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Open AccessOriginalarbeit

Stabilität und Prädiktion von Prüfungsangst bei Studierenden

Ergebnisse einer Längsschnitterhebung mit Erstsemestern

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000660

Abstract

Zusammenfassung.Theoretischer Hintergrund: Obwohl Prüfungsangst ein häufiges Anliegen in psychologischen Beratungsstellen ist, wissen wir wenig über ihren zeitlichen Verlauf sowie über Risikofaktoren für hohe Prüfungsangst kurz vor den Prüfungen. Fragestellung: Diese Studie untersucht, ob sich die Intensität von Prüfungsangst während eines Semesters verändert und wie Personen mit hoher Belastung kurz vor der Prüfung früh identifiziert werden können. Methodik: Zu Beginn und kurz vor den Prüfungen des Wintersemesters 2014/15 wurden Prüfungsangst, Depressivität und Prokrastination bei 427 Studierenden (88.3 % Erstsemester; 68.4 % weiblich; Altersdurchschnitt 20.0 Jahre) erfasst. Ergebnisse: Die Analyse auf Einzelfallebene zeigte, dass sich die Prüfungsangst bei den meisten Studierenden nicht signifikant veränderte. Bei der Vorhersage der Prüfungsangst zum Semesterende stellten Prüfungsangst und Depressivität zu Semesterbeginn signifikante Prädiktoren dar. Diese wurden anhand von 80 % der Gesamtstichprobe ermittelt und an den anderen 20 % validiert. Schlussfolgerungen: Erhöhte Prüfungsangst und Depressivität zu Semesterbeginn können die frühe Identifikation von Studierenden mit bedeutsamer Prüfungsangst kurz vor Prüfungen ermöglichen.

Stability and Prediction of Test Anxiety in University Students

Abstract.Background: Test anxiety is a common concern in university psychological counseling. Objective: The present study investigates whether test anxiety intensity changes over the course of a semester and how to early identify students’ reports of high test anxiety shortly before their exams. Methods: At the beginning and again before the exams of the winter semester 2014/2015, we gathered data on the test anxiety, depressiveness, and procrastination of 427 university students (88.3 % freshmen, 68.4 % female, average age 20.0 years). Results: Analyses of individual subjects revealed that most students’ test anxiety levels did not change significantly. Test anxiety and depressiveness at the beginning of the semester predicted test anxiety just prior to the exams. We corroborated the predictors via crossvalidation. Conclusions: Higher test anxiety and depressiveness at the beginning of a semester serve as indicators for the early identification of students with higher test anxiety before exams.

Prüfungen sind ein integraler Bestandteil jedes Studiums. Sie sind für viele Studierende mit Nervosität und Anspannung verbunden. Unter dem Konzept „Prüfungsangst“ versteht man jedoch eine anhaltende und deutlich spürbare Angst in Prüfungssituationen und / oder während der Prüfungsvorbereitung; die Angst ist den Bedingungen der Prüfung und der Prüfungsvorbereitung nicht angemessen und dann klinisch relevant, wenn Alltag und / oder Ausbildungsverlauf bzw. berufliches Weiterkommen dadurch deutlich beeinträchtigt sind (Fehm & Fydrich, 2011; Salmon, 1990). Bei Berücksichtigung der in der Angstforschung üblichen Unterscheidung von State-Angst (vorübergehender emotionaler Zustand in einer spezifischen Situation) und Trait-Angst (stabile persönliche Veranlagung, Situationen als bedrohlich zu interpretieren) wird Prüfungsangst als situationsspezifische Trait-Angst konzeptualisiert (Spielberger, Anton & Bedell, 1976). Die tatsächliche Häufigkeit von starker Prüfungsangst ist schwer zu bestimmen, da die Operationalisierungen in Studien stark voneinander abweichen (Fehm & Fydrich, 2011). Die Ergebnisse der jüngeren Studierendensurveys (Multrus, Majer, Bargel & Schmidt, 2017; Ramm, Multrus & Bargel, 2011; Ramm, Multrus, Bargel & Schmidt, 2014) legen nahe, dass Prüfungsangst ein Problem mit gleichbleibender Häufigkeit darstellt. Die verschiedenen Veröffentlichungen kamen zu relativ ähnlichen Ergebnissen und berichteten, dass ca. ein Viertel der Studierenden Angst vor den meisten Prüfungen erlebte. Aus einer Studie, die zusätzlich zu erhöhten Werten in einem Fragebogen zur Prüfungsangst Angaben zur individuellen Beeinträchtigung und das Absagen von mindestens einer Prüfung berücksichtigt hatte, ging hervor, dass 5 % einer großen Berliner Studierendenstichprobe (N = 489) unter starken Prüfungsängsten litten (Fehm & Priewe, 2008).

Die Studien zur Häufigkeit von Prüfungsangst geben in der Regel jedoch keine Auskunft darüber, ob sich die Angstsymptomatik im Lauf eines Semesters verändert, ob Studierende also zu einem Zeitpunkt stärker belastet sind als zu einem anderen. Es ist plausibel, dass die Prüfungsängstlichkeit vom Semesterbeginn bis zu den Prüfungen, die in der Regel am Semesterende stattfinden, immer weiter ansteigt. Tatsächlich können wir die Fragen, zu welchen Zeitpunkten Studierende belastet sind und gegebenenfalls Hilfe benötigen und wie stark sich Studierende in etwaigen Schwankungen unterscheiden, aktuell nicht eindeutig beantworten.

Lotz und Sparfeldt (2017) legten erste Daten zur Fragestellung vor, ob sich die Intensität der Prüfungsangst im Laufe eines Semesters verändert. In ihrer Arbeit erhoben sie bei einer Stichprobe von 192 Lehramtsstudierenden zu Semesteranfang, in der letzten Vorlesungswoche und unmittelbar vor der verpflichtenden Prüfung deren State-Prüfungsangst. Diese Prüfung wurde einmal in der Woche nach Vorlesungsende und einmal acht Wochen später angeboten. Zur Erfassung der State-Prüfungsangst sollten die Studierenden ihre Gefühle hinsichtlich acht Items (z. B. „besorgt“, „nervös“) auf einer siebenstufigen Ratingskala („sehr“ bis „überhaupt nicht“) beschreiben, wenn sie jetzt sofort an der Prüfung teilnehmen müssten. Zusätzlich wurde zum ersten Messzeitpunkt die Trait-Prüfungsangst mithilfe von neun Items aus dem Prüfungsängstlichkeitsinventar (Test-Anxiety-Inventory-German (TAI-G); Hodapp, 1991) erfasst. Die berichteten Ergebnisse zeigten kein einheitliches Bild: Zwischen der ersten und der letzten Vorlesungswoche veränderte sich die State-Prüfungsangst nicht signifikant, erst unmittelbar vor der Prüfung fiel sie dann höher aus als zu den anderen Messzeitpunkten. Gleichzeitig fiel die Angst in der „early exam group“ zu jedem Zeitpunkt höher aus als in der „late exam group“, wofür aus Sicht der Autor_innen die größere zeitliche Distanz zur Prüfung einen möglichen Erklärungsansatz darstellt. Die Daten wurden jedoch keiner einzelfallanalytischen Auswertung unterzogen.

Es gibt weitere Publikationen, die die Veränderung der Prüfungsangst im Längsschnitt untersuchten (z. B. Lay, Edwards, Parker & Endler, 1989; Lotz, Sparfeldt & Ringeisen, 2021; Zeidner, 1994). Diese berichteten alle eine bedeutsame Zunahme der Prüfungsangst bis kurz vor der Prüfung, beschränkten sich jedoch auf ein Zeitfenster von maximal einem Monat vor der Prüfung. Die Ergebnisse geben daher lediglich erste Anhaltspunkte für die Veränderung der Prüfungsangst zwischen Semesteranfang und -ende.

Neben dieser Frage nach Schwankungen der Prüfungsangst-Intensität im Semesterverlauf ist außerdem ihre Ausprägung kurz vor und in der Examensphase von besonderem Interesse. Prüfungsangst kurz vor einem Test kann dazu führen, dass Betroffene diesen letztlich absagen, und korreliert im Durchschnitt negativ mit dem leistungsmäßigen Abschneiden (z. B. Metaanalyse von von der Embse, Jester, Roy & Post, 2018), obgleich es auch Studierende gibt, die unter Prüfungsangst leiden, ohne Leistungseinbußen zu erfahren (Zeidner, 1998). Entsprechend ist es von großem Interesse, Personen mit einer hohen Belastung kurz vor der Prüfung möglichst früh zu identifizieren. Beispielsweise könnte man Studierende, bei denen es Hinweise auf eine ausgeprägte Prüfungsangst zum Semesterende gibt, schon im Vorfeld gezielt auf Angebote der psychologischen Beratungsstelle der Universität hinweisen. Deshalb stellt sich die Frage nach Prädiktoren, mit denen die Prüfungsangst-Ausprägung kurz vor den Prüfungen bereits zu Semesterbeginn vorhergesagt werden kann. Diese Frage kann aktuell nur schwer beantwortet werden. Die entsprechende Datenlage ist uneindeutig, auch weil in den meisten Studien eher Korrelate statt Prädiktoren berichtet wurden. An dieser Stelle ist vor allem eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018 zu Zusammenhängen zwischen Prüfungsangst und vielen anderen Variablen zu nennen, in der Studien ab 1988 analysiert wurden (von der Embse et al., 2018). Die Autor_innen berichteten, dass Prüfungsangst positiv mit Neurotizismus und negativ mit Gewissenhaftigkeit korrelierte. Außerdem hing sie positiv mit einem vermeidenden Bewältigungsstil zusammen sowie dem Wunsch, nicht schlechter als andere abzuschneiden. Eine negative Korrelation mit Prüfungsangst zeigte sich wiederum für Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl, was für einen positiven Zusammenhang zwischen Prüfungsangst und Depressivität spricht. Außerdem wurden in anderen Studien Korrelationen zwischen depressionsnahen Konzepten wie selbstabwertenden Kognitionen (Cunha & Paiva, 2012) und einseitigen negativen Denkweisen (Wong, 2008) einerseits und Prüfungsangst andererseits berichtet. Darüber hinaus besteht eine hohe Komorbidität zwischen Sozialer Phobie (als solche wird Prüfungsangst nach DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2018) eingeordnet) und Depression (Fehm, Beesdo, Jacobi & Fiedler, 2008). Daher muss ein enger Zusammenhang zwischen Depressivität und Prüfungsangst angenommen werden. Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung von Zeidner (1994), in der sich die vier Wochen vor der Prüfung erhobene Depressivität als Prädiktor für die State-Prüfungsangst kurz vor Beginn einer Prüfung erwies, sollte die Depressivität auch als eine Variable erwogen werden, mithilfe derer man zu Beginn eines Semesters die Prüfungsangst kurz vor den Prüfungen vorhersagen kann.

Das gleiche gilt für die Prokrastination. Prokrastination während der Prüfungsvorbereitung kann als eine der wichtigsten Variablen angesehen werden, die die Prüfungsangst langfristig aufrechterhalten (Fehm & Fydrich, 2011). Sowohl Lay et al. (1989) als auch Lay und Silverman (1996) konnten in ihren Untersuchungen jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Prokrastination einen Monat vor der Prüfung und der Prüfungsangst in den Tagen vor der Prüfung finden. Laut der Ergebnisse einer Metaanalyse zu Korrelaten der Prokrastination (van Eerde, 2003) korrelierte Prüfungsangst trotz uneinheitlicher Studienlage jedoch in der Summe der empirischen Arbeiten positiv mit Prokrastination.

Im Hinblick auf mögliche bedeutsame Prädiktoren der Prüfungsangst kurz vor einer Prüfung ist außerdem die Ausprägung der Prüfungsangst zum Semesteranfang zu nennen. Beispielsweise fanden sich bei Lotz und Sparfeldt (2017) mittlere und große Korrelationen zwischen der Trait-Prüfungsangst zu Semesterbeginn und der State-Prüfungsangst eine Woche („early exam group“) bzw. neun Wochen („late exam group“) sowie unmittelbar vor der Prüfung. In der Untersuchung von Lay und Silverman (1996) leistete die Trait-Angst ca. einen Monat vor der Prüfung einen geringfügigen Beitrag (positiver Zusammenhang) zur Vorhersage der Aufregung am Prüfungstag.

Insgesamt bestehen also einige Hinweise, anhand welcher Variablen man zu Semesterbeginn die Ausprägung der Prüfungsangst kurz vor den Prüfungen vorhersagen könnte. Allerdings wurden in den meisten Fällen nur Korrelationen berichtet. Darüber hinaus gibt es fast keine Studien, die zur Untersuchung dieser Frage ein längsschnittliches Design verwendeten. In den wenigen vorhandenen Längsschnittstudien wurden wiederum fast immer nur Erhebungen innerhalb der vier Wochen vor der Prüfung durchgeführt.

Fragestellungen

Um die dargestellten Forschungslücken zu schließen, untersuchte diese Studie mithilfe eines Längsschnittdesigns sowie einer Analyse auf Einzelfallebene (Reliable Change Indices), ob sich die Prüfungsangst bei Studierenden zwischen dem Semesterbeginn und der Woche vor dem Prüfungszeitraum bedeutsam unterscheidet. Es gibt erste Hinweise darauf, dass die Angst zu Semesterende etwas höher ausfällt als zu Beginn (Hypothese 1). Ein weiteres Ziel unserer Untersuchung bestand in der Identifikation von Faktoren, die bereits zu Semesterbeginn ein hohes Ausmaß an Prüfungsangst zu Semesterende vorhersagen können. Dies würde es ermöglichen, diesen Studierenden schon früh eine Intervention anzubieten und damit auch zu verhindern, dass sich die Angst negativ auf die Prüfungsleistung auswirkt oder Prüfungen sogar abgesagt werden. In Anlehnung an die oben dargestellten Befunde wurde weiterhin angenommen, dass bei Personen, die zu Semesterbeginn eine erhöhte Prüfungsangst oder eine erhöhte Depressivität aufweisen, eine hohe Prüfungsangst zu Semesterende vorliegt (Hypothese 2).

Methode

An der Universität Konstanz wurden Studierende in Erstsemester-Veranstaltungen verschiedener Studienfächer während des Wintersemesters 2014 / 2015 zu zwei Zeitpunkten befragt: Das erste Mal während der Einführungswoche vor dem offiziellen Beginn des Semesterbetriebs (T1), das zweite Mal während der letzten Vorlesungswoche und damit direkt vor dem Prüfungszeitraum (T2). In allen eingeschlossenen Studienfächern standen zum Ende der Vorlesungszeit Klausuren an. Die Erhebung erfolgte mittels Selbstbeurteilungs-Fragebögen im Paper-Pencil-Format, fand zu Beginn oder am Ende von Vorlesungen statt und wurde vom Studienteam durchgeführt. Die Teilnehmer_innen wurden mündlich und schriftlich darauf hingewiesen, dass die Teilnahme freiwillig war. Die Befragung dauerte ca. 10 – 15 Minuten.

Zu T1 nahmen 925 Personen an der Erhebung teil, zu T2 889 (Gesamtzahl der Studierenden im ersten BA-Semester ca. 2 000). Die Teilnehmer_innen wurden zu beiden Messzeitpunkten gebeten, eine individuelle sechsstellige Chiffre zu erstellen (Anfangsbuchstaben der Vornamen von Mutter und Vater, Tag des Geburtstags der Mutter, Monat des Geburtstags des Vaters). Anhand dieser Chiffren wurden die Daten der beiden Messzeitpunkte einander zugeordnet. Während diese Zuordnung in einem Teil der Fälle problemlos funktionierte (n = 267), waren in anderen Fällen offensichtlich Lese- und Schreibfehler aufgetreten. Wenn sich die angegebenen sechsstelligen Chiffren nur in einem einzigen Buchstaben oder nur in der Angabe zum Geburtstag der Mutter oder des Vaters unterschieden und die Basisdaten (Geschlecht, Alter, Fachbereich, Fachsemester, Studienabschnitt), die zu T1 und T2 abgefragt wurden, übereinstimmten, wurden die Daten der zwei Messzeitpunkte bei der entsprechenden Person als verbunden angesehen (n = 162). In der großen Mehrheit dieser Fälle war ersichtlich, dass die Fehler entweder durch eine schwer leserliche Schrift (z. B. T1: EI2202, T2: EJ2202) oder durch Angabe des Tags statt des Monats des Geburtstags des Vaters (z. B. T1: AA2424, T2: AA2406) entstanden waren.

Die Daten von Personen, bei denen aufgrund zu vieler Missings im Prüfungsangst-Fragebogen zu T1 (n = 1) oder zu T2 (n = 1) kein Gesamtwert berechnet werden konnte, wurden im letzten Schritt vollständig aus dem Datensatz entfernt. Dadurch ergab sich eine Gesamtstichprobe mit Längsschnittdaten von insgesamt 427 Fällen.

Die teilnehmenden Studierenden waren zu Semesterbeginn im Durchschnitt 20.0 Jahre alt (SD = 2.5; Range = 17 – 44). 68.4 % (n = 292) waren weiblich. Insgesamt studierten die Studierenden Fächer aus acht Bereichen, wobei Politik- / Verwaltungswissenschaft der häufigste Bereich (25.1 %; n = 107), Psychologie der zweithäufigste Bereich (19.2 %; n = 82) und Wirtschaftswissenschaften der dritthäufigste Bereich (11,9 %; n = 51) war. Alle Teilnehmenden studierten in einem Bachelorstudiengang, wobei die überwiegende Mehrheit (88.3 %; n = 377) Erstsemester waren.

Eingesetzte Fragebögen

Prüfungsangst-Fragebogen (PAF): Der PAF (Hodapp, Rohrmann & Ringeisen, 2011) misst Prüfungsängstlichkeit als situationsspezifische Persönlichkeitsdisposition. Er besteht aus 20 Items, die mögliche Gefühle und Gedanken in Prüfungssituationen beschreiben. Die Proband_innen sollen auf einer Antwortskala von 1 bis 4 („fast nie“ bis „fast immer“) angeben, wie sie sich im Allgemeinen in Prüfungssituationen fühlen und was sie dabei denken. Die Items sind vier Subskalen zugeordnet („Aufgeregtheit“, „Besorgtheit“, „Interferenz“, „Mangel an Zuversicht“; jeweils fünf Items) und werden zu einem Summenscore (Range: 20 – 80 Punkte) zusammengefasst. Bei Frauen weist ein Summenscore ab 56 Punkten auf eine erhöhte und ein Summenscore ab 67 Punkten auf eine stark erhöhte Prüfungsängstlichkeit hin. Bei Männern gelten Werte ab 50 und 64 Punkten als erhöht bzw. stark erhöht. Reliabilität und Validität des Instruments können als hoch betrachtet werden (Hodapp et al., 2011). In der von uns untersuchten Stichprobe lag Cronbachs α bei .88 (T1) bzw. .91 (T2), was für eine ausreichende bzw. hohe Reliabilität spricht (Döring & Bortz, 2016).

Allgemeine Depressionsskala – Kurzform (ADS-K): Die ADS-K (Hautzinger, Bailer, Hofmeister & Keller, 2012) ist ein Selbstbeurteilungsinstrument depressiver Symptome. Sie erfragt das aktuelle Vorhandensein von und die Dauer der Beeinträchtigung durch reduzierten Affekt, körperliche Auffälligkeiten, Antrieb, Motivation und selbstbezogenes Denken. Der Bezugszeitraum ist die zurückliegende Woche. Sie besteht aus 15 Items mit jeweils vier Antwortmöglichkeiten zwischen 0 (selten oder überhaupt nicht bzw. weniger als 1 Tag) und 3 (meistens, die ganze Zeit bzw. 5 bis 7 Tage lang). Aus diesen wird ein Summenscore (Range: 0 – 45 Punkte) berechnet. Das Instrument konnte in zahlreichen Studien seine Reliabilität und Validität zeigen (u. a. Hautzinger et al., 2012; Lehr, Hillert, Schmitz & Sosnowsky, 2008). In der hier berichteten Stichprobe lag ebenfalls eine ausreichende interne Konsistenz vor (T1: α = .87; T2: α = .89).

Aitken Procrastination Scale (APS): Die APS ist ursprünglich ein englischsprachiges Instrument, das auf Aitken (1982) zurückgeht und Prokrastination als habituelles Personenmerkmal erfasst (Helmke & Schrader, 2000). Helmke und Schrader (2000) übersetzten die Skala ins Deutsche und führten eine Faktorenanalyse durch, die die drei Faktoren „Zentrale Prokrastination“ (Hinauszögern von Tätigkeiten und Neigung zu Anfangsschwierigkeiten), „Mangelnde Vorausschau“ und „Unpünktlichkeit“ ergab. Die Skala hat 19 Items und erfasst die Zustimmung zu verschiedenen Aussagen auf einer Skala von „trifft gar nicht zu“ (0) bis „trifft genau zu“ (4). Weil das Ausmaß der selbstberichteten Trait-Prokrastination am besten durch die 13 Items des ersten Faktors abgebildet wird (Höcker, Engberding, Beißner & Rist, 2008), wurde in dieser Arbeit ausschließlich der Mittelwert dieser Items (Range: 0.0 – 4.0 Punkte) im Sinne einer Subskala „Zentrale Prokrastination“ verwendet; diese Skala zeigte gute Reliabilitäts- und Validitätskennwerte (Patzelt & Opitz, 2014). In der von uns analysierten Stichprobe lag der Reliabilitätskoeffizient Cronbachs α bei .88 (T1) bzw. .90 (T2).

Darüber hinaus wurden Angaben zur Soziodemographie erfasst (Geschlecht, Alter, Studienfach und Fachsemester).

Statistische Analysen

Alle statistischen Analysen wurden mit dem Programm IBM Statistics 24 durchgeführt. Mittelwertsunterschiede in der Prüfungsangst zwischen den beiden Messzeitpunkten wurden anhand von t-Tests für abhängige Stichproben untersucht. Bei allen t-Tests wurde zweiseitig getestet. Zusätzlich wurden die Effektstärken nach Cohen (1988) bestimmt. Bei d ≥ 0.2 handelt es sich um einen kleinen, bei d ≥ 0.5 um einen mittelgroßen und bei d ≥ 0.8 um einen großen Effekt.

Um herauszufinden, bei wie vielen Personen diese Veränderungen auch statistisch reliabel waren, wurden die Reliable Change Indices (Jacobson & Truax, 1991) berechnet. Der Reliable Change Index (RCI) ist ein Maß, das im Einzelfall prüft, ob das Ausmaß einer Veränderung statistisch bedeutsam ist oder lediglich die Schwankungen eines unpräzisen Messinstruments wiedergibt. In die Berechnung des RCI werden die Differenz der beiden Messwerte (T2 minus T1), die Standardabweichung der ersten Messung und die Reliabilität des Messinstruments einbezogen. Dies erfolgte unter Verwendung von Cronbachs α = .88 (Hodapp et al., 2011). Ausgehend von einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %, zeigt ein RCI, der größer als 1.96 ausfällt, eine reliable Zunahme an. Ein RCI, der einen kleineren Wert als -1.96 hat, gibt wiederum Anhalt für eine reliable Abnahme. Ein RCI zwischen -1.96 und 1.96 spricht gegen eine signifikante Veränderung.

Zur Vorhersage der Prüfungsangst (PAF-Gesamtwert zu T2) wurde unter Verwendung der Methode Kreuzvalidierung eine Regressionsgleichung aus einer Trainingsstichprobe entwickelt, die aus 80 % der Studierenden bestand, die zufällig ausgewählt worden waren. Um zu überprüfen, ob dieses Regressionsmodell auf andere Stichproben generalisierbar ist, wurde dieses Modell im Anschluss auf die restlichen 20 % der Studierenden, die sogenannte Teststichprobe, angewendet (Tabachnick & Fidell, 2014).

Die Regressionsanalyse mit den Daten der Trainingsstichprobe wurde mit der „Schrittweise“-Selektionsmethode (F-Wahrscheinlichkeit für Aufnahme: .05, für Ausschluss: .10) berechnet. In das Modell wurden aus der Auswahl mehrerer möglicher Prädiktoren (PAF-Gesamtwert zu T1, Mittelwert der APS zu T1, Summenscore der ADS zu T1, Geschlecht) alle signifikanten Variablen in der Reihenfolge ihrer statistischen Wichtigkeit nacheinander aufgenommen. War ein bereits aufgenommener Prädiktor durch die Hinzunahme eines weiteren Prädiktors nicht mehr signifikant, wurde er im nächsten Schritt automatisch wieder entfernt (Bühner & Ziegler, 2009). Lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen, Normalverteilung der Fehler und Unabhängigkeit der Residuen waren gegeben. Darüber hinaus lagen weder Ausreißer noch Multikollinearität vor. Einschränkend muss jedoch berichtet werden, dass keine Homoskedastizität vorlag.

Im nächsten Schritt wurde dieses Regressionsmodell in der Teststichprobe auf Signifikanz geprüft. Dazu wurde erneut eine multiple lineare Regression zur Vorhersage des PAF-Gesamtwerts zu T2 durchgeführt, diesmal jedoch mit der „Enter“-Methode. Entsprechend wurden alle unabhängigen Variablen, die sich in der Trainingsstichprobe als signifikante Prädiktoren erwiesen hatten, gleichzeitig in das Modell aufgenommen. Genauso wie in der Trainingsstichprobe waren alle Voraussetzungen für die multiple Regression außer der Homoskedastizität gegeben.

Ergebnisse

Ausprägung der Prüfungsangst

Für die weiblichen Studierenden ergab sich zu Semesterbeginn (T1) ein Mittelwert für den PAF-Gesamtwert von 46.4 (SD = 9.3, Range = 24 – 73). Dies entspricht einer Prüfungsängstlichkeit im durchschnittlichen Bereich (T = 52; PR (Prozentrang) = 57). 13.0 % (n = 38) der Frauen hatten eine erhöhte (56 – 66 Punkte), 2.7 % (n = 8) eine stark erhöhte Prüfungsangst (ab 67 Punkten). Die durchschnittliche Prüfungsangst der männlichen Studierenden lag zu T1 bei 42.5 (SD = 8.6, Range = 26 – 71) und war damit ebenfalls durchschnittlich (T = 53; PR = 62). Bei 18.5 % (n = 25) der Männer kann die Prüfungsängstlichkeit als erhöht (50 – 63 Punkte), bei 1.5 % (n = 2) als stark erhöht (ab 64 Punkten) betrachtet werden.

Zu Semesterende (T2) lag der Mittelwert des PAF-Gesamtwerts bei den Studentinnen bei 48.5 (SD = 10.3, Range = 25 – 74), was einer durchschnittlichen Prüfungsängstlichkeit entspricht (T = 54; PR = 66). Bei 21.2 % (n = 62) der weiblichen Studierenden war die Prüfungsängstlichkeit erhöht, bei 5.1 % (n = 15) stark erhöht. Bei den männlichen Studierenden zeigte sich ein mittlerer PAF-Gesamtwert von 44.0 (SD = 9.2, Range = 24 – 71) und damit eine Prüfungsangst im durchschnittlichen Bereich (T = 54; PR = 66). 19.3 % (n = 26) der Männer hatten eine erhöhte, 4.4 % (n = 6) eine stark erhöhte Prüfungsangst.

Eine ausführliche deskriptive Statistik inklusive Subskalen ist für beide Messzeitpunkte in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1 Ausprägung der Prüfungsangst (PAF-Summenscores: Gesamtwert und Subskalen) zu T1 (N = 427) und T2 (N = 427)

Stabilität der Prüfungsangst (Hypothese 1)

Der Mittelwertvergleich des PAF-Gesamtwerts zeigte, dass die Prüfungsangst zwischen der ersten Vorlesungswoche und der Woche vor den Prüfungen signifikant zugenommen hatte (p < .001, d = 0.28). Dies gilt auch für die Subskalen „Interferenz“ (p < .001, d = 0.48) und „Mangel an Zuversicht“ (p < .001, d = 0.18). In der Subskala „Aufgeregtheit“ zeigte sich kein Unterschied (p = .576, d = 0.03), hinsichtlich der „Besorgtheit“ lediglich eine Tendenz (p = .059, d = 0.09), ausgehend von einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %.

Aus der Untersuchung der Differenzwerte im Gesamtwert des PAF (T2 minus T1) ging hervor, dass die Veränderung der Prüfungsangst zwischen den beiden Messzeitpunkten einer hohen Varianz unterlag. Bei 57.4 % (n = 245) der Studierenden war die Prüfungsangst zum Semesterende stärker ausgeprägt als zu Beginn, wobei die größte Zunahme bei 23 Punkten lag. 38.2 % (n = 163) der Studierenden hatten zu T2 hingegen einen niedrigeren Wert als zu T1. Die größte Reduktion betrug 25 Punkte. Bei 4.4 % (n = 19) war die Prüfungsangst zu beiden Zeitpunkten exakt gleich ausgeprägt. Die durchschnittliche Veränderung betrug 1.9 Punkte (SD = 6.8), was einer leichten Zunahme der Prüfungsangst entspricht. Die Häufigkeitsverteilung der T2-T1-Differenzwerte folgte einer Normalverteilung. Entsprechend zeigten sich in einer Vielzahl von Fällen lediglich kleine Veränderungen der Prüfungsangst, in seltenen Fällen wiederum große Unterschiede.

Bei 13.8 % (n = 59) der Studierenden zeigte sich eine reliable Zunahme der Prüfungsangst (RCI > 1.96), bei 4.9 % (n = 21) eine Abnahme (RCI < -1.96). Bei der Mehrheit der Studierenden (81.3 %, n = 347) veränderte sich die Prüfungsangst jedoch nicht signifikant zwischen den beiden Messzeitpunkten (RCI zwischen -1.96 und 1.96).

Prädiktion der Prüfungsangst (Hypothese 2)

Aus der schrittweisen Regression mit der Trainingsstichprobe ergab sich ein finales Modell mit einem R2adj von .580 (p < .001; siehe Tabelle 2). Bedeutsame Einzelzusammenhänge zur Prüfungsangst zu Semesterende zeigten sich für die Prüfungsangst (p < .001), die Depressivität (p = .020) und die Prokrastination (p = .028), jeweils zu Semesterbeginn. Mit dem Hinzufügen des Geschlechts wäre hingegen keine bedeutsame Verbesserung der Vorhersage einhergegangen. Die Prüfungsangst zu T1 hatte das größte Beta-Gewicht und war positiv mit der Prüfungsangst zu T2 assoziiert (je höher die Prüfungsangst zu Semesterbeginn, desto höher die Prüfungsangst zu Semesterende). Die Beta-Gewichte der Depressivität und der Prokrastination zu T1 zeigten ebenfalls einen positiven Zusammenhang mit der Prüfungsangst zu Semesterende an, ihr Einfluss fiel aber deutlich kleiner aus.

Tabelle 2 Multiple Regressionsanalyse zur Vorhersage der Prüfungsangst (PAF) zu T2 (Kriterium) in der Trainings-Stichprobe (N = 342)

Die Bedeutung dieser drei Prädiktoren (Prüfungsangst, Depressivität und Prokrastination zu Semesterbeginn) zur Vorhersage der Prüfungsangst zu Semesterende wurde im nächsten Schritt an der Teststichprobe überprüft. Das entsprechende Modell hatte ein R2adj von .625 (p < .001) und erreichte damit einen mindestens vergleichbaren Fit wie in der Trainingsstichprobe (siehe Tabelle 3). Die Standardschätzfehler von 6.77 im Modell der Trainingsstichprobe und 5.58 im Modell der Teststichprobe wiesen in die gleiche Richtung. Die Prüfungsangst zum Semesterbeginn hing erneut positiv mit der Prüfungsangst kurz vor den Prüfungen zusammen (p < .001) und leistete den größten Beitrag zur Vorhersage. Die Depressivität zu T1 erwies sich auch in dieser Stichprobe als signifikanter Prädiktor (p = .002; positiver Zusammenhang). Durch die Prokrastination zu T1 wurde die Vorhersage in diesem Modell hingegen nicht verbessert (p = .400).

Tabelle 3 Multiple Regressionsanalyse zur Vorhersage der Prüfungsangst (PAF) zu T2 (Kriterium) in der Test-Stichprobe (N = 85)

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass kurz vor den Prüfungen etwa ein Viertel der eingeschlossenen Studierenden eine erhöhte oder deutlich erhöhte Prüfungsängstlichkeit aufwies. Es fällt auf, dass die Summenscores der Subskalen „Besorgtheit“ und „Mangel an Zuversicht“ zu beiden Messzeitpunkten höher ausfielen als die der anderen beiden („Aufgeregtheit“ und „Interferenz“). Dies entspricht den Ergebnissen der Standardisierungsstichprobe (Hodapp et al., 2011), in der diese beiden Subskalen („Besorgtheit“ und „Mangel an Zuversicht“) ebenfalls höhere Werte aufwiesen als die anderen beiden Subskalen.

Die in Hypothese 1 erwartete Zunahme der Prüfungsangst über das Semester hinweg konnte auf Ebene der Mittelwertvergleiche bestätigt werden. Dieser Befund reiht sich gut in die bestehende Informationslage ein. Dass sich die Subskala „Aufgeregtheit“ zwischen T1 und T2 im Durchschnitt nicht veränderte, könnte vielleicht daran liegen, dass entsprechende Symptome (z. B. Zittern, Herzklopfen) eher erst am Tag der Klausur verstärkt auftreten und noch nicht in der Woche vor dem Prüfungszeitraum. Durch die Analyse auf Einzelfallebene wurde jedoch deutlich, dass sich die Prüfungsangst bei der großen Mehrheit der Studierenden zwischen Semesteranfang und -ende nicht bedeutsam veränderte. Es gab sowohl Personen, bei denen die Prüfungsangst zunahm, als auch solche, bei denen die Prüfungsangst bis kurz vor den Prüfungen abnahm, in beiden Fällen teilweise mit massiven Veränderungen. Sparfeldt, Lotz und Schneider (2018) erläutern verschiedene Einflussfaktoren auf den zeitlichen Verlauf der Prüfungsangst: Ein Anstieg der Leistungsangst im Lauf eines Semesters könnte dadurch erklärt werden, dass Prüfungen mit zunehmender zeitlicher Nähe psychologisch salienter und dadurch bedeutsamer werden. Außerdem kann die Prüfungsangst zunehmen, wenn Studierende realisieren, dass sie bestimmte Lücken nicht mehr werden schließen können, weil sie zu spät mit der Prüfungsvorbereitung begonnen oder keine Puffer eingeplant haben. Bei Personen, die während der Vorbereitung Bewältigungserfahrungen im Umgang mit dem Lernstoff machen, ist wiederum eine Abnahme der Prüfungsangst denkbar (Martin, 1971, zitiert nach Sparfeldt et al., 2018). Diese Mechanismen könnten die Heterogenität unserer Befunde erklären. Das Ergebnis, dass die Prüfungsangst bei den meisten Studierenden stabil blieb, hätte ohne die Verwendung der RCIs in dieser Klarheit nicht festgestellt werden können. Entsprechend ist der Einsatz dieser Methode als eine Stärke dieser Arbeit zu nennen.

Wie in Hypothese 2 angenommen, wiesen auch in dieser Untersuchung Personen mit hoher Prüfungsangst kurz vor den Prüfungen bereits zu Semesterbeginn eine höhere Prüfungsangst auf. Auch die Depressivität zu Semesterbeginn stellte einen Prädiktor für die Prüfungsangst zu Semesterende dar. Prokrastination und Geschlecht hatten hingegen keinen Vorhersagewert. Durch die Kreuzvalidierung der Prädiktoren an einer Teststichprobe konnten wir die Sicherheit erhöhen, dass die beiden Prädiktoren (Prüfungsangst und Depressivität zu T1) zur Vorhersage der Prüfungsangst zu T2 auch auf andere Stichproben der gleichen Population generalisierbar sind, auch wenn Replikationen mit weiterentwickelter Methodik noch ausstehen. Auch in den meisten Längsschnittstudien zur Prüfungsangst (z. B. Zeidner, 1994), die sich jedoch fast alle auf ein Zeitfenster von maximal einem Monat beschränkt hatten, bestand ein positiver Zusammenhang zwischen der Prüfungsangst und der Depressivität zum ersten Messzeitpunkt und der Prüfungsangst kurz vor den Klausuren, während die Prokrastination zu T1 nicht mit der T2-Prüfungsangst zusammenhing.

Auch wenn nur ein kleiner Teil (ca. 5 %) der Studierenden von stark erhöhter Prüfungsangst betroffen war, stellen diese Personen angesichts der absoluten Studierendenzahlen trotzdem eine große Gruppe dar. Dennoch sind universelle Präventionsmaßnahmen eher nicht indiziert. Mithilfe der von uns gefundenen Variablen könnten Personen, die zum Semesterende unter hoher Prüfungsangst leiden, bereits früh identifiziert werden. Im nächsten Schritt könnten gezielte Präventions- und Unterstützungsangebote erfolgen, z. B. in Form von Peer-Support oder mit gruppenpsychotherapeutischen Angeboten.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der großen Mehrheit der Teilnehmer_innen um Studierende im ersten Semester handelte. Entsprechend sollten unsere Fragestellungen zusätzlich an einer Stichprobe mit Studierenden aus unterschiedlichen Studienabschnitten untersucht werden. Darüber hinaus könnte ein gezielter Vergleich von Prüfungsangst-Verläufen zwischen Studierenden aus dem ersten und höheren Semestern erfolgen. In weiterführenden Studien sollten außerdem Variablen (z. B. via Online-Befragung) zu mehr als zwei Messzeitpunkten erfasst und mit komplexeren statistischen Modellen ausgewertet werden. Ferner sollte der Zusammenhang zwischen Prüfungsangst und dem Absagen von Prüfungen näher untersucht werden. Wir konnten nicht überprüfen, ob tatsächlich alle Studierenden an den Prüfungen teilgenommen hatten. Auch dies sollte bei einer erneuten Untersuchung der Fragestellung berücksichtigt werden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Prüfungsangst-Ausprägung bei den meisten Studierenden über den Semesterverlauf hinweg stabil blieb. Darüber hinaus war die Intensität der Prüfungsangst zu Semesterbeginn der wichtigste Prädiktor für ihre Ausprägung kurz vor den Klausuren. Um zu verhindern, dass sich Prüfungsangst negativ auf universitäre Leistungen und den Bildungsweg der Studierenden auswirkt, sollten Studierende mit erhöhter Prüfungsangst Zugang zu geeigneten Unterstützungsangeboten haben. Die von uns identifizierten Prädiktoren können dazu beitragen, selektive Präventionsmaßnahmen gezielter zuzuweisen.

Wir bedanken uns bei den Absolvent_innen Sabrina Müller, Gerd Zimmermann und Regina Lanz sowie bei den Mitarbeiter_innen der Hochschulambulanz der Universität Konstanz Miriam Adam und Dr. Anne Schawohl, die die Datenerhebung durchgeführt haben. Wir bedanken uns ferner bei den Mitarbeiter_innen des Referats für Gleichstellung, Familienförderung und Diversity sowie der zentralen Studienberatung für die Unterstützung der Studie.

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