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TBS-DTK-Rezension

B5T® Big-Five-Persönlichkeitstest (3. Version)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000601

Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung

Der B5T® Big-Five-Persönlichkeitstest soll die fünf Persönlichkeitsdimensionen des Fünf-Faktoren-Modells (Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit) sowie drei Grundmotive (Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung, Bedürfnis nach Einfluss und Macht sowie Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung) erfassen. Der Fragebogen soll ab dem 16. Lebensjahr für Forschungszwecke, berufliche Auswahl- und Entwicklungsentscheidungen, Beratung und Coaching sowie für die klinische Diagnostik und Gutachtenerstellung eingesetzt werden können. Für wichtige Einzelfallentscheidungen wird ohne weitere Begründung empfohlen, ein weiteres unabhängiges Verfahren heranzuziehen.

Die Big-Five-Skalen werden mit jeweils zehn Items und die drei Grundmotive mit jeweils sechs Items erfasst. Zusätzlich gibt es noch vier Items, um die Ehrlichkeit der Beantwortung zu diagnostizieren, sodass der Fragebogen insgesamt 72 Items umfasst. Die Items sind in Form von Aussagesätzen formuliert (z. B. „Ich bin ein ängstlicher Typ.“) und sollen auf einer vierstufigen Antwortskala („trifft gar nicht zu“ bis „trifft genau zu“) beantwortet werden. Die Testdauer wird mit maximal 20 Minuten angegeben. Der Fragebogen ist als Papier und Bleistift-Version (mit Tabellen-Auswertungshilfe) oder Computerversion auf verschiedenen Testplattformen verfügbar. Er kann bei nichtkommerzieller Nutzung kostenfrei eingesetzt werden. Neben der deutschen Version liegen englische, spanische, italienische und französische Versionen vor.

Bewertung des Informationsgehalts der Verfahrenshinweise

Zur Beschreibung des Testverfahrens liegen zwei Dokumente vor. In „Testmanual und Normen“ werden die Testdurchführung, die Testauswertung, die Normen und die Interpretation der Testergebnisse beschrieben. In der „Test- und Skalendokumentation“ wird die Testentwicklung hinsichtlich der Konstrukte, der Stichprobe, der Item- und Skalenkennwerte sowie der Reliabilität und Validität dargestellt. Eine Übersicht, wo die Informationen nach dem DTK-Testinformationsstandard zu finden sind, fehlt in den Verfahrenshinweisen.

Die Informationen in den Verfahrenshinweisen sind verständlich, kurz und bündig, jedoch teilweise unübersichtlich und verkürzt. Zudem müssen weitere Dokumente herangezogen werden (z. B. die Excel-Auswertungshilfe oder online verfügbare Bachelor- und Master-Arbeiten mit Angaben zur Validität). Auf eine notwendige Qualifikation der Testleiterinnen und -leiter wird hingewiesen, allerdings wird jene nicht spezifiziert.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Das Konzept von zeitlich stabilen Persönlichkeitsdimensionen, die historische Entwicklung des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit und empirische Belege zum Zusammenhang zwischen den Big Five und der beruflichen Leistung und Arbeitszufriedenheit werden knapp dargestellt. Andere Konzepte der Persönlichkeit (z. B. das HEXACO-Modell oder der Facettenansatz), Verbindungen zu anderen Testverfahren zur Messung der Big Five (z. B. NEO-Fünf-Faktoren-Inventar) oder etwaige Limitationen (z. B. Kulturspezifität) werden nicht erwähnt.

Die theoretische und empirische Grundlage zur Auswahl der drei Grundmotive nach Reiss wird sehr knapp dargestellt. Die zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Persönlichkeitsdimensionen als phänotypische Persönlichkeitsbeschreibung und Grundmotiven als Potenzial der Persönlichkeitsentwicklung wird nur unzureichend begründet.

Obwohl für die Big-Five-Persönlichkeitsdimensionen und die Motive zahlreiche Testverfahren verfügbar sind, werden keine Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Testverfahren mit einem ähnlichen Geltungsbereich beschrieben. Auch werden die Vor- und Nachteile der vorliegenden expliziten Motivmessung nicht abgewogen. Der Mehrwert des vorliegenden Testverfahrens lässt sich daher nur schwer erschließen.

