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TBS-TK Rezensionen

Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R)

Published Online:https://doi.org/10.1026/033-3042/a000030

Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung

Die deutsche Version des PPI-R basiert auf der englischen Originalfassung von Lilienfeld und Widows (Lilienfeld, S. O. & Widows, M. R. [2005]. Psychopathic Personality Inventory Revised [PPI-R]. Professional Manual. Lutz, FL: Psychological Assessment Resources), welche zur Erfassung der Psychopathie als Persönlichkeitskonstrukt konstruiert wurde. Es handelt sich um ein Selbstbeschreibungsinstrument mit 154 Items. Der Test kann als Einzel- und Gruppentest von geschultem Personal durchgeführt werden, die Durchführungszeit wird mit bis zu 45 Minuten angegeben. Der Schwerpunkt der derzeitig möglichen Anwendungen des Verfahrens liegt in der forensischen und klinischen Forschung, aufgrund ausstehender Validitätsuntersuchungen jedoch weniger in der forensischen Begutachtung.

Psychopathie wird auf acht Skalen erfasst (Schuldexternalisierung, Rebellische Risikofreude, Stressimmunität, Sozialer Einfluss, Kaltherzigkeit, Machiavellistischer Egoismus, Sorglose Planlosigkeit, Furchtlosigkeit), hinzu kommt eine Lügenskala (Unaufrichtige Beantwortung). Zur deutschen Version gibt es erste Befunde zur Reliabilität und Validität, vornehmlich an Studenten und einer kleineren Stichprobe des Maßregelvollzugs.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Der PPI-R übernimmt die Psychopathiekonzepte von Cleckley und Hare. Grundlegend für die Skalenkonstruktion ist Cleckleys Definition eines psychopathischen Menschen, der oberflächlich charmant, egozentrisch, unverbindlich und unehrlich ist, keine Reue zeigt, auch bei objektiver Bedrohung furchtlos und unfähig ist, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen. Aufgrund der in herkömmlichen diagnostischen Verfahren fehlenden graduellen Abstufung von Psychopathie und deren ausschließlicher Beurteilung mithilfe von Fremdeinschätzungen entwickelten sich im englischen Sprachraum Selbstbeurteilungsverfahren der Psychopathie. Die graduelle Messung des Konstrukts erlaubte in der Forschung die Anwendung des PPI-R auch bei gesunden Probandengruppen. Die Originalfassung des PPI-R wurde von den Autoren übersetzt und die Struktur der Originalfassung des PPI-R faktorenanalytisch repliziert.

Objektivität

Die Voraussetzungen hinsichtlich der fachlichen Qualifikation des Untersuchers sowie zur Untersuchungssituation werden spezifiziert. Die Hinweise zur Durchführung des Tests enthalten mehrere Anweisungen zur motivationalen Beeinflussung des Testkandidaten, z.B. „Der Testleiter sollte versuchen, bei den Probanden eine möglichst positive Einstellung gegenüber dem Test herzustellen.” Es ist somit anzunehmen, dass aufgrund der Interpretation und der Umsetzung dieser Instruktionen die Variabilität über verschiedene Testleiter hinweg zunimmt und die Beantwortung der Items beeinflusst, welches zu einer Verringerung der Durchführungsobjektivität führen kann. Die Auswertungs- und Interpretationsobjektivität des PPI-R können aufgrund der Gestaltung der Testmaterialien und der verständlichen Darstellungen im Testmanual zunächst angenommen werden. Einschränkungen ergeben sich bei der Auswertungsobjektivität, da Hinweise zum Umgang mit ausgelassenen Antworten und die Angabe der Grenzen fehlen, ab wann von einer Interpretation des PPI-R abgeraten werden muss. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass bei „Unaufrichtiger Beantwortung” mit T > 60 die Auswertung des PPI-R fraglich ist. Hinsichtlich der Interpretationsobjektivität finden sich kurze Beschreibungen der einzelnen Skalen; Beispiele zur Interpretation und Integration der Skalenwerte fehlen allerdings.

Normierung (Eichung)

Für den PPI-R in deutscher Übersetzung liegen T-Werte (auch umgewandelt in Prozentränge) einer studentischen Stichprobe im Altersbereich von 18–25 Jahren und differenziert nach Geschlecht (N = 352) vor. Die Normtabellen existieren sowohl für den Gesamtwert „Psychopathie” als auch für die acht Skalen des PPI-R; klinische Normgruppen stehen noch aus. Zusätzlich ist auch eine Normtabelle zur Bewertung der „Unaufrichtigen Beantwortung” enthalten. Die Testautoren halten die Anwendbarkeit bei älteren Probanden für möglich und verweisen bei jugendlichen Probanden auf noch ausstehende Validierungen. Untersuchungen zur Altersstabilität der Testskalen im Erwachsenalter werden nicht berichtet.

Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)

Das Testmanual weist die Ergebnisse zur internen Konsistenz des Gesamttests und zu den Testskalen des PPI-R aus. Die zugrunde liegende Stichprobe wird nicht berichtet. Die interne Konsistenz des Gesamttests kann mit α = 0,85 als ausreichend betrachtet werden, während die internen Konsistenzen der jeweiligen Testskalen nur teilweise ein ausreichendes Niveau erreichen. Die Spanne der internen Konsistenzen variiert von α = 0,65 („Unaufrichtige Beantwortung”) bis α = 0,88 („Schuld-Externalisierung”). Neben der Skala „Unaufrichtige Beantwortung” zeigen vier weitere Skalen interne Konsistenzen kleiner 0,80. Die Item-Trennschärfen der jeweiligen Testskalen liegen im Bereich von 0,01 bis 0,79. Zugunsten der Vergleichbarkeit zur Originalversion des Tests verzichteten die Testautoren auf die Streichung einiger Items, welches aber aufgrund der zu erwartenden Verbesserung der Reliabilitätsschätzungen notwendig erscheint. Angaben zur Retestreliabilität fehlen.

Gültigkeit (Validität)

Die Inhaltsvalidität wird aus der in Wortlaut und Bedeutung möglichst kongruenten Überführung des deutschen PPI-R aus der englischsprachigen Originalversion abgeleitet, jedoch nicht näher erläutert. Die faktorielle Validität ist aufgrund der mitgeteilten Informationen nicht sicher beurteilbar. Zur Überprüfung der Konstruktvalidität des PPI-R wurden die Mittelwertsunterschiede der Testskalen einer studentischen Gruppe gegen eine forensische Stichprobe getestet. Aufgrund von Diskrepanzen zwischen textlichen und tabellarischen Darstellungen sind die Ergebnisse nicht eindeutig nachvollziehbar. Mindestens fünf der zur Überprüfung berechneten t-Tests weisen auf hypothesenkonforme Ergebnisse hin, während in zwei Skalen („Kaltherzigkeit” und „Sozialer Einfluss”) die studentische Gruppe höhere Werte erreichte. Diese hypothesenkonträren Befunde werden nicht diskutiert. Es werden signifikante Korrelationen einzelner Testskalen mit anderen Selbstbeurteilungsinstrumenten (Trait-Angst, STAI; soziale Erwünschtheit, SDS; soziale Ängstlichkeit, SPAI) berichtet. Die konvergente Validität des Gesamttestwertes mit dem Kieler Psychopathie Inventar – Revision (KPI-R) wird mit r = 0,78 angegeben. Darüber hinaus korrelieren mehrere Testskalen des PPI-R mit mehreren anderen Testskalen des KPI-R. Ebenfalls konnten für die Skalen „Kaltherzigkeit”, „Sorglose Planlosigkeit”, „Rebellische Risikofreude” und „Persönliches Leid” signifikante Korrelationen zu Faktoren des Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogens (SPF) gefunden werden. Die zugrundeliegende Stichprobe kann allerdings nicht ermittelt werden. Ein Befund zur Kriteriumsvalidität (drei der acht Skalen des PPI-R sagen Verhalten in einem „Gefangenendilemma-Spiel” vorher) wurde kürzlich publiziert (Mokros, A., et al. [2008]. Diminished cooperativeness of psychopaths in a prisoner’s dilemma game yields higher rewards. Journal of Abnormal Psychology, 117, 406–413). Weitere Befunde zur Kriteriumsvalidität (insbesondere zur Übereinstimmung mit auf Fremdeinschätzung beruhenden Standardmaßen der Psychopathie) sind dringend erforderlich. Empirische Belege für die prognostische Validität fehlen.

Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)

Zur Kontrolle der Verfälschbarkeit enthält das PPI-R eine Skala mit 23 Items, welche „systematisches Ankreuzen oder Manipulationsversuche” aufdecken soll. Durch die geringe Reliabilität dieser Skala ist die Zuverlässigkeit der Kontrolle allerdings beschränkt. Da gerade von hoch psychopathischen Menschen behauptet wird, dass sie die Tendenz haben, häufig zu lügen und manipulativ zu sein, können hohe Werte auf der Psychopathieskala (außer allenfalls in anonymen Untersuchungen) nur von ehrlichen Menschen oder Simulanten, aber nicht von Psychopathen erreicht werden, was aber ein Widerspruch in sich selbst ist. Zur Manipulierbarkeit und Validität dieser Lügenskala finden sich keine ausreichenden Angaben, womit das angesprochene Paradoxon nicht überzeugend beherrscht wird. Zur Minimierung der Antworttendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit finden sich Hinweise zur Instruktion der Probanden. Durch negierte Itemformulierungen kann es zu Falschantworten kommen, was die Handhabbarkeit einschränkt.

Abschlussbewertung/Empfehlung

Die bislang vorliegende deutsche Version des PPI-R ist ein neues Instrument zur graduellen Messung von Aspekten der Psychopathie mit Hilfe eines Selbstbeurteilungsverfahrens, welches die diagnostischen Möglichkeiten in der klinischen Psychologie und Forensik erweitern soll. Die Vergleichbarkeit des Instruments mit der englischen Originalfassung lässt eine Verwendbarkeit besonders in Forschungskontexten erwarten. In diesem Rahmen könnten Verbesserungen der bislang unzulänglichen Durchführungsobjektivität erarbeitet und Überprüfungen der Skalenkonstruktion im Hinblick auf die teilweise schwachen Reliabilitätsschätzungen durchgeführt werden. Ebenfalls stehen noch Untersuchungen zur prognostischen Validität des Verfahrens in klinischen und forensischen Populationen aus. Hierzu scheint ergänzend eine Überarbeitung der Skala „Unaufrichtige Beantwortung” aufgrund der teilweise fehlenden Item-Trennschärfen notwendig. Einschränkend gilt ferner, dass die Ergebnisse zur Faktorkongruenz nur oberflächlich berichtet werden. Untersuchungen zur Altersstabilität der Testskalen und der Faktorenlösung wären für die Verwendbarkeit des PPI-R in gutachterlichen Kontexten eine wichtige Grundlage; ein Einsatz in diesem Bereich scheint auf dem derzeitigen Entwicklungsstand des Verfahrens noch nicht möglich. Verbesserungen für eine revidierte Form sind durch die Testautoren bereits angekündigt worden und sollen besonders die Testnormierung und die Gütekriterien betreffen.

In der Praxis der klinischen und forensischen Diagnostik ist momentan der Einsatz von validierten Fremdeinschätzungsskalen, insbesondere im Prognosebereich, weiter unverzichtbar und der diagnostische Zugewinn durch die PPI-R noch fragwürdig, wenngleich einige Arbeiten bereits auf eine Validität der Selbstberichtsskalen hinweisen.

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testinformationen

Alpers, G. W. & Eisenbarth, H. (2008). Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R). Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Robert-Bosch-Breite 25, 37079 Göttingen.

Test komplett, 66,00 €. Manual, 48,00 €. 25 Fragebogen, 40,00 €. 50 Auswertungsbogen, 19,00 €.

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt:

Hallner, D., Hasenbring, M., & Hoyer, J. (2010). TBS-TK Rezension: „Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R)”. Psychologische Rundschau, 61, 224–226.