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Open AccessOriginalarbeit

Die Medienkampagne „Deine Chance“

Wahrnehmung und Auswirkungen auf Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche

Published Online:https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000803

Abstract

Zusammenfassung:Zielsetzung: In 2021 wurde die bundesweite Medienkampagne „Deine Chance“ der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführt, um Raucherinnen und Raucher zu motivieren, mit dem Rauchen aufzuhören. Ziel unserer Studie war, die Wahrnehmung der Kampagne und ihre Effekte auf Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche zu untersuchen. Methodik: Im Rahmen der repräsentativen Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) wurden 1550 Raucher_innen im Zeitraum vor der Kampagne (18.02. bis 30.05.2021) und 2330 während der Kampagne (31.05. bis 14.11.2021) befragt. Spezifische Fragen bezogen sich auf die Wahrnehmung der Kampagne und davon ausgehende Impulse zur Änderung des Rauchverhaltens. Mögliche Effekte wurden anhand der Motivation zum Rauchstopp Skala sowie dem Anteil der Raucher_innen mit mindestens einem Rauchstoppversuch gemessen. Ergebnisse: 14.6 % (95%KI=13.2-16.1) der Raucher_innen nahm die Kampagne wahr. Hinsichtlich der Altersgruppen wurde die Kampagne am häufigsten von 14-24-Jährigen wahrgenommen (19.1 %, 95%KI=14.9-24.0). Raucher_innen mit niedriger Schulbildung nahmen die Kampagne seltener wahr als Raucher_innen mit hoher Schulbildung (OR=0.65, 95%KI=0.46-0.93). Unter den Raucher_innen, welche die Kampagne wahrgenommen hatten, informierten sich 6.4 % (95%KI=3.0-11.9) über die Kampagne, und 13.6 % (95%KI=9.1-19.0) wurden angeregt, über einen Rauchstopp nachzudenken. Im Vergleich zum Zeitraum vor der Kampagne gab es bei den Raucher_innen während der Kampagne keinen Unterschied in der Rauchstoppmotivation (OR=0.96, 95%KI=0.85-1.08) oder in durchgeführten Rauchstoppversuchen (OR=0.96, 95%KI=0.69-1.35). Schlussfolgerungen: Die Medienkampagne „Deine Chance“ hatte vermutlich keine nennenswerten Effekte auf die Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche der Raucher_innen in Deutschland. Effektivere tabakkontrollpolitische Maßnahmen sind dringend notwendig, um das langfristige Ziel einer rauchfreien Gesellschaft zu erreichen.

The Media Campaign “Your Chance”: Perception and Effects on Smoking Cessation Motivation and Smoking Cessation Attempts

Abstract:Aims: In 2021, the nationwide media campaign “Your Chance” of the Commissioner for Drug and Addiction Policy and the Federal Ministry of Health was carried out to motivate smokers to quit smoking. The aim of our study was to assess the campaign’s perception and its effects on motivation to stop smoking and quit attempts. Methods: In the context of the German Study on Tobacco Use (DEBRA), 1550 smokers were interviewed in the period before the campaign (18.02. to 30.05.2021) and 2330 during the campaign (31.05. to 14.11.2021). Specific questions related to the perception of the campaign and resulting impulses to change smoking behaviour. Potential effects were measured with the Motivation To Stop Scale and with the rate of smokers with at least one quit attempt. Results: A total of 14.5 % (95%CI=13.1-16.0) of smokers perceived the campaign. Regarding age groups, 14-24-year-olds showed the highest rate of perception (19.1 %, 95%CI=14.9-24.0). Low vs. high educational attainment was associated with a lower odds of perception (OR=0.65, 95%CI=0.46-0.93). Among smokers perceiving the campaign, 6.4 % (95%CI=3.0-11.9) gathered more information about the campaign and 13.6 % (95%CI=9.1-19.0) were prompted to think about quitting. Compared with the period before the campaign there was no difference in motivation to stop (OR=0.96, 95%CI=0.85-1.08) or quit attempts (OR=0.96, 95%CI=0.69-1.35) during the campaign. Discussion: The media campaign „Your Chance“ probably had no relevant effects on motivation to stop and attempts to quit tobacco in smokers in Germany. More effective tobacco control measures are urgently needed in order to achieve the long-term goal of a smoke-free society.

Einführung

Der Anteil der Raucherinnen und Raucher in Deutschland liegt aktuell bei über 30 % und ist, im Vergleich zu anderen Ländern in West- und Nordeuropa, verhältnismäßig hoch (DEBRA, n. d.; Kotz, Böckmann & Kastaun, 2018). In Deutschland sterben jährlich etwa 127.000 Menschen an den Folgen tabakbedingter Erkrankungen, was etwa jedem 7. Todesfall entspricht (Mons & Brenner, 2017). Tabakrauchen ist der größte vermeidbare Risikofaktor für onkologische, kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen (Mons, 2011). Die Folgen des Tabakrauchens führen zudem zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten, die für Deutschland auf ca. 97 Mrd. € pro Jahr geschätzt werden (Effertz, 2019).

Daten einer Bevölkerungsbefragung aus dem Jahr 2019 zeigten eine allgemein geringe Motivation zum Rauchstopp sowie eine geringe Rate an Rauchstoppversuchen in der tabakrauchenden Bevölkerung Deutschlands (Pashutina, Kastaun, Ratschen, Shahab & Kotz, 2021). Die Chance auf einen zukünftigen Rauchstoppversuch nimmt jedoch mit steigender Motivation zum Rauchstopp zu (Pashutina et al., 2021). Kognitive Verhaltensmodelle aus der Psychologie zeigen, dass bestimmte Faktoren Einfluss auf die Motivation haben. Beispielsweise beschreibt das I Change Modell zur Erklärung von Motivations- und Verhaltensänderung, dass das Wissen über die wahrgenommenen Vor- und Nachteile eines Verhaltens, die soziale Unterstützung und die Selbstwirksamkeit wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Verhaltensänderung sind (De Vries, 2017). Wahrgenommene Vorteile können beispielsweise die Verbesserung der Gesundheit oder finanzielle Gründe sein.

In der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Rahmenvereinbarung zur Tabakkontrolle (Art. 12), wird die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums durch z. B. öffentliche Kommunikationsmittel beschrieben. Diese sollen die Gesellschaft für Gesundheitsrisiken des Tabakkonsums sensibilisieren sowie die Vorteile einer tabakfreien Lebensweise aufzeigen (WHO, 2003). Im Zeitraum vom 31.05.2021 bis 21.11.2021 wurde deshalb die Bundesinitiative „rauchfrei leben“ mit der Medienkampagne „Deine Chance“ von der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und dem Bundesministerium für Gesundheit durchgeführt. Ziel war es, die rauchende Bevölkerung durch die Wahrnehmung der Kampagne zum Rauchstopp zu motivieren und über Methoden aufzuklären, die dabei helfen können, einen erfolgreichen Rauchstopp zu unternehmen (Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, n. d.; Pietsch, 2021). Es sollten primär Raucher_innen ab dem Alter von 40 Jahren von der Kampagne angesprochen werden, die einen hohen Tabakkonsum bzw. einen hohen Grad der Tabakabhängigkeit aufweisen und somit einem besonders hohem Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko ausgesetzt sind. Für die Kampagne wurden verschiedene öffentliche Werbe-Kanäle genutzt, wie z. B. Banner auf Internetseiten oder Plakate an Bahnhöfen (Beispielplakat siehe elektronisches Supplement [ESM] 1). Der Fokus der Kampagne lag auf der Darstellung der finanziellen Ersparnis durch einen Rauchstopp und der daraus resultierenden Möglichkeit gewünschte Aktivitäten unternehmen zu können. Auf der kampagneneigenen Webseite (www.nutzedeinechance.de) gab es eine Verlinkung zur Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), auf der evidenzbasierte Methoden zum Rauchstopp vorgeschlagen wurden. Des Weiteren konnte auf der Webseite ein Ersparnisrechner genutzt werden, der den finanziellen Überschuss, je nach Anzahl der nicht gerauchten Zigaretten, berechnete.

Die fortlaufende Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) bot die Möglichkeit, die Wahrnehmung der Kampagne und ihre Auswirkung auf die Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche zu untersuchen. Konkret wurden folgende Fragestellungen formuliert:

  1. 1.
    Wie hoch ist der Anteil der aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen (< 12 Monate rauchfrei), welche die „Deine Chance“ Kampagne wahrgenommen haben?
  2. 2.
    Welche soziodemographischen und sozioökonomischen Merkmale der aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen (< 12 Monate rauchfrei) sind mit der Wahrnehmung der Kampagne assoziiert?
  3. 3.
    Unter denjenigen, die die „Deine Chance“ Kampagne wahrgenommen haben: wie hoch ist der Anteil derer, die (a) sich genauer über die Kampagne informiert haben sowie (b) angeregt wurden, über einen Rauchstopp nachzudenken?
  4. 4.
    Zeigt sich ein Unterschied im Zeitraum während der Kampagne (31. Mai bis November 2021) verglichen mit dem Zeitraum vor der Kampagne (Februar bis 30. Mai 2021) im: (a) Grad der Motivation zum Rauchstopp bei aktuellen Raucher_innen? (b)Anteil aktueller Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen, die einen Rauchstoppversuch unternommen haben?

Methodik

DEBRA ist eine seit Juni 2016 durchgeführte Repräsentativbefragung, die primär Daten zum Konsum von Tabak und alternativen Nikotinabgabesystemen in der deutschen Bevölkerung erhebt (DEBRA, n. d.). Alle zwei Monate wird die Stichprobe um ca. 2000 neue Befragte erweitert. Die computerassistierten, persönlich-mündlichen Befragungen werden von einem erfahrenen Marktforschungsinstitut umgesetzt. Die Befragten werden seit Januar 2020 mittels eines Dual Frame Designs ausgewählt: einer ca. 50:50 % Mischung aus mehrfach geschichteter, mehrstufiger Zufallsstichprobe und Quotensampling (weitere Informationen: https://osf.io/e2nqr/). Die DEBRA Studie wurde von der Ethikkommission der Universitätsklinik Düsseldorf freigegeben (HHU 5386R) und ist im Deutsches Register klinischer Studien registriert (Registrierungsnummern DRKS00011322, DRKS00017157 und DRKS00028054). Ein detailliertes Studienprotokoll für die jetzige Untersuchung wurde a priori zur Datenauswertung ausgearbeitet und veröffentlicht: https://osf.io/gbeu3.

Auswahl der Stichprobe

In die Auswertung wurden Personen ab 14 Jahren und älter aus dem Jahr 2021 eingeschlossen, die in den vergangenen 12 Monaten Tabak geraucht haben, d. h. aktuelle Raucher_innen und Personen, die in den letzten 12 Monaten einen erfolgreichen Rauchstoppversuch unternommen hatten (neue Ex-Raucher_innen). Die Befragung der Personen fand im Zeitraum vor der Kampagne vom 18.02.2021 bis 30.05.2021 (Wellen 28–30), und während der Kampagne vom 31.05.2021 bis 14.11.2021 (Wellen 30–33) statt (ESM 2).

Abhängige Variable: Wahrnehmung und Impulse zur Änderung des Rauchverhaltens

In den Wellen 30 und 31 wurden alle aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen befragt, ob sie die Kampagne wahrgenommen und sich ggf. genauer darüber informiert haben. Bei Angabe der Wahrnehmung wurde zusätzlich gefragt, ob sie sich über einen Rauchstopp informiert haben:

„Seit Mai gibt es eine Kampagne des Bundes, die im Internet, Fernsehen und über Krankenkassen zu sehen ist. Die Kampagne heißt „Deine Chance“ und soll Raucherinnen und Raucher zum Rauchstopp motivieren. Ist Ihnen diese Rauchstopp-Kampagne schon einmal aufgefallen?“

  1. 1.
    Ja, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ schon einmal gesehen, und ich habe mich genauer darüber informiert.
  2. 2.
    Ja, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ schon einmal gesehen, aber ich habe mich nicht weiter darüber informiert.
  3. 3.
    Nein, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ bisher noch nie gesehen, oder ich kann mich nicht daran erinnern.
  4. 4.
    K.A

In den Wellen 32 und 33 wurde die Frage leicht umgestellt mit dem Fokus darauf, ob die Befragten angeregt wurden, über einen Rauchstopp nachzudenken:

„Seit Mai gibt es eine Kampagne des Bundes, die im Internet, Fernsehen und über Krankenkassen zu sehen ist. Die Kampagne heißt ‚Deine Chance‘ und soll Raucherinnen und Raucher zum Rauchstopp motivieren. Ist Ihnen diese Rauchstopp-Kampagne schon einmal aufgefallen?“

  1. 1.
    Ja, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ schon einmal gesehen, und sie hat mich angeregt, über einen Rauchstopp nachzudenken.
  2. 2.
    Ja, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ schon einmal gesehen, aber sie hat mich nicht angeregt, über einen Rauchstopp nachzudenken.
  3. 3.
    Nein, ich habe die Rauchstopp-Kampagne „Deine Chance“ bisher noch nie gesehen, oder ich kann mich nicht daran erinnern.
  4. 4.
    K. A.

Für die Analysen der Forschungsfragen 1 und 2 wurde die Variable „wahrgenommen“ binär kodiert. Die Antwortoptionen 1 und 2 wurden mit „ja, wahrgenommen“ zusammengefasst und Antwortoption 3 mit „nein, nicht wahrgenommen“. Personen, die keine Angabe gemacht haben (Antwortoption 4), wurden aus den Analysen ausgeschlossen.

Die Forschungsfragen 3a und 3b richteten sich an die Subgruppe derjenigen, die die Kampagne wahrgenommen haben. Zur Analyse der Forschungsfrage 3a wurde die Variable „informiert“ binär kodiert. Die Antwortoption 1 wurde mit „ja, informiert“ und Antwortoption 2 mit „nein, nicht informiert“ kodiert. Zur Analyse der Forschungsfrage 3b wurde die Variable „zum Rauchstopp angeregt“ binär kodiert. Antwortoption 1 für „ja, angeregt“ und Antwortoption 2 für „nein, nicht angeregt“.

