Die „Trias Forschung, Lehre, praktische Ausbildung“ erfordere dann die Einrichtung und den Ausbau von Hochschulambulanzen, wofür weitere finanzielle Mittel notwendig seien. Mit ihren „Standpunkten“ betonte die DGPs die Unverzichtbarkeit der psychologischen Universitätseinrichtungen für die reformierte Ausbildung der Psychotherapeuten. Zugleich suchte sie in der Konkurrenz der Universitäten mit Fach- und Privathochschulen Maßstäbe zu setzen für die zukünftige Evaluierung psychotherapeutischer Studiengänge.

Zwei Jahre später sprach der damalige DGPs-Präsident Conny Antoni (2019, S. 18) sogar von einer „Trias universitäre Lehre, Forschung und praktische Weiterbildung“. Die Absolventinnen und Absolventen des Psychologiestudiums sollten die Universität nicht alle verlassen müssen, wenn sie eine Weiterbildung in Psychotherapie anstrebten; die Universitäten sollten ebenfalls eine solche anbieten können. Behandlungseinrichtungen mit Aufgaben der Aus- und Weiterbildung, der Forschung und Krankenversorgung verlangten erhebliche zusätzliche Mittel. Doch der Mehraufwand solle nicht zu Lasten nicht-klinischer Teildisziplinen gehen, versprach der DGPs-Präsident.

In den sich intensivierenden Beratungen über die Novellierung bildete sich also eine vor allem von der universitären Psychologie getragenen Position eines approbationskonformen Psychologiestudiums mit einer Psychotherapieausbildung im zweiten Studienabschnitt. Dieser stand die von der Bundespsychotherapeutenkammer vertretene Position einer multidisziplinären Psychotherapieausbildung gegenüber, die bereits im ersten Studiensemester einsetzt. Privat- und Fachhochschulen sowie bisherige Anbieter von zur Ausbildung in der Psychotherapie qualifizierenden Studiengängen betonten ihre Ansprüche auf Beteiligung an der Aus- und Weiterbildung. Ebenso brachten die Ärzteschaft, Studierendenvertreterinnen und Vertreter von Patientengruppen ihre jeweiligen Interessen zum Ausdruck. So gab es zahlreiche Gespräche und Verhandlungen, an denen das Bundesministerium und die Landesministerien für Gesundheit, die DGPs und der BDP, die BPtK und die Länderkammern, Fachverbände, Gruppenvertreter und Politiker beteiligt waren (Margraf, 2015b, S. 57; Antoni, 2019, S. 19 f.).

Entscheidung, Zustimmung, Kritik

Der Gesetzgeber hat schließlich entschieden: Die Aus- und Weiterbildung in Psychotherapie wird derjenigen anderer Heilberufe angepasst. Der § 1‍(3) des Reformgesetzes erweitert das Berufsbild der Psychotherapie auf die Beratung, Prävention und Rehabilitation zur Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit. Die Berechtigung zur Psychotherapie wird durch eine staatliche Approbation erteilt. Die Approbation setzt die „therapeutischen Kompetenzen zur eigenverantwortlichen und selbständigen Berufsausübung“ (§ 27, Approbationsordnung 2020) voraus. Festgestellt werden die Kompetenzen in einer staatlichen Prüfung, die sich in einen mündlich-praktischen Teil sowie einer anwendungsorientierten Parcoursprüfung gliedert – letztere ein originelles Verfahren mit Simulationspatientinnen und Simulationspatienten. Der Vorbereitung auf die Prüfung dient ein fünfjähriges Bachelor / Master-Studium mit 180 bzw. 120 LP. Approbationsprüfung und Approbation können unmittelbar nach Studienabschluss erfolgen. Dann kann sich eine Weiterbildung anschließen, welche die Voraussetzung zur Zulassung zum Versorgungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung bildet. Im Unterschied zu der vorherigen Regelung gilt die Approbation für alle Altersstufen von zu Behandelnden; erst in der Weiterbildung ist eine Spezialisierung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche vorgesehen.

Das der Vorbereitung auf die Approbation dienende Studium darf laut § 9 des Psychotherapeutengesetzes „nur an Hochschulen angeboten werden“. Hochschulen im Sinne des Gesetzes sind „Universitäten oder Hochschulen, die Universitäten gleichgestellt sind“. An das Studium selbst stellen der § 7 des Gesetzes sowie die Approbationsordnung recht eingehende Anforderungen. Der Erwerb beruflicher Kompetenzen ist vorrangiges Studienziel. Praktischen Einführungen und Übungen in klinisch-psychologischer Forschung und Therapie (einschließlich Selbstreflexion) ist rund ein Fünftel der Studienzeit gewidmet – 19 LP im ersten und 42 LP im zweiten Studienabschnitt. Im Übrigen bleibt das zur Approbation führende Studium sowohl im Gesetz als auch in der zugehörigen Verordnung namenlos. Die Bundesregierung (2019) erklärt allerdings im Anschluss an deren Verabschiedung: „In Zukunft wird es einen eigenen Studiengang Psychotherapie geben. … Das Psychologiestudium wird künftig keine Voraussetzung mehr für den Zugang zum Beruf [des / der Psychotherapeuten/in] sein.“ Die psychologischen Institute und Fachbereiche, die bisher ein Studium der Klinischen Psychologie angeboten haben, müssen also ihren Studiengang den neuen gesetzlichen Anforderungen anpassen, wenn dieser als Voraussetzung für die Approbation anerkannt werden soll. Für den neuen Studiengang den Namen „Psychologie“ beizubehalten, lässt das neue Gesetz freilich zu – ungeachtet der oben zitierten Verlautbarung der Bundesregierung.

Die theoretische und methodische Lehre im Bachelorstudium ist multidisziplinär angelegt; sie soll durchweg Einsicht in die Grundlagen der Psychotherapie vermitteln. Dazu werden folgende Lehrgebiete bestimmt: Nicht-klinische Psychologie (25 LP), Klinische Psychologie, Prävention und Rehabilitation (18 LP), Methodenlehre und Diagnostik (27 LP), Medizin und Psychopharmakologie (6 LP) sowie Pädagogik, Berufsethik und -recht (6 LP), dazu weitere Bezugswissenschaften der Psychotherapie – in Frage kommen etwa Soziologie und Linguistik; die Wahl und der Umfang der Bezugswissenschaften liegt im Ermessen der örtlichen Hochschulen. Die genannten Leistungspunkte sind Mindestzahlen. Den örtlichen Hochschulen bleibt also Spielraum, die Anteile einzelner Lehrgebiete bis zum Erreichen der Gesamtmenge von 180 LP zu erhöhen.

Die theoretisch-methodische Lehre im Masterstudium umfasst drei Bereiche: Forschungsparadigmen und Forschungsergebnisse (12 LP), Psychische Störungen und ihre Behandlung (16 LP), Evaluierung, Diagnostik, Begutachtung (9 LP); die Berücksichtigung von Bezugswissenschaften der Psychotherapie ist nicht ausgeschlossen. Wieder stellen die angegebenen Leistungspunkte Mindestwerte dar, so dass den örtlichen Hochschulen ein Spielraum für Erhöhungen bis zu der Gesamtzahl von 120 LP bleibt. Dabei ist noch die Anfertigung einer Masterarbeit zu berücksichtigen.

Die Psychotherapeutenkammer sowie Präsidium und Fakultätentag der DGPs haben bereits die ersten Entwürfe des Reformgesetzes und der Approbationsordnung begrüßt, welche das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte (BPtK, 2019; DGPs, 2019a, 2019b). Alle Beteiligten erkannten den § 27‍(4) des Reformgesetzes als wichtigen Fortschritt an; er sichert den nach altem Recht auszubildenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bereits ab Inkrafttreten des neuen Rechts für Praktische Tätigkeit in stationären oder teilstationären Einrichtungen eine monatliche Vergütung von mindestens 1.000 Euro. Der Ärztetag (2018) lehnte schon vorab die Schaffung eines eigenen Psychotherapieberufs und die damit verbundene Trennung der psychotherapeutischen und der ärztlichen Versorgung ab. Seine Zustimmung verweigerte ebenfalls der BDP; er veranstaltete sogar – an dem Tag der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag – eine Protestkundgebung vor dem Berliner Reichstag. Die psychologischen Anteile des neuen Studiengangs seien zu gering, und sie reiche nicht aus, um Hochschulabsolventen und -absolventinnen für eigenständige psychotherapeutische Behandlungen zu qualifizieren; die psychologische Eigenart des Psychotherapieberufs gehe verloren, und die Ausweitung des Berufsfeldes der Psychotherapie in Beratung und Begutachtung, Prävention und Rehabilitation erfolge zu Lasten anderer Zweige der psychologischen Praxis (Krämer, 2019; Lang, 2019). Angesichts des erwarteten hohen Anteils von Psychologiestudierenden, die eine Tätigkeit in der Psychotherapie anstreben – kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes von 1998 waren das etwa 70 % (Schneider, 2005) – wuchs in den Grundlagen- und nicht-klinischen Praxisfächern der Psychologie die Sorge vor der Umschichtung von Mitteln aus dem nicht-klinischen in den klinischen Bereich (u. a. Bermeitinger, Kaupp, Kiesel, Koch, Kunde et al., 2016; Richter, Souvignier, Hertel, Heyder & Kunina-Habenicht, 2019).

Im Jahr 2020, mit dem diese Chronik endet, war das Ziel der Gleichstellung des Psychotherapieberufs mit anderen akademischen Heilberufen erreicht. Zum Wintersemester ist der zur Approbation führenden Studiengang an zahlreichen deutschen Hochschulen eingeführt worden. Welchen Aufschwung bringt das der Klinischen Psychologie? Wie nutzen andere psychologische Fächer innerhalb des neuen Studiengangs die von dem Reformgesetz und der neuen Approbationsordnung belassenen Spielräume? Wie kooperiert oder konkurriert Psychologie mit anderen psychotherapiebezogenen Fächern? Immerhin gestattet das Gesetz, den Bachelorabschnitt des neuen Studiums als „polyvalent“ anzubieten. Das soll heißen: Wer den ersten Studienabschnitt absolviert, ist damit im zweiten, dem Masterabschnitt, nicht auf den psychotherapeutischen Schwerpunkt festgelegt. Das schafft die Möglichkeit von nicht-klinischen Masterstudien in Psychologie (Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2020a). Wird es also in Zukunft eine Vielzahl von Studienabschlüssen in Psychologie geben? Wird das auch bedeuten: Es wird mehrere Psychologien geben? Einheit und Vielfalt der Psychologie zu bewahren, sei jedenfalls vorrangiges Ziel der DGPs, erklärte Markus Bühner, als er im September 2020 deren Präsidentschaft übernahm (Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2020b).

Literatur