Skip to main content
Open AccessOriginalarbeit

Nicht-medikamentöse Maßnahmen bei Ein- und Durchschlafproblemen von älteren Patienten im Krankenhaus – Qualitative Interviews mit Pflegenden

Published Online:https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000639

Abstract

Zusammenfassung. Hintergrund: Ältere Patienten leiden im Krankenhaus häufig unter Ein- und Durchschlafproblemen. Nicht selten erhalten diese Patienten trotz der bekannten Risiken ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel, obwohl auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Verfügung stehen. Ziel: Die Studie untersucht Erfahrungen und Wahrnehmungen von Pflegenden im Umgang mit nicht-medikamentösen Maßnahmen bei Schlafproblemen älterer Patienten im Krankenhaus. Methode: Es wurden semistrukturierte Interviews mit 13 examinierten Gesundheits- und Krankenpflegern / -pflegerinnen aus einem Krankenhaus geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse: Folgende nicht-medikamentöse Maßnahmen werden bei Schlafproblemen älterer Patienten eingesetzt: (1) strukturelle Maßnahmen (Regulierung von Temperatur und Licht), (2) organisatorische Maßnahmen (Zeit für abendliche Rundgänge), (3) pflegerische Maßnahmen (pflegerische Schlafanamnesen, beruhigende Ganzkörperpflegen) und (4) übliche Hausmittel. Die Anwendung dieser Maßnahmen erhöht die Patientenzufriedenheit und entspannt Abläufe im Nachtdienst. Barrieren ergeben sich durch knappe zeitliche und personelle Ressourcen, fehlende Standards, diskrepante Vorstellungen im Pflegeteam und dezidierte Patientenwünsche nach Medikamenten. Schlussfolgerung: Pflegende kennen eine Vielzahl nicht-medikamentöser Maßnahmen zur Förderung eines gesunden Schlafes. Das Fehlen eines Konsenses und mangelnde Ressourcen behindern den Einsatz dieser Maßnahmen. Wünschenswert wäre ein Klima, das den Einsatz von Medikamenten bei Schlafproblemen als letzte Möglichkeit vorsieht.

Non-pharmacological treatment of hospital patients with sleeping problems – the nurse perspective

Abstract. Background: Elderly patients suffer from sleep disturbances during hospitalization. These patients often receive hypnotics and sedatives; despite of the known risks and although non-pharmacological treatments are available. Aim: The study investigates the experiences of nurses when using non-pharmacological treatments for elderly patients with sleeping problems. Methods: Semi-structured interviews with 13 nurses from a general hospital were analyzed according to Mayring’s qualitative content analysis. Results: Nurses used a variety of non-pharmacological treatments for elderly inpatients with sleeping problems: (1) structural measures (regulation of temperature and light), (2) organizational measures (more time for conversation during the nightshift), (3) nursing measures (asking about night-time routines) and (4) household remedies. From the nurses’ perspective, the more intensive contact required when applying non-pharmacological treatments can lead to higher patient satisfaction and a lower bell frequency during the night shift. Barriers result from limited time and personnel, a lack of standards and individual patient needs. Conclusion: Nurses know several kinds of non-pharmacological treatments to help elderly inpatients sleep better. A lack of resources as well as a lack of professional consensus about the treatment of temporary sleeping disturbances can be an obstacle to their use. A professional climate should restrict the use of drugs for sleeping problems as far as possible.

Ein erholsamer Schlaf ist insbesondere während eines Krankenhausaufenthalts wichtig für Heilungs- / Erholungsprozesse (Gathecha et al., 2016; Morgan, Closs & Kraut, 2000). Schlafmangel oder eine geringe Schlafqualität während eines Krankenhausaufenthalts können das Immunsystem beeinflussen, Wundheilungsprozesse verzögern oder die Schmerzwahrnehmung verstärken (Tamrat, Huynh-Le & Goyal, 2014). Aufgrund der besonderen Gegebenheiten eines Krankenausaufenthalts sind die Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf im Krankenhaus nicht immer gegeben (Tamrat et al., 2014).

Die subjektiv empfundene Schlafqualität von Patienten / Patientinnen während eines Krankenhausaufenthalts ist schlecht. Eine deutsche Studie aus 2008 hat festgestellt, dass mehr als ein Drittel der befragten Patienten / Patientinnen über Einschlafstörungen und über die Hälfte dieser Patienten / Patientinnen über Durchschlafstörungen klagten (Fietze, Wiesenäcker, Blau & Penzel, 2008). Neuere internationale Studien belegen ebenfalls, dass die Schlafqualität während eines Krankenhausaufenthalts deutlich schlechter als im privaten häuslichen Umfeld bewertet wird (Dobing, Frol໿ova, McAlister & Ringrose, 2016; Ghanbari Jolfaei, Makvandi & Pazouki, 2014). Insbesondere ältere Patienten / Patientinnen haben Schwierigkeiten, sich an veränderte Umgebungen anzupassen, mit dem Ergebnis einer verminderten Schlafqualität während eines Krankenhausaufenthalts (Park & Kim, 2017). Häufig sind Lärmbelastungen für eine verminderte Schlafqualität im Krankenhaus verantwortlich, z. B. störende Geräusche durch Bettnachbarn, Verkehrslärm oder nächtliche Kontrollen durch Pflegende oder ärztliches Personal. Neben Lärm können aber auch Schmerzen, depressive Verstimmungen, die Dauer eines Krankenhausaufenthalts oder die Atmosphäre der Station die Schlafqualität mindern (Müller, Olschinski, Kundermann ໿& Cabanel, 2017; Park & Kim, 2017).

Anhand einer Analyse von 2.130 Patientenakten konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass die Hälfte der älteren Patienten / Patientinnen (≥ 65 Jahre) während eines Krankenhausaufenthalts ein Schlaf- und Beruhigungsmittel erhält. Das Benzodiazepin Lormetazepam zählte zu den am häufigsten eingesetzten Schlaf- und Beruhigungsmitteln (n = 403 / 1.231; 18,9 %). Eine Behandlung auf Intensivstationen, auf geriatrischen Abteilungen und das Geschlecht zählen zu den stärksten Prädiktoren für die Verordnung dieser Medikamente (Arnold et al., 2017). Eine belgische Querschnittstudie aus dem Jahr 2011 kam zu ähnlichen Ergebnissen, allerdings bei einer deutlich jüngeren Patientenpopulation von durchschnittlich 48 (w) bzw. 62 Jahren (m) (Somers et al., 2011).

Zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln gehören beispielweise Benzodiazepinhypnotika mit den Wirkstoffen Lormetazepam und Temazepam sowie Benzodiazepinrezeptoragonisten (auch Z-Substanzen genannt) mit den Wirkstoffen Zolpidem und Zopiclon (Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2017). Medikamente aus dieser Gruppe zählen aufgrund ihrer Risiken und Nebenwirkungen zu den potenziell inadäquaten Medikamenten bei älteren Patienten / Patientinnen und können zu Stürzen, Abhängigkeit oder Verstärkung bestehender kognitiver Einschränkungen führen (Holt, Schmiedl & Thürma໿nn, 2015).

Gemäß der S3-Leitlinie (LL) „Nicht erholsamer Schlaf / Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin sind situativ bedingte und transient auftretende (nicht-organische) Insomnien häufig. Sie bedürfen jedoch „meist keiner Behandlung“ (Riemann et al., 2017; 10). Streng genommen ist daher der Einsatz von Hypnotika bei Schlafproblemen, die nur während eines Krankenhausaufenthalts auftreten und beispielsweise durch fremde Umgebungsbedingungen hervorgerufen werden, medizinisch nicht indiziert. Schlafprobleme sind gemäß ICD-10 krankheitswertig und behandlungsbedürftig, wenn die Beschwerden vier Wochen andauern und mindestens dreimal pro Woche auftreten. In der vorliegenden Studie beziehen wir uns ausschließlich auf situativ auftretende, nicht-organische Schlafprobleme, da die Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen bei dieser Art von Schlafstörung indiziert ist und zum Aufgabenbereich der Pflegenden zählt.

Der Schlaf ist für die Genesung von Krankenhauspatienten wichtig. Allerdings ist der Einsatz von Hypnotika bei einfachen Schlafproblemen nicht angemessen und führt vor allem bei älteren Patienten / Patientinnen zu hohen Risiken und Nebenwirkungen. Deswegen ist der Einsatz von Alternativen wünschenswert (Schwarz, Fröhlich & Deuschle, 2010; 920). In einer systematischen Übersichtsarbeit über nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung von Patienten / Patientinnen mit Schlafproblemen während eines Krankenhausaufenthalts wurden folgende Möglichkeiten identifiziert: Tageslicht-Lichttherapien, Entspannungstechniken, Maßnahmen zur Schlafhygiene und Programme zur Reduktion von Schlafunterbrechungen (Tamrat et al., 2014). Obwohl nicht für all diese Maßnahmen ausreichende Evidenz zur Verfügung steht, werden Entspannungstechniken und Maßnahmen zur Schlafhygiene gegenwärtig in der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf / Schlafstörungen bei nicht-organischen Schlafstörungen“ empfohlen (Riemann et al., 2017). In einer quasi experimentellen Pilotstudie zur Förderung der Schlafqualität und -dauer während eines Krankenhausaufenthalts wurden folgende Maßnahmen eingesetzt: Schlafprotokoll zur systematischen Erfassung von Schlafgewohnheiten, Veränderungen der Umgebungsbedingungen (schlaffördernde Lichtverhältnisse, Regulation der nächtlichen Geräuschkulissen), Ausgabe von Schlafmedikamenten am frühen Abend, Minimierung der Flüssigkeitszufuhr am Abend und auf Wunsch Ohrstöpsel, Schlafmasken, wärmende Decken und Musik zur Entspannung (Gathecha et al., 2016).

Trotz ihrer Vielfältigkeit kommen diese, zumindest gelegentlich auch außerhalb der stationären Versorgung propagierten Maßnahmen (Hauschild, 2015), insgesamt nur selten zum Einsatz. Neben Wissensdefiziten dürften dabei vor allem negative Erfahrungen bei der Anwendung oder schon im Vorfeld der Anwendung von Bedeutung sein. Hierüber wissen wir so gut wie nichts. Anthierens, Grypdonck, Pauw und Christiaens (2009) berichten, dass Pflegende in Einrichtungen der stationären Altenpflege den Einsatz von Benzodiazepinen als unproblematisch ansehen und deren Einsatz bei Schlafproblemen von Bewohnern / Bewohnerinnen oftmals initiieren.

Forschungsziel und Untersuchungsfragen

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt?

Ältere Patienten leiden besonders im Krankenhaus unter Schlafproblemen und erhalten häufig Schlafmittel.

Was ist neu?

Die Umsetzung nicht-medikamentöser Maßnahmen von Pflegenden stößt aufgrund knapper Ressourcen, fehlender Standards und diskrepanter Vorstellungen auf Widerstand.

Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für die Pflegepraxis?

Es sollte ein Klima gefördert werden, das den Einsatz von Medikamenten bei vorübergehenden Schlafproblemen als letzte Möglichkeit sieht.

Ziel dieser Studie ist es, aus der Sicht von Mitarbeitenden des Pflegedienstes die Ursachen für den zurückhaltenden Einsatz von und Umgang mit nicht-medikamentösen Maßnahmen bei vorübergehenden Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen im Krankenhaus zu erfahren und zu verstehen. Im Besonderen sollen zwei Forschungsfragen beantwortet werden:

Welche nicht-medikamentösen Maßnahmen setzen Pflegende während der Behandlung von Schlafproblemen bei älteren Patienten / Patientinnen im Stationsalltag ein?

Welche positiven und negativen Erfahrungen machen Pflegende vor, während und nach dem Einsatz der nicht-medikamentösen Maßnahmen?

Methode

Kontext

Die vorliegende Studie ist ein Teil des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekts: „ … da gab es so wunderbare Schlaftabletten – Verordnungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen an der Schnittstelle von Krankenhaus und Hausarzt“ (Förderkennzeichen: IIA5 – 2513DSM228). Die Studie hatte zum Ziel, mittels der Anwendung quantitativer und qualitativer Methoden (Mixed-Methods-Design), die Verordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln vor, während und nach einem Krankenhausaufenthalt zu rekonstruieren und aufbauend auf den Ergebnissen Maßnahmen zur Verbesserung von Kommunikations- und Handlungskompetenzen im Umgang mit diesen Medikamenten zu entwickeln (Heinemann et al., 2016).

Die Studie erhielt von der Ethik-Kommission der Universitätsmedizin Göttingen ein positives Votum (AZ 25 / 2 / 14). Für die Befragung gab die Mitarbeitervertretung des Krankenhauses ihr Einverständnis.

Studiendesign

Mit einem qualitativen Forschungsansatz sollten die Erfahrungen und das Handeln von Pflegenden im Falle des Einsatzes nicht-medikamentöser Maßnahmen bei Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen rekonstruiert werden.

Stichprobe

Alle examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger / -innen der vollstationären Abteilungen (Intermediate Care Stationen und Intensivstationen eingeschlossen) des kooperierenden Krankenhauses wurden zwischen März 2015 und Oktober 2016 eingeladen, an den Interviews teilzunehmen. Teilnehmende wurden nach Fachabteilung und Geschlecht (maximum variation sampling) rekrutiert (Palys, 2008). Informationen zur Studie wurden während der Stationsleitungssitzungen, per Informationsflyer und über die Mitarbeiterzeitschrift bekannt gegeben. Zusätzlich informierten die Autorinnen (LK, VW) durch regelmäßige Anwesenheit auf den Stationen persönlich die Pflegenden über die Studie, deren Ziele sowie Maßnahmen zum Datenschutz. Die Teilnehmenden erhielten keinerlei finanzielle Entschädigungen.

Datenerhebung

Die Datenerhebung erfolgte durch einen halbstrukturierten Interviewleitfaden mittels offener Fragetechnik (siehe Elektronisches Supplement). Der Leitfaden wurde auf Grundlage von Ergebnissen einer vorangegangen quantitativen Befragung des medizinischen und pflegerischen Personals zum Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Weiß, Heinemann, Himmel, Nau & Hummers-Pradier, 2016) und aufbauend auf dem von Anthierens et al. (2009) verwendeten Interviewleitfaden zur Erfassung der Wahrnehmung des Gebrauchs von Benzodiazepinen von Pflegenden in Alten- und Pflegeheimen entwickelt. Die Interviews wurden zwischen März 2015 und Oktober 2016 geführt. Die Gesprächsdauer variierte zwischen 25 und 47 Minuten. Die meisten Gespräche wurden unmittelbar vor oder nach dem Dienst der Pflegenden durchgeführt.

Mit der erzählgenerierenden Eingangsfrage (Leitfrage) wurden die Pflegenden aufgefordert, sich an konkrete Situationen zu erinnern und zu berichten, welche Erfahrungen sie im Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln und deren Einsatz bei älteren Patienten / Patientinnen machen. In einem zweiten Teil wurden die folgenden Themenbereiche durch Nachfragen (Helfferich, 2011) angesprochen: Pflegende-Patienten-Beziehung, Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln im interdisziplinären Team, alternative Therapiemöglichkeiten, Wissen über Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Verbesserungswünsche. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit stand die Auswertung der Frage zu den alternativen Therapiemöglichkeiten im Vordergrund. Fragen zu diesem Themengebiet wurden wie folgt formuliert:

„Anstatt des Einsatzes von Schlaf- und Beruhigungsmitteln gibt es auch alternative und komplementärmedizinische Möglichkeiten. Welche alternativen Möglichkeiten setzen Sie im pflegerischen Alltag bevorzugt ein und warum? Können Sie mir erzählen, welche positiven und negativen Erfahrungen Sie im Umgang mit alternativen Möglichkeiten gemacht haben?“

Die Reihenfolge der Fragen und die Art der Fragestellung orientierten sich an den jeweiligen Gesprächssituationen. Im Vordergrund stand der Aufbau einer gesprächsfördernden Atmosphäre. Der Interviewleitfaden wurde im Vorfeld mit zwei Pflegenden erprobt, validiert und die Ergebnisse im Forschungsteam evaluiert. Datenmaterial aus diesen Probeinterviews wurde nicht mit in die Analyse aufgenommen.

Datenauswertung

Bis auf ein Interview konnten nach Aufklärung der Teilnehmenden alle Gespräche digital mittels Aufnahmegerät aufgenommen und nach den Transkriptionsregeln von Rosenthal (1995) transkribiert werden. Die Organisation des Datenmaterials erfolgte mit MAXQDA (MAXQDA, 2017). Die Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (2010) ausgewertet. Die Kategorien wurden induktiv gebildet, das heißt ohne Berücksichtigung von Vorannahmen und theoretischen Konzepten (Mayring, 2010). Nach einer Analyse von ca. 10–20 % des Datenmaterials wurde ein Kategoriengerüst aufgebaut und ein entsprechender Kodierleitfaden entwickelt. Dieser wurde in einem interdisziplinären Team, bestehend aus Gesundheitswissenschaftlern / -wissenschaftlerinnen, examinierten Gesundheits- und Krankenpflegern / -pflegerinnen sowie einem Soziologen auf zwei Transkripte angewendet und weiterentwickelt, bis sich alle Kategorien klar voneinander abgrenzten. Datenerhebung und Analyse erfolgten parallel. Die Ergebnisse aus dem Interview mit einer Pflegenden der Intensivstation konnten nicht in vollem Umfang in die Analyse einbezogen werden. Aufgrund differenzierter Handlungsanforderungen wie Beatmungstherapie mit einhergehender Sedierung der Patienten / Patientinnen sind alternative Therapiemöglichkeiten dort nur eingeschränkt möglich. In der Ergebnisdarstellung werden neben den Kategorien ergänzend prägnante Transkript-Passagen wiedergegeben. Der Satzbau in den hier wiedergegebenen Zitaten wurde zur besseren Lesbarkeit geringfügig bearbeitet; beispielsweise wurden fehlende Endungen ergänzt oder die Satzstellung aufgrund eines besseren Leseflusses behutsam angepasst.

Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe

Von 20 angefragten examinierten Gesundheits- und Krankenpflegern / -pflegerinnen nahmen 13 (m = 3; w = 10) aus den Abteilungen Urologie, Geriatrie, Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Innere Medizin, Pulmonologie, Intermediate Care (IMC) und Intensivstation (ITN) an den Interviews teil. Die teilnehmenden Pflegenden waren 25 – 44 Jahre alt und inklusive ihrer Ausbildungszeit zwischen 3,5 und 25 Jahren in ihrem Beruf tätig.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen aus Sicht der Pflegenden

Im Folgenden werden alternative Maßnahmen mittels Ankerbeispielen aus den Interviews klar voneinander abgegrenzten Bereichen zugeordnet und veranschaulichend dargestellt. Tabelle 1 enthält eine Zusammenfassung dieser Maßnahmen und dazugehörige Beispiele. Im Anschluss daran werden die von den Befragten berichteten positiven und negativen Erfahrungen aufgeführt.

Tabelle 1 Eingesetzte nicht-medikamentöse Maßnahmen von Pflegenden bei Schlafproblemen älterer Patienten

Strukturelle Maßnahmen

Zu den strukturellen Maßnahmen zählt die Gestaltung einer schlaffördernden Umgebung. Beispielsweise berichteten Pflegende, dass sie die Raumtemperatur regulierten und Licht zum Abend dimmten. Wenn Patienten / Patientinnen unruhig sind, beispielsweise aufgrund eines Durchgangssyndroms, verlegten sie diese auch in Einzelzimmer. Mit dieser Maßnahme sollte für beide Patienten / Patientinnen aus einem Zweibettzimmer eine möglichst schlaffördernde Atmosphäre hergestellt werden.

„Da habe ich gemerkt, dann schaukeln die beide sich gegenseitig hoch. Also trenne ich die. Also der eine kommt hier in den Therapieraum, der eine bleibt alleine im Zimmer, so dass mindesten einer schläft.“ (I: P11, 4, 36 – 38, w)

Organisatorische Maßnahmen

Pflegende hielten es für sinnvoll und für die nächtliche Ruhe förderlich, sich während der Abendrunden mehr Zeit für die Patienten / Patientinnen zu nehmen. Nach den Angaben der Pflegenden half oftmals schon ein kurzes Gespräch.

„Manchmal reicht es wirklich, einfach nur noch mal vorbeizugehen und zu sagen: ’Wie war es?’ oder ’Wie ist es?’ oder so. Da sind die Leute einfach ruhiger. Dass sie einfach wissen, dass wer da ist […].“ (I: P5, 8, 19 – 22, m)

Pflegerische Maßnahmen

Im Sinne pflegerischer Maßnahmen berichtete eine Pflegende der Unfallchirurgie davon, Schlafanamnesen durchzuführen, um so mögliche Schlafgewohnheiten und Einschlafhilfen erfragen zu können. Sofern möglich, wurden die von den Patienten / Patientinnen berichteten Bedürfnisse in den Stationsalltag integriert. Im Rahmen dieser Gespräche konnten zudem bisherige Erfahrungen mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln sowie aufgetretenen Nebenwirkungen thematisiert werden.

„Und oft unterhalten wir uns nachher auch mit dem Patienten und wie schlafen sie denn zu Hause. Wo sie dann einem sagen wie sie zu Hause einschlafen können.“ (I: P8,7, 33 – 35, w)

Neben einer Schlafanamnese nutzten einige Pflegende im Stationsalltag weitere pflegerische Maßnahmen, wie die basale Stimulation oder eine beruhigende Ganzkörperpflege, zur Schlafförderung. In einigen Fällen tauschten sie sich über Entspannungstechniken aus.

„Ja. Basale Stimulation. Sprich Patienten, die halt sehr, ja, vor allem halt auch ältere, […] denen tut das manchmal sehr gut, einfach mal gewaschen zu werden. […] Und dadurch halt tritt ein beruhigender Effekt ein. Das ist mir schon aufgefallen halt. Und dann sind die Patienten danach kaputt. Also müder halt und schlafen halt sehr gut.“ (I: P7, 9, 13 – 18, m)

„Hausmittel“

Orientiert an den Bedürfnissen der Patienten / Patientinnen werden „Hausmittel“ zur Schlafförderung angeboten. Dazu zählen nach den Aussagen der Pflegenden beispielsweise warme Getränke wie Tee oder heiße Milch mit Honig. Weiterhin werden Patienten / Patientinnen empfohlen, abends zur Beruhigung Musik zu hören oder bei Einschlafschwierigkeiten fernzusehen.

Positive Erfahrungen bei der Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen

Eine wichtige positive Erfahrung der hier geschilderten nicht-medikamentösen Maßnahmen sahen die Pflegenden in einer Verringerung des Einsatzes von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Insbesondere ältere Patienten / Patientinnen mit kognitiven Beeinträchtigungen, z. B. aufgrund demenzieller Erkrankungen oder wegen eines Durchgangssyndroms, würden am meisten von der Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen profitieren; insbesondere von Ganzkörperwaschungen mit Ölen und Gesprächen. Dadurch erhielten die Patienten / Patientinnen zunehmend ein Gefühl von Nähe und Geborgenheit. Nach den Pflegenden würde sich das dadurch erhaltene positive Körpergefühl und die mentale Entspannung durch mehr Zuwendung, mehr Gesprächs- / Austauschmöglichkeiten seitens der Patienten / Patientinnen, beruhigend auf diese vulnerable Patientengruppe auswirken.

„[ …] Da ich von der inneren Station komme und auch angebunden an die Geriatrie war, finde ich es total schön, wenn man abends, kommt halt drauf an, wie die Station aussieht, die Patienten beruhigend wäscht. [ …] einfach, weil die Kombination, aus meiner Erfahrung heraus, meistens besser wirkt, als wenn man da ein Beruhigungsmittel nach dem nächsten reinschüttet.“ (I: P8,3, 60 – 63, w)

Des Weiteren beobachteten die Pflegenden, dass ein adäquater Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln pflegerisch relevante Nebenwirkungen wie Paradoxreaktionen (starke Agitiertheit und Verwirrtheit) vermeiden kann.

Eine weitere wichtige positive Erfahrung sind nach Meinung der Pflegenden die eingesparten zeitlichen Ressourcen im Nachtdienst. Eine intensive Beschäftigung mit älteren Patienten / Patientinnen während des Nachtrundganges steht nach Aussagen der Pflegenden im direkten Zusammenhang mit einer geringeren „Klingelfrequenz“.

„Das überträgt sich ja auch auf die Patienten, [ …] wenn ich hier durchschieße im Eiltempo, dann habe ich, dass hinterher ganz oft geklingelt wird, weil irgendwelche Fragen vergessen wurden zu stellen, man sich nicht geäußert hat, [ …], und dann klingelt es halt viel häufiger und ist es deutlich unruhiger.“ (I: P3, 7, 25 – 27, w)

Negative Erfahrungen während der Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen

Zu den gravierendsten Gründen, nicht-medikamentöse Maßnahmen bei einfachen Schlafproblemen nicht anzuwenden, zählen die geringen zeitlichen und personellen Ressourcen. Pflegende sahen aufgrund von institutionellen Vorgaben (hohe Arbeitsverdichtung im Pflegedienst und enge Personalplanung) sowie geringen Besetzungen während des Nachtdienstes medikamentöse Maßnahmen zur Schlafförderung häufig als alternativlos an. Interviewpartner / -innen berichteten, dass im Nachtdienst oftmals eine Person für bis zu 33 Patientinnen und Patienten zuständig ist.

„[…] das ist schlimm für den Patienten, aber seien wir mal ganz ehrlich: Wir haben eine begrenzte Arbeitskraft und eine begrenzte Zeit.“ (I: P5, 5 – 6, 44 – 1, m)

Zudem gäbe es im pflegerischen Team keine einheitliche Vorgehensweise im Umgang mit nicht-medikamentösen Maßnahmen. Einige Kollegen würden eine solche Vorgehensweise bei Schlafproblemen belächeln und nicht akzeptieren. Das führe zu Konflikten innerhalb des pflegerischen Teams.

„[…] Die belachen das dann, finde ich. Auch einige Pflegekräfte, also, wenn ich sage, ich habe den abends mit Lavendel abgewaschen […].“ (I: P6,11, 9 – 10, w)

Die Akzeptanz von alternativen Maßnahmen würde nicht nur auf Seiten der Pflegenden fehlen. Auch Patienten / Patientinnen wünschten sich – so die Erfahrung der Pflegenden – oft eher ein Schlaf- und Beruhigungsmittel.

„Es entsteht so schon der Eindruck: [Patient]: ’Ich möchte eine Schlaftablette, und die will ich auch, egal was man mir sonst anbietet’, das nutzt nichts.“ (I: P3, 3, 24 – 26, w)

Diskussion

Im Fokus dieser Studie standen nicht-medikamentöse Maßnahmen bei Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen im Krankenhaus aus Sicht von Pflegenden. Pflegende berichteten von zahlreichen nicht-medikamentösen Maßnahmen, um Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen im Krankenhaus zu begegnen. Dazu gehörten strukturelle Maßnahmen wie die Förderung einer schlaffreundlichen Umgebung, organisatorische Veränderungen wie die Anpassung der Dienstabläufe an die Bedürfnisse der Patienten / Patientinnen, spezielle pflegerische Maßnahmen sowie übliche „Hausmittel“. Nach Einschätzung der Pflegenden profitierten insbesondere ältere Patienten / Patientinnen mit kognitiven Einschränkungen von der Anwendung pflegerischer Maßnahmen. Die mit den Maßnahmen verbundene Zuwendung wirke entspannend und beruhigend. Zudem führte eine intensivere Betreuung schlafgestörter Patienten / Patientinnen zu einer ruhigeren Nacht. Barrieren für diese Maßnahmen ergäben sich durch knappe zeitliche und personelle Ressourcen, fehlende Standards und durch individuelle Patientenbedürfnisse.

Stärken und Schwächen der Studie

Während einer vorangegangen standardisierten Befragung von Pflegenden (Weiß et al., 2016) wurde sehr deutlich, dass diese sich ungern über die Ausgabe von Schlaf- und Beruhigungsmitteln äußern. Mangelndes Fachwissen und das Gefühl, etwas Unrechtes oder Falsches zu tun, waren offensichtlich ausschlaggebend für eine geringe Rücklaufquote der Fragebögen. Die methodische Anlage der vorliegenden Studie in Form halbstrukturierter Gespräche machte es Pflegenden leichter, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen im Umgang mit nicht-medikamentösen Maßnahmen bei Schlafproblemen mitzuteilen.

Trotz des Bemühens um eine möglichst angenehme und offene Gesprächsatmosphäre kann sozial erwünschtes Antwortverhalten nicht ausgeschlossen werden, insbesondere um Wissenslücken oder unsachgemäßes Handeln zu verbergen. Im Weiteren ist anzumerken, dass die Ergebnisse auf Aussagen und Erfahrungen und nicht auf Beobachtungen tatsächlichen Handelns beruhen.

Interpretation der Ergebnisse

Über die Evidenz zur Wirksamkeit nicht-medikamentöser Maßnahmen während der Behandlung von vorübergehenden Schlafproblemen besteht nur bedingt Konsens. In der S3-Leitlinie „Nicht-erholsamer Schlaf / Schlafstörungen“ wird angegeben, dass situativ auftretende Insomnien „meist keiner Behandlung bedürfen“ (Riemann et al., 2017; 10). Empfehlungen über nicht-medikamentöse Maßnahmen werden nur zur Behandlung chronischer Insomnien gegeben. In akuten schlaflosen Situationen wird empfohlen, schlafhygienische Maßnahmen zu vermitteln, um schlaffördernde Verhaltensweisen zu fördern. Hierzu zählen beispielsweise regelmäßige körperliche Aktivitäten, das Vermeiden von schweren Mahlzeiten am Abend, das Einführen persönlicher Schlafrituale, die Gestaltung einer angenehmen Schlafatmosphäre und das Vermeiden von koffeinhaltigen Getränken am Abend. Einige dieser Maßnahmen wurden von Pflegenden der Fachabteilungen Geriatrie, Unfallchirurgie und Inneren Medizin benannt. In vorliegender Arbeit wurden diese den Themengebieten „strukturelle Maßnahmen“ und „Anwendung von Hausmitteln“ zugeordnet (siehe Tab. 1).

Hintergrundgeräusche, hervorgerufen durch medizinische und pflegerische Tätigkeiten, zählen zu den Hauptursachen für Durchschlafstörungen im Krankenhaus (Bano et al., 2014; Thomas et al., 2012). Alle Pflegenden dieser Untersuchung, unabhängig von der Zugehörigkeit einer Fachabteilung, ziehen die Möglichkeit, Lärmquellen im Krankenhaus zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden, nur selten in Betracht. Das Bewusstsein, nachts durch pflegerische Tätigkeiten Lärm zu verursachen, scheint nach den Aussagen einer Pflegenden lediglich auf Intensivstationen verbreitet zu sein. Als sehr einfache Maßnahme zur Lärmreduktion konnte nach Aussage der Pflegenden das Anbieten von Ohrstöpseln helfen. Eine prospektiv randomisierte Studie weist den Nutzen von Ohrstöpseln zur Verbesserung der subjektiven Schlafqualität auf postoperativen Stationen nach (Le Guen, Nicolas-Robin, Lebard, Arnulf & Langeron, 2014).

Pflegende der geriatrischen Abteilungen berichteten, dass in einigen Fällen sogar nachts Patienten / Patientinnen aus Doppelzimmern in Einzelzimmer (auch in Therapieräume) oder in „Therapiestühle“ (I: P3, 4, 14 – 18, w) verlegt bzw. in Sichtnähe der Pflegenden gesetzt werden, vorausgesetzt, die räumlichen Kapazitäten ließen dies zu. Die Erfahrungen der Pflegenden werden überdies durch Hinweise aus der Literatur gestützt (van de Glind, Roode & Goossensen, 2007). Nach Hermann and Flick (2012) kann davon ausgegangen werden, dass es sinnvoll ist, Patienten / Patientinnen mit ähnlichem Bedarf an nächtlichen Pflegehandlungen gemeinsam unterzubringen, um andere Patienten / Patientinnen nicht durch nächtliche Zimmerbegehungen zu stören. Zu berücksichtigen ist jedoch, in welche Räumlichkeiten die Patienten / Patientinnen verlegt werden und wie deren Privatsphäre gewährleistet werden kann.

Um Lichtverhältnisse den zirkadianen Rhythmen der Patienten / Patientinnen anzupassen, erwähnte eine Pflegende der geriatrischen Station die Möglichkeit, das Licht im Patientenzimmer zu dimmen. Die Anwendung von Schlafmasken wurde von den Befragten nicht in Betracht gezogen. Die positiven Auswirkungen von Schlafmasken auf die Schlafqualität bei Menschen im höheren Alter mit akutem Koronarsyndrom konnten in einer randomisiert kontrollierten Studie nachgewiesen werden (Babaii, Adib-Hajbaghery & Hajibagheri, 2015). Grundsätzlich wirkt sich ein 24 h-Lichtmanagement positiv auf die Wahrnehmung der Schlafqualität aus. Das konnte Giménez໿ et al. (2017) mittels einer kontrolliert randomisierten Studie nachweisen. Nach Müller, Olschinski, Kundermann und Cabanel (2017) sollte insbesondere bei Patienten / Patientinnen mit depressiven Erkrankungen, unabhängig vom Alter, während eines Krankenhausaufenthalts der individuelle Schlaf-wach-Rhythmus berücksichtigt werden. So ist es möglich, die Schlafdauer positiv zu beeinflussen und die Symptome der Depression nicht zu verschlechtern.

Eine Befragte der Unfallchirurgie berichtete, im weitesten Sinne unsystematische Schlafanamnesen bzw. Gespräche am Abend zur Erhebung von Schlafgewohnheiten durchzuführen. Die dadurch vermittelte Aufmerksamkeit würde sich positiv auf das Wohlbefinden der Patienten / Patientinnen und auf Belastungen des Nachtdienstes auswirken. Patienten / Patientinnen würden seltener klingeln und besser schlafen. Thomas et al. (20໿12) bezeichnen Schlafanamnesen zum Abend als „sleeping rounds“ und stellen fest, dass diese Maßnahme einfach und handhabbar in die pflegerische Praxis umzusetzen ist. Zudem konnten sie nachweisen, dass sich die Anwendung der sich daraus ergebenden Maßnahmen positiv auf die subjektive Schlafqualität auswirkt.

Interviewpartner / -innen aus den Fachabteilungen der Unfallchirurgie, Geriatrie und IMC berichteten auch von Hausmitteln als einfache Maßnahmen bei Schlafproblemen. Solche Hausmittel, wie warme Getränke am Abend oder das Hören von klassischer Musik, kennen Patienten / Patientinnen häufig aus ihren normalen Schlafritualen und Routinen im häuslichen Umfeld. Wenn solche Hausmittel zu den Schlafritualen der Patienten / Patientinnen gehören, können diese im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts ohne großen Aufwand bereitgestellt werden. Umgekehrt fördert der Einsatz von solchen Hausmitteln im Krankenhaus wichtige Strategien zur Entwicklung eines persönlichen Einschlafrituals. Nach Meinung von Irish, Kline, Gunn, Buysse und Hall (2015) ist die alleinige Vermittlung dieser Maßnahmen jedoch nicht ausreichend, sondern lediglich Bestandteil präventiver und therapeutischer Maßnahmen zur Förderung der Schlafqualität.

Die Pflegenden berichteten, dass sich insbesondere während des Nachtdienstes eine intensive Beschäftigung mit älteren Patienten / Patientinnen positiv auf die Klingelfrequenz auswirkt. Beispielsweise plant ein Pflegender der Geriatrie (P5) für den nächtlichen Rundgang bei Patienten mit Schlafproblemen mehr Zeit für Gespräche ein. Seinen Aussagen zufolge würde sich diese Art der Zuwendung positiv auf die Klingelfrequenz auswirken. Für weitreichendere Therapiemöglichkeiten, die mehr Zeit als Gespräche in Anspruch nehmen (wie beispielsweise eine beruhigende Ganzkörperpflege), reiche weder die Besetzung noch die Zeit im Nachtdienst aus, so die Erfahrung von P5. Die Besetzung im Nachtdienst wird in den einzelnen Fachabteilungen unterschiedlich gehandhabt: In den Abteilungen der Inneren Medizin und Geriatrie sind bis 00:00 Uhr zwei Pflegende für den Nachtdienst eingeplant, auf den urologischen und allgemeinchirurgischen Abteilungen werden 33 – 35 Patienten von einer Person betreut.

Insgesamt äußerten sich die interviewten Pflegenden ambivalent zur Anwendung nicht-medikamentöser Maßnahmen im Nachtdienst. Einerseits scheint den Pflegenden, insbesondere der geriatrischen Stationen, bewusst zu sein, dass Maßnahmen wie eine beruhigende Ganzkörperpflege und Gespräche schlaffördernd und beruhigend wirken. Andererseits werden diese Maßnahmen als zeitaufwendig bewertet und kommen aufgrund mangelnder personeller Ressourcen eher selten zum Einsatz. Dass Hypnotika auf den geriatrischen Abteilungen häufiger als in anderen Fachabteilungen zum Einsatz kommen, wird zudem aus einer Patientenaktenanalyse von Arnold et al. (2017) ersichtlich; begründet u. a. durch Multimorbidität, einhergehend mit Depressionen, Schmerzen und Schlafstörungen.

Dass das Wissen um den Nutzen nicht-medikamentöser Maßnahmen nicht die Anwendung entsprechender Maßnahmen nach sich zieht, erscheint zunächst widersprüchlich. Zieht man die als Mangel erlebten zeitlichen und personellen Ressourcen in Betracht, spiegelt sich hierin der auch in anderen Zusammenhängen nicht unbekannte Widerspruch zwischen kurzfristig als Belastung erlebten Maßnahmen und deren vermuteten langfristig positiven Effekten wider. Gathecha et al. (2016) empfehlen, während der Durchführung nicht-medikamentöser Maßnahmen bei Schlafproblemen zu berücksichtigen, dass es mehrerer aufeinanderfolgender Nächte bedarf, um eine Verbesserung der Schlafqualität hospitalisierter Patienten / Patientinnen zu erreichen. Nach den Autoren gilt das insbesondere für Maßnahmen zur Vermittlung der Schlafhygiene und für schlaffördernde Umgebungsveränderungen. Dementsprechend könnten in der pflegerischen Praxis diese Maßnahmen insbesondere für ältere Patienten / Patientinnen mit einer längeren Liegedauer (z. B. geriatrischen Rehabilitationsabteilung) sinnvoll sein. So könnte der Umgang mit knappen Ressourcen vorausschauender geplant und bestenfalls medikamentöse Maßnahmen reduziert werden.

Schlussfolgerung

Bisher scheint es keinen Konsens in der Pflege gegenüber nicht-medikamentösen Maßnahmen bei Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen zu geben. Eine homogene Problemsicht über den häufigen Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln bei vorübergehenden Schlafproblemen sowie ein von Leitungen befürwortetes Konzept zur Anwendung alternativer Möglichkeiten könnten zu einer höheren Akzeptanz führen.

Wünschenswert wäre ein Klima, das den Einsatz von Medikamenten bei Schlafproblemen zur Ultima Ratio erklärt. Professionell sollte das ärztlich-pflegerische Team ein gemeinsames standardisiertes Vorgehen (im Sinne einer Standard Operating Procedure, SOP) entwickeln und dort vereinbaren, wie man bei vorübergehenden Schlafproblemen vorgeht und Patienten / Patientinnen gemäß ihren individuellen Bedürfnissen berät. Organisatorisch sollten die möglichen nicht-medikamentösen Maßnahmen problemlos verfügbar sein (Anthierens et al., 2009).

Zusammen mit weiteren explorativen Untersuchungen (siehe Heinemann et al., 2016) bildeten die hier beschriebenen Ergebnisse die Basis für die Entwicklung partizipativer Interventionsmaßnahmen in dem betreffenden Krankenhaus (Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, 2017). Unser Vorgehen orientierte sich dabei u. a. an den Empfehlungen von Campbell et al. (2007). Die Interventionsmaßnahmen wurden in mehreren Fokusgruppen-Diskussionen (mono-disziplinär) mit dem pflegerischen und ärztlichen Personal und während weiterer Gespräche und regelmäßiger Arbeitsgruppentreffen – mit dem Ziel der Identifikation von Konflikten und der partizipativen Entwicklung von Kommunikations- und Handlungsstrategien – entwickelt. (Vorgehensweise nachzulesen unter: Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, 2017). Die Erfahrungen der Pflegenden zum Umgang mit nicht-medikamentösen Maßnahmen während der Behandlung von Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen im Krankenhaus flossen unmittelbar in eine hausinterne SOP „Schlafstörungen im Krankenhaus“ ein. Die SOP und weitere Bestandteile des Maßnahmenpaketes wurden unter der Initiative „Schlaffreundliches Krankenhaus“ eingeführt (www.schlaffreundliches-krankenhaus.de). Durch diese Initiative soll schrittweise eine Kultur zur Förderung einer schlaffreundlichen Umgebung geschaffen werden.

„Ältere Patienten / Patientinnen“ standen – insbesondere aufgrund ihrer erhöhten Risiken für Nebenwirkungen durch Hypnotika und ihrer im Regelfall höheren Anfälligkeit für Lärm und ihrer größeren Anpassungsprobleme an neue Umgebungen – im Fokus dieser Studie. Von einzelnen Aussagen abgesehen, vornehmlich von Pflegenden aus der Geriatrie, in einem Fall aus der Intensivmedizin, haben die Interviewpartnerinnen und -partner Schlafprobleme und Lösungsmöglichkeiten für Patienten / Patientinnen aller Altersgruppen angesprochen. Aus Sicht der Befragten erscheint dies konkludent, treten ihnen doch auf den einzelnen Stationen Schlafprobleme als ’einzelne Individuen’ entgegen, die sich weniger durch ihr Alter als durch ihre jeweiligen Erkrankungen und individuellen Bedürfnisse unterscheiden.

Strukturell würde man sich ein auf die besonderen Belastungen und Vulnerabilität Älterer abgestimmtes Maßnahmenpaket wünschen, mehr noch eine Krankenhausumgebung, die speziell den Bedürfnissen Älterer gerecht wird. Hier ließe sich beispielsweise an „Senior-Friendly- oder Age-Friendly-Hospital-Initiativen und -Programme“ anknüpfen. Zum Beispiel wird im Senior-Friendly-Programm in Ontario / Kanada explizit das Thema Schlafen für ältere Patienten / Patientinnen in einem umfassenden Rahmen des Pflegeprozesses angesprochen und berücksichtigt (Wong, Ryan & Liu, 2014). Auch die Choosing-Wisely-Initiative des American Board of Internal Medicine (ABIM) macht die Schlafprobleme Älterer und den voreiligen Griff zur Schlaftablette zum Thema (ABIM Foundation, 2018).

Wünschenswert wäre, die bisherigen und zukünftigen Interventionsmaßnahmen im Rahmen unserer Initiative „Schlaffreundliches Krankenhaus“ auf ihre Effektivität, Praktikabilität und Akzeptanz zu untersuchen – im Idealfall mittels randomisiert kontrollierter Studien. Dabei stünde nicht nur die Reduktion bzw. der leitliniengerechte Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln im Vordergrund, auch der vorausschauende Umgang mit schlafbeeinträchtigten Patienten / Patientinnen und die Sensibilität gegenüber dem Thema Schlaf und Schlafproblemen wären dabei wichtige Zielgrößen. Während das Projekt bisher auf der Zusammenarbeit von Vertretern aus Pflege und Medizin sowie aus Leitungsebene und Personalrat etc. beruhte, sollte zukünftig auch die Patientenperspektive, z. B. durch Patientenvertreter im Sinne eines Advisory Boards, zum Ausdruck kommen – im Idealfall mit einer frühzeitigen Beteiligung an der Studienplanung (International Collaboration for Participatory Health Research, 2013).

Des Weiteren steht der Nachweis des Nutzens nicht-medikamentöser Maßnahmen bei situativ auftretenden Schlafproblemen älterer Patienten / Patientinnen im Krankenhaus und Wege zu ihrem sinnvollen Einsatz aus (Tamrat et al., 2014).

Elektronische Supplemente (ESM)

Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000639

Danksagung

Wir danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegedienstes und der Mitarbeitervertretung des Ev. Krankenhauses Göttingen-Weende für die Zusammenarbeit. Unser besonderer Dank gilt dem Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Michael Karaus und dem kaufmännischen Geschäftsführer Frank Czeczelski. Nur durch ihre Unterstützung konnte die Studie durchgeführt werden.

Autorenhinweis

Die Studie wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziert (Förderkennzeichen: IIA5 – 2513DSM228) und wird von Eva Hummers, Wolfang Himmel (Universitätsmedizin Göttingen) und Roland Nau (Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende) geleitet.

Beiträge einzelner Autorinnen und Autoren

Substanzieller Beitrag zu Konzeption oder Design der Arbeit: VW, LK, WH, SH

Substanzieller Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: LK, WH, SH

Manuskripterstellung: LK, VW

Einschlägige kritische Überarbeitung des Manuskripts: WH, TS, OH

Genehmigung der letzten Version des Manuskripts: LK, SH, VW, RN, OH, TS

Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript: LK, VW

Vivien Weiß, M.Sc. Public Health,Institut für Allgemeinmedizin Universitätsmedizin Göttingen, Humboldtallee 38, 37073 Göttingen, Deutschland, [email protected]

Was war die größte Herausforderung bei Ihrer Studie?

Die Gewinnung von Teilnehmern. Es mussten viele zeitliche Ressourcen und Fingerspitzengefühl aufgebracht werden.

Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft?

Ich wünsche mir von meiner Berufsgruppe einen reflektierten Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln.

Was empfehlen Sie zum Weiterlesen / Vertiefen?

Das Buch von Garms-Homolová und Flick (2013): Schlafstörungen im Alter; mit einem Überblick über die Folgen von Schlafstörungen Älterer und Indikationen über Behandlung und Pflege.

Literatur

Vivien Weiß, M.Sc. Public Health, Institut für Allgemeinmedizin Universitätsmedizin Göttingen, Humboldtallee 38, 37073 Göttingen, Deutschland,