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Published Online:https://doi.org/10.1024/1661-8157/a003347

Die Optimierung unserer Ernährung und die Verbesserung unseres Lebensstils haben in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren eine grosse Bedeutung erlangt. Jedoch kann ein zu stark kontrolliertes Essverhalten bei bestimmten Individuen zu einer Essstörung führen.

Essstörungen sind Erkrankungen, die schwere körperliche und psychosoziale Folgen haben können. Die Mortalität von Patientinnen und Patienten mit einer Anorexia nervosa ist hoch. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Essstörungen nicht nur von Laien, sondern auch in der medizinischen Fachwelt häufig zu wenig ernst genommen werden.

Die Vorstellungen über die Behandlung von Essstörungen sind sehr verschieden. Diese reichen von der Idee, dass Essstörungen gar nicht behandelbar seien, da es sich um zu schwere Krankheiten handle, bis zu der Meinung, dass Essstörungen ungefährliche und banale Erkrankungen seien und dass Betroffene sich endlich wieder «einfach normal» ernähren sollten. Gerade dies können Betroffene aber nicht mehr.

Heute weiss man, dass mit spezifischen Behandlungsansätzen gute Therapieerfolge bei Essstörungen zu erzielen sind.

Die Anorexia nervosa ist die Erkrankung, die am schwierigsten zu verstehen ist. Junge, intelligente Individuen erkranken und verhungern. Jahrelang können sie keinen Ausweg aus dem pathologischen Essverhalten und aus dem Gedankenkreisen über Essthemen finden. Interessanterweise hält eine vor Kurzem erschienene, sehr grosse genetische Studie über Anorexia nervosa fest, dass die genetische Architektur dieser Erkrankung sich nicht nur in psychiatrische, sondern auch in metabolische Ebenen erstreckt [1]. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil sich daraus neue, wirkungsvolle Behandlungsansätze ergeben könnten.

In diesem Schwerpunktheft der «Praxis» zum Thema Anorexie und Bulimie werden die Essstörungen und deren Therapien hinsichtlich verschiedener Facetten, basierend auf der neuen Literatur und Fortschritten im klinischen und therapeutischen Zugang, betrachtet. Im Einzelnen werden die endokrinologischen Aspekte der Anorexia nervosa näher vorgestellt. Daraus ergeben sich ein besseres Verständnis für die mit ihr assoziierten Symptome und somatischen Folgen, sowie potenzielle neue somatische Therapieansätze. Für die klinische Praxis wichtig, werden die therapeutischen Ansätze der Systemtherapie aufgezeigt, welche erwiesenermassen bei Kindern und Jugendlichen sehr effektiv sind, deren Einsatz aber auch bei Erwachsenen sinnvoll sein kann, was zusätzlich dargestellt wird. Als eine wichtige Modalität einer umfassenden Therapie für Essstörungen werden das Einsatzfeld und die für Essstörungen spezifischen Inhalte der Ernährungsberatung zur Behandlung von Essstörungen vorgestellt. Ein Artikel ist den e-Therapien gewidmet, da diese in Zukunft eine gute Möglichkeit darstellen könnten, Essstörungen – vor allem die Binge-Eating-Störung und die Bulimia nervosa – auch bei erschwerten geografischen Bedingungen mit Therapeutenkontakt zu behandeln. Ein weiterer Artikel hat den Einsatz der Kognitiven Verhaltenstherapie für die Behandlung der Bulimia nervosa zum Thema. Diese Behandlungsmethode erzielt bei der Bulimia nervosa nach wie vor die stärksten Therapieeffekte.

Abschliessend wird ein Einblick in die Komplexbehandlung von schwerster Anorexia nervosa am Tertiärzentrum im universitären Setting gegeben. Es wird gezeigt, wie ein interdisziplinäres Verständnis der Erkrankung und die Arbeit innerhalb eines interprofessionellen Teams aus verschiedenen Fachdisziplinen und -richtungen es erlauben, auch extrem kranke Patientinnen und Patienten adäquat und erfolgreich zu behandeln.

Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Lesen und dass Sie für Ihre eigene praktische Arbeit vom Inhalt dieses Schwerpunkthefts profitieren können.

Bibliografie

  • Watson HJ, Yilmaz Z, Thornton LM, et al.: Genome-wide association study identifies eight risk loci and implicates metabo-psychiatric origins for anorexia nervosa. Nat Genet 2019; 51: 1207–1214. Crossref MedlineGoogle Scholar

Prof. Dr. Gabriella Milos, Zentrum für Essstörungen, Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, Universitätsspital Zürich, Culmannstr. 8, 8091 Zürich,
Prof. Dr. Roland von Känel, Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, Universitätsspital Zürich, Culmannstr. 8, 8091 Zürich,