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Free AccessEditorial

Kindheit und Entwicklung – 30 Jahre

Published Online:https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000327

Seit dem 25jährigen Bestehen der Kindheit und Entwicklung sind schon wieder fünf Jahre vergangen. Unsere interdisziplinäre Zeitschrift befindet sich also nun schon im 30. Jahrgang. Und es hat sich vieles seit 2016 verändert. So ist einer der drei Gründungsherausgeber 2019 verstorben, nämlich Prof. Dr. Franz Petermann (Bereich Klinische Kinderpsychologie, Universität Bremen). Er gestaltete die Kindheit und Entwicklung mit seinen Kollegen und seiner Kollegin in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder neu, indem er aktuelle Themen und Forschungsergebnisse aufgriff. So prägte er zusammen mit Prof. Gerhard Neuhäuser (Bereich Neuropädiatrie, Universität Gießen) und Prof. Martin H. Schmidt (Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Universität Heidelberg) unser Journal entscheidend mit. Für ihn gehörten zur Klinischen Kinderpsychologie immer auch die Entwicklungspsychopathologie, die körperlich chronischen Krankheiten von Kindern und ihre damit verbundenen Risiken, psychisch zu erkranken, Wirksamkeitsstudien zu präventiven und psychotherapeutischen Methoden bzw. manualisierten und standardisierten Interventionen und schließlich ausgewählte diagnostische Verfahren und Vorgehensweisen in Kombination mit spezifischen Fragestellungen aus den Bereichen psychische und Entwicklungsstörungen.

In den ersten 25 Jahren erweiterten Prof. Ulrike Petermann (Bereich Klinische Kinderpsychologie und Kinderverhaltenstherapie, Universität Bremen) sowie Prof. Ulrich Stephani (Bereich Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) das Herausgeberteam der Kindheit und Entwicklung (Petermann, Petermann, Schmidt & Stephani, 2016). Und nun stehen wieder Änderungen bevor: Neue, junge Herausgeberinnen und Herausgeber sollen in naher Zukunft die Staffel übernehmen und die Kindheit und Entwicklung genauso interdisziplinär fortführen wie bisher, mit dem Anspruch, Brücken zwischen Theorie, Forschung und evidenzbasierter Praxis zu bauen.

Schwerpunktthemen dreier Jahrzehnte

In den drei Jahrzehnten, den Jahrgang 2021 eingerechnet, wurden 119 Themenschwerpunkte gestaltet. Die meisten Zuwächse sind in den Themenschwerpunkten „Kinderverhaltenstherapie und neue Therapieansätze“, „Psychische und psychiatrische Störungen“ sowie „Risikokinder, Risikofamilien und familienorientierte Interventionen“ zu verzeichnen. In Zukunft sollen auch die Thematiken „Körperlich-chronische Krankheiten“ und „Verhaltensmedizin“, die assoziativ verknüpft sind, stärker berücksichtigt werden (s. Tab. 1).

Tabelle 1 Übersicht über die Themenschwerpunkte von 1992 bis 2021 (n = 119)

Ein besonderer Themenschwerpunkt befasste sich mit der „Mannheimer Risikokinderstudie“ (Esser & Schmidt, 2017) unter dem Aspekt von Ergebnissen 25 Jahre nach Studienstart. Beeindruckend ist die geringe Drop-Out-Quote, was sicherlich auch mit der sehr guten Stichprobenpflege zusammenhing. Die ersten Studienergebnisse wurden schon Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre in der Kindheit und Entwicklung publiziert. Andere Themenschwerpunkte greifen Probleme der Zeit auf, wie „Jugendliche Flüchtlinge“ (Piegenschke, Sihorsch & Christiansen, 2019) oder „Cybermobbing und Cyberbullying“ (Scheithauer, Petras & Petermann, 2020). Und regelmäßig werden typisch klinisch-kinderpsychologische Themen bearbeitet, wie „Angststörungen“ (Sachser & Goldbeck, 2017), „aggressives und oppositionelles Verhalten“ (Vasileva, Petermann, Nitkowski & Petermann, 2018), „ADHS“ (Petermann & Petermann, 2019) sowie „Essstörungen“ (Verbeek & Petermann, 2019). Immer häufiger werden bei gut erforschten Themen wie Angst und Aggression transgenerationale Übergänge sowie Zusammenhänge dieser Störungen thematisiert (Vasileva et al., 2018) oder die Assoziation mit anderen Störungen und deren transdiagnostischen Effekte aufgrund der Behandlung betrachtet (Sachser & Goldbeck, 2017).

Bewährtes und Neues

Bewährt hat es sich, die englische Zusammenfassung auf 3000 Zeichen zu erhöhen, wie im Editorial zum 25jährigen Bestehen unserer Zeitschrift angekündigt (Petermann, Petermann, Schmidt & Stephani, 2016). Dadurch ist die Kindheit und Entwicklung international sichtbarer geworden, was an der gestiegenen Nachfrage von einzelnen Beiträgen unseres Journals im Kontext diverser Internet-Plattformen ablesbar ist.

Neu ist ab diesem Jahrgang, dass nach einem festen Schema die deutsche Zusammenfassung und der englische Abstract gegliedert sein muss (s. Tab. 2).

Tabelle 2 Gliederung von Zusammenfassung und Abstract

Dies verbessert die Auffindbarkeit der Zeitschrift Kindheit und Entwicklung mit ihren verschiedenen Beiträgen in den Literaturdatenbanken. Auch dies bedeutet eine bessere Sichtbarkeit der Kindheit und Entwicklung, und dadurch wird die Zeitschrift häufiger rezipiert – national wie international.

Neue Themenschwerpunktlegungen werden sicherlich durch das neue Herausgeberteam verstärkt in unsere Zeitschrift eingebracht werden. So gestalten die beiden neuen Herausgeberinnen je einen Themenschwerpunkt im Jubiläumsjahrgang der Kindheit und Entwicklung:

  • Heft 2/2020: Moralentwicklung im Jugendalter, gestaltet von Prof. Ute Koglin, Universität Oldenburg, und
  • Heft 3/2020: Traumafokussierte Verhaltenstherapie bei Kindern mit Misshandlungen, gestaltet von Prof. Hanna Christiansen, Universität Marburg.

Es werden aber auch bekannte Themen, die in der Kindheit und Entwicklung immer wieder behandelt wurden, mit neuen Ergebnissen und Perspektiven aufgegriffen werden, beispielsweise Emotionale Entwicklung und Emotionsregulation, Angststörungen, multisystemische Familienhilfe oder psychosoziale Folgen chronischer Erkrankungen.

Wünsche an die Zukunft

Es ist sehr zu wünschen, dass die Rubrik Aktuelle Kontroverse neu belebt wird. Themen gäbe es genug, wie beispielsweise „Übereinstimmung und Unterschiede von DSM-5 und ICD-10 beziehungsweise ICD-11“ oder „Kategoriale versus dimensionale Diagnostik in der Psychotherapie“ oder „Wirkfaktoren der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“. Ein Themenschwerpunkt „Wirkfaktoren“ war mehrmals angedacht, jedoch mangels Manuskripten nicht realisierbar.

Eine mögliche Vorgehensweise für die Aktuelle Kontroverse könnte sein, dass zwei Kolleginnen beziehungsweise Kollegen ein Betrags-Tandem bilden, jeweils eine Pro- und eine Kontraposition zu einem Thema einnehmend.

So bleibt der Kindheit und Entwicklung für die Zukunft weiter eine zahlreiche Leserschaft zu wünschen, mit mutig angepackten Themen und guter Akzeptanz bei praktisch tätigen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten ebenso wie bei interdisziplinär forschenden klinischen Kinderpsychologinnen und -psychologen, Pädiaterinnen und Pädiatern sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern.

Literatur

Prof. Dr. Ulrike Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen,