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Open AccessOriginalarbeit

Mit Kind zur Konferenz? Ein Positionspapier zur Erweiterung Familienfreundlicher Maßnahmen auf Fachgruppentagungen

Perspektiven aus der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000647

Abstract

Zusammenfassung. Die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie ist für Eltern im Allgemeinen und Frauen im Besonderen eine große Herausforderung. Tagungsteilnahmen sind wichtige Karrierebausteine und eine organisatorische Herausforderung für Eltern. In diesem Positionspapier wird ein Stimmungsbild zu familienfreundlicheren Kongressgestaltung in der Fachgruppe (FG) Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) erfragt. 147 FG-Mitglieder (Rücklaufquote: 18.36 %) beantworteten Fragen zur Demographie, sowie Einstellungen gegenüber der FG-Tagung, Betreuungsmöglichkeiten und familienfreundlichen Maßnahmen. Von den Teilnehmenden waren 66 % Eltern, 45 % sagten wegen familiärer Verpflichtungen die FG-Tagung ab. Zusätzliche Kosten durch familiäre Verpflichtungen wurden als hoch eingeschätzt und familienfreundlichere Maßnahmen von vielen Teilnehmenden gewünscht. Familienfreundliche Konferenzen können ein klares Signal der Inklusion und Solidarität setzen und für die Aufrechterhaltung und Nachhaltigkeit wissenschaftlicher Kompetenz sorgen. Konkrete Empfehlungen für eine familienfreundliche Konferenzgestaltung werden als Checkliste im elektronischen Anhang zur Verfügung gestellt.

Take Your Child to Conferences? On the Need for Family-Friendly Policies During DGPS Section Clinical Psychology Conferences

Abstract. Reconciling science and family is a major challenge for parents, particularly for women. Attending conferences is important to one’s career but an organizational challenge for parents. In this paper, we surveyed the opinion of the German Psychological Society’s (DGP’s) Division of Clinical Psychology and Psychotherapy on family-friendly conference arrangements. 147 members (response rate: 18.36 %) answered questions about demographics, attitudes toward the division’s conference, care options, and family-friendly arrangements. Of the participants, 66 % were parents, and 45 % had canceled their attendance at a conference at least once because of family obligations. Additional costs were considered high, and more family-friendly policies were desired by many participants. Family-friendly conferences can send a strong signal of inclusion and solidarity, and can ensure the maintenance and sustainability of scientific competence.

Sorgen über mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Forschung führen schon früh zur Anpassung von Karrierezielen und damit zu einem Verlust von Humanressourcen in der Wissenschaft (Mason, Goulden & Frasch, 2009). Diese Tendenz betrifft Eltern im Allgemeinen und Frauen im Besonderen (Wolfinger, Mason & Goulden, 2008), da sie die Kinder gebären, teilweise stillen und verglichen mit Männern mit einem bedeutsam höheren Zeitaufwand die unbezahlten Hausarbeiten erledigen (vgl. Bos, Sweet-Cushman & Schneider, 2019). Geschlechterunterschiede in der Wissenschaft sind gut belegt: beispielsweise sind weltweit nur 30 % der forschenden Personen Frauen (Shannon et al., 2019). Während der entscheidenden Qualifikationsphasen werden häufig Familien gegründet, so dass gerade Mütter in Qualifikationsphasen ambivalenten Ansprüchen ausgesetzt sind. Sie haben häufig den Eindruck ihre berufliche Produktivität gegenüber den elterlichen Verpflichtungen abwägen zu müssen (Ward & Wolf-Wendel, 2004). Gegebenenfalls wirkt sich die Bedrohung durch Stereotype (Steele, 1997) in dieser Lebensphase der Familiengründung doppelt auf die Selbsteinschätzung aus. Frauen sind zeitgleich Stereotypen bezüglich ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit und ihrer Rolle als Mutter ausgesetzt. Sie sind daher mit der Gefahr konfrontiert, aufgrund dieser Stereotype in beiden Lebensbereichen von anderen negativ beurteilt zu werden, negativ besetzte Stereotype zu bestätigen oder positiv besetzte Stereotype nicht zu erfüllen. So schätzen Frauen ihre (intellektuelle) Leistungsfähigkeit geringer ein als Männer (berufliche Rolle: „Frauen sind intellektuell unterlegen.“, Gonzalez-Betancor, Bolivar-Cruz & Verano-Tacoronte, 2019; Pallier, 2003). Werden sie Mütter, kommen familienbezogene Stereotype hinzu (z. B. „Frauen sind besser geeignet, sich um die Kinder zu kümmern.“). Die wahrgenommene Bedrohung durch diese Stereotype kann eine Erhöhung des Ambivalenzerlebens bedingen und so zur Abkehr von der beruflichen Rolle führen (Steele, 1997). Daher liegt es nahe, dass besonders häufig Frauen zu der Überzeugung gelangen, sowohl den beruflichen als auch familiären Ansprüchen nicht genügen zu können und sich letztendlich gegen eine wissenschaftliche Karriere entscheiden (Ward & Wolf-Wendel, 2004).

Seit über 50 Jahren gibt es aber auch erfolgreiche Bestrebungen, Konflikte bei der Vereinbarkeit von Familie und Forschung zu minimieren und die Geschlechtergerechtigkeit zu verbessern (Tulloch, 2020). Universitäten und andere staatliche Institutionen haben eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen eingerichtet, beispielsweise die Möglichkeit zur Verlängerung der Qualifikationsphasen für jedes Kind.

Obwohl Konferenzteilnahmen für Familien eine besondere organisatorische und finanzielle Herausforderung darstellen, werden sie in der institutionellen Förderung bisher nicht beachtet (Bos et al., 2019). Für den akademischen Werdegang sind Konferenzteilnahmen aber von großer Bedeutung. Nachwuchswissenschaftler_innen können sich auf Konferenzen vernetzen, über Präsentationen die Wahrnehmung von sich als aktiv forschende Person erhöhen, fachliche Diskussionen führen, neues Wissen rezipieren und Kooperationen schließen (z.B. Oester, Cigliano, Hind-Ozan & Parsons, 2017). Effekte von Konferenzen auf Auswahlkriterien bei Berufungsverfahren konnten bereits empirisch werden: so verringerte beispielsweise eine ausgefallene Konferenz die Rate der Zitationen in den nachfolgenden fünf Jahren (de Leon & McQuillin, 2020).

Auch die Schwierigkeit, Familie und Forschung im Rahmen einer Kongressteilnahme vereinbaren zu müssen, betrifft häufiger Frauen als Männer und ist im Besonderen bei dualen Karrieren erschwert (Wolfinger et al., 2008). Die Geschlechtergerechtigkeit kann jedoch über eine familienfreundliche Gestaltung von Fachtagungen erhöht werden (Calisi, 2018). Die Aufhebung bestehender Barrieren für Konferenzteilnahmen könnte somit ein wichtiger Schritt für den Gewinn von Humanressourcen in der Wissenschaft sein und zu besseren Leistungen sowie einem höheren Innovationsgrad führen (Calisi, 2018).

Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Forschung bei der jährlichen Tagung der Fachgruppe (FG) Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), wurde beispielsweise 2015 in Dresden eine professionelle Kinderbetreuung für Teilnehmende angeboten. Da das Angebot im ersten Jahr der Verfügbarkeit kaum genutzt wurde, sahen spätere Ausrichtende von einem solchen Angebot ab. Konträr zur geringen Nutzung des Betreuungsangebots in Dresden wurde in Diskussionen von Nachwuchsforschende der FG ein Bedarf an familienfreundlichen Angeboten laut. Für diese Divergenz sollten Erklärungen gefunden werden. Die Arbeitsgruppe „Vereinbarkeit von Familie und Forschung“ innerhalb der Jungmitglieder setzte sich daher 2018 auf der FG-Tagung in Landau das Ziel, ein aktuelles Stimmungsbild bezüglich einer familienfreundlichen Kongressgestaltung zu erheben. Obwohl zu berücksichtigen ist, dass auch erwachsene Familienmitglieder mit pflegerischen Verpflichtungen z. B. gegenüber den eigenen älteren Eltern, ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen, sollte sich die erste Erhebung vor allem auf Belange von Eltern mit familiärer Verantwortung gegenüber ihrem Nachwuchs konzentrieren. Konkret sollte in einer Umfrage erfasst werden, in welchen familiären Lebenssituationen sich FG-Mitglieder befinden und wie Beteiligte mit Kindern die Kinderbetreuung im Allgemeinen und während der FG-Tagung organisieren. Ein weiteres Ziel der Umfrage war es, die Wünsche und die Erwartungen an familienfreundliche Maßnahmen abzufragen, um erste bedarfsorientierte Möglichkeiten für eine Verringerung des Konflikts zwischen familiären Anforderungen und Konferenzreisen diskutieren zu können.

Methoden

Prozedur und Stichprobe

Es wurde eine querschnittliche Online-Umfrage mit Hilfe von UNIPARK (Questback, 2017) angelegt. Diese wurde im Herbst 2018 durchgeführt und hatte eine festgelegte Laufzeit von 16 Wochen. Die Teilnehmenden wurden aus der Mitgliedschaft der FG Klinische Psychologie und Psychotherapie (KliPs-PT) der DGPs rekrutiert, in dem ein Link zur Studie zentral über den Mitgliederverteiler per Email in einer ersten Runde und als Erinnerung erneut acht Wochen später versendet wurde. Einschlusskriterien bezogen sich auf die Mitgliedschaft in der KliPs-PT, Alter > 18 Jahre und die Zustimmung zur Teilnahme. Alle Teilnehmenden wurden über die Freiwilligkeit, Ziele und Risiken der Studie aufgeklärt. Erst nach aktiver Zustimmung i. S. des schriftlichen Einverständnisses bei Online-Umfragen, konnte mit der Teilnahme begonnen werden. Die Teilnahme konnte jederzeit und ohne Angabe von Gründen sowie nachteilige Effekte widerrufen werden. Es wurden ausschließlich anonymisierte Daten analysiert.

Messinstrument

Der Online-Fragebogen bestand aus 17 Bereichen, zu denen Fragen mit einer bis mehreren Antwortoptionen je nach (nicht) vorhandenen Kindern u. / o. Anzahl der Kinder beantwortet wurden. Der Bedarf, die Einstellungen und die Wünsche bezüglich einer familienfreundlichen Kongressgestaltung wurden in der Umfrage sowohl quantitativ als auch qualitativ erfasst. Es wurden entweder auswählbare Antwortoptionen oder freie Antwortfelder bereitgestellt. Zunächst wurden demografische Variablen wie Alter, Geschlecht, berufliche Position und Anzahl der Kinder, sowie die Motivation zur FGT-Teilnahme erfasst. Antwortmöglichkeiten konnten aus verschiedenen Optionen ausgewählt (z. B. Anzahl der Kinder: 0, 1, 2, 3, >3, keine Angabe) oder frei (z. B. Alter) gegeben werden. Generell genutzte Betreuungsmöglichkeiten und die Betreuung während der FGT wurden mittels vorgegebener Antwortoptionen erfragt. Zusätzlich wurden Teilnehmende gebeten die (ungefähren) Kosten einzuschätzen, die durch die Betreuung während der Teilnahme an einer FGT entstanden sind. Einige Fragen erfassten Einstellungen zu optionalen familienfreundlichen Maßnahmen auf einer FGT anhand unterschiedlich ausgeprägter Ratingskalen (Tabelle 1). Da bisher die FGT immer auf die Zeit von Christi Himmelfahrt im Mai festgelegt war und dies potenziell eine Schwierigkeit (z. B. da Kindergärten geschlossen sind) bzw. einen Vorteil (z. B. anderes Elternteil hat frei und kann die Kinderbetreuung übernehmen) für die Kinderbetreuung darstellen könnte, wurde auch erfragt, in welchem Monat die FGT abgehalten werden sollte. Wünsche für eine Kinderbetreuung während der FGT wurden mit einer offenen Frage erfasst (Was müsste passieren, damit Sie Ihr/e Kind/er auf die FG-Tagung mitbringen?). Auch wurden Teilnehmende gebeten, ihre finanzielle Investitionsbereitschaft für eine familienfreundliche FGT in einem offenen Antwortfeld anzugeben. Der Wortlaut der einzelnen Fragen im Online-Fragebogen und die jeweiligen Antwortformate mit Antwortoptionen sind im Elektronischen Supplement ESM 1 (Tabelle E1) dargestellt.

Statistik

Die Datenauswertung erfolgte mithilfe des IBM-Statistikprogramms SPSS (Version 20). Aufgrund der Voreinstellungen im Online-Fragebogen waren fehlende Werte nicht zulässig. Optional konnten die Teilnehmenden „keine Angaben“ bei den Fragen zu einer familienfreundlicheren Kongressgestaltung machen.

Es wurden Median und Interquartilabstand für alle Ratingfragen berechnet (siehe Tabelle 1). Um unterschiedliche Bedarfe und Einstellungen in Abhängigkeit vom Alter und Vorhandensein von Kindern sichtbar zu machen, wurden die Teilnehmenden in vier Gruppen aufgeteilt: 1) Teilnehmende ohne Kind, 2) mit mind. einem Kind im Säuglings- bis. Kleinkindalter (1. – 3. Lebensjahr), 3) mit mind. einem Kind ab Kindergarten- bis Grundschulalter (4. Bis 10./11. Lebensjahr) und 4) mit mind. einem Kind älter als Grundschulalter (ab 10./11. Lebensjahr). Aufgrund der Datenstruktur und -verteilung, v. a. nicht Normalverteilung der erhobenen Merkmale, diente der H-Test von Kruskal und Wallis als verteilungsfreies Verfahren der Überprüfung statistischer Unterschiede im Zwischengruppenvergleichen und über alle Teilnehmendengruppen (Bortz & Lienert, 2003). Subgruppenvergleiche werden ausschließlich deskriptiv und augenscheinvalide beschrieben.

Ergebnisse

Teilnehmende

Es nahmen insgesamt 143 FG-Mitglieder (Grundgesamtheit 779 Mitglieder zum damaligen Zeitpunkt, Rücklaufquote: 18.36 %; 72 % weiblich; Alter: M = 39.06 Jahre, SD = 0.84; Bandbreite: 25 – 74) an der Umfrage teil, davon überwiegend Post-Docs (55 %), gefolgt von W2-Professor_innen (20 %) und Doktorand_innen (15 %). Von den 94 Teilnehmenden mit Kind (ca. 66 %) hatte der überwiegende Teil (88 %) ein oder zwei Kinder im Alter eines Säuglings bzw. Kleinkindes (1. – 3. Lebensjahr; ca. 51 %) oder Grundschulkindes (1. – 10./11. Lebensjahr; ca. 37 %), und ein kleinerer Teil ältere Kinder (> 10./11. Lebensjahr; ca. 12 %). Nur wenige Teilnehmende waren alleinerziehend (ca. 3 %). Von der Option „keine Angabe“ machten 40 Teilnehmende Gebrauch bei der Frage, Kinder auf die nächste FG-Tagung mitzubringen. Bezüglich des Bedarfs an ein Spielzimmer machten 31 Teilnehmende keine Angabe. Zwischen 17 – 20 Teilnehmende machten keine Angaben zu einem Bedarf an professioneller Kinderbetreuung, Informationen zu familienorientierten Angeboten, Möglichkeiten der Vernetzung mit andere Familien, einem familienoffenen Gesellschaftsabend und familienfreundlichen Aktivitäten. Alle Teilnehmenden, die zu diesen Fragen keine Angaben machten, hatte keine Kinder.

Quantitative Ergebnisse

FG-Teilnahme

Von den Teilnehmenden gaben 65 Personen an (ca. 45 %) mind. ein Mal eine FG-Tagung aufgrund familiärer Verpflichtungen abgesagt zu haben. Die Häufigkeit der Absagen aufgrund familiärer Verpflichtungen war insgesamt höher in der Gruppe der Frauen (50 Teilnehmende; ca. 77 %) versus Männer (15 Teilnehmende). Häufige Absagen betrafen vor allem die Gruppe mit sehr jungen Kindern (53 Teilnehmende mit Kindern im Säuglings- bis Grundschulalter) im Vergleich zu Teilnehmenden mit älteren Kindern (9 Teilnehmende mit Kindern > 10./11. Lebensjahr) oder ohne Kinder (3 Teilnehmende) (Chi-Quadrat = 32.819, df = 3, p < .001). Gleichfalls gaben 19 Personen an (ca. 13 %) mind. ein Kind schon mind. ein Mal auf eine FG-Tagung mitgebracht zu haben. Unabhängig von der (Nicht–)‌Notwendigkeit einer Kinderbetreuung, gab die überwiegende Anzahl der Teilnehmenden eine hohe Motivation zum Besuch der nächsten FG-Tagung an (Tabelle 1).

Betreuungsmöglichkeiten außerhalb und innerhalb der FG-Tagung

Im Allgemeinen, d. h. im beruflichen Alltag der Befragten, würden die Teilnehmenden der Umfrage als Betreuungsangebote primär eine professionelle Betreuung (z. B. Kita, ca. 53 %) und sekundär private Unterstützung (z. B. Ehe- / Partner_innen und Großeltern, ca. 30 %) nutzen. Dabei steige die Inanspruchnahme dieser Betreuungsoption in der Subgruppe der Teilnehmenden mit mind. einem Kind bis Ende Grundschulalter (10./11.Lj.) deutlich an (z. B. professionelle Betreuung, ca. 75 %; familiäre Unterstützung, ca. 54 %). Während der FG-Tagung kehre sich das Bild um und es würde primär auf private Betreuungen (ca. 67 %) und erst sekundär auf professionelle Betreuungen (21 %) zurückgegriffen. Erneut steige die Inanspruchnahme in der Subgruppe der Teilnehmenden mit mind. einem Kind bis Ende Grundschulalter deutlich an (z. B. familiäre Unterstützung, ca. 80 %) wohingegen die professionelle Betreuung recht stabil bleibe (ca. 25 %). Fachkräfte zu Hause (z. B. Tagesmutter) würden in beiden Fällen kaum genutzt (ca. 3 – 5 %).

Zusätzliche Kosten bei FG-Tagungsteilnahme für Familien

Für die Teilnahme an einer FG-Tagung berichten die Teilnehmenden unmittelbar zusätzliche Kosten für Bahnfahrten oder Hotelunterbringung bei v. a. privater Betreuung von ein bis drei Kindern vor Ort in Höhe von im Mittel 193 € (SD = 140 €; Bandbreite: 20 € bis 500 €). Im offenen Antwortfeld weisen Teilnehmende darauf hin, dass gleichfalls der „Netto-Zeitaufwand“ v. a. bei inner-familiärer Betreuung nicht kalkulierbar sei, was insbesondere dann gelte, wenn (Ehe–) Partner_innen offiziell Urlaub bei ihrem Arbeitgeber beantragen müssen, um die gemeinsamen Kinder während der FG-Tagung zu betreuen.

Gestaltung einer familienfreundlicheren FG-Tagung

Die Motivation zur FG-Tagungsteilnahme im nächsten Jahr ebenso wie eine Motivationssteigerung zur FG-Teilnahme durch eine familienfreundlichere Kongressgestaltung zeigt sich zwischen den Teilnehmenden mit Kindern in den verschiedenen Altersbereichen sowie ohne Kinder im Mittel ausbalanciert. Der Wunsch, Kinder auf zukünftige FG-Tagungen mitzubringen, ist bei den Teilnehmenden mit Kindern im Säuglings- bis Ende Grundschulalter (1. – 10./11. Lebensjahr) stärker ausgeprägt als bei Teilnehmenden mit älteren Kindern (> 10./11. Lebensjahr) oder ohne Kinder.

Der Bedarf an familienfreundlichen Angeboten, professioneller Kinderbetreuung, Informationen zu familienorientierten Angeboten sowie Infrastruktur, und einem Spielzimmer, wird von Familien mit Kindern im Säuglings- bis Ende Grundschulalter (1. – 10./11. Lebensjahr) im Vergleich zu Familien mit älteren Kindern (> 10./11. Lebensjahr) höher angegeben. Der Bedarf an einem Stillzimmer, Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Familien auf dem Kongress, familienfreundlichen Aktivitäten und einem familienoffenen Gesellschaftsabend ist ebenfalls bei den Teilnehmenden mit einem Kind im Säuglings- bis Kleinkindalter am höchsten ausgeprägt. Auffällig ist, dass Teilnehmenden ohne Kinder den Bedarf an einer professionellen Kinderbetreuung, Informationen zu familienorientierten Angeboten und Infrastruktur, einem Spielzimmer und einem Stillzimmer ähnlich hoch wie Teilnehmende mit Kindern im Säuglings- bis Kleinkindalter angeben.

Unabhängig von der Frage, ob die Teilnehmenden Kinder hatten oder nicht, und bei vorhandenen Kindern von deren Alter, berichten die Teilnehmenden im jeweiligen Gruppenmittel den ausgeprägtesten Bedarf an einer kostenlosen Kongress-Partner_innenkarte (F‍(1.774, 3) = 26.934, p = .232) (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1 Motivation und Bedarf einer familienfreundlicheren Kongressgestaltung

Investitionsbereitschaft bzgl. einer familienfreundlicheren FG-Tagung

Insgesamt stimmten die Teilnehmenden einer familienfreundlicheren Kongressgestaltung eher zu (M = 5.35, SD = 1.70; Bandbreite: 1 = gar nicht; 7 = auf jeden Fall) und gaben an, im Mittel mit M = 39.89 Euro (SD = 31.88 €; Bandbreite: 0 – 150 €) dieses Anliegen auch finanziell unterstützen zu wollen.

Zeitliche Verlegung der FG-Tagung

Eine zeitliche Verlegung der FG-Tagung wurde als eher hilfreich erlebt (M = 5.19, SD = 2.36; Bandbreite: 1 = gar nicht; 7 = sehr). Als Wunschmonate zur Tagungsveranstaltung wurden am häufigsten die Monate Mai (29 %) und März (20 %) genannt, gefolgt vom September (14 %), Januar (11 %), Juni (8 %), April (7 %), Februar (6 %), Oktober (2 %) und November (1 %).

Qualitative Ergebnisse

Pros zur FG-Tagungsteilnahme mit Kind

Befürwortende einer FGT-Teilnahme mit Kind gaben an, dass eine familienfreundlichere Gestaltung der FGT die frühzeitige Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme an der FGT deutlich erleichtern würde, v. a. in Aussagen zu einem Bedarf an „professioneller Kinderbetreuung in den Kern-Kongresszeiten“. Außerdem könnten Eltern teilnehmen, die bislang aufgrund ihrerseits wahrgenommener unzureichender Familienfreundlichkeit ihre Teilnahme absagen mussten. Teilnehmende, die bislang trotz fehlender Angebote die FGT besuchten, berichteten, dass eine familienfreundlichere Gestaltung die Belastungen durch Multi-Tasking-Herausforderungen verringern würden. Dabei erscheint wichtig, „dass entsprechende Räumlichkeiten wie ein Spiel- oder Stillzimmer nicht nur vorhanden, sondern in der Nähe der Sitzungsräume sind, und so die Möglichkeit besteht, die Babys und Kinder altersentsprechend professionell und durch private Personen zu betreuen, vor allem bei schlechtem Wetter“.

Kontras zur FG-Tagungsteilnahme mit Kind

Nicht alle Teilnehmenden befürworteten eine familienfreundliche FGT. Die FGT wird als kinder- und familienfreie Zeit gewünscht, ein Ort zur Konzentration auf Berufliches, auf Forschung und soziales Netzwerken. Es wird das Bedürfnis nach einer klaren Trennung der Bereiche „Beruf“ und „Familie“ deutlich, z. B. in Aussagen wie „Ich möchte mich auf der Tagung ganz meinem Beruf widmen können und nicht durch ständiges Multitasking belastet werden“ oder „Ich möchte nicht mit Kindern auf Kongresse fahren – das finde ich nicht kindgerecht – das ist mein Beruf – ich fahre ja auch nicht auf Klassenfahrten / Kitaausflüge mit!“

Bedarfe zur FG-Tagungsteilnahme mit Kind

In den Aussagen der Teilnehmenden zeigten sich folgende Aspekte als bedeutsame Voraussetzung zur FG-Tagungsteilnahme mit Kind: Mit Blick auf die Arbeitgeber bzw. externe Förderer wurden von Teilnehmenden mit Kindern im Säuglings- bis Kleinkindalter (1. – 3. Lebensjahr) Angebote zur Reisekostenübernahme für v. a. private Betreuungen gewünscht. Das Einlassen auf eine professionelle Betreuung wird in diesem Alter als schwierig angesehen. Auch wurde gewünscht, dass ein Raum für private Betreuungen angeboten wird, in dem sich z. B. Familienangehörige wie Ehe- / Partner_innen und Großeltern in der Betreuung der Kinder treffen können. Kostenreduzierte Übernachtungskontingente für Familien erschienen förderlich, ebenso wie Arbeitsmöglichkeiten (z. B. Tisch- und Sitzgelegenheiten, kostenfreier Internetzugang) auch für v. a. private betreuende Personen. Im Falle einer professionellen Betreuung, wurden gut belüfteten Räumlichkeiten und auch Außen-Aktivitäten bei motivierter und fachkundiger Betreuung bis in die Abendstunden gewünscht.

Kontroverse zur FG an Feiertagen

Die Ausrichtung der FG an einem Feiertag wurde kritisch gesehen. Mit Blick auf die zukünftige Organisation der FG-Tagung betonten die Teilnehmenden, die FG-Tagung nicht an einem Feiertag auszurichten, der als „Familienzeit“ gewertet wird. Das Spannungsfeld in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigte sich auch in Äußerungen wie „Ich will meine Kinder nicht zur Arbeit mitnehmen, sondern an Feiertagen keine Kongresse besuchen müssen!“.

Kultur einer FG-Tagungsteilnahme mit Kind

Ein Themenbereich, der sich quer zu den qualitativen Aussagen von Pros und Kontras einer FG-Tagungsteilnahme mit Kind ergab, ist die Frage nach der aktuell gelebten und zukünftig gewünschten familienfreundlicheren Kongresskultur. Sie ermöglicht eine differenziertere Betrachtung der Pros und Kontras einer FG-Tagungsteilnahme mit Kind, da es bisher „noch gar keine Kultur dafür gibt“. So zeigten sich skeptische Vorannahmen wie z. B. „Ich habe das Gefühl, dass es unter der Kolleg_innenschaft nicht gern gesehen wird, wenn Eltern ihre Kinder mitbringen.“ oder „Es wird als fast etwas unprofessionell bewertet, wenn Eltern auf beruflichen Tagungen ihre Arbeit mit familiären Verpflichtungen vermischen.“

Die folgenden drei Aussagen mögen ein Fazit anbieten: „Es müsste erwünscht sein und dürfte nicht nachteilig ausgelegt werden, wenn Eltern sich (aufgrund von Eltern-Kind-Zeiten auf dem Kongress) auch mal 1 – 2 Stunden zurückziehen, um sich dann wieder voll und ganz dem Kongress zu widmen.“, „Es müsste ein interessantes Angebot für die Kinder geben und es sollte bei vielen Kolleg_innen üblich sein Kinder mitzubringen.“, und schließlich auch aus Sicht der Kinder: „Meine Tochter müsste die Tagung spannend finden und inkludiert werden.

Diskussion

Familienfreundliche Konferenzen können Eltern ermöglichen ihre wissenschaftliche Laufbahn weiter zu verfolgen, ein klares Signal der Inklusion, Solidarität und Unterstützung senden und so die Wahrnehmung der Wissenschaft als familienfreundliche Arbeitsumgebung stärken (Calisi, 2018). Die Ergebnisse unserer Befragung zum aktuellen Status der Familienfreundlichkeit und dem Bedarf nach Familienfreundlichkeit stehen im Einklang mit Diskussionen und Befragungen von Forschenden und wissenschaftlichen Berufsverbänden anderer Fachrichtungen (Bos et al., 2019; Calisi, 2018; Kass, Datta, Goumeniouk, Thomas & Berger, 2019). Ein hoher Anteil der teilnehmenden Eltern sagte den Besuch der FGT mind. einmal aus familiären Verpflichtungen ab. Dies verdeutlicht, welche Herausforderung die Kongressteilnahme für Eltern darstellen kann. Weiterhin nahmen bisher nur wenige Mitglieder ihre Kinder auf eine Tagung mit. Barrieren hierfür können logistischer, finanzieller oder kultureller Natur sein (siehe auch Bos et al. (2019))). Dabei werden viele in der Umfrage genannten Angebote als ähnlich wichtig bewertet, wobei deskriptiv der Partner_innenkarte und dem Spielzimmer die höchsten Werte zugeschrieben werden, das Stillzimmer, der familienoffene Gesellschaftsabend und die Vernetzung mit anderen Familien dagegen etwas geringer ausgeprägt sind. Die Werte für die meisten abgefragten Angebote liegen im mittleren Bereich der Ratingskala, die Daten weisen dabei eine hohe Varianz auf. Wichtig zu beachten sind dabei auch Stimmen von FG-Mitgliedern, die einer familienfreundlicheren Kongressgestaltung skeptisch gegenüberstehen.

Logistik und Finanzen

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Betreuung der Kinder während der FGT aktuell vornehmlich durch das private Umfeld geleistet und als kostenintensiv bewertet wird, da oftmals keine finanzielle Kostenerstattung für den Betreuungsaufwand während der Tagung zur Verfügung steht (Bos et al., 2019). Weiterhin konnte eine professionelle Betreuung am Heimatort nur in geringfügigem Maß genutzt werden, weil die Tagung einen Feiertag miteinschloss. Eine während der Tagung angebotene professionelle Betreuung könnte bei diesem Problem Abhilfe schaffen, ist aber in vielerlei Hinsicht herausfordernd. So ist sie sehr kostenintensiv und die Kosten werden in anderen Berufsverbänden häufig an die Konferenzteilnehmenden weitergegeben (Kass et al., 2019). Dennoch war die professionelle Kinderbetreuung in der Politikwissenschaft die am häufigsten angebotene familienfreundliche Maßnahme der ausrichtenden Organisationen (Bos et al., 2019). Im Einklang mit den Erfahrungen der FG Klinische Psychologie und Psychotherapie aus 2015, wurde mehrfach berichtet, dass Kinderbetreuungsservices auf Konferenzen nur geringfügig genutzt wurden (Bos et al., 2019; Kass et al., 2019). Dies wurde bisher hohen Kosten, ungünstigen Zeiten und Orten, sowie einer geringen Wahrnehmung des Angebots zugeschrieben (Bos et al., 2019). Herausfordernd ist sicherlich auch, dass ein solches Betreuungsangebot eine große Alterspanne abdecken müsste, um viele Personen zu erreichen. In unserer Umfrage gaben drei von vier Gruppen einen mittelhohen Bedarf an professioneller Betreuung an. Es wurden jedoch auch Zweifel geäußert, da insbesondere junge Kinder sehr betreuungsintensiv seien, aber sich nicht so einfach und schnell an eine fremde Betreuung gewöhnen. Die Elterngruppe mit älteren und einfacher zu betreuenden Kindern gab für diesen Bereich einen sehr geringen Bedarf an. Gegebenenfalls wären eine regelmäßige Bedarfsabfrage in Kombination mit frühestmöglicher Ankündigung und Beschreibung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten hilfreich. Auch könnten Ausrichtende die Implementierung solcher Services nur im Falle von Buchungen anbieten. Falls eigene Services oder Räumlichkeiten zu teuer für konferenzausrichtende Verbände sind, könnten auch Betreuungsangebote der Unterkünfte oder andere lokale möglicher Weise auch universitäre Betreuungsmöglichkeiten subventioniert werden. Alternativ könnten Kosten gespart werden, wenn Psychologiestudierende der ausrichtenden Universität oder des Veranstaltungsortes die Betreuung von (ggf. etwas älteren Kindern) übernehmen und dafür freien Eintritt zu Tagungsveranstaltungen erhalten.

Ein wesentlich kosteneffektiveres Angebot ist die kostenlose Partner_innenkarte. Sie würde eine privat organisierte Betreuung vor Ort erleichtern und eine flexible Einteilung der Arbeitszeiten beider Eltern oder anderer betreuender Personen ermöglichen. Allerdings würde dies eine Aufenthaltserlaubnis auf dem Konferenzgelände für Kinder voraussetzen, was bei anderen Berufsverbänden nicht immer gegeben war. So gibt es Berichte darüber, dass das Betreten der Ausstellungshallen aus versicherungstechnischen Gründen oder zum Schutz der Kinder explizit verboten war (Politik: Bos et al., 2019; Medizin: Kass et al., 2019). Bei Vorträgen und gesellschaftlichen Veranstaltungen sei das Mitbringen von Kindern eher erlaubt und Rückzugsmöglichkeiten für Stillende häufiger gegeben (Kass et al., 2019).

Auch durch eine veränderte Konferenzplanung und -durchführung könnte das Betreuungsproblem abgemildert werden. Hier wurden sowohl in der vorliegenden Umfrage als auch in anderen Fachbereichen die Forderung laut, Tagungen nicht an Wochenenden oder zu Ferienzeiten auszurichten, da professionelle Betreuungsmöglichkeiten am Heimatort zu dieser Zeit entfielen (Bos et al., 2019; Calisi, 2018). Auch in unserer Umfrage zeigte sich eine Verlegung der FG-Tagung auf einen anderen Zeitpunkt als den bisherigen Feiertag, vorzugsweise im Mai oder März, als eher wünschenswert, so dass in der FG bereits der Beschluss vorliegt die Tagung außerhalb von Ferienzeiten abzuhalten. Weiterhin wurde empfohlen die Dauer der Konferenzen knapp zu halten, Beiträge von Eltern zeitlich möglichst eng beieinander zu legen (Bos et al., 2019), oder Rabatte zu gewähren, wenn Konferenzen nur anteilig besucht werden können (Calisi, 2018). Von diesen Maßnahmen könnten auch Personen, die Angehörige pflegen, profitieren. Wenn möglich, wäre auch eine Berücksichtigung der Kernfamilienzeiten am Morgen und Abend wünschenswert.

Eine familienfreundliche Ausrichtung der Konferenzräumlichkeiten wäre insbesondere für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern und bei privater Betreuung vor Ort wünschenswert. Hier wird häufig der Bedarf an Rückzugsmöglichkeiten genannt. Orte zum Stillen und Füttern sollten einfach erreichbar, ruhig und sauber sein und günstigstenfalls über Möglichkeiten zum Säubern des Equipments und Kühlen der Nahrung verfügen. Auch wurde empfohlen Schließfächer zur Verfügung zu stellen, um das schwere Zubehör während des Konferenztags verstauen zu können (Calisi, 2018). Falls das Einrichten solcher Rückzugsmöglichkeiten zu kostenintensiv ist oder es nur wenige Stillkinder gibt, könnte eine stillfreundliche Kultur die Teilnahme von Müttern mit Babies fördern (siehe unten). Daneben wären anregende Spielbereiche für die betreuenden Personen und ihre Kinder hilfreich, z. B. einen Konferenzraum als kinderfreundliches Spiel- und / oder Tobezimmer einrichten mit (gebrauchtem / gespendetem) Spielzeug und Matten.

Kultur

Unsere Umfrage ergab einen Bedarf für familienfreundliche Maßnahmen, aber nicht alle Befragten sprachen sich für eine familiennahe Konferenzgestaltung aus. Auch hatten einige Teilnehmende Bedenken als unprofessionell bewertet zu werden, wenn sie ihr Kind mit zur FGT brächten. Eine von ausrichtenden Organisationen geschaffene familienfreundliche Atmosphäre könnte diesen Bedenken entgegenwirken. Hierfür werden in der Literatur einige kostengünstige Maßnahmen vorgeschlagen. Beispielsweise könnten Familien in der Kommunikation und Außendarstellung der Veranstaltung stärker berücksichtigt werden. Schon beim Aufruf zur Beitragseinreichung könnte die Tagung als familienfreundlich gekennzeichnet werden (siehe Bos et al. (2019)). Der Wunsch Familien zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie zu verbessern könnte genannt und familienfreundliche Maßnahmen explizit aufgeführt werden. Informationen über familienfreundliche Beschäftigungsmöglichkeiten (z. B. nahe gelegene Spielplätze) und familienfreundliche Cafés oder Restaurants in der Nähe des Kongresszentrums könnten dargestellt werden. Organisierende Institutionen könnten sich explizit für das Stillen während Vorträgen und Gesellschaftsabenden aussprechen (Kass et al., 2019). Zur Förderung der Integration von Kindern auf Tagungen könnten Registrierungsschalter für Kinder eingerichtet (damit sie beispielsweise ihr eigenes Batch bekommen und gestalten können) und der Gesellschaftsabend für Familien geöffnet werden (Bos et al., 2019). Vorgeschlagen wurde auch während der gesamten Tagungsplanung und -durchführung eine Person / ein Komitee zu beauftragen Ideen für eine familienfreundliche Gestaltung einzubringen und umzusetzen (Bos et al., 2019; Kass et al., 2019). Diese Person / ‌Team / Komitee könnte Ansprechpartner:In/nen für Familien sein und Richtlinien und Angebote an Teilnehmende kommunizieren, sowie eine (digitale) Vernetzung von Eltern unterstützen (bspw. über Chatforen auf der Tagungshompage). Solche Maßnahmen könnten einerseits Eltern während der Kongressteilnahme unterstützen und andererseits helfen Vorbehalte gegenüber der Teilnahme von Eltern mit Kindern aufzulösen. Sicherlich bedarf es auch der Erfahrung der Bereicherung, sowie des Ausbleibens erwarteter Kosten (zum Beispiel durch mögliche Störungen im Ablauf), um Bedenken zu verringern. Schließlich können Konferenzorganisierende von einem Anstieg der Teilnehmenden profitieren, da Umsätze erhöht und die Bindung an die FG verstärkt würde. Familienoffene Tagungen würden das Spektrum von Ideen und Erfahrungen erweitern und damit inspirierend für alle Teilnehmenden werden (Calisi, 2018).

Neben den ausrichtenden Organisationen können Veränderungen auch durch individuelles Verhalten und institutionelle Entscheidungen bewegt werden. Universitäten könnten Stipendien vergeben, um die Mitnahme von Kindern und deren Betreuungspersonen zu finanzieren oder schon vorhandene Kinderbetreuungsservices für Konferenzteilnahmen ausbauen. Die Förderung von Dienstreisen könnte flexibilisiert werden, sodass Nachwuchswissenschaftler_innen / Eltern einen bestimmten Betrag beispielsweise über einen größeren Zeitraum einlösen können (Bos et al., 2019).

Begrenzungen

Die Ergebnisse unserer Umfrage müssen aufgrund der eingeschränkten Rücklaufquote, ihres wahrscheinlich hohen Selektionsbias und der kleinen Gruppengrößen, v. a. in den berichteten Substichproben, als explorativ angesehen werden. Insbesondere die Angaben von Personen ohne Kind und mit Wunsch an eine familienfreundlichere FG-Tagung sind wenig eindeutig interpretierbar. Da es sich jedoch im Mittel um jüngere Wissenschaftler_innen handelt, ist davon auszugehen, dass die Beantwortung der Umfrage mit Blick auf eine berufliche Zukunft mit Kind erfolgte. Zukünftige Umfragen mit Erfassung der Grundgesamtheit der FG-Mitglieder, expliziter Adressierung von Personen ohne Kinder, Pflegenden, sowie der kulturellen Diversität (Pro’s, Kontra’s) mit Blick auf eine familienfreundlichere FG-Gestaltung sind daher wünschenswert. Dennoch zeigen sie auf, dass die Lebenssituationen und Bedarfe von Familien verschieden sind. Eine familienfreundliche Tagungsgestaltung erfordert daher eine gute und fortbestehende wechselseitige Kommunikation, sowie individuelle und kreative Lösungen. Das hohe Interesse an und Bedürfnis nach familienfreundlichen Maßnahmen spiegeln sich in dem Versuch familienfreundliche Maßnahmen auf FGTs zu implementieren und die Bereitwilligkeit der Teilnehmenden Familienfreundlichkeit (auch finanziell) zu unterstützen zu wollen.

Zusammenfassung und Ausblick

Ziel der Umfrage war es den Bedarf, die Wünsche und die Erwartungen an familienfreundliche Maßnahmen bei FGT zu erfassen. Die Ergebnisse weisen auf einen klaren Bedarf an Maßnahmen hin, insbesondere bei Eltern von jüngeren Kindern bis ins Grundschulalter. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse auch die Ambivalenz in Einstellungen zu familienfreundlichen Maßnahmen innerhalb der FG. Auf dieser Basis empfehlen wir die Implementierung von leicht-umsetzbaren, nicht-kostenintensiven Maßnahmen auf den nächsten FG-Tagungen. Unsere Empfehlungen haben wir komprimiert in einer Checkliste für tagungsausrichtende Institutionen zusammengefasst (siehe Anhang). Die Umsetzung solcher Empfehlungen könnte Eltern bei der Kongressteilnahme entlasten, eine familienfreundliche Kultur fördern und einen weiteren Schritt in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Forschung bedeuten.

Wir glauben, dass eine positive Entwicklung am wahrscheinlichsten ist, wenn eine Veränderung möglichst gemeinschaftlich von verschiedenen Ebenen initiiert wird. Beispielsweise können konferenzausrichtende Verbände sich einer höheren Familienfreundlichkeit verschreiben, Eltern und Arbeitgeber_innen auf den Bedarf aufmerksam machen und Institutionen ihre Förderlinien anpassen.

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Anhang

Checkliste: Familienfreundliche Tagungen und Konferenzen

Kultur und Kommunikation

Logistik und weitere Maßnahmen