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Published Online:https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000282

Liebe Leserinnen und Leser,

als wir im letzten Jahr in neuer Zusammensetzung als Herausgebendenkollegium unsere Arbeit aufgenommen haben, haben wir als zentrale Herausforderungen definiert, auf welchem Weg wir die Zeitschrift für Sportpsychologie als wissenschaftliches Publikationsorgan für Autorinnen und Autoren aber auch für Leserinnen und Leser, für Personen in Forschung und Personen in der Praxis nachhaltig attraktiv gestalten können. Die Zeitschrift wurde 1987 mit dem Anliegen gegründet, über „die sportpsychologische Forschung, die praktisch-sportpsychologische Tätigkeit und die Umsetzung und Nutzung sportpsychologischer Erkenntnisse und Verfahren in die Sportpraxis“ aufzuklären (Nitsch & Schwenkmezger, 1987). Sie wurde später in wissenschaftsorientierterem Format weitergeführt mit der Idee, ein Forum zu bieten, „um den Gedankenaustausch zwischen Forschung, Lehre und Praxis zu pflegen“ (Schlicht, Beckmann, Hahn, Roth, Schwenkmezger & Strauß, 1994). Doch nur wenn die Zeitschrift für Leserinnen und Leser sowie für Autorinnen und Autoren attraktiv ist, kann sie diesen Anliegen gerecht werden und als Austauschmedium und zum Erkenntnisgewinn dienen. Wir haben im Herausgebendenkollegium daher drei Fragen in den Raum gestellt, deren Beantwortung helfen sollte, die Attraktivität der Zeitschrift als Organ für den wissenschaftlichen Austausch zur Sportpsychologie zu steigern: Sollte die Zeitschrift für Sportpsychologie für englischsprachige Beiträge geöffnet oder gar vollständig in eine englischsprachige Zeitschrift umgewandelt werden? Wie kann der Austausch zwischen Forschung und Anwendung intensiviert und stimuliert werden? Wie kann die Qualität des Austauschs mittels Praktiken einer offenen und transparenten Wissenschaft gestärkt werden? Wir haben uns im vergangenen Jahr vor allem intensiv mit der sprachlichen Ausrichtung der Zeitschrift beschäftigt.

Die Zeitschrift für Sportpsychologie als Organ der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) hat eine über dreißigjährige Geschichte, die in die Geschichte und die Entwicklung der Sportpsychologie in Deutschland eingebettet ist. Wie in den Beiträgen des von Bernd Strauß herausgegebenen „Jubiläumsheft“ zu 50 Jahren asp (Band 26, Heft 2) dargestellt, hat die Zeitschrift damit auch die rasante Entwicklung der Sportpsychologie miterlebt und mitgestaltet. Als ein Beispiel hierfür kann u. a. der Wandel von einem anwendungsbezogenen hin zu einem eher forschungsorientierten Publikationsorgan dienen (siehe die Analysen von Lobinger & Stoll, 2019). Sportpsychologische Forschung ist – so wie es in allen Forschungsfeldern der Fall ist – der Herausforderung einer steten Internationalisierung ausgesetzt. So werden Veröffentlichungen in internationalen, in der Regel englischsprachigen Publikationen nicht mehr nur gefordert, sondern sind mittlerweile schon fast die Norm, der Nachweis internationaler Kooperationen wird als Berufungsvoraussetzung aufgeführt, und es werden englischsprachige internationale Studiengänge angeboten (z. B. für die Psychologie siehe Frensch, 2013). Vor diesem allgemeinen Hintergrund kann man bereits die Frage stellen, ob nicht auch die Zeitschrift für Sportpsychologie den Weg einer englischsprachigen Zeitschrift gehen sollte. Und wenn die „Mutter“ der sportwissenschaftlichen Zeitschriften in Deutschland, die „Sportwissenschaft“, auf englischsprachige Beiträge umstellt, und erfolgreich den Wandel zum „German Journal of Exercise and Sport Research“ vollzieht, wird der Anlass für ähnliche Überlegungen im Bereich der sportpsychologischen Forschung im deutschsprachigen Raum konkreter. Schließlich stellt es einen kritischen, konkreten Anlass dar, wenn eine Doktorandin das Herausgebendenkollegium nach der Möglichkeit fragt, ihre Forschungsergebnisse in der Zeitschrift auf Englisch veröffentlichen zu können. Denn die Erkenntnisse seien besonders für die Leserschaft der Zeitschrift bedeutsam, aber die Promotionsordnung ihrer Institution fordere englischsprachige Publikationen. Die Internationalisierung führt offensichtlich dazu, dass eine deutschsprachige Zeitschrift für Sportpsychologie für eine wachsende Gruppe an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht mehr als Publikationsorgan in Frage kommt, auf keinen Fall aber attraktiv sein wird, selbst dann, wenn die Zeitschrift eigentlich die relevante Zielgruppe erreicht.

Eine Diskussion um die Sprache der Zeitschrift ist also notwendig – und die kann zu verschiedenen Lösungen führen, wie sie auch bei anderen Zeitschriften in der deutschsprachigen Sportwissenschaft und der Psychologie sichtbar sind. Denkbar ist zwischen dem Pol eines weiterhin ausschließlich deutschsprachigen Publikationsorgans und dem Pol einer ausschließlich englischsprachigen Zeitschrift auch eine Reihe an Zwischenlösungen oder „Hybrid-Modellen“, in denen beide Sprachen zugelassen sind. Aus der Wahl eines Modells ergeben sich recht schnell unmittelbare praktische Konsequenzen, etwa was den Namen der Zeitschrift, was die Zusammensetzung des Herausgebendenkollegiums bzw. ggf. des „Editorial Boards“ oder die Beibehaltung des Impact Factors angeht. Aber es können sich auch durchaus Konsequenzen für die Wissenschaftsgemeinschaft ergeben und im konkreten Fall Auswirkungen auf die asp und ihre Ausrichtung und Zusammensetzung. Wer die Diskussion um die Zeitschrift „Sportwissenschaft“ verfolgt hat, konnte erkennen, dass es für alle Modelle gute Gründe gibt und dass eine Diskussion um die Sprache intensiv und zeitweise „erhitzt“ geführt werden kann. Auch in den Herausgebendenkollegien der Zeitschrift für Sportpsychologie gab es stets unterschiedliche Positionen mit unterschiedlichen, gut begründeten Argumenten. Im Bewusstsein über die Bedeutung der Sprache der Zeitschrift für Sportpsychologie für die Sportpsychologie einerseits, der Bedeutung der Attraktivität der Zeitschrift als Publikationsorgan andererseits haben wir uns im Herausgebendenkollegium im letzten Jahr dazu entschlossen, Positionen und Argumente zu sammeln, die bei einer Entscheidung, in welche Sprach-Richtung die Zeitschrift gehen soll, beachtet werden sollten. Mit der Kenntnis dieser Positionen und Argumente wollten wir dann im Herausgebendenkollegium in Absprache mit der asp eine Entscheidung über die Sprache von Beiträgen in der Zeitschrift treffen.

Wir haben zu diesem Zwecke Dorothee Alfermann und Roland Seiler gebeten, uns ihre Positionen und Argumente darzustellen, da wir ihnen einen holistischen Blick zugetraut haben. Beide überblicken aus einer arrivierten Position Zeit und Raum der Entwicklung der Sportpsychologie und können so Orientierungspunkte liefern: Sie haben diese Entwicklung über die verschiedenen Themenfelder der Sportpsychologie in unterschiedlichen Funktionen (u. a. Herausgeberschaften, Präsidentschaften) begleitet und gestaltet und dabei deutsche, schweizerische, europäische und globale Positionen vertreten und kennengelernt. Darüber hinaus haben wir Michael Guttmann und Franziska Lautenbach um Kommentare zu einem möglichen Wechsel der Publikationssprache gebeten. Sie sollten aus der Perspektive der Interessensgruppe der angewandt Tätigen bzw. des sogenannten „wissenschaftlichen Nachwuchses“ Stellung nehmen. Schließlich haben wir Víctor Rubio gebeten, seine Erfahrungen mit der Umstellung der Revista de Psicología del Deporte zum Journal of Sport Psychology zu einem zweisprachigen hybriden Publikationsorgan mit uns zu teilen.

Machen Sie sich selbst ein Bild von den in den Beiträgen differenziert vorgetragenen Argumenten und Positionen. Sie lassen schnell erkennen, dass die Frage nach dem „Wohin?“ der Sprache der in der Zeitschrift für Sportpsychologie veröffentlichten Beiträge keine triviale Angelegenheit ist. Im Herausgebendenkollegium haben wir aber auch deutlich wahrgenommen, dass es wohl gegen die beiden Pole (nur deutsch bzw. nur englisch) einige gewichtige Argumente gibt. Wir sehen daher im Weg des „Hybrid-Modells“, in dem englischsprachige Beiträge möglich oder sogar erwünscht sind, das Modell für die Zukunft. Die in den Beiträgen zum Schwerpunkt des Hefts vorgebrachten Positionen haben uns aber auch verdeutlicht, dass sich die Zeitschrift ihrer Rolle für die Sportpsychologie im deutschen Sprachraum bewusst sein sollte und auch hierfür Verantwortung übernehmen muss. Das heißt, dass sich mit der Öffnung für englischsprachige Beiträge nicht ausschließlich die Hoffnung auf mehr Einreichungen verknüpft. Vielmehr wollen wir mit dieser Umstellung die Sportpsychologie im deutschen Sprachraum fördern, indem wir den im deutschen Sprachraum Tätigen (ob in Forschung oder Anwendung) die Möglichkeit bieten, auch auf Englisch gezielt auf das Feld zu wirken. Dadurch wollen wir es ferner ermöglichen, dass dieses Wirken international sichtbarer wird und erleichtern, dass man sich auch international auf die „historischen und kulturellen Wurzeln sowie die Tradition der deutschsprachigen Sportpsychologie“ beziehen kann – worauf Roland Seiler in seinem Beitrag hinweist. Die Doktorandin soll also mittels einer englischsprachigen Publikation in der Zeitschrift ihre eigene Karriere und die Sportpsychologie im deutschen Sprachraum befördern können!

Die Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Als Organ der asp und der DGPs möchte die Zeitschrift für Sportpsychologie das zentrale Organ für den sportpsychologischen Diskurs im deutschen Sprachraum sein. Zentrales Anliegen ist es, diesen Diskurs national sowie international sichtbar zu gestalten. Auf diese Weise wird der fachliche Austausch zu allen Themen der Sportpsychologie ermöglicht, der sowohl innerhalb von Wissenschaft und Forschung als auch zwischen Anwendung und Wissenschaft stattfinden soll. Dazu sind Beiträge wie bisher in deutscher, aber ab sofort auch in englischer Sprache möglich, solange sich diese auf den sportpsychologischen Diskurs im deutschen Sprachraum beziehen lassen.

Wir haben damit unsere erste Frage auf dem Weg zu einer Steigerung der Attraktivität der Zeitschrift beantwortet. Unsere Aufmerksamkeit gilt daher nun der zweiten Frage, nämlich wie wir den Austausch zwischen Forschung und Anwendung wieder intensiveren können. Sie dürfen auch hierzu künftig Neuerungen in der Zeitschrift für Sportpsychologie erwarten!

Neben den genannten Beiträgen zum Schwerpunktheft finden Sie in diesem Heft einen Beitrag von Maibach und Kollegen zur Validierung eines Fragebogens zur Erfassung affektiver Zustände. An ihm lässt sich schön verdeutlichen, welche Rolle Sprache in unserer Forschung und im Austausch darüber spielt. Denn die Autoren finden Hinweise, dass die Übersetzung eines Item-Stamms, die sehr eng am englischen Original erfolgte, möglicherweise zu einem anderen, vielleicht gar falschen Verständnis des Item-Stamms geführt hat.

Literatur

  • Frensch, P. A. (2013). Zur Lage der Psychologie als Fach, Wissenschaft und Beruf. Psychologische Rundschau, 64, 1 – 15. LinkGoogle Scholar

  • Lobinger, B. H. & Stoll, O. (2019). Leistung beschreiben, erklären, vorhersagen und optimieren. Zeitschrift für Sportpsychologie, 26, 58 – 70. LinkGoogle Scholar

  • Nitsch, J. R. & Schwenkmezger, P. (1987). Sportpsychologie – praxisorientiert und auf aktuellem Forschungsstand. Sportpsychologie, 1, 3 – 6. Google Scholar

  • Schlicht, W., Beckmann, J., Hahn, E., Roth, K., Schwenkmezger, P. & Strauß, B. (1994). Editorial der Herausgeber. psychologie und sport, 1, 2 – 3. Google Scholar

Felix Ehrlenspiel, Chris Englert, Norbert Hagemann, Daniel Memmert, Ines Pfeffer, Mirko Wegner,