Abhängige Variable: Motivation zum Rauchstopp

In allen untersuchten Wellen wurden alle aktuellen Raucher_innen nach ihrer Motivation zum Rauchstopp befragt:

„Welche der folgenden Aussagen trifft auf Sie zu?“

  1. 1.
    Ich will nicht mit dem Rauchen aufhören
  2. 2.
    Ich sollte mit dem Rauchen aufhören, aber ich möchte eigentlich nicht
  3. 3.
    Ich will mit dem Rauchen aufhören, habe aber noch nicht darüber nachgedacht, wann
  4. 4.
    Ich will unbedingt mit dem Rauchen aufhören, habe aber noch nicht darüber nachgedacht, wann
  5. 5.
    Ich will mit dem Rauchen aufhören und hoffe, dies in naher Zukunft zu tun
  6. 6.
    Ich will unbedingt mit dem Rauchen aufhören und habe vor, dies in den nächsten drei Monaten zu tun
  7. 7.
    Ich will unbedingt mit dem Rauchen aufhören und habe vor, dies im nächsten Monat zu tun

Diese Motivation zum Rauchstopp Skala (MRS) ist ein validiertes Instrument, dass den Grad der Motivation zum Rauchstopp auf einer ordinalen 7-Punkte Skala misst (Pashutina et al., 2021).

Abhängige Variable: Rauchstoppversuche

In allen Wellen wurden alle aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen nach der Anzahl ihrer Rauchstoppversuche befragt:

„Wie viele ernsthafte Versuche haben Sie in den vergangenen 12 Monaten unternommen, mit dem Rauchen aufzuhören? Mit ernsthaften Versuchen meine ich, dass Sie vorhatten nie wieder zu rauchen. Falls Sie im letzten Jahr erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört haben oder zurzeit versuchen mit dem Rauchen aufzuhören, zählen Sie dies bitte als Versuch mit.“

  1. 1.
    Ich habe im letzten Jahr [Anzahl] Versuche unternommen
  2. 2.
    Ich habe keinen Versuch unternommen

Mit einer weiteren Frage wurde der Zeitpunkt, in dem der Rauchstoppversuch stattgefunden hatte, bestimmt:

„Wie lange ist ihr letzter Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, her?“

  1. 1.
    In der letzten Woche
  2. 2.
    Länger als eine Woche
  3. 3.
    Länger als einen Monat
  4. 4.
    Länger als zwei Monate
  5. 5.
    Länger als drei Monate
  6. 6.
    Länger als sechs Monate
  7. 7.
    K. A.

Um zu gewährleisten, dass die Angabe zu den Rauchstoppversuchen dem richtigen Zeitraum zugeordnet wird (vor bzw. während der Kampagne), wurde mit dem Zeitpunkt des Versuchs sowie mit dem Datum des Interviews eine neue, binäre Variable erzeugt. Diese erhielt für alle aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen zunächst den Wert 0 (kein Rauchstoppversuch im entsprechenden Zeitraum). Der Wert wurde dann anhand eines Algorithmus auf 1 gesetzt, wenn der Rauchstoppversuch im Zeitraum vor bzw. während der Kampagne erfolgte (Details siehe Studienprotokoll: https://osf.io/gbeu3). Dabei wurde gewährleistet, dass der Zeitraum, in dem ein Rauchstoppversuch gezählt wird, vor der Kampagne (13.12.20 bis 30.05.21 = 24 Wochen) genauso lang ist wie während der Kampagne (31.05.21 bis 14.11.21 = 24 Wochen, wobei der 14.11.21 das Datum des letzten Interviews markiert).

Unabhängige Variablen

Es wurden folgende Kovariablen in den Analysen berücksichtigt: Alter (als metrische Variable in der Regressionsanalyse und als kategoriale Variable für die deskriptive Beschreibung), Geschlecht (binär: männlich, weiblich), Migrationshintergrund (binär: „ja“, wenn mindestens ein Elternteil in einem anderen Land als Deutschland geboren ist vs. „nein“, wenn beide Elternteile in Deutschland geboren sind), monatliches Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf (metrisch in der Regressionsanalyse und in den Kategorien niedrig, mittel, hoch für die deskriptive Beschreibung), Schulbildung (in den Kategorien niedrig, mittel, hoch), Region (binär: ländlich vs. städtisch) und Grad der Abhängigkeit gemessen mit der Verlangen zu Rauchen Skala (VRS [Fidler, Shahab & West, 2011]) mit zwei Items: Häufigkeit des Verlangens zu rauchen in den letzten 24 Stunden (metrisch von überhaupt nicht [1] bis immer [6]) und Stärke des Verlangens zu rauchen (metrisch von kein Verlangen [1] bis extrem starkes Verlangen [6]).

