Virtuelle Teamarbeit: Was sie kennzeichnet, wie sie wirkt und wie man sie gestaltet
Abstract
Zusammenfassung: Mit dem rasanten technologischen Fortschritt und der zunehmenden Globalisierung nimmt auch das Ausmaß virtueller Teamarbeit zu, d. h. von Teamarbeit, die unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) meist über verschiedene Standorte hinweg stattfindet. Die IKT-vermittelte Kommunikation sowie die räumliche Verteilung verändert jedoch maßgeblich die Interaktion im Team, sodass sich große Herausforderungen für die Zusammenarbeit ergeben. In diesem Beitrag geben wir daher einen Überblick über die bisherige Forschung zu virtueller Teamarbeit und erläutern dabei, wodurch sich virtuelle Teamarbeit auszeichnet, welche Effekte damit verbunden sind und wie sie sich aktiv gestalten lässt. Wir schließen den Beitrag mit einem Ausblick auf aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen in Forschung und Praxis virtueller Teamarbeit.
Abstract: Rapid technological progress and increasing globalization are leading to a steady growth in so-called virtual teams, i. e., groups of people who work together on common projects and goals using information and communications technology (ICT), usually across different locations. ICT-mediated communication and spatial distribution, however, significantly change team interaction, creating major challenges for collaboration. This article provides an overview of the research on virtual teamwork to date, explaining its characteristics, its associated effects, and how to actively design virtual teamwork to promote performance and well-being in teams. We conclude this article with an outlook on current trends and future developments in the research and practice of virtual teamwork.
Eine sich stetig im Wandel befindende und globalisierte Arbeitswelt sowie die allgegenwärtige Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben Zusammenarbeit in modernen Unternehmen grundlegend verändert. So haben in den USA 16 % der Unternehmen im Jahr 2022 vollständig virtuell gearbeitet (Owl Labs, 2022) und 2024 sollen weltweit schätzungsweise nur noch 25 % organisationaler Meetings in Präsenz stattfinden (Gartner Research, 2021). Selbst in Deutschland, wo im Vergleich zu anderen Industrienationen virtuelle Arbeit einst nur zögerlich angenommen wurde, arbeiten seit der Corona-Pandemie durchschnittlich ein Viertel der Beschäftigten zumindest gelegentlich von zu Hause aus (ifo Institut, 2022).
Unabhängig von ihrer Funktion der Infektionseindämmung im Kontext der Corona-Pandemie lässt sich der Zuwachs an virtueller Arbeit durch eine Reihe von Vorteilen für Organisationen und ihre Mitglieder begründen (Dulebohn & Hoch, 2017; Kauffeld et al., 2016; Thompson et al., 2022). So haben Organisationen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, wenn sie auf Fachkräfte aus aller Welt zurückgreifen oder die Arbeit über unterschiedliche Zeitzonen hinweg so organisieren, dass sie rund um die Uhr produktiv sein können. Büroräume und damit verbundene Unterhaltskosten können reduziert werden, und virtuelle Meetings sparen gegenüber Dienstreisen Zeit und Geld. Beschäftigte wiederum profitieren von einer größeren Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitstag und -umgebung, verbringen weniger Zeit mit Pendeln und haben mehr Möglichkeiten, ihre privaten und beruflichen Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren.
Die hohe Digitalisierung und damit zunehmende Standortunabhängigkeit der Arbeit trifft dabei auf immer komplexere und dynamischere Anforderungen, die nur in Teams gelöst werden können (O’Neill & Salas, 2018). Entsprechend steigt das Ausmaß virtueller Teamarbeit, d. h. Teamarbeit, die sich durch die (verstärkte) Nutzung von IKT – teils aufgrund von Standortverteilung – auszeichnet (Kauffeld et al., 2016; Raghuram et al., 2019). Dabei ist anzumerken, dass auch sogenannte „hybride“ Teamarbeit, d. h. Teamarbeit, bei der einzelne, teils wechselnde Mitglieder unterschiedliche Anteile ihrer Arbeitszeit von unterschiedlichen Orten aus arbeiten (z. B. einzelne Wochentage im Home Office, s. Bell et al., 2023; Mitchell & Brewer, 2022), unter dem Oberbegriff der virtuellen Teamarbeit eingeordnet werden kann, da auch hier räumliche Verteilung und IKT-vermittelte Kommunikation die Zusammenarbeit im Team beeinflussen.
Die IKT-vermittelte Kommunikation (z. B. per E-Mail, Instant-Messaging oder Videokonferenz) sowie die räumliche Verteilung verändern jedoch maßgeblich die Interaktion im Team (z. B. Martins et al., 2004; Gilson et al., 2015). Dies hängt vor allem damit zusammen, dass bedeutsame Teile der Kommunikation und Koordination im Team nicht mehr face-to-face und in einer gemeinsamen physischen Arbeitsumgebung stattfinden. Zudem bringen technologische Weiterentwicklung im Bereich der IKT auch veränderte Nutzungsszenarien mit sich, sodass IKT in der virtuellen Teamarbeit nicht mehr nur im Sinne eines Mediums oder Werkzeugs zum Einsatz kommt, sondern teils auch Aufgabenteile eigenständig bearbeiten und Entscheidung für oder über die Teammitglieder treffen kann (bspw. Programme die entscheiden, wem welche Aufgabe zugewiesen wird oder wer welche Arbeitstage und -zeiten zugewiesen bekommt, s. Wesche et al., 2022). All dies bringt neuartige Herausforderungen für Aufgaben- und Beziehungsaspekte in der virtuellen Teamarbeit mit sich.
