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Open AccessOriginalarbeit

Internalisierte Transnegativität, Resilienzfaktoren und psychische Gesundheit in einer Stichprobe geschlechtlicher Minderheiten in Deutschland und der Schweiz

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000730

Abstract

Zusammenfassung:Theoretischer Hintergrund: Trans*, inter* und nichtbinäre Personen erfahren Diskriminierung und weisen im Vergleich zur Gesamtpopulation eine höhere Prävalenz von affektiven und Angststörungen auf. Fragestellung: Diese präregistrierte Studie überprüft basierend auf dem Minderheiten-stressmodell den Zusammenhang zwischen Selbststigmatisierung (internalisierte Transnegativität) und psychischer Gesundheit und untersucht Resilienzfaktoren als Moderatoren. Methode: In einer Stichprobe deutscher und Schweizer trans*, inter* und nichtbinärer Personen (N = 243) wurden multiple lineare Regressions- und Moderationsanalysen berechnet, um Zusammenhänge zwischen internalisierter Transnegativität und Angst- und depressiver Symptomatik sowie Resilienzfaktoren zu prüfen. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen positive Zusammenhänge zwischen internalisierter Transnegativität und Angst- und depressiver Symptomatik. Die Resilienzfaktoren soziale Unterstützung und Verbundenheit mit der LGBT+ Community sind negativ mit internalisierter Transnegativität assoziiert. Keiner der Resilienzfaktoren moderierte die Zusammenhänge zwischen internalisierter Transnegativität und psychischer Gesundheit. Schlussfolgerungen: Die Studie bestätigt internationale Befunden zum Zusammenhang zwischen internalisierter Transnegativität und psychischer Gesundheit. Mehr Forschung ist nötig, um die Rolle der Resilienzfaktoren im Minderheitenstressmodell zu klären. 

Internalized Transnegativity, Resilience Factors, and Mental Health in a Sample of Gender Minorities From Germany and Switzerland

Abstract:Background: Trans*, inter*, and nonbinary individuals experience discrimination and exhibit a higher prevalence of affective and anxiety disorders than the general population. Objective: Based on the minority stress model, this preregistered study examines the association between self-stigmatization (internalized transphobia) and mental health and investigates resilience factors as moderators. Methods: In a sample of German and Swiss trans*, inter*, and nonbinary individuals (N = 243), we computed multiple linear regression and moderation analyses to examine the relationships between internalized transphobia, depressive and anxiety symptoms, and resilience factors. Results: The results show associations between internalized transphobia and depressive and anxiety symptoms. The resilience factors social support and LGBT+ community connectedness are negatively associated with internalized transphobia. None of the resilience factors moderated the relationships between internalized transphobia and mental health. Conclusions: This study aligns with international findings regarding the association between self-stigmatization and mental health. Further research is needed to clarify the role of resilience factors in the minority stress model.

Trans*, inter* und nichtbinäre Personen1 weichen von der heteronormativen Zweigeschlechternorm2 ab und werden in vielen gesellschaftlichen Bereichen durch Ausgrenzung und Diskriminierung sanktioniert (z. B. Franzen & Sauer, 2010). Diskriminierungserfahrungen im Alltag stellen eine Belastung dar, die sich in einer schlechteren psychischen Gesundheit äußern kann. In einem umfangreichen systematischen Review zeigte sich, dass US-amerikanische trans* Personen erhöhte Prävalenzen an psychischen Belastungen, wie Depressionen und Angststörungen, aufweisen (Valentine & Shipherd, 2018). Eine Untersuchung in Deutschland zeigte eine stark erhöhte Prävalenz von Depressionsdiagnosen bei trans* Personen im Vergleich zu cis-hetero Personen (Kasprowski et al., 2021). Über die psychische Situation von inter* Personen in Deutschland ist bisher kaum etwas bekannt, spärlich vorhandene Daten weisen aber ebenfalls auf deutlich erhöhte psychische Belastungen hin (Schützmann et al., 2009).

Wie Diskriminierungserfahrungen mit der Gesundheit von stigmatisierten Gruppen zusammenhängen, versucht das Minderheitenstressmodell (Meyer, 2003) zu erklären. Meyer (2003) beschreibt Minderheitenstress als eine Form des chronischen sozialen Stresses, der spezifische und zusätzliche Belastungen für Personen mit einem Minderheitenstatus umfasst. Im Modell, das sich ursprünglich auf sexuelle Minderheiten, also lesbische, schwule und bisexuelle Personen bezogen hat, werden Minderheitenstressprozesse mit Faktoren wie Aspekten der Minderheitsidentität (z. B. Diskriminierungserfahrungen) und Resilienzfaktoren assoziiert, um die Beziehungen zwischen Minderheitenstress und Gesundheit zu beschreiben. Ein zentrales Konstrukt in der für geschlechtliche Minderheiten adaptierten Version (Hendricks & Testa, 2012) ist die internalisierte Transnegativität3 (ITN), die Bockting et al. (2020) als das Unbehagen mit der eigenen trans* Identität aufgrund der Verinnerlichung gesellschaftlicher normativer Geschlechtererwartungen definieren. Bisherige Studien lassen keine Aussagen darüber zu, wie verbreitet ITN in der Gesamtpopulation der geschlechtlichen Minderheiten im deutschsprachigen Raum ist, da die meisten Studien mit Gelegenheitsstichproben arbeiten, die zum Teil aus klinischen oder Beratungskontexten stammen, in denen eine stärker ausgeprägte ITN zu erwarten ist (z. B. Brennan et al., 2017).

Bisherige Befunde zu Zusammenhängen zwischen ITN und der psychischen Gesundheit geschlechtlicher Minderheiten beschränken sich auf wenige Studien, die Inderbinen et al. (2021) in einem systematischen Review zusammenfassen: ITN zeigt einen positiven Zusammenhang mit Angst- und depressiver Symptomatik. Weiterhin gibt es Studien zum Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Resilienzfaktoren in geschlechtlichen Minderheiten: Soziale Unterstützung und Verbundenheit mit der Community (engl. Community Connectedness) stehen als Resilienzfaktoren des Minderheitenstressmodells bei geschlechtlichen Minderheiten mit geringeren Angst- sowie depressiven Symptomen in Verbindung (z. B. Brennan et al., 2017).

Das Minderheitenstressmodell schreibt den Resilienzfaktoren eine moderierende Wirkung auf die Beziehung zwischen Minderheitenstress und psychischer Gesundheit zu (Meyer, 2003). Während Untersuchungen diese Annahme des Modells bei sexuellen Minderheiten stützen können (Doty et al., 2010), ist die Befundlage für geschlechtliche Minderheiten bisher uneindeutig (Jäggi et al., 2018; Ott et al., 2017). Die Beziehung zwischen ITN und sozialer Unterstützung bzw. Verbundenheit mit der LGBT+4 Community stand bisher nicht im Fokus der Forschung. Dies ist jedoch notwendig, um die Rolle der Resilienzfaktoren für geschlechtliche Minderheiten zu klären.

Studienziele und Hypothesen

In dieser Arbeit sollen der Zusammenhang zwischen ITN, Resilienzfaktoren und psychischer Gesundheit in einer großen deutschen und Schweizer Stichprobe von geschlechtlichen Minderheiten beleuchtet werden. Zusätzlich soll in einer explorativen Analyse überprüft werden, ob der Zusammenhang von ITN mit Angst- bzw. depressiver Symptomatik weiter besteht, wenn für das jeweils andere Konstrukt psychischer Gesundheit kontrolliert wird.

Die folgenden Hypothesen wurden präregistriert5:

H1: ITN geht bei geschlechtlichen Minderheiten mit erhöhter Angst- und depressiver Symptomatik einher.

H2a: Soziale Unterstützung geht bei geschlechtlichen Minderheiten mit niedriger ITN einher.

H2b: Verbundenheit mit der LGBT+ Community geht bei geschlechtlichen Minderheiten mit niedriger ITN einher.

H3a: Soziale Unterstützung moderiert den Zusammenhang zwischen ITN einerseits und Angst- und depressiver Symptomatik andererseits. Der Zusammenhang ist bei größerer Unterstützung schwächer.

H3b: Verbundenheit mit der LGBT+ Community moderiert den Zusammenhang zwischen ITN einerseits und Angst- und depressiver Symptomatik andererseits. Der Zusammenhang ist bei größerer Verbundenheit schwächer.

Methode

Versuchsplan

Die Daten stammen aus einer umfangreichen, internationalen querschnittlichen Online-Erhebung6 zu Wohlbefinden und Beziehungserfahrungen von Personen der LGBT+ Community. Die Erhebung in Deutschland und der Schweiz wurde vom 12. 07. 2021 bis 13. 10. 2021 auf der Onlineplattform SoSciSurvey durchgeführt. Die Rekrutierung fand über soziale Medien, NGOs, Mailverteiler und Flyer statt. Eingeschlossen wurden Personen, die zum mindestens 18 Jahre alt waren und sich als sexuelle und / oder geschlechtliche Minderheit identifizierten. Die Teilnahme war freiwillig, nach Abschluss des Fragebogens gab es die Möglichkeit an einer Verlosung von Büchergutscheinen teilzunehmen. Die jeweils zuständigen Ethikkommissionen haben die Studie genehmigt.

Stichprobenauswahl

Aus der Gesamtstichprobe (N = 1089) aus Deutschland und der Schweiz wurde eine Substichprobe geschlechtlicher Minderheiten entnommen (N = 328). Zu den geschlechtlichen Minderheiten wurden Personen gezählt, die sich mit mindestens einem der Begriffe trans*, nichtbinär, transmaskulin, transfeminin, agender, genderfluid und genderqueer identifizierten oder ein Identitätsgeschlecht angaben, das nicht ausschließlich männlich oder ausschließlich weiblich ist. In weiteren Schritten wurden Personen ausgeschlossen, die in den für diese Arbeit relevanten Maßen und Kontrollvariablen fehlende Werte aufwiesen (Alter: n = 17; finanzieller Stress: n = 1). Eine Person wurde bei der Umcodierung der Variable Geschlecht entfernt, da eine eindeutige Zuordnung zu den Kategorien nichtbinäres Spektrum, trans* weiblich und trans* männlich nicht möglich war.

Im Umgang mit fehlenden Werten in den Skalen der Studienvariablen wurden zwei Strategien angewendet. Zunächst wurden Personen mit mehr als 20 % unbeantworteten Items innerhalb einer Skala ausgeschlossen (n = 62). Anschließend wurde nach Empfehlungen von Parent (2012) nach der „Available Item Analysis“-Methode verfahren: Skalengesamtwerte wurden aus dem Mittel der vorhandenen Itemwerte berechnet. Vier weitere Personen wurden aufgrund von Ausreißerwerten (M +/- 3SD) in den für diese Studie relevanten Fragebogendaten ausgeschlossen (eine Person aufgrund sehr hoher Angstsymptome, drei Personen aufgrund sehr niedriger Werte auf der Skala Verbundenheit mit der LGBT+ Community). Die demographischen Eigenschaften der finalen Stichprobe (N = 243) sind in Tabelle 1 veranschaulicht.

Tabelle 1 Demographische Eigenschaften (N = 243)

Maße

Demographische Variablen

Geschlecht, finanzielle Belastung und race7 wurden zur statistischen Kontrolle demographischer Faktoren auf die folgende Weise erfasst und operationalisiert:

Geschlecht

Die Angaben zum Geschlecht der Personen erfolgten in zwei Schritten. Zunächst wurde das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht dichotom erfragt. Im zweiten Schritt konnten Teilnehmende ihre derzeitige Geschlechtsidentität mittels einer Mehrfachauswahl angeben. Zur Auswahl standen die Begriffe weiblich, männlich, trans*, nichtbinär, transmaskulin, transfeminin, agender, genderfluid, genderqueer, inter* sowie ein Feld für eine offene Angabe. Um Geschlecht als Kontrollvariable in die Analysen aufzunehmen, wurden diese Angaben zu einer Variable mit drei Kategorien zusammengefasst8: nichtbinäres Spektrum, trans* weiblich und trans* männlich (Vorgehen siehe Anhang A; es gibt keine Überschneidungen dieser drei Kategorien). Zusätzlich wurde eine dichotome Variable mit 1 = inter* und 0 = endogeschlechtlich erstellt. Als inter* wurden die Personen erfasst, die auf die Frage nach der derzeitigen Geschlechtsidentität die Antwortoption „inter*“ ausgewählt hatten.

Finanzielle Belastung

Finanzielle Belastung wurde durch folgendes Item erhoben: „Wie schwierig ist es für Sie, Ihre monatlichen laufenden Kosten (z. B. Miete, Strom, Kredit) zu begleichen?“ (übersetzt aus Lantz et al., 2005). Die Antwortskala war 5-stufig (1 = überhaupt nicht schwierig, 5 = extrem schwierig).

Race

Die Variable race wurde als Selbstbezeichnung mittels Mehrfachauswahl mit den folgenden Antwortmöglichkeiten erhoben: Schwarze_r, Person of Color, Nichtweiße_r, Weiße_r, kein Begriff und die Möglichkeit, einen eigenen Begriff anzugeben. Die Aufnahme der Variable race sollte für Unterschiede im Minderheitenstress kontrollieren, die aufgrund von Mehrfachmarginalisierung für rassifizierte trans, inter* und nichtbinäre Personen entstehen können. Die Angaben wurden in eine dreistufige Variable zusammengefasst9: BPoC, weiß und uneindeutig / keine Angabe. Als BPoC (Black and People of Color) wurden alle Personen mit mindestens einer der Angaben „Schwarze_r“, „Person of Color“ und „Nichtweiße_r“ erfasst, als weiß die Personen mit der Angabe „Weiße_r“ oder einer Identifikation mit dem Begriff weiß über die offene Angabe. Personen mit der Angabe „Kein Begriff“ oder einer uneindeutigen Antwort im offenen Angabefeld wurden zu „uneindeutig / keine Angabe“ zusammengefasst.

Internalisierte Transnegativität (ITN)

ITN wurde mit der Internalized Transphobia Subskala des Gender Minority Stress and Resilience Measure gemessen (GMSR-IT, Testa et al., 2015). Die Skala wurde ins Deutsche übersetzt und erfragt Zustimmung zu allen 8 Items auf einer 5-stufigen Skala von 0 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 4 = „stimme voll und ganz zu“. Beispielitems sind „Aufgrund meiner Geschlechtsidentität / meines Geschlechterausdrucks fühle ich mich wie ein Freak“ und „Wenn ich über meine Geschlechtsidentität / meinen Geschlechterausdruck nachdenke, fühle ich mich unglücklich“. Die interne Konsistenz war in der aktuellen Studie α = .91.

Angst- und depressive Symptomatik

Für die Erfassung der Angst- und depressiven Symptomatik wurden die Depressions- und Angstskalen (DASS-D und DASS-A) aus einer deutschsprachigen Übersetzung der 21-Item-Kurzform der Depression, Anxiety, Stress Scale verwendet (DASS-21, Lovibond & Lovibond, 1995). Jede der Subskalen umfasst 7 Items und erfragt auf einer 4-stufigen Skala, inwieweit die Items in der letzten Woche auf die Teilnehmer_innen zutrafen, von 0 = „traf gar nicht auf mich zu“ bis 3 = „traf sehr stark auf mich zu oder die meiste Zeit“. Die interne Konsistenz lag in der aktuellen Studie bei einem α = .93 für die Depressionsskala und α = .85 für die Angstskala.

Soziale Unterstützung

Soziale Unterstützung wurde mit den Subskalen Freund_innen und Familie einer deutschsprachigen Übersetzung des Multidimensional Scale of Perceived Social Support (MSPSS, Zimet et al., 1988) gemessen. Beide Subskalen wurden als Maß zur sozialen Unterstützung zu einem MSPSS-FF Score zusammengerechnet. Sie bestehen jeweils aus vier Items mit 7-stufiger Skala (1 = „stimme überhaupt nicht zu“, 7 = „stimme voll und ganz zu“). Beispielitems sind „Meine Familie bemüht sich sehr, mir zu helfen“ und „Ich kann mit meinen Freund_innen über meine Probleme sprechen“. In der aktuellen Studie lag die interne Konsistenz bei α = .94 für die Familien-Subskala und α = .93 für die Freund_innen-Subskala.

Verbundenheit mit der LGBT+ Community

Die Verbundenheit mit der Community wurde mit einem nach Frost und Meyer (2011) adaptierten Maß für LGBT+ Community Connectedness erfasst. Die Skala besteht aus 8 Items. Es wurde Zustimmung auf einer 4-stufigen Skala von 1 = „Starke Ablehnung“ bis 4 = „Starke Zustimmung“ erfragt. Ein Beispielitem ist „Sie fühlen sich mit der LGBT+ Community verbunden“. Die interne Konsistenz lag in der vorliegenden Studie bei α = .82.

Datenanalyse

Die Datenanalyse wurde mit SPSS 27 für Windows durchgeführt. Für Modelle mit der gleichen Outcomevariable (4 Modelle: DASS-D, 4 Modelle: DASS-A, 2 Modelle: GMSR-IT) wurde das Signifikanzniveau jeweils mit der Bonferronikorrektur angepasst und wird im jeweiligen Fall berichtet. Es wurden multiple lineare Regressionen und Moderationsanalysen berechnet. Für letztere wurde das SPSS Macro PROCESS (Hayes, 2018) verwendet. Die zero-oder und semipartialen Korrelationen für die Moderationsanalysen wurden mit R Version 4.3.1 für Windows berechnet. Die Voraussetzungen für die Regressions- und Moderationsanalysen wurden für alle Skalen geprüft (siehe Anhang B). In allen Modellen wurden Alter, finanzieller Stress, Geschlecht, Intergeschlechtlichkeit10 und race als Kovariaten aufgenommen.

Ergebnisse

Deskriptive Ergebnisse

Deskriptive Statistiken aller kontinuierlichen Studienvariablen sind in Tabelle 2 aufgelistet. Der Cut-off-Empfehlung von Nilges und Essau (2015) für DASS-D und DASS-A folgend, hatten 27.98 % eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer depressiven Störung und 33.75 % eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Angststörung.

Tabelle 2 Wertebereiche, Mittelwerte und Standardabweichungen der kontinuierlichen Variablen

ITN und psychische Gesundheit

Die Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsmodelle sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Der GMSR-IT-Score hing unter Kontrolle relevanter Kovariaten mit dem DASS-D-Score positiv zusammen. Der Zusammenhang bestand weiter, wenn zusätzlich für DASS-A kontrolliert wurde. GMSR-IT hing ebenfalls positiv mit dem DASS-A zusammen. Der Zusammenhang verlor jedoch seine Signifikanz, nachdem DASS-D als zusätzliche Kovariate aufgenommen wurde.

Tabelle 3 Multiple lineare Regressionsmodelle mit Angst- und depressiver Symptomatik als abhängige Variablen (Kontrolle für die jeweils andere abhängige Variable im zweiten Schritt)

Resilienzfaktoren und ITN

Soziale Unterstützung

Der Prädiktor MSPSS-FF sagte unter Kontrolle demografischer Variablen statistisch signifikant das Kriterium GMSR-IT voraus (B = -0.27, r = -.28, sr = -.29, t‍(234) = -4.83, p < .001; Gesamtmodell: korrigiertes R² = .12, F‍(8, 234) = 5.06, p < .001). Auch nach der Bonferronikorrektur (α = 0.025) sind die Werte signifikant. Die Richtung des Effekts entsprach der Hypothese: Je höher die soziale Unterstützung, desto niedriger die ITN.

LGBT+ Community Connectedness

Der Prädiktor LGBT+ Community Connectedness sagte unter Kontrolle demografischer Variablen statistisch signifikant das Kriterium GMSR-IT voraus (B = -0.43, r = -.18, sr = -.20, t‍(234) = -3.17, p < .01; Gesamtmodell: korrigiertes R² = .07, F‍(8, 234) = 3.29, p < .01). Auch nach der Bonferronikorrektur (α = 0.025) sind die Werte signifikant. Die Richtung des Effekts entsprach der Hypothese: Je größer die LGBT+ Community Connectedness, desto niedriger die ITN.

Resilienzfaktoren als Moderatoren

Alle vier Modelle waren signifikant und hatten eine Varianzaufklärung zwischen 22 und 33 % (siehe Anhang C). Der GMSR-IT-Score war in allen Modellen ein signifikanter Prädiktor und positiv mit DASS-D und DASS-A assoziiert. Der MSPSS-FF-Score zeigte einen signifikanten negativen Zusammenhang mit DASS-D, aber nicht mit DASS-A. LGBT+ Community Connectedness zeigte keine signifikanten Zusammenhänge mit DASS-D oder DASS-A. Keine der untersuchten Moderationen war signifikant.

Diskussion

In dieser Arbeit wurde an einer deutschen und Schweizer Stichprobe geschlechtlicher Minderheiten getestet, ob ITN mit höherer Angst- und depressiver Symptomatik zusammenhängt, ob aus dem Minderheitenstressmodell abgeleitete Resilienzfaktoren Zusammenhänge mit ITN zeigen und ob diese Resilienzfaktoren die Beziehung zwischen ITN und psychischer Gesundheit moderieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass ITN bei geschlechtlichen Minderheiten mit erhöhter Angst- und depressiver Symptomatik einhergeht. Diese Arbeit fügt sich in eine Reihe von Studien, die Annahmen des Minderheitenstressmodells für geschlechtliche Minderheiten empirisch prüfen (Brennan et al. 2017; Jäggi et al. 2018; Testa et al., 2015). Auch wenn aufgrund des querschnittlichen Designs keine Kausalität nachgewiesen werden kann, untermauern diese Befunde jedoch die Annahme, dass ITN eine Rolle in den erhöhten Prävalenzen depressiver Störungen in dieser Population spielen könnte. Der Zusammenhang mit Angstsymptomen bestand jedoch unter Kontrolle der depressiven Symptomatik nicht weiter. Insgesamt liefern die Ergebnisse jedoch Hinweise, dass nicht nur Diskriminierungserfahrungen per se, sondern auch wie sich diese Erfahrungen im eigenen Selbstbild spiegeln (Verinnerlichung des Stigmas), wichtig sind für ein Verständnis psychischer Belastungen geschlechtlicher Minderheiten.

Die Resilienzfaktoren soziale Unterstützung durch Freund_innen und Familie sowie Verbundenheit mit der LGBT+ Community sind in der vorliegenden Studie mit ITN negativ assoziiert. Der Befund, dass größere Verbundenheit mit der LGBT+ Community mit niedrigeren Werten von ITN einhergeht, passt zu den von Jones et al. (1984) beschriebenen Coping-Funktionen der Minderheitengruppenzugehörigkeit: Angehörige von Minderheiten profitieren vom Kontakt zu einer Community, da diese einen diskriminierungsfreien Raum und Unterstützung für erlebtes Stigma bieten können. Da diesem Ergebnis querschnittliche Daten zugrunde liegen, ist auch die andere Wirkrichtung denkbar: Internalisiertes Stigma hält Personen davon ab, Kontakt zu einer Community zu suchen und Verbundenheit zu erleben.

Die moderierende Rolle, die den Resilienzfaktoren vom Minderheitenstressmodell nach Meyer (2003) zugeschrieben wird, konnte nicht belegt werden: Weder soziale Unterstützung noch Verbundenheit mit der LGBT+ Community konnten den Zusammenhang zwischen ITN und psychischen Symptomen abschwächen. Es ist möglich, dass die eingesetzten Fragbögen für soziale Unterstützung und für Verbundenheit mit der Community zu unspezifisch waren. Zur Erläuterung kann ein Befund aus der Minderheitenstressforschung mit sexuellen Minderheiten herangezogen werden: Doty et al. (2010) fanden eine signifikante Moderation durch sexualitätsspezifische Unterstützung, nicht aber durch unspezifische soziale Unterstützung. Dieses Ergebnis lässt sich durch die Passung der Unterstützung auf den Stress erklären: Die Pufferwirkung von Unterstützung kann sich nur entfalten, wenn die Art der Unterstützung auf die spezifischen Stressoren eingeht (Cohen & Wills, 1985). Daraus folgt, dass Kontakt zur trans* Community für die spezifischen Probleme und Bedürfnisse von trans* Personen vorteilhafter sein sollte als der Kontakt zur breiteren LGBT+ Community, welcher in dieser Studie gemessen wurde. Doch auch die spezifischere trans* Community Connectedness (als Kombinationsmaß mit Stolz) hat bei Jäggi et al. (2018) keine signifikante Moderation zwischen Minderheitenstressoren und psychischer Gesundheit gezeigt. Jäggi et al. (2018) stellen infrage, ob Verbundenheit mit der Community als valider Resilienzfaktor angesehen werden kann und betonen die Notwendigkeit weiterer Forschung.

Es lässt sich festhalten, dass ITN ein gesundheitlich relevantes Thema für geschlechtliche Minderheiten ist. Klare Schlüsse über die Prävalenz von ITN, Angst- und depressiver Symptomatik können auf Basis der vorliegenden Daten nicht gezogen werden. Jedoch wird deutlich, dass in der psychotherapeutischen Arbeit mit trans*, inter* und nichtbinären Personen internalisiertes Stigma als Faktor berücksichtigt werden sollte.

Außerdem fehlt Forschung zu der Frage, welche Faktoren beim Prozess der Verinnerlichung von Stigma (also der Entstehung von ITN) eine Rolle spielen. Von besonderem Interesse sind die Fragen, ob und unter welchen Umständen ITN zur Distanzierung von der LGBT+ Community führt und ob der frühe Kontakt zur LGBT+ Community vor dem Verinnerlichen von transnegativem Stigma schützt. Solche Daten könnten unter anderem zur besseren Unterstützung von trans*, inter* und nichtbinären Menschen in Beratungskontexten beitragen.

Stärken und Limitationen

Diese präregistrierte Studie ist eine der ersten dieser Größenordnung im deutschsprachigen Raum zur psychischen Gesundheit geschlechtlicher Minderheiten. Sie liefert Ergebnisse, die auf Hypothesentestung mit robusten statistischen Verfahren basieren. Der große nichtbinäre Anteil der Stichprobe ist als Chance zu betrachten, Aussagen über eine Subgruppe der trans* Population zu treffen, die in vielen Studien zu trans* Identität ausgelassen oder nur am Rande betrachtet wurde. Dennoch sind einige Limitationen zu beachten.

Die Studie verwendete ein Querschnittsdesign an einer online gesammelten Gelegenheitsstichprobe. Durch die Verbreitung des Fragebogens über Webseiten, soziale Medien und Mailverteiler von queeren und LGBT+ Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, erreichte der Fragebogen vorrangig Personen, die bereits eine hohe Anbindung an die Community hatten. Die Stichprobe überschätzt vermutlich die Verbundenheit mit der Community der Gesamtpopulation geschlechtlicher Minderheiten in der Schweiz und in Deutschland.

Der Fragebogen erlaubte durch die Mehrfachauswahl und offene Angabe eine Identifikation mit vielen verschiedenen Geschlechtsbegriffen, wodurch eine heterogene Stichprobe mit einer großen Vielfalt an unterschiedlichen Identitäten gewonnen wurde. Für die statistische Analyse wurden die Geschlechtsbegriffe in drei Kategorien zusammengefasst. Es ist davon auszugehen, dass Teilnehmer_innen in der großen Gruppe des nichtbinären Spektrums trotz der Gemeinsamkeit, dass ihre Geschlechtsidentität nicht (ausschließlich) weiblich oder männlich ist, sehr unterschiedliche Erfahrungen mit ihrem Geschlecht und aufgrund ihres Geschlechts machen. Außerdem sind trotz der Aggregierung einiger Angaben die Zellenbesetzungen innerhalb der Variablen Intergeschlechtlichkeit, race und Geschlechtsidentität sehr unterschiedlich verteilt. Dies sollte bei der Interpretation berücksichtigt werden.

Trotz dieser Limitationen geben die vorliegenden Daten wertvolle Hinweise darauf, welche Minderheitenstress-bezogenen Faktoren eine Rolle spielen für die psychische Gesundheit von trans*, inter* und nichtbinären Personen.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen einen negativen Zusammenhang zwischen ITN und psychischer Gesundheit und einen negativen Zusammenhang zwischen ITN und sozialer Unterstützung bzw. Verbundenheit mit der LGBT+ Community bei trans*, inter und nichtbinären Personen. Die Entwicklung und Evaluierung von Präventions- und Interventionsprogrammen sollte ein Fokus zukünftiger Forschung sein, um die psychische Gesundheitssituation geschlechtlicher Minderheiten zu verbessern. Langfristiges Ziel ist es, Diskriminierungen und gesellschaftliche Stigmata abzubauen, um ITN und den damit verbundenen Folgen vorzubeugen.

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1Mit dem Begriff trans* bezeichnen sich Personen, deren Geschlecht nicht (ausschließlich) mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht übereinstimmt. Das Gegenstück hierzu heißt cis. Intergeschlechtlichkeit ist ein Sammelbegriff für spezifische Variationen der reproduktiven oder geschlechtlichen Anatomie. Dieser Begriff ist eine medizinische Kategorie zur (Fremd–)‌Einteilung von Menschen. Einige Personen, die mit diesen körperlichen Variationen leben, bezeichnen sich als inter*. Das Gegenstück heißt endogeschlechtlich. In dieser Studie wurde inter* ausschließlich als Geschlechtsidentität erhoben. Mit dem Begriff nichtbinär bezeichnen sich Personen, deren Geschlecht nicht (ausschließlich) binär (männlich oder weiblich) ist. Nichtbinarität kann eine Geschlechtsidentität an sich sein oder als Spektrum / Sammelkategorie verstanden werden.

2Der Begriff heteronormative Zweigeschlechternorm bezeichnet die weit verbreitete Weltanschauung, es gäbe nur zwei Geschlechter, die Gegensätze darstellen und sich zwangsläufig sexuell aufeinander beziehen. Damit einher gehen bestimmte soziale Rollenerwartungen.

3Der Begriff Transnegativität schließt alle trans* und nichtbinären Personen ein, jedoch nicht explizit inter* Personen. Die Autor_innen benutzen diesen Begriff in dieser Studie trotzdem für alle drei Gruppen: Erstens, weil ein Großteil der inter* Teilnehmer_innen sich nicht ausschließlich als inter* identifizierte, sondern auch als z. B. trans*. Zweitens, weil es im Kern bei internalisierter Transnegativität darum geht, dass Personen aufgrund ihrer vermeintlichen Nichtpassung in die von der heteronormativen Zweigeschlechternorm geprägten Gesellschaft Diskriminierung und Ausschluss erfahren. Hiervon können inter* Personen ebenso betroffen sein, weswegen das Konstrukt auch für diese Population von Relevanz ist und auch bei nicht idealer Passung des Begriffs diese Ausweitung einem Ausschluss von inter* Personen aus dieser Studie vorgezogen wurde.

4LGBT+ steht für lesbisch, schwul (gay), bisexuell, trans*. Es soll als Sammelbegriff unterschiedliche Identitäten und Erfahrungen jenseits der Cis- und Heteronorm zusammenfassen. Mit dem Plus-Symbol wird darauf hingewiesen, dass das Akronym aus Platz- und Lesbarkeitsgründen nicht alle dazugehörigen Identitätsbegriffe nennt. Die Autor_innen haben sich auf dieses Akronym geeinigt, weil es auch dem Wortlaut des Maßes für LGBT+ Community Connectedness entspricht.

5https://aspredicted.org/25pk9.pdf

6https://osf.io/tsj8v

7In dieser Arbeit wird der Begriff race anstelle von Begriffen wie „Ethnizität“ oder „ethnischer Zugehörigkeit“ verwendet, da es sich bei den Antwortbegriffen nicht um Ethnien, sondern um Positionierungen im Machtverhältnis Rassismus handelt. Im Gegensatz zum deutschen Begriff „Rasse“ hat der englische Begriff einen sogenannten „racial turn“ durchlaufen und wird als soziales Konstrukt verstanden (Kelly, 2020). Der originale Wortlaut der race Items ist im Anhang A wiedergegeben.

8Den Autor_innen ist bewusst, dass eine Zusammenfassung in diese drei Kategorien der Vielfalt der Identitäten der Teilnehmenden nicht entsprechen kann. Dies wird ausschließlich aus methodischen Gründen für die statistische Analyse vorgenommen.

9Den Autor_innen ist bewusst, dass eine Zusammenfassung in diese Kategorien der Vielfalt der Identitäten der Teilnehmenden nicht entsprechen kann. Dies wird ausschließlich aus methodischen Gründen für die statistische Analyse vorgenommen.

10Aufgrund der starken Unterschiede in der Zellenbesetzung wurde eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Ohne die Variable Intergeschlechtlichkeit änderten sich weder Richtung noch Signifikanz der Effekte. Daher wurde die Variable, der Präregistrierung entsprechend, in allen Modellen beibehalten.

11Den Autor_innen ist bewusst, dass eine Zusammenfassung in diese drei Kategorien der Vielfalt der Identitäten der Teilnehmenden nicht entsprechen kann. Dies wird ausschließlich aus methodischen Gründen für die statistische Analyse vorgenommen.

12Lumley, T., Diehr, P., Emerson, S., & Chen, L. (2002). The Importance of the Normality Assumption in Large Public Health Data Sets. Annual Review of Public Health, 23‍(1), 151 – 169. https://doi.org/10.1146/annurev.publhealth.23.100901.140546

13Davidson, R. & MacKinnon, J. G. (1993). Estimation and inference in econometrics. Oxford Univ. Press.

Anhang A

Race Item

Hier finden Sie den Originalwortlaut der race Items. Zu statistischen Analyse wurden nur die Antworten auf das Item 2 verwendet.

  1. 1.
    Wie beschreiben Sie selbst Ihre nationale/ethnische/kulturelle Identität und Zugehörigkeiten? (offenes Antwortfeld)
  2. 2.
    Benutzen Sie außerdem auch einen oder mehreren der folgenden Begriffe zur Selbstbezeichnung? (Kreuzen Sie bitte alle an, die für Sie zutreffen).
    • Schwarze_r
    • Person of Color
    • Nichtweiße_r
    • Weiße_r
    • Einen anderen und zwar: ____
    • Keinen

Zuordnung zu Geschlechtskategorien

Teilnehmende konnten ihre derzeitige Geschlechtsidentität mittels einer Mehrfachauswahl angeben. Zur Auswahl standen die Begriffe weiblich, männlich, trans*, nichtbinär, transmaskulin, transfeminin, agender, genderfluid, genderqueer, inter* sowie ein Feld für eine offene Angabe. Um Geschlecht als Kontrollvariable in die Analysen aufzunehmen, wurden diese Angaben zu einer dreistufigen Variable zusammengefasst11: nichtbinäres Spektrum, trans* weiblich und trans* männlich.

Dem nichtbinären Spektrum wurden alle Personen zugeordnet, die nichtbinär, agender, genderqueer oder genderfluid angegeben hatten, deren offene Angabe weder ausschließlich männlich noch ausschließlich weiblich war, deren Geschlechtsidentität nur inter*, nur trans*, nur transfeminin oder nur transmaskulin war, deren Geschlechtsidentität männlich und weiblich war, deren Geschlechtsidentität nur transmaskulin und trans*, nur transfeminin und trans* oder männlich und transfeminin bzw. weiblich und transmaskulin war. Als trans* weiblich galten Personen mit männlichem Zuweisungsgeschlecht und weiblicher Geschlechtsidentität (mit optionalen weiteren Angaben: transfeminin, trans* oder inter*). Als trans* männlich galten Personen mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht und männlicher Geschlechtsidentität (mit optionalen weiteren Angaben: transmaskulin, trans* oder inter*).

Anhang B

Voraussetzungen für die Regressions- und Moderationsanalyse

Die Normalverteilung aller Studienvariablen wurde mit dem Shapiro-Wilk-Test überprüft. GMSR-IT, DASS-D, DASS-A, MSPSS-FF und LGBT+ Community Connectedness waren nicht normalverteilt, p < .001. Durch eine visuelle Beurteilung der Histogramme wurde die Möglichkeit von mehrgipfligen Kurven ausgeschlossen. Die leichten Abweichungen von der Normalverteilung wurden aufgrund der Stichprobengröße (N = 243) als unproblematisch eingestuft12. Die Skalenwerte für GMSR-IT (ITN), MSPSS-FF (soziale Unterstützung), LGBT+ Community Connectedness und DASS-A sowie DASS-D (Angst- und depressive Symptomatik) wurden zentriert. Die Variablen Geschlecht und race wurden für die Analysen dummykodiert, die Referenzkategorie ist immer Geschlecht_nonbinär bzw. race_BPoC.

Multiple lineare Regressionsmodelle

Die Normalverteilung der Residuen der multiplen linearen Regressionsmodelle wurde mit dem Shapiro-Wilk-Test überprüft. Die Normalverteilungsannahme war bei allen Modellen verletzt, p < .05. Eine visuelle Überprüfung der Histogramme der standardisierten Residuen zeigte keine starken Abweichungen von der Normalverteilungskurve.

Zur Überprüfung der Homoskedastizität der Residuen wurden Streudiagramme mit den unstandardisierten vorhergesagten Werten auf der einen Achse und den studentisierten Residuen auf der anderen Achse erstellt und visuell bewertet. Die Homoskedastizität der Residuen war bei vier von sechs multiplen linearen Regressionsmodellen gegeben. Für die beiden übrigen (beide Modelle mit DASS-A als abhängige Variable) wurde Bootstrapping mit 1000 Iterationen eingesetzt.

Moderationsanalysen

Für die Moderationsanalysen wurden für alle Modelle die Prädiktorvariable GMSR-IT und die Moderatorvariablen MSPSS-FF bzw. LGBT+ Community Connectedness auf Multikollinearität geprüft. In keinem Fall lag Multikollinearität vor (Variance Inflation Factor < 5). Es wurde pro Moderationsanalyse ein Bootstrapping mit 5000 Iterationen zusammen mit Heteroskedastizitäts-konsistenten Standardfehlern (HC313; Davidson & MacKinnon, 1993) eingesetzt, um 95 %-Konfidenzintervalle (KI) zu berechnen.

Anhang C

Tabelle C1 Ergebnisse der Moderationsanalysen