Statistische Analyse

Forschungsfrage 1: der Anteil der aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen, welche die Rauchfrei Kampagne „Deine Chance“ in den Wellen 30–33 wahrgenommen haben, wurde deskriptiv für die Gesamtgruppe sowie stratifiziert nach Alter, Geschlecht, Schulbildung, Einkommen, Migrationshintergrund, Region, VRS-Häufigkeit und Stärke sowie Region mit einem 95 % Konfidenzintervall (KI) untersucht. Für diese Auswertung wurden die Daten anhand des Mikrozensus gewichtet (Details zur Gewichtung sind dem Studienprotokoll der DEBRA Studie zu entnehmen [Kastaun et al., 2017]).

Forschungsfrage 2: die Assoziationen unterschiedlicher Merkmale mit der Wahrnehmung der Kampagne wurde mithilfe einer multivariablen logistischen Regression analysiert. Dabei war die Wahrnehmung (ja vs. nein) die abhängige Variable und die zu untersuchenden Merkmale die unabhängigen Variablen: Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Schulbildung, Einkommen, VRS-Häufigkeit und Stärke sowie Region.

Forschungsfrage 3: der Anteil der aktuellen und neuen Ex-Raucher_innen, welche die Medienkampagne „Deine Chance” wahrgenommen haben und (a) sich informiert haben oder (b) zu einem Rauchstopp angeregt wurden, wurde ebenfalls deskriptiv mit einem 95 % KI und anhand gewichteter Daten dargestellt.

Forschungsfrage 4: zunächst wurde eine neue, binäre Variable erzeugt: für Interviews, die im Zeitraum vor der Kampagne (18.02.2021 bis 30.05.2021; Wellen 28–30) gegenüber Interviews, die im Zeitraum während der Kampagne (31.05.2021 bis 14.11.2021; Wellen 30–33) durchgeführt wurden (Kodierung Variable vor der Kampagne = 0, während der Kampagne = 1). Dann wurde für 4a die Assoziation zwischen dem Zeitraum (während vs. vor der Kampagne) und der Motivation zum Rauchstopp der aktuellen Raucher_innen mittels einer univariaten ordinalen Regression analysiert, mit der MRS als abhängige Variable. Für 4b wurde die Assoziation zwischen dem Zeitraum (während vs. vor der Kampagne) und der binär kodierten, abhängigen Variable Rauchstoppversuch (ja vs. nein) bei aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen mittels einer univariaten logistischen Regression analysiert.

Die hypothetischen Zusammenhänge zwischen dem Effekt der Kampagne auf die beiden oben genannten Endpunkte 4a und 4b wird in Abbildung 1 darstellt. Wir nahmen an, dass ein möglicher Effekt von Zeit (während vs. vor der Kampagne) auf die Endpunkte (in Abbildung 1 beispielhaft Motivation) über die Wahrnehmung läuft, denn nur während der Kampagne konnte diese überhaupt wahrgenommen werden. Wir nahmen des Weiteren an, dass verschiedene Kovariablen einen Einfluss auf diese Wahrnehmung haben können: Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Schulbildung, Einkommen, VRS–Häufigkeit und Stärke sowie Region. Es ist z. B. möglich, dass die Kampagne häufiger von jungen Personen wahrgenommen wurde, da diese mehr oder andere Medien konsumieren. Zudem kann Zeit (unabhängige Variable) wiederum einen Einfluss auf diese Kovariablen haben: es ist z. B. möglich, dass sich das Alter der Personen, die vor vs. während der Kampagne befragt wurden, auf Grund der Stichprobenauswahl (geringfügig) unterscheidet. In einer solchen Situation kann also ein Teil des Effekts von Zeit auf die beiden Endpunkte über die genannten Kovariablen laufen. Daher sollte die Analyse des Zusammenhangs zwischen Zeit (während vs. vor der Kampagne) und den beiden Endpunkten nicht für diese Kovariablen adjustiert werden. Aus diesem Grund wurden für die Forschungsfragen 4a und 4b univariate Regressionsmodelle gewählt.

Abbildung 1 Kausales Diagramm. Darstellung der hypothetischen Zusammenhänge zwischen dem Effekt der Kampagne (Zeit), dem Endpunkt (hier Motivation) und verschiedener Kovariablen. Das Diagramm wurde mit Hilfe der Webseite http://dagitty.net gezeichnet (Textor, van der Zander, Gilthorpe, Liśkiewicz, & Ellison, 2017; der Modell Code ist auf Anfrage verfügbar).

Ergebnisse

Die Anzahl der befragten aktuellen Raucher_innen (n = 3760) und neue Ex-Raucher_innen (n = 125) betrug insgesamt 3885: 1550 im Zeitraum vor der Kampagne und 2335 während der Kampagne. Die Merkmale der Befragten beider Zeiträume waren vergleichbar (Tabelle 1).

Tabelle 1 Merkmale der befragten aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen

Wahrnehmung der Kampagne

Die gewichtete Anzahl von aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen, die während der Kampagne befragt wurden, betrug 2330 (16 machten keine Angabe). Hiervon gaben 340 (14.6 %; 95%KI=13.2–16.1) an, die Kampagne wahrgenommen zu haben. In Tabelle 2 wird die Wahrnehmung stratifiziert nach den Merkmalen der Befragten dargestellt. Hinsichtlich der Altersgruppen wurde die Kampagne am häufigsten von 14- bis 24-Jährigen wahrgenommen (19.1 %; 95%KI=14.9–24.0).

Tabelle 2 Wahrnehmung der Kampagne, stratifiziert nach Merkmalen der Befragten

Mit der Wahrnehmung assoziierte Merkmale

In die multivariable Regressionsanalyse wurden 2166 Befragte einbezogen (169 Befragte hatten bei mindestens einer Variable fehlende Angaben und wurden ausgeschlossen). Nach Adjustierung für andere Merkmale zeigten Befragte mit niedriger Schulbildung eine 35 % geringere Chance, die Kampgange wahrzunehmen, als Befragte mit einer hohen Schulbildung: OR = 0.65 (95%KI=0.46–0.93; Tabelle 3). Die Wahrnehmung war nicht mit dem Grad der Abhängigkeit assoziiert: OR = 1.10 (95%KI=0.93–1.29) für VRS-Häufigkeit und OR = 0.95 (0.79–1.14) für VRS-Stärke.

Tabelle 3 Adjustierte Chancen, die Kampagne wahrzunehmen

Impulse der Kampagne

Die gewichtete Anzahl von aktuellen Raucher_innen und neuen Ex-Raucher_innen, welche die Kampagne wahrgenommen hatten, betrug 140 in den Wellen 30 und 31 sowie 200 in den Wellen 32 und 33. Der Anteil der Befragten, der angab, sich daraufhin genauer über die Kampagne informiert zu haben (Forschungsfrage 3a in Wellen 30–31), betrug 6.4 % (9/140; 95%KI=3.0–11.9). Der Anteil der Befragten, der angab, angeregt worden zu sein, über einen Rauchstopp nachzudenken (Forschungsfrage 3b in Wellen 32–33), betrug 13.6 % (27/200; 95%KI=9.1–19.0).

Motivation und Rauchstoppversuche vor und während der Kampagne

Im Zeitraum vor der Kampagne hatten 1471 aktuelle Raucher_innen eine Angabe bezüglich ihrer Motivation zum Rauchstopp gemacht (18 ohne Angabe), und im Zeitraum während der Kampagne 2241 (30 ohne Angabe). Der Mittelwert auf der MRS lag vor der Kampagne bei 1.93 (Standarddeviation [SD] = 1.28) und während der Kampagne bei 1.90 (SD = 1.25). Das ordinale Regressionsmodell ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Rauchstoppmotivation zwischen den beiden Zeiträumen (OR=0.96; 95%KI=0.85–1.08).

Im Zeitraum vor der Kampagne hatten 1508 aktuelle Raucher_innen und neue Ex-Raucher_innen eine Angabe bezüglich vergangener Rauchstoppversuche gemacht (42 machten keine Angabe), und im Zeitraum während der Kampagne 2290 (45 ohne Angabe). Der Anteil der Befragten mit mindestens einem Rauchstoppversuch betrug 3.8 % (n = 58) vor der Kampagne und 3.7 % (n = 85) während der Kampagne. Das logistische Regressionsmodell ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Rate der Rauchstoppversuche zwischen beiden Zeiträumen (OR=0.96; 95%KI=0.69–1.35).

Diskussion

Unsere Begleitevaluation der 2021 durchgeführten, bundesweiten Medienkampagne „Deine Chance“ der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und des Bundesministeriums für Gesundheit anhand von Daten der DEBRA Studie ergab, dass die Kampagne von ca. 15 % der Raucher_innen wahrgenommen wurde. Die Kampagne wurde relativ häufiger von jungen und höher gebildeten Raucher_innen wahrgenommen. Im Zuge der Wahrnehmung informierten sich ca. 6 % der Raucher_innen genauer über die Kampagne, und ca. 14 % wurden angeregt, über einen Rauchstopp nachzudenken. Einen Einfluss der Kampagne auf die Rauchstoppmotivation oder die Rauchstoppversuche der Gesamtgruppe der Raucher_innen konnte nicht festgestellt werden.

Es gibt zahlreiche Beispiele früherer Medienkampagnen zur Tabakkontrolle, die jedoch in unterschiedlichen Ländern durchgeführt wurden und verschiedenartig konzipiert waren (Brown et al., 2014; Durkin, Brennan & Wakefield, 2012; Hopkins et al., 2001; Kammer, 2018; Kotz, Stapleton, Owen & West, 2011; Nagelhout, Willemsen, van den Putte, Crone & de Vries, 2009; Nationaal Expertisecentrum Tabaksontmoediging, 2020; Ranney et al., 2006; Wakefield et al., 2008; Willems, 2012). Dies erschwert Vergleiche mit der „Deine Chance“ Kampagne. In den Jahren 2015–2017 fand beispielsweise in der Schweiz die Tabakpräventionskampagne „SmokeFree“ (mit dem Slogan „Ich bin stärker“) statt, mit dem primären Ziel, Rauchende auf ihrem Weg in ein rauchfreies Leben zu unterstützen (Kammer, 2018). Das Projekt der Kampagne hatte eine Laufzeit von 40 Monaten und ein Finanzvolumen von CHF 9.0 Millionen (ca. EUR 9.1 Millionen) und wurde in einem partizipativen Prozess und unter Einbezug wichtiger Akteure der Tabakprävention erarbeitet. Die Botschaften der Kampagne wurden mit vielfältigen Maßnahmen und über reichweitenstarke Kanäle wie TV-Spots, Print- und Online-Inserate sowie Plakate an die Zielgruppe herangetragen (Kammer, 2018). Die Evaluation anhand einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zeigte eine Wahrnehmung der Kampagne von über 80 % (Poggiolini, Wirth & Scholz, 2018). Demgegenüber ist eine Wahrnehmung der „Deine Chance“ Kampagne von 15 % als niedrig zu bewerten, wobei berücksichtigt werden muss, dass die deutsche Kampagne ein erheblich kleineres Finanzvolumen hatte (EUR 1.07 Millionen für 12 Monate [Pietsch, 2021]) für eine deutlich größere Bevölkerung als die schweizerische Kampagne. Auch der ausgehende Impuls nach Wahrnehmung der „Deine Chance“ Kampagne war eher niedrig: nur 6 % der Raucher_innen informierten sich weitergehend über die Kampagne und bei nur 14 % führte die Wahrnehmung dazu, über einen Rauchstopp nachzudenken (wobei die Konfidenzintervalle auch höhere Raten einschlossen). Vermutlich haben daher relativ wenige Menschen die Kampagnenwebseite mit weiteren Informationen und Angeboten zum Rauchstopp angeschaut (genaue Daten liegen dazu nicht vor). Möglicherweise war die Kampagne zu stark auf den finanziellen Aspekt des Rauchens fokussiert – durch den Rauchstopp Geld zu sparen – so dass andere wichtige Aspekte wie die Abhängigkeit vom Tabak und die Gesundheitsgefahren des Rauchens unzureichend zum Tragen kamen. Diese anderen Aspekte spielten in der schweizerischen Kampagne, die den Slogan „Ich bin stärker“ hatte, eine größere Rolle und waren dort mit einer erhöhten Wahrnehmung der Gesundheitsrisiken des Rauchens sowie einer Stärkung der Rauchfreiheit als soziale Norm assoziiert (Kammer, 2018; Poggiolini et al., 2018).

Es muss auch festgestellt werden, dass die „Deine Chance“ Kampagne neben der Hauptzielgruppe – Raucher_innen über 40 Jahre – andere Zielgruppen in einem höheren Maße erreicht hat. In der Altersgruppe 40–64 Jahre lag die Wahrnehmung bei 15 %, bei den über 64-Jährigen nur bei 11 %, dahingegen bei 14- bis 24-Jährigen bei 19 %. Dies hat vermutlich zum einen mit den hauptsächlich gewählten Medienkanälen zu tun (online Plattformen und Social Media), die vor allem von jüngeren Menschen genutzt werden, sowie mit der Auswahl der Bilder, die junge gesunde und aktive Menschen zeigte (ESM 1). Die Kampagne wurde zudem offenbar deutlich seltener von Menschen mit niedriger Bildung wahrgenommen. Dies ist problematisch, weil gerade in dieser Gruppe viel geraucht wird (Kotz et al., 2018) und eine Kampagne so Gefahr läuft, sozioökonomische Gesundheitsunterschiede zu verstärken.

Mögliche Effekte der Kampagne hinsichtlich Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche sind aufgrund methodischer Einschränkungen unserer Studie nicht mit Sicherheit zu bewerten (s. u.). Insgesamt ist die Motivation mit dem Rauchen aufzuhören und die Rate tatsächlich durchgeführter Rauchstoppversuche bei Raucher_innen in Deutschland seit Jahren niedrig und derzeit sogar rückläufig (Kotz, 2021; Pashutina et al., 2021). In unserer Studie konnten wir während der Kampagne in beiden Bereichen keinen Anstieg messen. Im besten Fall hat die Kampagne daher den Rückgang von Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuchen leicht abgebremst.

Limitationen und Stärken der Studie

Um die Effekte einer Kampagne sicher festzustellen wäre eine (randomisierte) kontrollierte Studie nötig gewesen. Ein solches Design ist bei einer bundesweiten Kampagne allerdings ausgeschlossen. Als Alternative haben wir ein Vergleich von Daten während des Zeitraums der Kampagne mit einem gleichlangen Zeitraum davor untersucht. Der Nachteil eines solchen Vorgehens ist, dass neben dem untersuchten Effekt der Kampagne auch andere Faktoren Einfluss auf die Endpunkte gehabt haben können (wie oben genannter genereller Trend abnehmender Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche oder äußere Einflüsse wie Auswirkungen der Corona-Pandemie). Solche Faktoren können dann insbesondere kleine Effekte der Kampagne, wenn es sie wirklich gegeben hat, aufheben. Deshalb haben wir zusätzlich Daten zu möglichen Mediatoren eines Effekts der Kampagne auf die Endpunkte gesammelt: die Wahrnehmung der Kampagne und deren Impulse zur Änderung des Rauchverhaltens. Die Frage zu den Impulsen (sich über die Kampagne zu informieren, über einen Rauchstopp nachzudenken) mussten wir aus Kostengründen mit der Frage zur Wahrnehmung verschachteln. Dadurch entstand eine komplexe Frage, die vielleicht nicht von allen Befragten gut verstanden wurde. Bei der Frage zu den Rauchstoppversuchen konnte nur der letzte Rauchstoppversuch dem Zeitraum vor bzw. während der Kampagne zugeordnet werden. Dadurch war es nicht möglich, die Anzahl durchgeführter Versuche zu vergleichen. Stärken unserer Studie bestanden aus einer bundesweiten Repräsentativbefragung, einer großen Stichprobe sowie der Flexibilität der DEBRA-Methodik um die schnell entwickelte Kampagne überhaupt wissenschaftlich begleiten zu können. Darüber hinaus haben wir im Rahmen eines Open Science Ansatzes vor der Auswertung der Daten ein detailliertes Studienprotokoll einschließlich geplanter statistischer Analysen entwickelt und im Open Science Framework veröffentlicht.

Konklusion und Ausblick

Die „Deine Chance“ Kampagne der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und dem Bundesministerium für Gesundheit aus dem Jahr 2021 wurde nur von einem kleinen Teil der Raucher_innen in Deutschland wahrgenommen, und in der ursprünglich anvisierten Zielgruppe der stark abhängigen Raucher_innen ab 40 Jahren nicht häufiger als in anderen Gruppen. Die Kampagne löste zudem wenig Impulse aus und hatte vermutlich nur geringe Effekte hinsichtlich Rauchstoppmotivation und Rauchstoppversuche. Es sind größere Anstrengungen nötig, um zukünftige Kampagnen zielgerichteter und effektiver zu planen und zu gestalten, u. a. die frühzeitige Einbindung aller wichtigen Akteure der Tabakkontrolle, die Entwicklung eines wissenschaftsbasierten und theoretisch fundierten Ansatzes der Kampagne mit Partizipation der Zielgruppe, sowie eine klare Definition von Detailzielen und Indikatoren zur Messung der Zielerreichung.

Unsere Studie unterstreicht allgemein die Bedeutung einer fundierten wissenschaftlichen Begleitevaluation und – speziell zu diesem Thema – die Vorteile einer fortlaufenden Erhebung des Rauchverhaltens. Ein solches Monitoring ermöglicht es, mögliche Effekte einer Kampagne sowie auch anderer Tabakkontrollmaßnahmen und sonstiger Einflussfaktoren auf das Rauchverhalten in der Bevölkerung messbar zu machen. Effektivere tabakkontrollpolitische Maßnahmen sind in unserem Land dringend notwendig, um das Rauchen unattraktiver zu machen (insbesondere durch eine deutliche Erhöhung der Tabaksteuer und eine Reduktion der Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Tabakprodukten im Alltag) und den Rauchstopp aktiver zu fördern (insbesondere durch flächendeckende, niedrigschwellige und kostenfreie Therapieprogramme; Graen & Schaller, 2021). Nur so kann Deutschland das langfristige Ziel einer rauchfreien Gesellschaft erreichen.

Schlussfolgerungen für die Praxis

  1. 1.
    Eine Medienkampagne sollte so geplant sein, dass sie anvisierte Zielgruppen erreicht und sozioökonomische Gesundheitsunterschiede nicht verstärkt.
  2. 2.
    Eine Kampagne, die zum Ziel hat, den Rauchstopp zu fördern, sollte Raucher_innen konkrete, evidenzbasierte und kostenfreie Unterstützungsangebote vermitteln können.
  3. 3.
    Eine fortlaufende Befragung zum Rauchverhalten ermöglicht die begleitende wissenschaftliche Evaluation solcher Kampagnen.

Wir bedanken uns beim Marktforschungsinstitut Cerner Enviza für die Datenerhebung, insbesondere bei Constanze Cholmakow-Bodechtel und Marvin Krämer.

Literatur