In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die Forschung zu virtueller Teamarbeit und erläutern dabei, wodurch sich virtuelle Teamarbeit auszeichnet, welche Effekte damit verbunden sind und wie sich diese aktiv gestalten lässt. Im Fokus steht dabei v. a. das subjektive Erleben virtueller Teamarbeit, was sich von strukturellen Parametern (wie Art und Ausmaß der IKT-Nutzung oder der räumlichen Verteilung) durchaus unterscheiden kann. Wir schließen den Beitrag mit einem Ausblick auf aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen in Forschung und Praxis virtueller Teamarbeit ab, welche sich vor allem vor dem Hintergrund der rasanten technologischen Entwicklung im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung eröffnen.
Merkmale virtueller Teamarbeit
Während frühe Forschung aus den späten 1990er und frühen 2000er Jahren virtuelle Teamarbeit weitestgehend als Gegensatz zu „traditioneller“ Teamarbeit sah und somit face-to-face Interaktionen der ausschließlich IKT-vermittelten Kommunikation gegenübersetzte, zeichnet die aktuelle Forschung ein fluideres Bild (Gilson et al., 2015; Hosseini et al., 2015). Virtuelle Teamarbeit bedarf nach aktueller Auffassung weder zwangsläufig einer (festen) Standortverteilung der Teammitglieder noch der ausschließlichen Kommunikation der Teammitglieder über IKT. Vielmehr hat sich seit den 2000er Jahren eine Sichtweise durchgesetzt, die virtuelle Teamarbeit als ein Kontinuum begreift, welches sich durch das Ausmaß IKT-vermittelter Interaktionen auszeichnet und sich somit zu einem gewissen Grad auf die meisten realen Teams übertragen lässt (Dixon & Panteli, 2010; Handke & Kauffeld, 2019). Dementsprechend baut ein großer Teil der Forschung zu virtueller Teamarbeit auf der Wirkung von IKT (statt ausschließlich auf der Wirkung von Standortverteilung) auf Teaminteraktionen aus.
IKT als Forschungsgegenstand nimmt zudem durch die fortwährende Veränderung seiner Natur und damit auch durch die sich verändernde Einbindung in Arbeit und Gesellschaft eine besondere Rolle ein. Dies macht es erforderlich, Forschungsergebnisse zu IKT-Nutzung stärker noch als solche zu anderen Forschungsgegenständen im zeitlichen Kontext zu interpretieren bzw. diese zeitlichen Kontexte in wesentlich kürzeren Zeitabständen zu betrachten (Morelli & Davis, 2022; White et al., 2022). So sind die technischen Entwicklungen, die uns heute mobiles Arbeiten von beliebigen Standorten aus ermöglichen, verhältnismäßig junge Errungenschaften, zumindest in Bezug auf ihre Marktdurchdringung und damit ihrer alltäglichen Nutzung in Organisationen und durch Endverbraucher_innen in der allgemeinen Gesellschaft. Während die erste E-Mail in Deutschland 1984 empfangen wurde (Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, 2019), kam erst 1999 mit dem Blackberry ein mobiles Endgerät auf den Markt, welches das Versenden und Empfangen von E-Mails auch unterwegs ermöglichte (Weidner, 2015) und bis Videokonferenzen zu einer Technologie für den regelmäßigen Gebrauch werden konnten, bedurfte es erst leistungsfähiger Videocodecs in Kombination mit Hochgeschwindigkeits-Internet-Breitband- Diensten um die Jahrtausendwende (bspw. mit der Markteinführung von Skype im Jahr 2003, White et al., 2022).
Bei der Betrachtung von Befunden und Theorien muss dementsprechend nicht nur berücksichtigt werden, über welche IKT virtuelle Teamarbeit vermittelt wird, sondern auch wie selbstverständlich und gut integriert diese IKT in den Arbeits- und Lebensalltag sind (und wie erfahren und vertraut Teammitglieder somit im Umgang damit sind). Beispielsweise waren Videokonferenzen bereits in den 1990ern in einigen Organisationen möglich (s. Antoni, 1990), jedoch waren dies teure und technisch aufwändige Konferenzen, die oft in eigens dafür eingerichteten Technikräumen durchgeführt wurden und meist der Management-Ebene vorbehalten waren. Das ist nicht zu vergleichen mit der heutigen Nutzung von Videokonferenzen im organisationalen Alltag, die vom formellen Anlass bis zum informellen, spontanen ‚facetimen‘ zwischen Teammitgliedern auf ihren privaten mobilen Endgeräten reicht.
Trotz der Herausforderung, Teammitglieder sowie die unterschiedlichen IKT und ihre Nutzung im Kontext ihrer Zeit zu betrachten, ist es jedoch wichtig, generelle Gesetzmäßigkeiten für die Interaktion mit IKT abzuleiten (Morelli & Davis, 2022; Wang et al., 2022). Im Folgenden werden wir daher die grundlegenden Mechanismen, über die IKT und ihre Nutzung durch Teams die Interaktionen in Teams verändern, näher erläutern. Dabei zeichnen wir die Entwicklung des Forschungsfeldes nach, in der sich der Forschungsfokus von der Analyse statischer, struktureller Bedingungen zunehmend in Richtung des sich verändernden, subjektiven Erleben und der aktiven Gestaltung virtueller Teamarbeit verschoben hat.
Wirkmechanismen virtueller Teamarbeit
Die Effekte virtueller Teamarbeit werden klassischerweise über die Art und Anzahl von Hinweisreizen erklärt, die ein Medium in einem bestimmten Zeitabschnitt transportieren kann (Raghuram et al., 2019; Walther & Parks, 2002). Während in der face-to-face Interaktion nonverbale (Körpersprache, Mimik), paraverbale (Stimme) und verbale (Inhalte) Hinweisreize in Echtzeit übertragen werden, werden bei einigen Formen der IKT-vermittelten Interaktion (z. B. per E-Mail) nur verbale Inhalte schriftlich und mit zeitlichem Verzug übermittelt. Die Effekte virtueller Teamarbeit werden also oftmals über die Auswirkungen hoher IKT-Nutzung (vor allem gegenüber face-to-face Kommunikation) erklärt.
Im Folgenden stellen wir die angenommenen Wirkmechanismen in Anlehnung an die zwei Grunddimensionen von Teamarbeit (Aufgaben- und Beziehungsorientierung, s. z. B. Bales, 1950, Jehn, 1995; Yukl, 2006) dar: 1) Aufgabenbewältigung und 2) Beziehungsaufbau und -aufrechterhaltung. Tabelle 1 gibt einen Überblick über einige der jeweils positiven und negativen Effekte virtueller Teamarbeit, unterteilt nach den zwei Grunddimensionen.
Aufgabenbewältigung in der virtuellen Teamarbeit. Negative Effekte auf die Aufgabenbewältigung (und somit die Arbeitsleistung) durch virtuelle Teamarbeit werden typischerweise dadurch erklärt, dass IKT-vermittelte Kommunikation nicht die Informationsanforderungen der im Team zu bewältigenden Aufgaben erfüllt (Handke et al., 2018, 2019; Raghuram et al., 2019). Diese Annahme beruht auf der Passung zwischen Aufgabe und Kommunikationsmedium (dem sog. „task-media-fit“). So geht bspw. die Media Richness Theory (Daft & Lengel, 1986) davon aus, dass die Vielfältigkeit transportierter Hinweisreize (also z. B. Stimme, Mimik, Körperhaltung) sowie die Interaktivität eines Kommunikationsmediums (d. h. z. B. die Möglichkeit, als Sender_in einer Nachricht unmittelbar deren Wirkung auf deren Empfänger_innen zu erleben) ein Medium reichhaltiger machen. Ein reichhaltiges Medium wäre somit z. B. face-to-face Kommunikation, ein wenig reichhaltiges Medium z. B. E-Mail-Kommunikation. Damit Teamarbeit auch effektiv ist, sollte nach der Media Richness Theory die Reichhaltigkeit eines Kommunikationsmediums zu den Informationsanforderungen der jeweiligen Aufgabe passen, wobei komplexe, mehrdeutige Aufgaben hohe Informationsanforderungen mit sich bringen und somit die Nutzung reichhaltigerer Medien erfordern.
Während die Media Richness Theory Aufgaben nach ihrer Mehrdeutigkeit bewertet, beruht die Klassifikation der darauf aufbauenden Task-Media-Fit Hypothesis (McGrath & Hollingshead, 1993) auf dem Ausmaß der Interdependenz zwischen Teammitgliedern. Aus beiden Theorien geht hervor, dass Aufgaben, die mit einer höheren Interdependenz der Teammitglieder verbunden sind (und somit mit mehr Ambiguität verbunden sind, die aufgelöst werden muss), eine größere Reichhaltigkeit des Kommunikationsmediums erfordern – was IKT oft nicht leisten können. Selbst bei IKT mit höherer Reichhaltigkeit, wie z. B. Videokonferenzen, können Informationen oft nicht so gut bzw. nicht so natürlich vermittelt werden. So lässt sich vielleicht der Gesichtsausdruck erkennen, jedoch nur einen Bruchteil der Körpersprache. Unzureichende technische Ausstattung kann zudem zu einer Verzerrung von Audio- und Bildmaterial sowie zu Unregelmäßigkeiten bzw. Verzögerungen in der Interaktion führen (Riedl, 2022).
Das Fehlen wichtiger sozialer sowie kontextueller Hinweisreize, die sonst in einem geteilten physischen Arbeitsumfeld klar beobachtbar wären, können zu Fehleinschätzungen der Handlungen anderer Teammitglieder führen (Sproull & Kiesler, 1986). So ist trotz Statusanzeigen in gängigen Kollaborationstools oft nicht klar, was andere Teammitglieder gerade tun bzw. wie deren Verhalten einzuordnen ist. Man weiß bspw. nicht, ob ein anderes Teammitglied gerade nicht auf Nachrichten reagiert, weil es eine Pause macht, sich auf eine wichtige Aufgabe konzentrieren will oder keine Lust hat zu antworten. Der physisch nicht geteilte Arbeitsort führt zudem zu weniger spontanen Zusammentreffen – die sonst vielleicht in der Kaffeeküche oder auf dem Weg zur Kantine stattfinden würden – und bedeutet somit wiederum weniger Möglichkeiten des informellen Austausches, der wichtiges Hintergrundwissen für die Aufgabenausführung bieten kann (Blanchard, 2021). Folgen dieses Informationsmangels in der virtuellen Teamarbeit, d. h. des fehlenden Wissens über die Bedeutung der Nachrichten anderer Teammitglieder sowie über deren momentanen Wahrnehmungen und Handlungen, können vor allem divergierende Repräsentationen von bspw. Aufgaben, Rollen, oder auch IKT-Nutzung im Team sein (Andres, 2012; Maynard & Gilson, 2014; Müller & Antoni, 2020). Kommt es nicht in ausreichendem Maß zu einer Entwicklung konvergierender, d. h. geteilter Repräsentationen (sog. shared mental models bzw. team mental models; Mohammed et al., 2000), können Teammitglieder ihre Handlungen nicht mehr sinnvoll miteinander koordinieren, um ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen (DeChurch & Mesmer-Magnus, 2010; Maynard & Gilson, 2014; Rico et al., 2008). Zudem kann die mangelnde oder verzögerte Rückmeldung darüber, ob und wie die eigenen Beiträge von anderen Teammitglieder wahrgenommen werden, zu Motivationsverlusten führen (Geister et al., 2006; Handke et al., 2022).
Gleichzeitig kann das Fehlen sofortiger Rückmeldung sowie sozialer Hinweisreize durchaus auch förderliche Effekte auf die Aufgabenbewältigung haben. So konnten schon frühe Studien eine Überlegenheit von electronic brainstorming groups (d. h. Gruppen, die über textbasierte IKT ihre Ideen austauschen) in der Ideengenerierung gegenüber face-to-face Gruppen feststellen (z. B. Aiken & Vanjani, 1997; Valacich et al., 1994). Erklärung für diesen Effekt ist vor allem die Reduktion sogenannter Produktionsblockierung (da Teammitglieder nicht erst warten müssen, bis die anderen ausgesprochen haben, Diehl & Stroebe, 1987). Mit weniger Hinweisreizen, die bspw. sozialen Status vermitteln, reduziert sich zudem die Angst davor, (von der Mehrheit) abweichende Meinungen zu äußern (Pissarra & Jesuino, 2005). So konnte metaanalytisch gezeigt werden zeigen, dass ein höherer Grad an Virtualität den Austausch „ungeteilter“ Informationen (d. h. Informationen, die nur einem bzw. wenigen Teammitgliedern vorliegt) erhöht (Mesmer-Magnus et al., 2011).
Beziehungsaufbau und –aufrechterhaltung in der virtuellen Teamarbeit. Besonderheiten in Beziehungsaufbau und -aufrechterhaltung in der virtuellen Teamarbeit werden ebenfalls meist über die Reduktion nonverbaler Informationen und der damit verbundenen sozialen Hinweisreize erklärt. Die Interaktion mit anderen Teammitgliedern wird dadurch als stärker aufgabenfokussiert, unpersönlich, kalt und teils sogar feindselig empfunden (Hertel et al., 2005; Martins et al., 2004; Sproull & Kiesler, 1986; Walther & Parks, 2002). Der Wegfall von Hinweisreizen, die Rückschlüsse auf soziale Normen in der Gruppe geben (z. B. ein Lächeln, das eine kritisch wirkende Rückmeldung relativiert, oder Körpersprache, die Auskunft über die aktuelle Stimmung des Gegenübers gibt), und die Anonymität, die sich durch die fehlende Sichtbarkeit in einem geteilten physischen Umfeld ergibt, können dabei zu ungehemmterem Verhalten (sog. „Flaming“, Kiesler et al., 1984) führen. Gepaart mit Missverständnissen, die z. B. aufgrund fehlender oder verzögerter Rückmeldung durch asynchrone, textbasierte Interaktion zu spät oder gar nicht entdeckt werden, kann es in virtuellen Teams somit leichter zu Konflikten kommen (Cramton & Orvis, 2003; Griffith et al., 2003).
Zudem kann die Identifikation der einzelnen Mitglieder mit dem Team in der virtuellen Interaktion beeinträchtigt sein. Zum einen fällt es schwerer, sich als soziale Einheit wahrzunehmen, wenn man nicht über eine geteilte physische Arbeitsumgebung verfügt, zum anderen kann es zu Subgruppenbildung innerhalb des Teams kommen, wenn das Team auf unterschiedliche Standorte verteilt ist (Wilbert et al., 2023; Fiol & O’Connor, 2005; van Knippenberg et al., 2004). Dennoch zeigt der stärkere Aufgabenfokus und die Abwesenheit sozialer Hinweisreize durchaus auch Vorteile: So können bspw. negative Effekte von Diversität in Teams dadurch abgepuffert werden (Stahl et al. 2010; Staples & Zhao, 2006). Durch die Abwesenheit bzw. geringere Salienz sichtbarer Merkmale (wie z. B. Alter, Geschlecht, Ethnizität), werden soziale Kategorisierungsprozesse auf Basis solch oberflächlicher Unterscheidungsmerkmale reduziert und somit das Risiko von Stereotypisierung und somit der Aus- und Abgrenzung bestimmter Personengruppen reduziert (Carte & Chidambaram, 2004).
Von Passung zu ANpassung
Die oben beschrieben Wirkmechanismen spiegeln die sogenannte „cues-filtered-out“-Perspektive wider (Walther & Parks, 2002), da sie die physischen Eigenschaften einer IKT (z. B. ob sie Ton übertragen kann) mit der Art und Weise, wie sie genutzt und wahrgenommen wird (z. B. ob sie Stimmung transportieren kann), gleichsetzen. Dies impliziert jedoch gleichzeitig, dass Teams mit vergleichbarer IKT-Nutzung (d. h. Teams, die dieselben IKT in einem ähnlichen Ausmaß verwenden) vergleichbare Interaktionen und letztlich auch vergleichbare Effektivität aufweisen müssten. Die meisten Studien, die die cues-filtered-out Annahme bestätigen, sind jedoch Laborexperimente, deren Verallgemeinerbarkeit auf „reale“ Teams eingeschränkt ist (De Guinea et al., 2012; Purvanova & Kenda, 2022). Bei Laborexperimenten dienen als Stichprobe in der Regel studentische Ad-hoc-Gruppen, die sich nicht kennen und nur über einen sehr kurzen Zeitraum zusammenarbeiten, wobei sie in der Regel nur eine ihnen vorgeschriebene IKT (z. B. Instant-Messaging) verwenden und wenig Handlungsspielraum in Art und Ausführung der zu bearbeitenden Aufgabe haben. Somit verfügen sie in der Regel auch weder über Erfahrungen in der IKT-vermittelten Zusammenarbeit an der im Experiment eingesetzten Aufgabe, noch haben sie ausreichend Zeit, kollektive Repräsentationen darüber zu entwickeln (z. B. Handke et al., 2018; Purvanova & Kenda, 2022).
Im Gegensatz dazu scheinen in Feldstudien, insbesondere in solchen mit „realen Teams“, in denen die Teammitglieder über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten und mehr Autonomie bei der Strukturierung ihrer Arbeit haben (was auch Wahl und Einsatz von IKT einschließen könnte), die negativen Auswirkungen IKT-vermittelter Interaktionen deutlich geringer zu sein bzw. zu verschwinden (Kock, 1998, 2005; für einen metaanalytischen Vergleich organisationaler und nicht-organisationaler virtueller Teamarbeit, siehe Purvanova & Kenda, 2022). Selbst laborexperimentelle Studien zeigen ähnliche Leistung bei face-to-face versus IKT-vermittelter Gruppenarbeit, sofern die Gruppen über mehrere (ähnliche) Aufgaben hinweg zusammenarbeiten können (Fuller & Dennis, 2009; Simon, 2006; Van der Kleij et al., 2009). Zudem zeigt sich, dass auch unter Nutzung von IKT ein hohes Maß beziehungsorientierter Kommunikation stattfinden kann, bei der Kommunikationspartner_innen über den Stil (Utz, 2000) sowie das Timing (Walther & Tidwell, 1995) der ausgetauschten Nachrichten relevantes Wissen für den Beziehungsaufbau übereinander beziehen. Tatsächlich zeigt sich auch bei laborexperimentellen Studien zu IKT-vermittelter Interaktion, dass weniger Zeitdruck (Walther et al., 1994) sowie die Antizipation zukünftiger Interaktionen miteinander (Walther, 1994; Walther & Burgoon, 1992) die beziehungsorientierte Kommunikation in der Gruppe signifikant erhöhen.
Befunde dieser Art werden durch soziale und temporale Einflüsse auf Nutzung und Wahrnehmung von IKT erklärt (Channel Expansion Theory; Carlson & Zmud, 1999; Adaptive Structuration Theory; DeSanctis & Poole, 1994; Social Information Processing Theory; Walther, 1992). Diese Theorien gehen davon aus, dass Individuen mit zunehmender Erfahrung in der Zusammenarbeit wichtiges Wissen übereinander, die Aufgabe und die IKT, die sie zur Bewältigung dieser Aufgabe einsetzen, aufbauen. Dieses Wissen hilft ihnen, sowohl die Art und Weise zu verbessern, wie sie Informationen senden (d. h. enkodieren), als auch wie sie diese empfangen (d. h. dekodieren). Um Missverständnisse zu vermeiden, wird zum Beispiel Ironie in textbasierten Nachrichten oft durch das Hinzufügen von Emoticons deutlicher gemacht. Ebenso kann das Wissen, dass andere Teammitglieder gerade sehr beschäftigt sind, dazu führen, dass man nicht beleidigt ist, wenn diese nicht sofort antworten oder ihre Antwort sehr kurz ausfällt. Dementsprechend lernen die Teammitglieder, die fehlenden Eigenschaften bestimmter IKT zu kompensieren und sich so die Nutzung von IKT auf eine Weise zu eigen zu machen, die ihren Bedürfnissen entspricht. So konnten Studien in Projektteams zeigen, dass Teams nicht nur über die Zeit in der Lage sind, den Anteil IKT-vermittelter (gegenüber face-to-face) Kommunikation zu erhöhen, sondern dass Teams besonders dann effektiv sind, wenn sie im Laufe der Zusammenarbeit lernen, wie sie die Defizite IKT-vermittelter Kommunikation durch eine höhere Kommunikationsintensität ausgleichen können (Handke et al., 2018, 2019).
Von strukturellen zu wahrgenommen Merkmalen virtueller Teamarbeit
Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass eine ausschließliche Erfassung der strukturellen Bedingungen virtueller Teamarbeit (z. B. über Art und Ausmaß verwendeter IKT) – die wiederum eine vergleichbare Nutzung, Wahrnehmung und somit Wirkung von IKT über die Zeit und Teams hinweg impliziert – die Realität virtueller Teamarbeit in der Praxis nur unzureichend abbilden kann. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Reviews und Metaanalysen, die virtuelle Teamarbeit mittels gängiger struktureller Operationalisierungen erfassen (d. h. z. B. Standortverteilung der Teammitglieder, Anteil von IKT-vermittelter Kommunikation an der Gesamtkommunikation im Team) sehr heterogene Effekte finden, bspw. je nach Studiendesign, Dauer der Zusammenarbeit und Stichprobe (Carter et al., 2019; De Guinea et al., 2012; Gibbs et al., 2017; Purvanova & Kenda, 2022). Inspiriert vor allem durch die sozio-materielle Perspektive (z. B. Orlikowski, 2007; Orlikowski & Scott, 2008), rückt aktuelle Forschung daher zunehmend das subjektive Erleben virtueller Teamarbeit – was durch die tatsächliche Nutzung und Wahrnehmung von IKT und nicht nur durch deren statische, physische Eigenschaften geprägt ist – in den Fokus (Handke et al., 2021; O’Leary et al., 2014; Watson-Manheim et al., 2002, 2012).
In dieser Perspektive ist die Art und Weise, in der IKT das Erleben der Teamarbeit beeinflussen, entscheidender als die Nutzung von IKT per se. Teammitglieder empfinden IKT-vermittelte Interaktion somit nicht zwangsläufig als problematisch, sondern nur dann, wenn diese Störungen in ihren Interaktionen verursachen. Darüber hinaus müssen Störungen der Interaktionen in Teams nicht zwangsläufig durch IKT verursacht werden, sondern können auch bei der face-to-face Interaktion auftreten, z. B. wenn sich die Teammitglieder nicht gegenseitig über den aktuellen Stand der Arbeit informieren. So gehen bspw. Watson-Manheim und Kolleg_innen (2002, 2012) davon aus, dass die unterschiedlichen „Grenzen“ die wir mit virtueller Teamarbeit assoziieren (Standortverteilung, unterschiedliche Arbeitsabläufe, hohe IKT-Nutzung) nur dann als problematisch wahrgenommen werden, wenn durch sie eine „Diskontinuität“ entsteht. Dies bedeutet, dass Teammitglieder eine Veränderung im Informationsfluss bemerken, deren Bewältigung mit bewusstem Aufwand verbunden ist (z. B. das Klären von Missverständnissen in der Aufgabenverteilung). Zudem muss diese Diskontinuität auch als solche wahrgenommen werden, d. h. die Ursache für das Problem auch tatsächlich in der virtuellen Zusammenarbeit liegend wahrgenommen werden (und nicht auf einen Umstand attribuiert werden, der weniger stabil ist oder außerhalb der Situation liegt, also bspw. weil ein Teammitglied gerade krank ist).