Insgesamt verdeutlichen die Angaben zur Testentwicklung, dass bei der Konstruktion und Revision ein starker Fokus auf die Reliabilität, den Einsatz im beruflichen Kontext (z. B. Item-Formulierungen, Durchführungsdauer) sowie Testverfälschungen (z. B. positive Selbstdarstellung) gelegt wurde. Unklar bleibt, inwieweit Überlegungen und Befunde zur Validität bei der Konstruktion und Revision eine Rolle gespielt haben.

Objektivität

Die Angaben zur Durchführung und Auswertung lassen eine standardisierte Testung unter Idealbedingungen weitgehend zu. Es fehlen allerdings Informationen, wie mit fehlenden Antworten umgegangen und wie auf Rückfragen der Testpersonen reagiert werden soll. Für die Auswertung wird empfohlen, die Antworten in die Auswertungshilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms zu übertragen, welches die automatische Auswertung basierend auf verschiedenen Normgruppen übernimmt. Die Verwendung der Auswertungshilfe mit der automatischen Erstellung des Persönlichkeitsprofils (inkl. Vertrauensintervalle pro Dimension) erhöht die Interpretationsobjektivität. Die Interpretation der Testwerte anhand einer normierten Stanine-Skala bietet die Möglichkeit, die eigenen Testergebnisse mit Normstichproben zu vergleichen. Die Interpretationsbeispiele sind kurz gehalten und auf den Berufskontext beschränkt, wobei der konkrete Bezug zur Personalauswahl kaum begründet wird. Die Interpretationsvorschläge für unter-‍, über- und durchschnittliche Ausprägungen sind nur kurz und wenig detailliert.

Normierung

Die Normstichproben (Ngesamt = 14.383) wurden aus einer bereinigten Stichprobe (N = 21.048) gezogen, bei der Personen auf einem Online-Portal kostenlos und anonym den Test als Selbsttest in den Jahren 2019 und 2020 durchführen konnten. Es liegen keine Informationen vor, wie die Normstichproben gezogen wurden und ob jene wie angegeben für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland repräsentativ sind. Aufgrund der Vorselektion bei freiwilligen Online-Tests ist dies zu bezweifeln. Basierend auf der Gesamtstichprobe konnten bedeutsame Geschlechts- und relativ geringe Altersunterschiede aufgezeigt werden, sodass sechs Normstichproben aufgeteilt nach Geschlecht (männlich, weiblich) und Alter (unter 20, 20 bis 50, über 50) mit Stichprobengrößen von N = 535 bis 6.363 zur Verfügung gestellt werden. Spezifische Normstichproben nach den angegebenen Einsatzgebieten (z. B. klinische Diagnostik, Personalauswahl) sind nicht vorhanden. Es ist fraglich, ob sich die vorliegende Gelegenheitsstichprobe, welche sich durch eine anonyme Bearbeitung ohne Verfälschungsabsichten auszeichnet, auf die Personalauswahl übertragen lässt.

Zuverlässigkeit

Die Reliabilität wird ausschließlich mittels interner Konsistenz an der bereinigten Stichprobe des Online-Portals geschätzt; die Reliabilitäten auf Basis der sechs spezifischen Normstichproben werden nicht angegeben. Die Werte für Cronbachs Alpha reichen für die Persönlichkeitsdimensionen und die Grundmotive von .76 bis .90. Weitere Angaben insbesondere zur Retest-Reliabilität fehlen, obwohl mit dem Verfahren zeitlich stabile Persönlichkeitseigenschaften und anhand der Grundmotive das Entwicklungspotenzial erfasst werden soll. Damit ist unklar, inwieweit der Test für prognostische Fragestellungen geeignet ist.

Gültigkeit

Auf Basis der Gesamtstichprobe des Online-Portals wird jeweils eine konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) für die fünf Persönlichkeitsdimensionen und eine für die Grundmotive berichtet. Obwohl die Ergebnisse nur auszugsweise dargestellt werden, weist der Modell-Fit für die Persönlichkeitsdimensionen auf Probleme hin und kann nur bezüglich der Grundmotive als zufriedenstellend angesehen werden. Allerdings werden teilweise bedeutsame Interskalenkorrelationen zwischen den Persönlichkeitsdimensionen und den Grundmotiven berichtet (rmax = .45). Eine gemeinsame CFA zur Überprüfung der Konstruktvalidität wäre notwendig gewesen. Weiterhin werden bedeutsame Unterschiede zwischen den Geschlechtern, Berufsgruppen (z. B. Arbeitslose, Angestellte, Beamte) und Einkommen als Validitätsbelege angeführt. Allerdings wird die Auswahl der Kriterien nicht begründet, es werden keine A-priori-Hypothesen angeführt und teilweise fehlen inferenzstatistische Absicherungen, sodass die Aussagekraft dieser Ergebnisse stark eingeschränkt ist. Belege für Zusammenhänge zu Verfahren mit ähnlichen Gegenstandsbereichen (konvergente Validität) oder anderen Gegenstandsbereichen (divergente Validität) werden nicht aufgeführt.

Hinsichtlich der Kriteriumsvalidität werden aus zahlreichen Abschlussarbeiten selektiv Korrelationen berichtet (u. a. Vorliebe für flexible Arbeitsformen, Prokrastination, Widerstandsverhalten in Veränderungsprozessen oder Leadership Self-Identity).

Die Vielfalt der Kriterien ist positiv, die entsprechenden Studien beschränken sich aber auf Selbstbeschreibungen und umfassen – bis auf wenige Ausnahmen – eher kleine Gelegenheitsstichproben. Die Studien stammen außerdem ausschließlich aus dem beruflichen Kontext, obwohl der Test sich auch für weitere diagnostische Zielsetzungen eignen soll. Die Aussagekraft zur konkurrenten Kriteriumsvalidität ist daher eingeschränkt. Für die prognostische Kriteriumsvalidität liegen keinerlei Befunde vor.

Weitere Gütekriterien

Die Verfälschbarkeit wird mit einer Skala „Ehrlichkeit“ bei der Beantwortung überprüft. Belege zur Validität dieser Skala werden nicht aufgeführt. Zufällige Antworten sollen mit einem Plausibilitätsindex bezüglich der konsistenten Beantwortung von Item-Paaren erkannt werden. Für die Ehrlichkeitsskala und den Plausibilitätsindex werden Schwellenwerte angegeben, wobei konkrete Informationen fehlen, wie bei der Überschreitung jener Schwellenwerte vorgegangen werden soll. Antworttendenzen sollen u. a. durch negativ gepolte Items vermieden werden, wobei keine Überprüfung der Antworttendenzen stattfindet.

Abschlussbewertung

Der B5T ist ein weitgehend objektiver Persönlichkeitsfragebogen mit einer hohen internen Konsistenz. Aufgrund der geringen Item-Anzahl kann er ökonomisch eingesetzt werden. Die in den Verfahrenshinweisen verfügbaren Informationen stützen den Einsatz für die diagnostischen Zielsetzungen jedoch nicht vollständig. Insbesondere wären Befunde zur Retest-Reliabilität, zur Konstrukt- und Kriteriumsvalidität sowie zu für die diagnostischen Ziele passende Normstichproben wünschenswert, um den Einsatz in diagnostisch wichtigen Situationen (z. B. Personalauswahl und -entwicklung oder in der klinischen Diagnostik) stärker abzusichern.

Formalisierte Bewertung

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß TBS-DTK (Diagnostik- und Testkuratorium, 2018) erstellt.

Diagnostik- und Testkuratorium. (2018). TBS-DTK. Testbeurteilungssystem des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 3. Januar 2018. Report Psychologie, 43, 106 – 113.

Diagnostik- und Testkuratorium. (2018). TBS-DTK. Testbeurteilungssystem des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 3. Januar 2018. Psychologische Rundschau, 69, 109 – 116.

Testinformationen und Bezugsquellen

Satow, L. (2020). B5T Psychomeda Big-Five-Persönlichkeitstest. Verfügbar im Open Test Archive unter https://www.testarchiv.eu/de/test/9006357 (kostenlos)

Satow, L. (2020). B5T® Big-Five-Persönlichkeitstest: Test- und Skalendokumentation. Verfügbar unter https://www.drsatow.de (kostenlos)

Satow, L. (2020). B5T® Big-Five-Persönlichkeitstest: Testmanual und Normen. Verfügbar unter https://www.drsatow.de (einmalige Lizenzgebühr für therapeutische / gewerbliche Zwecke: 79 €; Stand: 16.07.2021).

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Geister, S. & Kretzschmar, A. (2021). TBS-DTK-Rezension: B5T® Big–Five-Persönlichkeitstest. Psychologische Rundschau, 73, 224 – 227.

Kontakt: Prof Dr. Susanne Geister, Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin,