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TBS-TK-Rezension

Meaningful Occupation Assessment (MOA 7.0)

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000450

Meaningful Occupation Assessment (MOA 7.0)

Allgemeine Informationen

Das „Meaningful Occupation Assessment“ (MOA) ist ein Screening-Verfahren der Unternehmensberatung „logo consult“, welches das Sinnerleben, die beruflichen Belastungen und die psychische Beanspruchung bei der Arbeit für Unselbstständige, Selbstständige sowie in der Gesundheitspflege tätige Personen abbilden soll. Es sollen versteckte Ressourcen und Entwicklungspotenziale, Quellen der seelischen und sozialen Beanspruchung sowie der Demotivation aufgedeckt werden. Darüber hinaus werden stress- und konfliktfördernde Denk-‍, Fühl- und Verhaltensmuster bei Kundinnen- und Kundenkontakten erfasst, die den beruflichen Erfolg beeinträchtigen. Die erfassten Konstrukte basieren auf salutogenetischen (Antonovsky) und sinnorientierten (Frankl) Ansätzen und werden mit neuen Ansätzen der Stressforschung zusammengeführt. Schließlich sollen auch somatoforme Störungen (ICD-10, Kapitel V) sowie Burnout gemessen werden.

Das Online-Verfahren ist modular aufgebaut und besteht aus 206 Items zuzüglich 20 soziodemografischer Fragen. Abgebildet werden fünf Skalen – „Sinn- und Motivation“, „bio-psycho-soziale Belastung“, „intrapsychische Stressvulnerabilität“, „salutogene Potenziale sowie somatoforme Störungen“ –, die wiederum in verschiedene Subskalen untergliedert sind.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Die theoretische Fundierung des Verfahrens basiert auf der Logotherapie und Existenzanalyse von Viktor Frankl und hier besonders auf dem „Willen zum Sinn“, der dem Instrument auch den Namen gab. Sinn wird auf drei Ebenen analysiert: erstens in Bezug auf Arbeitsinhalt, Leistungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeit der Arbeit, zweitens durch soziales Erleben und drittens in schwer oder nicht veränderbaren Lebenssituationen. Fehlt es an Zielen, für die es sich zu engagieren lohnt oder wird die Zielerreichung erschwert, so die Essenz der Autoren, kann eine existenzielle Frustration eintreten und in kollektive Neurosen, intrapsychische Stressvulnerabilität und somatoforme Störungen münden. Als weiteres Konzept wird das Kohärenzerleben von Aaron Antonovsky eingeführt, ohne auf Bezüge zu dem Konzept von Frankl einzugehen. Die Autoren sprechen an verschiedenen Stellen von Einstellungen oder salutogenen Persönlichkeitsmerkmalen sowie von Burnout (MOA-SCR 1.0), die sie messen, ohne diese Begriffe bzw. deren Beziehungen zueinander zu erläutern.

Objektivität

Die Objektivität bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse ist aufgrund des hohen Standardisierungsgrades des Online-Instruments gegeben. Die Auswertung und Rückmeldung der Ergebnisse erfolgt automatisiert, der Testperson werden Beschreibungen der Skalen, Mittelwerte, Standardabweichungen und Referenzwerte rückgemeldet. Ein Beispiel für Burnout zeigt, dass auch kritische Werte an Testpersonen rückgemeldet werden. Ab einem Burnout-Index von 41 (Wertebereich 0 bis 100) wird zu genauerer Diagnostik geraten, bei einem Wert ab 56 zu sofortiger weiterer Diagnostik und Behandlung.

Testanwendende erhalten ein Informationsschreiben, einen Überblick über das Verfahren sowie Antworten auf oft gestellte Fragen. Die lange Bearbeitungszeit (ca. 50 Minuten) kann durch Pausen unterbrochen werden, die Wiederaufnahme der Bearbeitung ist an dem Punkt möglich, an dem unterbrochen wurde. Auslassungen bzw. die Nichtbeantwortung einzelner Fragen sind nicht zulässig.

Normierung

Statt von einer Normstichprobe wird von einer normorientierten Berechnung von z-Werten als Beurteilungsgrundlage gesprochen. Die dafür genutzten Daten stammen von 792 gesunden, unselbstständigen, berufstätigen Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen kleiner und mittlerer Unternehmen aus Österreich. Die Befragten waren zwischen 15 und 62 Jahre alt und zu 42 Prozent Frauen. Der Auswahlprozess der Personen für diese Stichprobe wird nicht berichtet, deutlich wird aber, dass diese Stichprobe nicht mit dem beanspruchten Geltungsbereich des MOA-Verfahrens korrespondiert (Gesundheitspflege, Selbstständige, Unselbstständige).

Zuverlässigkeit

Berichtet werden Maße der internen Konsistenz (Cronbachs Alpha) sowie der Merkmalsstabilität (Retest-Reliabilität). Das Cronbachs Alpha ist für alle Skalen zufriedenstellend (α > .80). Die Stabilitäten liegen in einem mittleren Bereich (für die Gesamtskala r = .60 für einen Zeitraum von sechs Monaten bis einem Jahr, die Werte für die Skalen reichen von r = .51 bis .79). Es werden lediglich die Reliabilitätsbereiche angeführt, genauere Informationen zu den einzelnen Skalen sind dem Manual nicht zu entnehmen. Die erfassten Skalen scheinen somit konsistent und relativ stabil zu sein. Die Item-Trennschärfen liegen zwischen .34 und .82 und sind als ausreichend zu bewerten. Verwiesen wird darauf, dass das Testverfahren seit 2000 weiterentwickelt wurde, mittlerweile 2.104 Personen untersucht wurden und zur finalen Version ein Datenpool von 792 Personen vorliegt. Beschrieben wird ausschließlich die Größe der Stichprobe, nicht aber deren jeweilige Zusammensetzung.

Gültigkeit

Die faktorielle Validität wurde mithilfe einer Hauptkomponentenanalyse überprüft. Zur Konstruktvalidierung wurden Merkmale wie Krankenstände, Schichtarbeit, Arbeitszufriedenheit sowie Rückmeldungen aus Coaching-Sitzungen verwendet. Eine Validierung mit inhaltsähnlichen Instrumenten erfolgte nicht, mit der Begründung, dass diese nicht verfügbar seien. Zusammenhänge mit anderen Burnout-Skalen oder Inventaren zur Erfassung von Beanspruchung im Arbeitskontext wurden nicht berichtet. MOA-Metaanalysen (N = 2.147) erbrachten moderate Zusammenhänge zwischen einzelnen MOA-Skalen und selbst berichteten beruflichen Fehlzeiten bzw. Krankenstandstage (r ≈ .25). Diskriminanzanalysen ergaben eine Spezifität von 94 Prozent und Sensitivität von 74 Prozent (Gesunde versus Burnout-PatientInnen und -Patienten). Besonders problematisch erscheint die schwer nachvollziehbare Anwendung von Cut-off-Werten, die die Testperson in einen der Bereiche („nicht kritisch“, „eher nicht kritisch“, „eher kritisch“, „kritisch“) farblich zuordnen. Eine Validierung dieser Werte wird nicht berichtet.

Weitere Gütekriterien

Im Wesentlichen nutzen die Autoren ein vierstufiges Antwortformat. Ausfüllhinweise fehlen auf den jeweiligen Seiten, werden aber vor dem jeweiligen Block eingeblendet. Der geringe Wechsel im Antwortformat bei teils komplizierten Fragen (doppelten Verneinungen, mehreren Inhalten) sowie heterogene Item-Skalierungen durch unterschiedliche Verankerung der Skalen („stimmt voll und ganz“ bis „stimmt überhaupt nicht“; „ja“ versus „nein“; „zufrieden“ bis „überhaupt nicht zufrieden“; „nie“ bis „sehr oft“; „nicht stark“ bis „sehr stark“) erschweren die Bearbeitung. Eine Möglichkeit zur Rückversicherung in Bezug auf die Antwortvorgaben wäre vor allen bei komplexeren Fragen hilfreich. Zur Kontrolle des Antwortverhaltens wird eine Soziale-Erwünschtheits-Skala angeführt, das konsistente Antwortverhalten überprüft sowie eine korrelative Bewertung typischer Zusammenhänge zwischen Item-Paaren zur Überprüfung der Validität des Antwortverhaltens herangezogen. Darüber hinaus wird durch eine randomisierte Item-Abfolge Antworttendenzen vorgebeugt.

Abschlussbewertung / Empfehlung

Das MOA 7.0 versucht, Stress, Burnout und Ressourcen im Berufsalltag abzubilden und füllt damit eine Lücke in der arbeitspsychologischen Diagnostik. Als Besonderheit des MOA ist die Fundierung des Verfahrens (Frankl, Antonovsky) hervorzuheben. Die theoretischen Überlegungen dieser Autoren werden skizziert, aber kaum aufeinander bezogen. Die Integration der verschiedenen Ansätze in einem theoretischen Rahmen bzw. ein Wirkmodell steht noch aus. Die theoretische Fundierung der verschiedenen Skalen erscheint arbiträr. Auffällig ist auch, dass nicht zwischen Persönlichkeit und Einstellungen / Denkhaltungen differenziert wird. Im Manual sprechen die Autoren beispielsweise von „salutogenen Persönlichkeitsvariablen“, die erfasst werden, an anderer Stelle von „Einstellungen“, was eine konzeptuelle Unschärfe erkennen lässt.

Nicht alle von den Autoren angegebenen Quellen (Websites) waren zugänglich. Es wurden in den letzten sechs Jahren einige empirische Erhebungen mit dem Instrument durchgeführt. Zusammenhänge mit gängigen Instrumenten zur Erfassung von Neurotizismus, Burnout, Kohärenzerleben, Beanspruchung etc. werden nicht berichtet, was die Validität einschränkt. Weiterhin erscheint die faktorenanalytische Überprüfung nicht überzeugend. Die Wahl der Rotationsmethode (orthogonal) scheint vor dem Hintergrund der abhängigen Faktoren nicht gerechtfertigt. Zahlreiche (hohe) Nebenladungen auf benachbarten Faktoren werden von den Autoren im Sinne des Konstrukts als erwartungskonform beschrieben, unterstreichen aber auch deren geringe Spezifität. Für die Weiterentwicklung des Verfahrens wäre die Verdichtung der verschiedenen Theorien in einem Wirkmodell, die Optimierung der faktorenanalytischen Validierung der Skalen, eine transparentere Darstellung der berücksichtigten Stichproben sowie eine Validierung der Grenzwerte ratsam. Die automatisierte Rückmeldung auch kritischer Burnout-Werte an einzelne Testpersonen ist zumindest ethisch diskutabel.

Formalisierte Bewertung

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigung (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testinformationen

Graf, H. & Grote, V. (2016). MOA 7.0. Meaningful Ocupation Assessment (7. Aufl.). Rosegg-Bergl: logo consult Unternehmensberatung GmbH.

Bezugsquelle: logo consult GmbH, Rosenweg 8, A-9232 Rosegg. Einzelpreis inkl. Testauswertung und individueller Rückmeldung (60 Minuten): EUR 240.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Gusy, B. & Schwerdtfeger, A. (2019). TBS-TK Rezension: “Meaningful Occupation Assessment“, Psychologische Rundschau, 70, 235 – 237.

Literatur

  • Testkuratorium (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Förderation Deutscher Psychologenvereinigung. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie 34, 470 – 478. First citation in articleGoogle Scholar

  • Testkuratorium (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Förderation Deutscher Psychologenvereinigung. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau 61, 52 – 56. First citation in articleGoogle Scholar

Burkhard Gusy, Freie Universität Berlin,