Eine ähnliche Perspektive nehmen Handke et al. (2021) mit dem Konstrukt der Team Perceived Virtuality an – ein emergenter Zustand, der sich aus dysfunktionalen Interaktionen im Team ergibt und sich in Form wahrgenommener Informationsdefizite und psychologischer Distanz im Team niederschlägt. Diese Wahrnehmungen können von den physischen Eigenschaften der verwendeten IKT abhängen (z. B. dauern Rückmeldungen per E-Mail länger als am Telefon), müssen es aber nicht. Einige Teams mögen ein hohes Maß an Informationsdefiziten wahrnehmen, weil ihre Koordination durch die Nutzung von E–Mails erschwert ist, wohingegen andere Teams E-Mails nutzen können, um einander detaillierteres und sachlicheres Feedback als im persönlichen Gespräch zu geben, sodass ihre wahrgenommenen Informationsdefizite auch bei hoher IKT-Nutzung eher gering wären. So konnten Studien zeigen, dass sich v. a. wahrgenommene Informationsdefizite auch unabhängig von struktureller Virtualität entwickeln können (Costa et al., 2021, 2023).
Gestaltung virtueller Teamarbeit
Virtuelle Teamarbeit aus einer Perspektive des subjektiven Erlebens tatsächlicher Interaktionen im Team zu betrachten, erlaubt nicht nur ein besseres Verständnis der bisher uneinheitlich erscheinenden Befundlage, sondern ermöglicht auch gezieltere Gestaltungsmaßnahmen. Während sich strukturelle Merkmale virtueller Teamarbeit oft nur wenig verändern lassen (so kann bspw. ein standortverteiltes Team sich aus Zeit- und Kostengründen nicht ständig in Präsenz treffen), können Maßnahmen ergriffen werden, um für eine möglichst reibungslose und zufriedenstellende Zusammenarbeit – auch unter IKT-Nutzung – zu sorgen (s. auch Handke et al., 2020; Kauffeld et al., 2022). Im Folgenden stellen wir einige Faktoren dar, die Anpassungsprozesse in der virtuellen Teamarbeit begünstigen. In Anlehnung an gängige Klassifikationen der Arbeitsgestaltung (z. B. Morgeson & Humphrey, 2008) unterteilen wir diese Merkmale auf folgenden drei Ebenen: a) Arbeitsaufgabe, b) soziale Interaktionen und c) Arbeitskontext. Selbstverständlich stellt dies keine erschöpfende Auflistung dar, soll aber dennoch einige praktische Einblicke in mögliche Stellschrauben zur Optimierung virtueller Teamarbeit bieten.
Gestaltung der Arbeitsaufgabe. Ein hoher Grad an Autonomie, der es Teammitgliedern ermöglicht, selbstständig Entscheidungen über die Art und Weise ihrer Aufgabenausführung zu treffen, kann Anforderungen des virtuellen Settings besser abfangen (Kim et al., 2002; Phillips, 2002). So könnten Teammitglieder bspw. durch die selbstständige Entscheidung darüber, welche IKT sie wann und für welche Aufgaben am besten einsetzen und wie virtuelle Meetings sowohl individuellen Bedürfnissen der Teammitglieder als auch den Aufgabenanforderungen am besten entgegenkommen, sich besser koordinieren (Costa et al., 2021).
Feedback, sowohl über Teamprozesse und -zustände (z. B. woran arbeiten die anderen Teammitglieder gerade, wie motiviert sind sie?) als auch über Ergebnisse (z. B. welche Leistungen hat das Team erbracht, welche Leistungen haben individuelle Teammitglieder erbracht?) kann wiederum Unsicherheit bzw. Mehrdeutigkeit im virtuellen Setting reduzieren (Handke et al., 2022; McLarnon et al., 2019). Informationen darüber, was die anderen gerade tun und wahrnehmen, erlaubt Teammitgliedern eine bessere Einschätzung der Situation und somit ihre Handlungen in Richtung effektiverer Zusammenarbeit gemeinsam anzupassen (Carter et al., 2019; Gabelica et al., 2012). Laut eines Reviews von Handke et al. (2022) scheint Feedback in der virtuellen Teamarbeit besonders dann hilfreich zu sein, wenn Informationen a) auf der Teamebene gegeben werden (d. h. nicht nur Informationen über individuelle Leistung, sondern Ergebnisse des Teams liefern, z. B. Gesamtprojekterfolg), b) sich sowohl auf Teamprozesse bzw. psychologische Zustände als auch auf deren Ergebnisse beziehen, sowie c) sich aus möglichst objektiven Daten speisen (z. B. aus der Anzahl geschriebener Beiträge).
Gestaltung sozialer Interaktionen. Ein naheliegender Faktor zur Förderung effektiver virtueller Zusammenarbeit ist die Herstellung von Vertrautheit zwischen Teammitgliedern (Handke et al., 2021; Maynard et al., 2019). Wie von der Channel Expansion Theory (Carlson & Zmud, 1999) postuliert, ist die wahrgenommene Informationsreichhaltigkeit einer IKT umso höher, je besser sich die Teammitglieder kennen (d. h. desto eher werden Informationen so transportiert, dass sie wie intendiert verstanden werden). Dieses Wissen verbessert nicht nur den Umgang mit der IKT selbst, sondern ermöglicht es Teammitgliedern auch, einander besser zu verstehen und ihr Kommunikationsverhalten entsprechend anpassen zu können (Walther, 1992, 1996). So können Teammitglieder bei hoher Vertrautheit auch ohne bestimmte (z. B. nonverbale) Hinweisreize effektiv miteinander kommunizieren, da sie sich auch ohne diese Hinweisreize erschließen können, was ein anderes, ihnen gut vertrautes Teammitglied zu vermitteln versucht (Maynard et al., 2019).
Allerdings muss Vertrautheit auch gefördert werden, da sie vor allem ein gewisses Ausmaß an gemeinsamen Interaktionen – idealerweise in Bezug auf dieselben bzw. ähnliche Aufgaben – voraussetzt (Espinosa et al., 2007; Hinds et al., 2000). Oftmals werden daher insbesondere für die Anfangsphase der Zusammenarbeit face-to-face Treffen empfohlen, um das Kennenlernen zu beschleunigen (Boos et al., 2017; Hertel et al., 2005). Auch in der IKT-vermittelten Kommunikation sollten genügend Möglichkeiten für informellen Austausch gegeben werden, z. B. Zeit für Smalltalk vor oder am Anfang von Videokonferenzen oder geplante virtuelle Kaffeepausen und Mittagessen (Hacker et al., 2020; Handke & Kauffeld, 2019).
Eine weitere entscheidende Variable im Kontext virtueller Teamarbeit ist Interdependenz, d. h. die Verflechtung bzw. gegenseitige Abhängigkeit der Teammitglieder (hier: in Bezug auf die Ausführung ihrer Arbeitsaufgabe, d. h. Aufgabeninterdependenz). Bei virtueller Zusammenarbeit scheint Interdependenz ein zweischneidiges Schwert zu sein: Während Interdependenz einerseits den Koordinationsaufwand im virtuellen Setting noch weiter erhöht, was besonders unter Zeitdruck (wie in den häufig eingesetzten Laborexperimenten) schwer zu erfüllen ist (Baltes et al., 2002; Rico & Cohen, 2005), kann sie gleichzeitig für Motivation in Teams sorgen, die sich aufgrund IKT-vermittelter Kommunikation seltener sehen und somit unter Anonymität bzw. Nichtidentifizierbarkeit ihrer Beiträge leiden (Hertel et al., 2004). Es empfiehlt sich also ein moderates Ausmaß interdependenter Aufgaben in der virtuellen Teamarbeit beizubehalten – sofern auch ausreichend Autonomie gewährt wird – um zu bestimmen, wie entsprechende interdependente Aufgaben sinnvoll koordiniert werden können (Costa et al., 2021; Handke et al., 2020).
Durchgängig positive Effekte in Bezug auf virtuelle Teamarbeit zeigt soziale Unterstützung, da sie den Mangel an (sozialen) Hinweisreizen und Beziehungsorientierung in der virtuellen Teamarbeit kompensieren kann (Handke et al., 2020). Somit kann soziale Unterstützung Teammitgliedern u. a. dabei helfen, voneinander zu lernen, was insbesondere bei weniger Möglichkeiten des informellen Zusammentreffens besonders hilfreich sein kann (Staples & Webster, 2007).
Gestaltung des Arbeitskontexts. Ähnlich wie auch soziale Unterstützung von Kolleg_innen und Führungskräften ist die Unterstützung durch die Organisation essentiell für effektive virtuelle Zusammenarbeit. So konnte eine während der Corona-Pandemie durchgeführte Studie von Costa et al. (2021) einen positiven Effekt organisationaler Unterstützung auf die Effektivität virtueller Kommunikation sowie auf die wahrgenommene Nähe zu anderen Teammitgliedern zeigen. Organisationale Unterstützung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Einstellung und Zufriedenheit der Beschäftigten bzgl. virtueller Arbeit von der Organisation ernst genommen werden und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet werden. Eine Organisation kann bspw. dafür sorgen, dass virtuell arbeitende Personen finanzielle Unterstützung für die Einrichtung eines ergonomischen Heimarbeitsplatzes bekommen oder mit Kollaborationstools ausgestattet werden, die eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit auf Distanz ermöglichen.
Trends der virtuellen Teamarbeit
Die Entwicklung virtueller Teamarbeit wird maßgeblich von zwei Kräften angeschoben: 1) der fortschreitenden Entwicklung leistungsfähigerer, aber auch neuartiger IKT sowie 2) dem Wunsch nach Ökonomisierung und Flexibilisierung der Arbeit. Im Zuge dessen wollen wir zwei neue, sich daraus ergebende Trends diskutieren, denen sich zukünftige Forschung stärker widmen wird.
Hybride Teamarbeit
Im Nachgang der Corona-Pandemie zeigt sich bei der Mehrheit der Beschäftigten der Wunsch nach einer Mischung aus Arbeit im Büro und im Home Office (Barrero et al., 2021; Bloom et al., 2020). Die sich daraus ergebende „hybride“ Arbeit gewinnt somit zunehmend in Praxis und Forschung an Bedeutung (Gratton, 2020, 2021; Hilberath et al., 2020). Dabei wird „hybride“ Arbeit als ein Sammelbegriff verwendet, der eine Kombination von Arbeit in der zentralen Betriebsstätte sowie anderen (typischerweise häuslichen) Arbeitsumgebungen beschreibt (Grzegorczyk et al., 2021; Sewell & Taskin, 2015). Dabei entstehen jedoch auch völlig neue Formen der Zusammenarbeit, die über unser bisheriges Verständnis „hybrider Teams“ hinausgehen. Während die bisherige Forschung zwar Eigenschaften von Teams, bei denen ein Teil der Mitglieder am gleichen Standort und der Rest verteilt arbeitet (O’Leary & Cummings, 2007; O’Leary & Mortensen, 2010) bereits berücksichtigt, wurde in bisheriger Forschung zu hybriden Teams jedoch noch von relativ statischen geografischen Konfigurationen ausgegangen. So wurde bei der Betrachtung der Standortverteilung von Teammitgliedern bspw. angenommen, dass die Teammitglieder A und B immer gemeinsam am Standort X, während die Teammitglieder C und D an den Standorten Y bzw. Z arbeiten.
Die Berücksichtigung hybrider Arbeitsweisen einzelner Teammitglieder (z. B. im Rahmen bestehender Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit) bedeutet jedoch, dass sich diese Standortverteilung dynamisch ändern kann. So könnten nun die Teammitglieder A und B montags am selben Standort arbeiten, während Teammitglied C dienstags zu ihnen stößt und alle Teammitglieder von Mittwoch bis Freitag von zu Hause aus arbeiten – was sich in der folgenden Woche auch wieder ändern könnte. Die Gefahr von Subgruppenbildung in der hybriden Teamarbeit sowie die damit einhergehenden sozialen Kategorisierungsprozesse und entsprechenden Kommunikationsprobleme und Konflikte (O’Leary & Cummings, 2007; O’Leary & Mortensen, 2010) könnten sich durch diese Dynamik entscheidend verändern. So besteht eventuell ein geringeres Risiko für feste Subgruppen mit ihren entsprechenden Gefahren für Kommunikation und Koordination im Gesamtteam. Es könnte für Teams sogar von Vorteil sein, wenn verschiedene Teammitglieder zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Aufgaben an einem Ort zusammenarbeiten, während andere selektiv aus der Ferne arbeiten können, ohne dauerhafte soziale Isolation zu riskieren. Wenn sich Subgruppen täglich (oder sogar stündlich) ändern können, steigt jedoch auch das Maß an Unsicherheit. Dementsprechend werden sich die Herausforderungen bei der hybriden Teamarbeit vermutlich weniger darauf beziehen, ob Subgruppen entstehen, sondern welche Subgruppen diese genau sind, wie stabil sie sind und wie sie mit unterschiedlichen Phasen der Teamarbeit zusammenhängen.
Human-Autonomy Teaming
Die Auswahl an technologischen Entwicklungen, die virtuelle Teams für ihre Zusammenarbeit nutzen können, erweitert sich zunehmend durch der rasanten technologischen Fortschritt. Georganta et al. (2023) geben in ihrem Review einen Überblick über den Einfluss verschiedener Formen interaktiver IKT auf die Effektivität von Teams und spannen dabei den Bogen von statischen Websites über Videokonferenz-Software bis hin zu Robotern und durch künstliche Intelligenz gestützte Tools. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zwischen diesen verschiedenen technologischen Tools kategorische Unterschiede bestehen, die Paradigmenwechsel nach sich ziehen und die Beziehungsgefüge und Rollen in Teams verändern. Während ‚traditionelle‘ Software wie Textverarbeitungs- oder Videokonferenz-Software eindeutig von Teammitgliedern als Werkzeug genutzt wird (also einer ‚human user – technological tool‘ Interaktionslogik folgt), übernehmen durch Algorithmen und künstliche Intelligenz gestützte Tools eigenständig Aufgaben, und treffen eigenständig Entscheidungen – zum Teil sogar Entscheidungen über die anderen Teammitglieder (Wesche et al., 2022).
Solchen technologischen Tools kommt also eher die Rolle eines zusätzlichen Teammitglieds zu (‚human teammate – technological teammate‘ Interaktionslogik, McNeese et al., 2017) und im Falle der Entscheidungen über andere Teammitglieder sogar die Rolle einer Art Führungskraft (,technological leader – human follower’ Interaktionslogik, Wesche & Sonderegger, 2019). Diese neuartigen Interaktionslogiken können bei den menschlichen Teammitgliedern zu Befremden, Vorbehalten, Irritationen und auch Ablehnung führen, was dem eigentlichen Ziel der Einführung dieser Technologien, nämlich die Unterstützung der Effektivität, entgegensteht (Wesche & Sonderegger, 2019). Für gut funktionierende Teamprozesse und damit auch -ergebnisse muss in virtuellen Teams auch zu den technologischen Teammitgliedern Vertrauen aufgebaut werden, müssen Kommunikationsbarrieren ab- und gemeinsame mentale Modelle aufgebaut werden (Demir et al., 2020).
Fazit
Durch den rasanten technologischen Fortschritt sowie die zunehmende Komplexität von Arbeitsanforderungen wird unsere Arbeitswelt immer mehr von virtueller Teamarbeit geprägt. Offensichtlich ist, dass es sich bei virtueller Teamarbeit längst nicht mehr um das Gegenteil „traditioneller“ bzw. face-to-face Teamarbeit handelt, da die Mehrheit der Teams in Organisationen heutzutage von IKT-vermittelter Kommunikation betroffen ist. Somit ist die Wirkung von IKT auf Aufgaben- und Beziehungsmanagement im Team von weitreichender Bedeutung. Dabei deutet aktuelle Forschung darauf hin, dass sich die Effekte virtueller Teamarbeit nicht über rein strukturelle Faktoren (z. B. mittels welcher IKT und in welchem Ausmaß kommunizieren die Teammitglieder) erklären lassen. Entscheidender scheint nicht zu sein, ob virtuell gearbeitet wird, sondern wie, d. h. auf welche Art Teams IKT nutzen, mit welchen Arbeitsanforderungen sie konfrontiert sind und über welche Ressourcen sie verfügen. Zudem gilt es in der zukünftigen Forschung die zunehmend dynamischere Konfiguration virtuell arbeitender Teams sowie ihre Zusammensetzung aus menschlichen und technologischen Agenten zu berücksichtigen.
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